Siehe da, es wird sogar berichtet:
Wie erklärt er sich, dass Polizisten sich bedroht fühlten? „Vielleicht hatten sie Angst, weil wir so viele waren“, sagt er. Doch auch hier will er etwas korrigieren: Er sagt, dass nicht 150 Migranten vor dem Haus standen, sondern maximal 40. Man habe friedlich protestiert, Nein gerufen. „Wir wollten verhindern, dass unser Bruder nach Italien abgeschoben wird“, sagt er.
Bruder – so nennen hier viele jenen 23-jährigen Togoer, der nun in Abschiebehaft sitzt. Ehrauyi sagt das nicht, weil er den Mann so gut kennt. Sondern weil er weiß, wie das ist. Diese Furcht, die ihn nachts nicht schlafen lässt. Die in seine Gedanken kriecht und die einen Namen hat: Dublin.
Die Dublin-Regelung sieht vor, dass das Land, in dem Migranten zum ersten Mal europäischen Boden betreten haben, für das Asylverfahren zuständig ist -meist Italien. „95 Prozent der Afrikaner hier sind Dublin“, sagt Ehrauyi.
Drei Narben, kurz und dick
Dublin, Ehrauyi spuckt das Wort fast aus. Nach Italien wolle er nicht, dort gebe es keine Jobs. Die Flüchtlinge, sagt er, schlafen dort auf der Straße. „Dublin, dieses Gesetz frisst mich auf“, sagt er.
Weil es zerstört, wofür er kam. Wofür er so viel aufgab. Er floh über Libyen, wo ihm Schlimmes widerfahren sei. Er könne jetzt sein T-Shirt lüften, dann würde man die Narben sehen, sagt er, dann könne man sehen, was die Araber ihm angetan hätten.
Es ist offenbar auch heute noch möglich, wahrgenommen zu werden. Den Leuten in der Gegend sei empfohlen, an der Sache dranzubleiben! Man wird Unterstützer brauchen. Bei einer Demo wird man es nicht bewenden lassen können. Es wird eine grosse und ausdauernde gesellschaftliche Auseinandersetzung brauchen, um das Lagersystem zu besiegen.