Iran #4

Wann haben denn eigentlich die Konservativen den Situationismus entdeckt?

Auf Fox News hebt irgendso ein schlicker Dummkopf grade rühmend hervor, dass anders als 2009 diesmal nicht die Eliten demonstrieren, sondern es eine Bewegung von unten sei, die keine Anführer habe.

Es ist ja erfreulich, dass das Trump-Gesindel einstweilen, anders als Obama damals, noch nicht (ich sage noch nicht) aktiv gegen die iranische Revolution arbeitet. Bemerkenswert ist allerdings, wo sie die Rhetorik dazu ausleihen müssen.

Wer hat denn, ausser den Situationisten und dem letzten Hype, jemals behauptet, es sei ein Vorteil, keine Anführer zu haben? 2009 galt komischerweise als grosser Nachteil der Bewegung, dass sie eigentlich keine Anführer habe.

Die Trump-Fans von heute, voran Jürgen Elsässer (der bisher die Schnauze gehalten zu haben scheint, diesmal), fanden damals gerade die Methoden empörend, die heute als Ausweis des proletarischen Klassencharakters des Aufstands gelten: man macht nicht lang rum, sondern entwaffnet einen Polizeistützpunkt, oder brennt den Basij einfach die Hütte ab. Oder eine Bank oder was.

Das gabs damals auch schon alles. Unruhen in den Provinzstädten, in den Vorstädten, in den kleineren Städten gab es damals auch. Massive Beteiligung der Arbeiter, Streiks, Arbeitersabotage gabs damals auch.

Die jetzige Bewegung hat angefangen anlässlich der offiziellen Feierlichkeiten zum Jahrestag der Niederlage der letzten. Die jetzige Bewegung hat aber auch da angefangen, wo die letzte aufgehört hat. 2009 und 2010 wurden nach und nach, Woche für Woche, die verschiedensten Sektoren in den Aufstand hineingerissen, mit fast staunenswerter Präzision. Aber die Bewegung, anstatt sich aus den verschiedenen Sektoren zu ergänzen, hielt inne und verschwand in den Kulissen.

8 Jahre (eigentlich siebeneinhalb) danach tritt sie auf der anderen Seite wieder zu Tage, und sie nimmt den Kampf von Anfang an auf an derselben Stufe der Eskalation, wie er endete. Es ist in Wahrheit nichts vergessen. Es ist nichts beendet. Es ist alles nur viel schlimmer geworden.

Damals hat das alles keine Sau interessiert. Heute sind alle dabei. Alle reden sich dazu verschiedene Gründe ein. Gut, wenn sie wollen. Vielleicht ahnen sie, dass der jetzige politische Zyklus mit 2009 angefangen hat, und dass es vielleicht kein Zufall ist, dass seither allen alles schiefgeht. Es gibt, erstaunlich genug, offenbar inner noch eine Instanz, die um ihren Anteil nicht betrogen werden kann, so wie geschireben steht:

—                            Sie spricht mit dreistem Prophezein
So gut wie weiland euer Gott: Ich war, ich bin – ich werde sein!

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