Ist das noch Polizei-Intrige, oder ist das schon Hetze?
Die Welt zum bevorstehenden Silvester:
Sie wollen es offenbar tatsächlich wieder versuchen. Diesen Verdacht legen jedenfalls die Worte des Kölner Polizeipräsidenten Uwe Jacob nahe. Der ließ diese Woche keinen Zweifel zu: An Silvester erwartet Kölns Polizei erneut mindestens viele Hundert, vielleicht Tausende junge Männer „aus Flüchtlingsunterkünften“…
Ein Jahr später, zu Silvester 2016/17, geschah es um ein Haar erneut.
Wieder versuchten rund 2000 meist junge arabische und mittelasiatische Männer, den Domplatz zu belagern. Wieder beobachtete die Polizei Konfliktbereitschaft und Aggressivität bei einem Großteil der Angereisten. Gut denkbar, dass sie an die Vorjahrs-Ereignisse anknüpfen wollten, so bilanzierte eine später eingesetzte Sonderkommission. Brachten sie damit nicht eine Tradition der Schande in Gang? So fragten und mutmaßten auch manche Kommentatoren erschüttert.
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Immerhin aber war die Polizei beim zweiten Mal besser vorbereitet. Und konnte massenhafte Übergriffe verhindern. Und nun also zum dritten Mal: Mit 1400 Beamten, 400 privaten Sicherheitskräften und Null-Toleranz-Strategie will sie in zwei Wochen verhindern, dass sich zum dritten Mal hintereinander eine große Gruppe junger, männlicher Migranten zu Silvester an diesem Tatort versammelt. Dabei geht es bei Weitem nicht nur darum, Straftaten zu unterbinden. Nein, es geht darum, der deutschen Öffentlichkeit eine drohende Zumutung zu ersparen: den Verdacht, da werde fast schon eine Art Wallfahrtsort des orientalisch getönten Sexismus’ errichtet.“
Nur echt mit dem Apostroph auf „Sexismus“ in der letzten Zeile.
Arabische und „mittelasiatische“ Männer (Nordafrikaner waren wohl letztes Jahr schon kaum da), die „versuchen“, ausgerechnet den „Domplatz zu belagern“; „gut denkbar“, „offenbar“, der „Verdacht, da werde schon fast“. Allerhand Gemurmel, und viele Fragen, die sich die Kommentatoren „erschüttert“ stellen.
Nach letztem Silvester hatte die Kölner Polizei beinahe schon geschafft, ohne Verschwörungstheorien auszukommen:
Köln werde unter den jungen Männern im arabischen Raum als „einzig wahre Metropole in Mitteleuropa wahrgenommen“, berichtet Carsten Dübbers, Leiter der Führungsstelle der Polizei, Mitglied der AG Silvester und promovierter Soziologe. Köln genieße unter den Männern einen Ruf als Event-Hauptstadt. „Viele haben Köln bei ihrer Ankunft in Deutschland bereits als Drehkreuz kennengelernt, von dem aus sie dann vielfach in Unterkünfte in andere Städte verteilt worden sind“, sagt Dübbers.
Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies stellt am Abend bei der Diskussionsveranstaltung „frank & frei“ folgenden Vergleich an: „Köln hat für Menschen aus diesen bestimmten Bereichen die gleiche Attraktivität, wie etwa New York sie für uns hat.“
Kripo-Chef Stephan Becker hat zuvor schon einen weiteren Grund für die offenbar hohe Anziehungskraft der Stadt genannt: „Köln ist wegen der zentralen Lage in Mitteleuropa und der günstigen Verkehrsanbindungen sehr interessant für diese Gruppe.“
Dass die Stadt bei arabischstämmigen Flüchtlingen und Asylbewerbern derart beliebt ist, hat auch die Polizei überrascht. Die Erkenntnis haben man aus ersten Interviews mit Wissenschaftlern gewonnen.
Das hindert sie aber nicht, jedes Jahr wieder dieselben Gerüchte und Mutmassungen ins Spiel zu werfen, natürlich vermittelst der beiden handhabbarsten Polizei-Medien „Welt“ und „Bild“. Ein Interesse, der Sache auf den Grund zu gehen, was denn an diesem Silvester 2015 wirklich schiefgelaufen ist, hat von diesen niemand.