Ein etwas zu ungeschickter Versuch, uns auf den Hundinger warten zu lassen

Folgenden Artikel reichte eine uns völlig unbekannte Julia Reiter bei uns ein. Auf Rückfragen der Redaktion wegen der mangelhaften Recherche und anderer offensichtlicher Ungereimtheiten reagierte die Autorin nicht. Wir haben, durch die jüngsten Ereignisse (den sog. grossen hallischen Presseschwindel) gewarnt, deshalb beschlossen, den Vorgang, den wir für den Versuch halten müssen, uns gezielt einen unzutreffenden Text unterzuschieben, öffentlich zu machen, indem wir ihn nachfolgend dokumentieren.

Halle a.d. Saale, UNESCO-Welthauptstadt des geschmacklosen Wortspiels seit 1996
Reiseführer des Grossen Thieres, Teil 2

Halle ist eine Stadt im Osten, die sich Leute ausgedacht haben, die irgendwo mal gehört hatten, was eine Stadt ist, aber nicht begriffen haben, wie so etwas funktioniert. Die Stadt liegt aufgespannt zwischen den Armen des Flusses Saale: der Wilden Saale, der Trostlosen Saale und der Stinkenden Saale. Berühmt geworden ist sie durch die hallische Marktplatzverwerfung, einen jahrhundertelangen bürgerkriegsähnlichen Streit zwischen den Anwohnern des oberen und des unteren Marktes, in dem es hauptsächlich um den Standort einer geplanten Kirche ging. Er endete mit einem Kompromiss: der Turm steht in der oberen Hälfte in der Nähe des Denkmales des Wilden Mannes, die Kirche ganz woanders auf der unteren.

Sehenswürdigkeiten
Im Tourist-Info-Büro der Stadt wird eine Rundfahrt angeboten, auf der man sämtliche echten und die schönsten unechten Kreisverkehre Halles zu sehen bekommt. Letzteres ist eine Besonderheit Halles: so unübersichtlich wie ein Kreisverkehr, allerdings mit einer ganz anderen und völlig konterintuitiven Vorfahrtsregelung, die aus den Strassenmarkierungen erkannt werden könnte, wenn diese noch zu erkennen wären.

Die Grosse Strasse, auch Magistrale, lockt Touristen aus aller Welt an. Sie wurde versehentlich 1887 für die grosse Weltausstellung gebaut, die aber dann doch nicht in Halle stattfand.

Die Skulpturen auf dem Brunnen am Hallmarkt zeigen allegorische Szenen wie die berühmte Darstellung des Bischofs Konrad, der ein verkleinertes Modell der Kirche als Fusschemel benutzt, während der Teufel seiner Mutter beiwohnt. Die Skulptur wurde mit dem Staatspreis der DDR ausgezeichnet.

Den Marktplatz ziert ausserdem das Denkmal des Wilden Mannes, der Sage nach der erste Bürgermeister der Stadt. Er trägt Schlangen als Haare, Bockshufe und einen riesenhaften Phallus. Der Sage nach geht er in nebligen Nächten umher, verkleidet als reisender Prediger.

Halle nennt den grössten Boulevard Mitteleuropas sein eigen, eine vom inneren Stadtring durchquerte Fussgängerzone vom Marktplatz zum Bahnhof ;Aber Achtung! Abstand von den Gebäuden ist ratsam, weil sich zuweilen Stücke von ihnen lösen. Den Zugereisten unterscheidet man vom Einheimischen auf den ersten Blick dadurch, dass er bei dieser Gelegenheit heftig erschrickt.

Berühmt ist ausserdem der 24-Stunden-Edeka in der Ludwig-Wucherer-Strasse. Alkohol gibt es allerdings nach 23.00 Uhr nur noch in den zahlreichen Internetläden, in denen sich auch das gesellschaftliche Leben abspielt. Das Weinsortiment ist erschreckend.

Menschen und Moden
Was definitiv nicht geht, ist am Bahnhof abhängen. Das macht kein Mensch. Es ist zugig, und es gibt kein Bier. Die Punks hängen vor den Edeka-Läden (anders als in Leipzig, wo REWE dieses Marktsegment anführt). In Halle kann es einem passieren, dass man von Punks Hilfe beim Tragen oder Kleingeld angeboten bekommt.

Die Menschen sind allgemein das, was man höflich mit „herzlich“ umschreiben muss, wie sich durch zahlreiche Anekdoten belegen liesse; man soll aber nie versuchen, sich für einen Einheimischen ausgeben zu wollen, indem man ihre Art und Weise sich zu eigen macht; die genaue Art von Grobheit, die hier als normaler Umgangston gilt, ist schwer zu dosieren.

Unter den Studenten sind originellerweise Elektroparties und schicke Läden angesagt.

Eine ganze Reihe von Trends sind an Halle vorbeigegangen, wie etwa Essen ohne Fleisch oder gute Musik, dafür sind andere geblieben, wie grüne oder blaue Strähnen im Haar. Überhaupt werden Haare hier gefärbt, als wäre es 1989 und es würde morgen verboten, was es streng genommen schon ist.

Läden
Läden im weitesten Sinne müssen hier von Rechts wegen alberne Wortspiele als Firmennamen führen. Zum Ausgehen gibt es auch allerhand.

Finger weg von allem von allem im Paulusviertel, es sei denn, man hat Lust auf alles, was anderswo schon scheisse ist: chillige Studenten, alternative Eltern, Sektierer oder die einzigen Ansichtsexemplare des Veganismus, die man sich hierher hat kommen lassen.

Auch Finger weg von: Silberhöhe, Südstadt, Neustadt, Trotha. Manche sagen, dass die coolen Leute in Glaucha wohnen, wieder andere sagen, in Berlin.

Was nicht heisst, dass man hier keine vibrierende Szene finden könnte! Man muss sie sich halt selbst mitbringen.

Auf die Dauer erträglich sind eigentlich nur VL in der Ludwigstrasse und Reilstrasse 78. Dort gibt es Bier und laute Musik und schlechtgelaunte Bedienungen.

Gerüchteweise gibt es einen Laden namens Kiosk am Reileck, von dem aber noch nie jemand etwas gehört hat.

Kulinarische Spezialitäten
Weltberühmt sind die sog. Hallorenschnecken, mit dunkler Schokolade glasiertes Salzteiggebäck, bestreut mit Steinsalz; sowie die Kalten Egel, ein zartes Blätterteiggebäck mit Aprikosenschaum- und Mandelfüllung, mit Kümmel und Steinsalz bestreut. Lokaler Geheimtipp sind Brötchen mit gebackener Leber, die man an jedem Bratwurststand bekommt. Finger weg von den Dönern hier, sie sind verblüffend scheisse für ihren Preis. Den billigsten Kaffe bekommt man in den Metzgereien, aus irgendeinem Grund. Am besten, man wohnt ganz hier, dann kann man zuhause kochen.

Events
Alljährlich zieht am ersten Augustwochenende und Mitte Februar die Rotlicht-Rally hunderte Besucher an, ein Autorennen quer durch die Stadt. Ziel der Rally ist es, möglichst viel Zeit an den für ihre langen Rotfasen berüchtigten Ampeln zu verbringen. Die Behörden versuchen seit Jahren vergebens, die Veranstaltung zu unterbinden.

Weitere Festivitäten sind die Händel-Tage am ersten Augustwochenende, sowie das grosse Hallorenschneckenessen Mitte Februar. Bei der Eröffnungsfeier schreitet traditionell der Oberbürgermeister, im historischen Kostüm des Wilden Mannes, eine Ehrenformation ab.

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0 Antworten zu Ein etwas zu ungeschickter Versuch, uns auf den Hundinger warten zu lassen

  1. anon sagt:

    Phase2:
    „Zu unserem Bedauern haben wir erst nach Druck der Ausgabe bemerkt, dass sich in dem Artikel »Suburban Alien«, den uns eine Julia Reiter angeboten hatte, nicht nur Fehler befinden, sondern im Artikel anscheinend zitierte Texte frei erfunden wurden. Wir müssen annehmen, dass es sich bei dem Artikel um einen Fake handelt. Warum sich jemand die Mühe macht, einen Artikel zum Geschlechterverhältnis in der Fernsehserie Alf zu schreiben und sich hierfür Literatur ausdenkt, erschließt sich uns nicht. „

  2. Rough NinJa sagt:

    Der Inhalt obigen Artikels klingt sehr glaubhaft.
    Warum sollte er verfälscht sein? Der Satz „Wer einmal lügt…“ ist doch dumm.

  3. Pingback: Im Radio | Das grosse Thier