von Thomas Troll
Ad Rechtspartei
Der Genosse Thomas Maul von der Bahamasfraktion ist im linken Diskurs vorbeigeschneit. Die junge Welt und das Neue Deutschland haben ihm einen Essay gewidmet, Linksantideutsche ziehen ihm in einer Flugschrift des Rechtsantideutschtums, in Kreuzberg gönnt man ihm sogar eines der antiimperialistischen Straßentransparente. Grund ist, dass ihm die AfD als die Restvernunft im deutschen Parlament erscheint. Vor allem, weil sie die „verfehlte Integrations- und Migrationspolitikpolitik“ der Regierung Merkel bekämpft. Der Kerl ist dabei recht drucksig und traut sich bei aller sog. Provokationslust noch nicht so recht. Er kokettiert nur mit der AfD, will aber kein AfD-Fanboy sein. Das ist schon bei der AfD selbst nicht anders. Sie ist nicht der Widergänger des Faschismus, sie kokettiert nur mit dem Faschismus. Thomas Maul und seine Zeitung Bahamas brauchen lange mit ihrem Coming Out, aber auch die Krise in Deutschland braucht lange und so hat alles seine Ordnung. Einige rassistische Äußerungen einer ehemaligen italienischen Partisanin, Oriana Fallaci, waren schon vor Jahren Anlass, faschistisches Gedankengut mal anzutesten und heute sagt diese Zeitung ganz offen, dass sie sich freut, wenn AfDler zu ihrer Kundgebung kommen, da die “Mehrheit ihrer Wähler und immerhin manche ihrer Funktionäre für die Wahrheit noch erreichbar sein müssten“. Umgekehrt kokettiert auch der Anführer der Identitären Bewegung im Österreich, Martin Sellner, mit der Bahamas. True love.
Lange Rede, kurzer Sinn. Soll doch Thomas Maul die Alternative für Deutschland wählen. Es ist nicht verboten und es wird ihm gut tun.
Ad Linkspartei
Ein anderer Genosse sieht in der Linkspartei und dort genauer in Sahra Wagenknecht die Restvernunft walten. Antinationales Flüchtlingsgetue ist ihm egal und die eigenwillige Fronde des linken Regierungsflügels (Kipping, Ramelow, etc.), der zusammen mit Linksradikalen und Trotzkisten gegen Wagenknechts Flügel opponiert, ist ihm zuwider. Tatsächlich ist es seltsam, wie der linke Flügel der Linken vom liberalen Flügel als der rechte Flügel denunziert wird, als ob Bodo Ramelow nicht auch Romafamilien ausschaffen lassen würde. Die verkniffene Kipping andererseits rückt auch sofort von ihrer Forderung nach offenen Grenzen ab, wenn sie gefragt wird: „Meiner Meinung nach geht es beim Thema Bewegungsfreiheit um eine Haltungsfrage und nicht um eine unmittelbare Umsetzungsperspektive.“. Also gegen diesen Quatsch ist der Roboter Wagenknecht tatsächlich die Restvernunft und hat beinahe etwas wie Verve.
Auch dieser Genosse soll dann die Linkspartei einfach wählen. Er gleicht die Stimme vom Maul dadurch aus.
Ad Parlament
Man muss dazu sagen, dass die beiden Dilletantenfraktionen den Bundestag durchaus lebendiger machen. Manchmal dürfen sie sogar miteinander Wortgefechte abhalten und es wird beinahe emotional. Alterspräsident Schäuble zitiert dann zur Mäßigung einen alten lateinischen Jesuitenspruch: „Fortiter in re, suaviter in modo“ und die CDU-Fraktion klatscht. Das ist die aktuelle Restvernunft, solange der offene Faschismus noch nicht nötig ist. Der offene Faschismus ist erst die zukünftige Restvernunft, sollte der Exportweltmeister die harte Schule brauchen, um Europa in der nun multipolaren Weltordnung einen sonnigen Platz zu sichern.
Ad Restvernunft
Was hat es nun mit der Vernunft auf sich? Das Kapital ist bekanntlich die Vernunft der bürgerlichen Welt und vernünftig ist daher, was das Kapital will. Hitler war vernünftig. Irgendwer musste die Deutschen im Sinne des 20. Jahrhundert sublimieren und zukunftsfähig machen. Und wer es nicht so hart will: Pinochet war vernünftig, Mussolini war vernünftig, Orban, Salvini und Erdogan sind vernünftig. Der Faschismus ist die Vernunft in Zeiten der Krise. Und wenn in Deutschland der Exportmotor stottert, dann wird die AfD vernünftig sein. Allerdings muss sie dann mit dem Kokettieren aufhören und sich vielleicht auch einen schneidigeren Namen geben. Nationale Front oder so.
Auch bis dahin waltet natürlich die Kapitalvernunft. Hören wir kurz die NZZ: „Europa macht dicht – so oder so. Die Migration beherrscht die europäische Politik im scheinbaren Kampf zwischen guten Europäern und bösen Nationalisten. Dabei haben beide Lager dasselbe Ziel – das Schließen der EU-Außengrenze. … Migranten werden in den Ankunftsländern im Süden festgehalten und an der Weiterreise in ihre Zielländer im wohlhabenden Norden gehindert. Der Schutz der Außengrenze der EU wird verstärkt. Die Bemühungen, Migranten gleich in den Herkunfts- oder Transitländern jenseits des Mittelmeers festzuhalten, werden intensiviert. Europa wird, mit anderen Worten, sukzessive zu einer Festung ausgebaut, die ungebetene Migranten auf Distanz hält.“
Ad Unvernunft
Der Kommunismus ist dagegen die pure Unvernunft. Da er sich an die Welt der Ware, des Geldes und des Profits nicht halten mag, kann er auch daran festhalten, dass es nur eine Welt gibt, dass die Welt nicht in verschiedene Nationen gespalten bleiben soll. Die sogenannte Forderung nach offenen Grenzen ist ihm egal. Sollten die Landesgrenzen oder auch die europäischen Außengrenzen wirklich geöffnet werden, sie hörten auf Grenzen zu sein. Offene Grenzen ist einfach der Zwitterterminus einer moralischen Linken, die in Wahrheit nicht über die in Nationen geteilte Welt hinaus kann, aber auch nicht in dieser Welt verbleiben will. Es versteht sich, dass die wirkliche Aufhebung aller Grenzen nur im Rahmen einer weltweiten Umorganisation von Produktion und Distribution möglich ist. Das ist keine Forderung, sondern eine wirkliche Bewegung. Eine gewaltige Bewegung.