Was ist denn eigentlich das Ding an diesem Text Being a Bat von Felix Bartels? Anscheinend lesen den alle, und weil der so schön schreibt, fragt keiner, wie denn so etwas geht:
Was also bedeutet Ideologiekritik? Zunächst mal tatsächlich, die Welt nicht als Welt, sondern als falsches Bewusstsein von ihr zu erfassen. Das Verfahren geht auf Marx zurück, wie auch der Begriff der Ideologie selbst (der früher schon vom Comte de Tracy verwendete Ausdruck hat eine andere Bedeutung und darf hier ausgeklammert bleiben). Ideologiekritik war für Marx eine Art Propädeutikum, ehe er in der Reifephase zunehmend auf die Welt selbst kam. Sein gesamtes Frühwerk ist ja davon gezeichnet, dass er sich vom als subjektiven Idealisten missdeuteten Hegel freimacht und nicht einfach frei von ihm ist. Und während bei Marx Ideologiekritik dem Materialismus vorausgeht, ist das bei den heutigen Ideologiekritikern interessanterweise umgekehrt. Sie haben meist einen marxistischen Hintergrund, kommen von der materialistischen Methode her, und enden als Ideologiekritiker.
Kann man Ideologiekritik wirklich von den Aussagen über die wirkliche Welt abtrennen? Unter welchen Bedingungen kann man denn überhaupt Aussagen über diese wirkliche Welt machen? Unter Vermittlung des Geistes. Dessen Erzeugnisse erscheinen in diesem Verhätnis dann als etwas primäres, und die „wirkliche Welt“ als von diesem bestimmt oder produziert. Im Verhältnis zur Natur fallen wir darauf natürlich nicht herein (or do we?), aber im Verhältnis zu den gesellschaftlichen Tatsachen geht es um lauter Sachen, die von Menschen produziert werden, und zwar unter Benutzung gerade des selben Geistes. Über solche Tatsachen lässt sich nichts aussagen, was nicht auch eine ideologiekritische Bedeutung hat. Der Witz ist ja, dass es nicht nur eine solche hat, sondern (ich möchte fast sagen unmittelbar) eine real-kritische.
Das ist eigentlich eine (ich möchte fast sagen:) Grundeinsicht der kritischen Theorie, im weitesten Sinne, und trotzdem fallen mir wenige ein, die Ideologiekritik derart im strengen Sinne verstanden hätten. Manfred Dahlmann wäre der erste Name unter den Lebenden gewesen, der mir eingefallen wäre, aber der ist ja nun tot. Der hätte sich eher die Zunge abgebissen, als Ideologiekritik als so eine Art Propädeutik zu fassen.
Felix Bartels tut aber noch etwas anderes, um das kritische Kind mitsamt dem ideologiekritischen Bade ganz beruhigt ausschütten zu dürfen. Er nimmt den Bahamas ihren Anspruch, dass sie wirklich Ideologiekritik betrieben, ganz einfach und ohne zu fragen auch ab. Und das tun sie gar nicht. Es fällt ihm schon auch auf, dass die schon lange nicht mehr über wirkliche Dinge reden wollen, sondern nur darüber, wie andere Leute über diese Dinge reden. Er findet sich aber anscheinend damit ab, das sei nun (formal) Ideologekritik.
Stattdessen könnte man auch sagen: nein, sondern das ist ganz genau dasselbe, was man landläufig meint, wenn man „postmodern“ sagt. Ein Haufen Leute, die gar keine ernsthaft als sachbezogene gemeinten Aussagen austauschen, sondern Aussagen über Aussagen. Statt zu schauen, was z.B. in Ägypten passiert, schaut man, was die Zeitung drüber schreibt, und dann leitet man aus dem, was die Zeitung sonst noch so schreibt, ab, was man dann von Ägypten halten soll. Oder, wenn man z.B. Magnus Klaue ist, schreibt man das ensprechende Feuilleton, das alle abschreiben, gleich selbst.
Felix Bartels scheint der Unterschied wurst zu sein, den verbliebenen Antideutschen oder materialistischen Kritiker oder wie sie sich nennen, sollte das nicht egal sein. Die sogenannte ideologiekritische Schule, auch die wiener, steht vor grösseren Anstrengungen, wenn sie nicht einfach untergehen will. Man kann nicht glauben, dass man unter solchen Umständen ruhig ein Blatt wie die Sans Phrase vollschreiben kann, unangefochten; weil man wird angefochten, und man wird angefochten werden, und wenn ihr eure eigene Kritik nicht selbst in die Hand nehmt, dann müssen wir das tun. Oder ist es euch lieber, es bleibt nur noch die Wahl zwischen Felix Bartels und der Bahamas?
Das wäre in diesen Zeiten pure Verzweiflung und erlesene Dummheit, wenn man wieder (sic) auf so eine Masche, wie die von Bartels ventilierte, hereinfiele: also DDR-Apologie, Post-Stalinismus, Hacks-Manierismen, dann ist man auch schon bei Ulbricht, und für den Übergang ins rechte Lager bieten sich schließlich die auf Hacks und Ulbricht fast schon zwanghaft folgende Preußen-Verherrlichung und der ächt deutscher Klassizismus an. Auch das Bartels-Lager hat seinen Gorilla auf der Hollwood-Schaukel, man google mal, was aus seinem Verleger André Thiele geworden ist … Und wer hat noch mal die „Erklärung 2018“ unterschrieben? Ach, da steht ja auch der Hacks-Forscher Gunther Nickel.
Dass Bedürfnis, das Bartles in seinem langen Riemen artikuliert, nämlich einen festen Grund unter sich zu haben, der den jungen Kommunisten sicher trägt und ihn nicht aus der Bahn (nach rechts, aber, für Bartels vielleicht noch schlimmer: nach links) werfen wird, ist ja verständlich. Aber es ist absurd und weltfremd, sich auf den ML – egal wie sublimiert – zu beziehen (wem diese Bemerkung jetzt zu kryptisch ist, lese „Being a Bat“ komplett). Damit entzieht er sich selbst den so ersehnten sicheren Grund, denn er muss mit Setzungen arbeiten, diesen Tick dürfte er von Hacks sich abgeschaut haben, die einfach nicht durchzuhalten ist: Nein, das Frühwerk von Marx und Engels ist kein Propädeutikum (das wäre es nur in einer anmaßenden Rückprojektion); nein, er hat nicht als Ideologiekritiker angefangen, sondern als Journalist (und Engels schrieb die Großreportage über die Lage der arbeitenden Klasse in England); nein, das „Kapital“ redet nicht über „die Welt selbst“, sondern ist immer auch eine Abrechnung mit den Verfallsprodukten der ökonomischen Theorie und den Bewusstseinsformen der Insassen der bürgerlichen Gesellschaft – durchgehalten bis zur Polemik/Analyse der „Trinitarischen Formel“, ja – bis zur Kritik am Gothaer Programm und den Randglossen zu Wagner.
Vielleicht ist das Bedürfnis das Problem, nicht seine mangelhafte Bearbeitung im Antideutschtum oder Post-Stalinismus.
Und vielleicht ist Bartels himself in keinem „Milieu“ anzutreffen, es sei ihm gegönnt, aber seine Texte oder vielmehr seine Ideologeme gehören in die Welt von Nickel und Thiele, von Gossweiler, „Rotfuchs“, „offen-siv“ und SDAJ. Und in dieser Welt sollen taugliche Maßstäbe der Gesellschaftskritik erarbeitet worden sein? Was ist uns bloß entgangen in all den Jahren!
das kann man wahrscheinlich sagen.
Ich halte den Konflikt zwischen Ideologiekritik und Hans Heinz Holz(oder man mag auch ML sagen) für interessant. Ich denke, er geht aber tiefer als bloss auf eine Grundeinsicht der Kritischen Theorie, sondern zurück zu den Bedingungen auf denen beider Theorien fussen.
Die Antwort, die man Bartels geben müsste, ist nicht, dass er die Grundeinsicht der Ideologiekritik nicht beachtet(das bleibt Dogmatik), sondern der Nachweis, dass die theoretischen Bedingungen nichts anderes als die Kritische Theorie als Denkgebäude erlauben.
Das ist aber keine Antwort, die durch den Verweis auf Einsichten gegeben werden kann.
Auch die Frage von Setzungen sei erwähnt(ich nehme an, dabei geht es um Setzungen a priori?) ist an sich noch nichts Verwerfliches.
Meines Wissens lässt sich der Konflikt nur gerecht vermitteln, wenn man sich bewusst macht, wo Kant(und Hume!) herkommt und wie er sich von Leibniz unterscheidet; dadurch wäre man gezwungen nach Gründen ausserhalb eines Zirkelschlusses zu suchen. Dabei wäre zu reflektieren, dass nicht nur Leibniz mit einigen Bedingungen beginnt, sondern auch Kant. Erst von diesem Standpunkt aus, sollte man die Kritische Theorie und den HHH reflektieren.
Erst dann kann die Ablehnung, Einschränkung o.ä. des ML, der Ideologiekritik etc. pp. auf einer Grundlage erfolgen, die Willkür ,so gut es geht, reduziert.
In den theoretischen Bedingungen erst kommen politische Präferenzen zur Sprache. Denn dort kann die theoretische Grundlage und die politische Präferenz vermittelt werden.
Vorher läuft man Gefahr, auf theoretischer Ebene Scheingefechte auszutragen, indem man Theorie vorschützt, aber über Politik spricht. Dieses Verhalten benannte man nicht umsonst mit dem miefigen Wort Dogmatik.
fair enough. wenns natürlich auch gut wäre, wenn man diese andeutungen in einer vielleicht länger ausgeführten fassung sehen könnte.
Wie hätte dann die wahre Ideologiekritik, anders als die der Bahamas, auszusehen?
Die Bahamas schreibt schon viel über das was Zeitungen schreiben, aber bewegt sie sich nicht gerade dazwischen und dem was sie selbst aus den Zahlen liest? Misst dies aneinander?
„Misst dies aneinander?“ ? Auf dem zipfelklatscherhaften Niveau kann man nicht diskutieren. Ausserdem weiss ich nicht, um was es geht. Und hab auch keine Lust mehr auf diesen Mist.
Ich verstehe nicht woher deine Aufregung kommt. Ich will versuchen einfach meine Frage nochmal ausführlicher zu formulieren:
Du verwiest darauf, dass die Bahamas bloß über Geschriebenes von anderen schreibt.
Die Beobachtung kann ich ersteinmal bestätigen. Was mich interessiert hat ist zweierlei:
1. Ob du ein Beispiel der Ideologiekritik – und sei es nur irgendein Text mit zufälligem Thema der es anders macht – geben kannst, die nicht so arbeitet.
2. Ob das worüber die Bahamas schreibt – das Beispiel im Blogeintrag war Ägypten – häufig auf mindestens zwei Arten von Quellen bezug nimmt um zu einem Urteil zu kommen: das was andere sagen und Statistik (die den Gegenstand betreffen). Aus dem Abgrenzen von dem was andere Schreiben und dem was die Statistik selbst hergibt kommt es dann zum Urteil. Das wollte ich mit ‚aneinander messen‘ beschreiben.
Pingback: Ein Kommentar zur Enteignungsdebatte | Das grosse Thier