Buchbesprechung: Communization

François Martin und Jean Barrot (=François Cerruti, Gilles Dauvé): Eclipse and Re-Emergence of the Communist Movement, zuerst 1974; hier nach PM Press 2015
http://libcom.org/files/Dauvé with Martin – Eclipse and Re-emergence.pdf

Les Amis de 4 Millions de Jeunes Travailleurs (=Dominique Blanc, Jean-Pierre Tillenon): A World Without Money: Communism, nach der Fassung
https://libcom.org/files/Les Amis de 4 Millions de Jeunes Travailleurs- A World Without Money; Communism.pdf

Redaktion Endnotes, Bring Out Your Dead, Hefteinleitung zu Ausgabe No. 1, 2008; dt. auch unter https://kommunisierung.net/Bringt-eure-Toten-raus

Im Nachgang zur Besprechung über Fragen der gesellschaftlichen Produktion.
Alle Zitate in eigner Übersetzung.

Von Jörg Finkenberger

Wir haben bisher Fragen der gesellschaftlichen Planung von Produktion und Verteilung untersucht, indem wir einige neuere Vorschläge verglichen haben mit den älteren Vorstellungen der rätekommunistischen Gruppe Internationaler Kommunisten von 1930. Diese Vorstellungen stammen aus den Erfahrungen der deutschen und russischen Revolutionen von 1917 ff. und aus der Auseinandersetzung mit dem sowjetischen Sozialismus. An dem Grundgedanken der Rätekommunisten ist allerdings in den Kreisen der heutigen sog. Ultra-Linken eine sehr harsche Kritik verbreitet, die wir nicht einfach übergehen wollen. Sie ist eng verbunden mit dem Begriff der Kommunisierung, Communization; ein Begriff, oder besser eine Vorstellung von Revolution und Kommunismus, der auf das Jahr 1969 zurückgeht, und der neuerdings, vor allem seit 2010 in unseren Kreisen völlig vorherrschend zu sein scheint.

1.
Sehen wir die älteste Formulierung dieser Idee in ihrem Zusammenhang an. Cerruti und Dauvé gehen von einem sehr praktischen Problem aus: die Bewegung von 1968 war nicht zu einer Revolution geworden, weder der Generalstreik in Frankreich, noch die 10 Jahre lang sich hinziehende Bewegung der Fabrikbesetzungen in Italien.

Aber noch viel mehr, die gesamte sehr massive Bewegung hatte in der Arbeiterschaft noch nicht einmal dauerhafte Organe hervorgebracht. Die ältere Ultra-Linke, allen voran die Situationistische Internationale, hatte genau das zum Eichmass einer wirklich revolutionären Bewegung erhoben. „Aber in jedem Fall verschwanden diese Arbeiterorganisationen wieder mit dem Ende der Bewegung und wurden nicht zu einer neuen Art der Organisation“, Cerruti u. Dauvé S. 67. Warum? War, wie es immer so schön heisst, die Bewegung einfach nicht radikal genug, wieder einmal? Ging sie nicht weit genug? Es ehrt natürlich C. u. D., dass sie einen grossen Bogen um solche faulen Phrasen machen. Die Bewegung ging so weit sie konnte; das heisst man kann an ihren Grenzen den Stand der Dinge ablesen.(1)

In früheren Bewegungen hatten die Arbeiter gesetzlichen Arbeitstag, Vereinigungsrecht, Krankenversicherung zu erkämpfen, das heisst ihre grundsätzliche Anerkennung innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft. Was für einen Inhalt hatten denn, nachdem das erreicht war, ihre Kämpfe in den 1960ern? „Wie müssen hinzufügen, dass die Bewegung keine bestimmten Forderungen aufgestellt hatte. Die Frage, die das Proletariat stellen wird, ist in diesem Schweigen schon enthalten…In einer Situation, die es nicht mehr erlaubt, Forderungen durchzusetzen, ist es zu erwarten, dass keine Organe entstehen, um den Streik zu beenden“, C. u. D. S. 79

C. u. D. kommen deswegen zu dem Schluss: „Wenn diese Gruppen“, die neuen Arbeiterorganisationen, „ihre Existenz aufrechterhalten wollen, müssen sie ausserhalb der Schranken der Fabrik handeln, oder sie werden vom Kapital zerstört. Das Verschwinden diese Gruppen ist ein Zeichen der Radikalität der Bewegung; wenn sie als Organisationen weiterbestünden, würden sie ihren radikalen Charakter verlieren“, S. 79.

Diese Folgerung erscheint etwas angestrengt: sie läuft drauf hinaus, aus dem Scheitern einer Bewegung auf ihre Radikalität und ihre weittragende Bedeutung zu schliessen. Ist das gerechtfertigt? Zwischen beidem vermittelt aber genau die Hauptidee des Texts, und der Grundgedanke, dem wir hier nachgehen. Der Gegenstand der Bewegung, sagen C. u. D., kann nicht diese oder jene Forderung, verkörpert in dieser oder jener Organisationsform sein, sondern schon der unmittelbare Übergang zum Kommunismus: welchen sie Kommunisierung nennen.

Der Streik war also nicht durch einen strategischen Waffenstillstand zu beenden und eine Konsolidierung seiner Organisationsform, durch den Ausbau der errungenen Macht, um danach zu einem neuen Anlauf fortzuschreiten; sondern die Aufgabe bestand unmittelbar darin, die gegebenen gesellschaftlichen Formen zu zerbrechen und unmittelbar kommunistische aufzubauen. „Kommunismus ist die Aneignung des Reichtums der Menschheit durch diese selbst, und das bedeutet eine vollständige Veränderung dieses Reichtums… Die Kommunisierung… wird Güter ohne Geld zirkulieren lassen, sie wird die Tore öffnen, die die Fabriken von ihrer Umgebund trennt“, C. u. D. S. 55 f.; in einer früheren Textfassung war diese Stelle noch viel direkter.

„Das erfordert die Zerstörung der Unternehmen als getrennter Einheiten und damit des Wertgesetzes; nicht, um den Profit zu vergesellschaften, sondern um Güter zwischen den industriellen Zentren ohne Vermittlung des Werts zu zirkulieren“, hiess es da.(2) Wir akzeptieren vollkommen, dass es nicht genügt, den Profit zu vergesellschaften; aber es geht doch alles etwas rasch zu.

2.
In welcher Weise nimmt denn die Gesellschaft von ihrem Reichtum Besitz? Denn ja offensichtlich nicht mehr dadurch, dass die Arbeiter von ihrem Betrieben Besitz nehmen, gerade darum geht es C. u. D. an dieser Stelle. Sie beginnen von dieser Stelle aus eine ausführliche Kritik der rätekommunistischen Ideen, wie sie vor allem die niederländische Gruppe Internationaler Kommunisten entwickelt hatte (wir berichteten).

„Der Haken an der Sache ist, Tauschwert ist die Menge gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit für die Herstellung eines bestimmten Produkts; ein rationelles Buchhaltungssystem in Arbeitszeit wäre äquivalent zur Herrschaft des Tauschwerts ohne Vermittlung des Gelds“, C. u. D. 95. Das ist ein seither in der „Ultra-Linken“ umlaufender Gedanke, zu welchem allerhand Wertformanalyse und Marx-Philologie aufgeboten wird, bei C. u. D. S. 111 ff.

Ich würde die These riskieren, dass der grösste Teil dieser Argumentation von dem marxologischen Missverständnis abhängt, dass „der Wert“ eigentlich dasselbe wie „die Arbeit“ sei; dass also, wer Arbeitszeit sagt, schon Tauschwert sagt. Die Menge der Arbeitszeit mag die Grösse des Tauschwerts bestimmen; aber damit ist nichts darüber gesagt, warum sie diese Form annimmt.(3)

C. u. D. begeben sich S. 34 ff. in die Urgeschichte der menschlichen Gesellschaft, um dort S. 35 den Ursprung des Austauschs aufzufinden. In der älteren Fassung heisst es an dieser Stelle direkt: „Güter wurden nicht produziert, um erst nach einem Austausch konsumiert zu werden… Produktion war direkt gesellschaftlich, ohne Vermittlung des Austauschs.“ Diese schöne Stelle ist offensichtlich getilgt worden, weil sie einfach falsch ist. Von einer solchen Urgesellschaft weiss die Wissenschaft nichts; sie gehört dem beliebten Reich der Abstaktion an, der ökonomischen Fiktion. Es ist natürlich richtig, dass die Urgesellschaft keinen Warentausch kannte und auch keinen Austausch nach Arbeitszeit; ehe die Landwirtschaft sich durchsetzt, liegt das gesellschaftliche Produkt in der Regel nicht in dinglicher Gestalt vor, getrennt von Herstellung und Verbrauch, sondern es ist die herstellende Tätigkeit selbst, die in den Autausch eingeht.

Obendrauf auf diese Fiktion einer austauschlosen Urgesellschaft, einer direkt gesellschaftlichen Arbeit setzen C. u. D. die ebenso bekannte Fiktion, als enstünde der Handel an den Rändern der alten Gemeinwesen, die sich gegenseitig ihre Überschüsse verkaufen, S. 35. Das ist die bis heute in der marxistischen Linken herrschende Lehre Ricardos vom auswärtigen Handel, und sie ist falsch.(4)

Die dadurch entstehende Arbeitsteilung, so C. u. D., „zerstört zuletzt das, was die Gemeinschaft unmittelbar gemeinschaftlich macht… die Menschen behandeln sich gegenseitig, und sich selbst, hauptsächlich als Anbieter von Gütern; die Nützlichkeit eines Produkts, das ich für den Austausch herstelle, betrifft mich nicht; ich bin nur am Nutzen des Guts interessiert, das ich im Austausch bekomme“, S. 36. Ich fürchte, C. u. D. verwechseln hier die Grundlage des Warentauschs mit der Grundlage von Gesellschaft überhaupt.(5)

Konsequent sehen sie Austausch an sich schon als dasjenige, was die Arbeitskraft in die Form des Tauschwerts nötigt. Das ist nicht zwingend; und das lässt sich auch ohne weiteres Herumgestochere in der Urgeschichte zeigen. Denn eine Alternative zu einer Art von Austausch erfordert, sich entweder unmittelbar gesellschaftliche Arbeit vorzustellen, oder eine Gesellschaft ohne Arbeit.

3
Genau hier liegt der Hundinger begraben. „Der Wert entstand nicht, weil er ein bequemes Massinstrument war. Er entstand als eine unverzichtbare Vermittlung menschlicher Tätigkeiten, weil diese Tätigkeit voneinander getrennt waren und durch eine Art von Vergleichung aufeinander bezogen werden mussten“, S. 37. Und da wird man zustimmen müssen; was aber folgt daraus?

Die Menschheit ist ja nicht zur Landwirtschaft, Sesshaftigkeit, zur Erzeugung von Überschuss übergegangen, weil sie unbedingt Gottkönigen in Zikkuraten huldigen wollt. Sondern die Gottkönige, Tempel, Priester traten neben und über die Gesellschaft genauso notwendig, wie die edlen Metalle neben die anderen Waren: das gesellschaftliche Produkt wurde und wird bis heute von der Menschheit unter solchen Formen angeeignet, weil ihr eine andere Form nicht zur Verfügung stand.

Die Herrschaft und die Ausbeutung kommen nicht daher, dass die Menschheit früher so abergläubisch und unaufgeklärt gewesen wäre, dass sie sich so etwas wie eine unmittelbare Inbesitznahme des gesellschaftlichen Reichtums durch die Gesellschaft nicht denken konnte; sondern daher, dass man sich so etwas überhaupt nicht denken kann, ohne aus der Gesellschaft eine besondere Person zu machen neben der Gesellschaft. Das heisst ohne den Staat neu zu erfinden.

Oder aber es gelingt aus irgendeinem Grund der Gesellschaft, was ihr früher nicht gelungen ist, nämlich differenzierte Organe auszubilden, durch die diese Inbesitznahme gelingt, ohne sich als Staatswesen und einheitliche Person zu verfassen; und dann wäre gerade das eine Aufgabe der Revolution. Man würde sich, wenn man bedenkt, von C. u. D. eine gnädigere Beurteilung des Rätekommunismus wünschen; denn die von den Rätekommunisten durch theoretische Spekulation gewonnenen arbeitergeführten Betriebe wären, soweit ich sehen kann, die ersten begrifflich gefassten Vermittlungsformen, die die Gesellschaft zu so etwas befähigen könnten.

Ist C. u. D. das Problem unbekannt geblieben? Ich glaube nicht. In der schon zitierten älteren Fassung finden sich Passagen, die in der neueren S. 51 ff. getilgt sind; Passagen von haarsträubender Paradoxie. „Der Kommunismus“, hiess es da, „ist auch das Ende jedes Elements, das für die Einheit der Gesellschaft nötig wäre“, und das wäre schön und gut, weil damit ja Wert und Staat gemeint sind, aber wodurch werden sie unnötig? Woran hat die Gesellschaft denn dann ihre Einheit? Dass es eine solche geben muss, wird S. 49 ja zurecht vorausgesetzt. Wodurch ist denn die Gesellschaftlichkeit gegeben?

„Jeder wird die Leitung aller Tätigkeiten haben… im Kommunismus ist eine äussere Macht, die die Einzelnen vereinigt, überflüssig… der Kommunismus hat keinen Bedarf, das zu vereinigen, was nicht mehr getrennt ist.“ Diese ganze Kette von unterbestimmten Sätzen ist ermöglicht und zusammengehalten von dem einen Gedanken: dass der Wert als das vergleichende Dritte der verschiednen Dinge verschwindet, und zwar wegen überhandnehmenden Reichtums; und durch Analogieschluss jede andere bloss äussere Vereinigung des Verschiednen ebenfalls. Das ist die Lösung des Problems: die Abschaffung der Arbeit, das Ende der Ökonomie, S. 52.

4.
Damit ist noch nicht gesagt, wie das zustandekommen soll, noch weniger, wie es unmittelbar zustandekommen soll. Nehmen wir uns eine andre Schrift vor, wenige Jahre nachher erschienen, ebenfalls aus einer situationistischen Tradition, ebenfalls in Auseinandersetzung mit dem Ausgang der 1968er Bewegung.(6) „Eine Welt ohne Geld“, unter dem Namen einer Gruppe der „Freunde der 4 Milionen Jungarbeiter“, verfasst von Blanc und Tillenon, veröffentlicht 1974 ff. Man kann diese Schrift mit der anderen nicht gleichsetzen, sie ist leichtfertiger und bedenkenloser; aber man kann die Nähe beider zueinander nicht abstreiten.

Blanc und Tillenon schreiben S. 51 f.: „Es ist gar nichts magisches dabei. Wir können Überfluss entstehen lassen, weil er bereits hier ist, direkt vor unseren Augen. Man muss nicht eigens etwas dazu tun, ausser ihn von seinen Fesseln zu befreien. Das Kapital hat, indem es zwei Jahrhunderte Menschheit und Natur ausgepresst hat, Überfluss möglich gemacht: es ist nicht der Kommunismus, der plötzlich Überfluss erzeugen wird, sondern der Kapitalismus, der künstlich Knappheit aufrechterhalten hat.“

Aber es ist ja nun nicht so, dass die Maschine, Überfluss zu erzeugen, schon in irgendeinem Keller steht und nur nicht angeschaltet wird. Sondern die Produktion ist ja nun immer noch eine gesellschaftliche Angelegenheit. Wie soll sie also vonstatten gehen? Durch eine „radikale Veränderung der menschlichen Tätigkeit“, B. u. T. S. 59; „das Ende der Hierarchie, der Teilung zwischen Befehls-Gebern und Befehls-Empfängern, der Trennung zwischen Entscheidung und Ausführung, der Entgegensetzung von geistiger und körperlicher Tätigkeit“, S. 60; „das Ende der Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Produktion und Konsum“, S. 74; „Arbeit wird kein Mittel zum Erwerb des Lebensunterhalts sein. Sie wird nicht mehr zwischen dem Menschen und seinen Bedürfnissen vermitteln. Sie wird direkte Erfüllung eines Bedürfnisses sein“, S. 74.

Das sind alles sehr schöne Sätze, zum Teil direkt von Marx übernommen. Aber das Problem ist ja doch nur verschoben. War nicht gerade noch der Überfluss die Grundlage der Kommunismus? Und der Kommunismus die Grundlage dafür, dass die Arbeit nicht mehr repressiv sein soll? Jetzt soll wiederum die nicht mehr repressive Arbeit die Grundlage für den Überfluss sein. Das ganze sieht sehr verdächtig aus.

Und warum fällt mir an der Stelle etwas ein, was der unterfränkische Musiker und Philosoph Theodor Adorno einmal gesagt hat: „In einer Welt, die so geplant wäre, daß alles, was man tut, in einer durchsichtigen Weise dem Ganzen dient …, würde ich gern zwei Stunden am Tag einen Lift bedienen.“ (7) Es gibt keinere dümmere Arbeit als die des Lift-Boys, der den Fahrgästen abnimmt, höchstselbst auf die richtige Taste zu drücken; aber nicht das war Adornos Einwand dagegen, das 10 Stunden die Woche tun zu müssen, sondern dass Arbeit in unsrer Gesellschaft nicht auf transparente Weise gesellschaftlich ist. Das gehört eigentlich nicht zum Thema, es fällt mir nur gerade ein. Wie wird denn nach Blanc und Tillenon die Arbeit gesellschaftlich? Wie wird denn der gesellschaftliche Reichtum angeeignet? Mit anderen Worten, wie ist denn ihre Gesellschaft konstituiert?

5
„Der einzelne fühlt sich verloren im kapitalistischen Dschungel. Er erkennt sich in ihm nicht wieder, noch weniger begreift er, wie er insgesamt funktioniert. Es ist aber ein Fehler, zu glauben, das würde genauso auf jede moderne Gesellschaft zutreffen. Es ist nicht eine notwendige Folge der Vielzahl der Handlungen und Verhältnisse, die die Gesellschaft ausmachen. Sondern es entsteht aus der Trennung der Funktion von Entscheidung und Koordination einer-, der Ausführung andererseits.“

Das wird man nicht rundweg ablehnen. Aber ein transparentes gesellschaftliches Verhältnis entsteht nicht einfach, wenn diese Trennung wegfällt; sie ist also auch nicht die einzige Grundlage für die Intransparenz der Gesellschaft. Die Rätekommunisten haben ausdrücklich um einer solchen transparenten Vergesellschaftung der Arbeit willen die Anregung von Marx aufgegriffen, dass die in die Gesellschaft eingebrachte Arbeit das unmittelbare „gesellschaftliche Band“ sein soll. Das lehnen B. u. T. rundweg und leidenschaftlich ab, S. 75; nur um unmittelbar danach zu erklären: „Nicht, dass wir gegen jede Art von Bezugsscheinen wären. Es wäre absurd, Diamanten zur Verteilung freizugeben! In solchen Fällen werden die zuständigen Auschüsse Bezugsscheine ausgeben“, S. 76.

Vom Überfluss zum Bezugsschein haben B. u. T. gerade 25 Seiten gebraucht. Und es ist nur ein rhetorischer Kniff, dass von Diamanten die Rede ist. Was der Rationierung unterliegt, ist der an sich knappe Naturstoff, der in den Gebrauchsgütern steckt; also in dem, was die Einzelnen von der Gesellschaft bekommen. Was beileibe nicht rationiert wird, ist die gesellschaftliche Zutat daran, die Arbeit; also das, was die Einzelnen der Gesellschaft geben. Das ist eine merkwürdige Abschaffung der Arbeit.(7a) Wo kommt übrigens auf einmal der zuständige Ausschuss her?

Auf der so vergezeichneten Linie liegen B. u. T. auch weiter, wenn es um die bewusste gesellschaftliche Planung geht: denn bei allem Überfluss werden natürlich Kosten berechnet werden müssen, S. 107, 120; aber keinesfalls auf Grundlage einer allgemeinen Verrechnungseinheit, S. 123, denn das wäre, so verstehen sie es, Geld. Man muss sich wohl eine Art Güterbilanz vorstellen, und zwar S. 166, 170 unter Anwendung der Kybernetik. Ist aber unter den aufgewandten Gütern nicht auch menschliche Arbeit? Natürlich, und B. u. T. erlauben auch gerne, diese in Rechnung zu stellen, und zwar je nach ihrer konkreten Eigenart, wie die Aufwendungen an Sachgütern auch, aber ohne dass sie als allgemein gesellschaftliche Arbeit auftritt, denn dann, immer noch S. 123, ist sie auch nicht wertbildend, mithin auch keine Arbeit. Sie ist also nur unmittelbar gesellschaftlich, indem sie auf keine Weise gesellschaftich ist.

Man möchte das für blanken Sophismus halten, aber offenbar glauben B. u. T. wirklich, nur auf diese Weise wenigstens die Arbeitskraft aus allem herauszuhalten, was nach Austausch aussieht. Sie verhindern das eigentlich, indem sie die der Lohnarbeit eigene Beschränkung, dass sie nämlich gekauft werden muss, aufheben. Die Gesellschaft eignet sie sich unmittelbar an, unter dem interessantenVorgeben, alles andere sei verhüllter Arbeitszwang, S. 75; während die Einzelnen sich die Produkte der Arbeit nur vermittelst Bezugsscheinen anzueignen haben, was aus irgendeinem Grund besser ist.

Wer stellt die aus? Man möchte sagen, die Gesellschaft, aber durch wessen Hand? Wer konstiutiert den „zuständigen Ausschuss“ und die anderen Organe, die die Bewirtschaftung der Gebrauchsmittel betreiben? Und an derselben Stelle klafft genau dasselbe Loch in der Vision von B. u. T., denn wir erfahren: die Produzenten, d.h. die Gesellschaft wird natürlich zerklüftet sein in verschiedne Gruppen, S. 155; aber es wäre natürlich unmöglich, die einen dem Urteil der anderen zu unterwerfen, denn das hiesse ja doch wieder Entscheidung und Ausführung voneinander trennen; weswegen es auch keine Entscheidungen nach Mehrheit geben kann, S. 195; Menschen werden das tun, was sie für richtig halten, und sich dafür jeweils ad hoc zusammenfinden, S. 196; und zwar als „tätige Minderheiten“, S. 201 f.

Bei ihrem Beispiel für ein solches Grossvorhaben, nämlich der Besiedlung eines neuen Planeten, S. 161 ff., sagen sie das gar nicht so genau dazu; da wird lang und breit sich verbreitet, wie sorgfältig die Dinge berechnet werden müssen, die man dafür braucht. Aber erst 30 Seiten später erfahren wir bei einer ganz anderen Gelegenheit, dass eigentlich nur die gefragt werden, die dabei mitmachen. Woher nehmen die denn dann die Dinge, die sie dafür brauchen? Irgendjemand muss sie ihnen im Namen der ganzen Weltgesellschaft übertragen. Aber wie das, ohne diese zu fragen? So wird das nichts werden; das kann nicht gut gehen.

6
Aber das ist der Preis dafür, dass man die Arbeitskraft, d.h. die schöpferische Fähigkeit der Einzelnen, unmittelbar gesellschaftlich setzt; man muss dafür entweder die Einzelnen oder die Gesellschaft =0 setzen. Warum muss man sich dann auf diesen metaphysischen Extremismus festlegen? S. 215 erfahren wir auch dafür den letzten Grund: er ist revolutionstheoretischer Art. Die Gesellschaft muss auf Dauer unbedingt auf demselben Prinzip beruhen, aus dem die Insurrektion zustandkommt; sonst landet man notwendig wieder bei dem Problem der Übergangsphase. Und eine solche, so wie sie z.B. über die Rätekommunisten sagen, soll ja im Grunde gar nichts andres als Kapitalismus selbst sein.

Die Gesellschaft aber, bei der B. u. T. landen, ist dabei unvollkommener selbst als der blankeste Syndikalismus, der den Niederländern zu unvollkommen war: die bestehenden Unternehmen werden zwar keineswegs auf eigne Faust von ihren Belegschaften weitergeführt, weil selbständige Betriebe ja Ausdruck der antagonistischen Gesellschaft sind, S. 21; aber man endet dennoch bei grossen Projekten, über die natürlich nur die daran Beteiligten entscheiden. Wie ist das besser?

Der Unterschied liegt vor allem darin, dass nichts davon ausreichend geklärt wird. Über die Frage, wie die Produkte angeeignet werden, erfahren wir: Geschenk, S. 21, oder Bezugsschein, S. 76. Eigentlich hat man hier 330 Seiten vor sich, auf denen das Problem unter 330 Seiten post-situationistischer Phrasen versteckt wird.

Warum gehen wir das so genau durch? Weil sich zeigt, dass in beiden dieser Texte, dieser beiden sehr geschätzten Grundlagentexte der ganzen neueren „Ultra-Linken“, über hunderte Seiten lang die aberwitzigsten Dinge getrieben werden, nur um glauben zu machen, hier läge gar kein Problem vor; während man hunderte Seiten lang die aberwitzigsten Dinge treibt, weil hier doch ein Problem vorliegt.

Das britische ultra-linke Magazin Endnotes hat in der Hefteinleitung zu No. 1, 2008 sehr kundig und elegant die weitere Debatte seit 1975 dargestellt; und man bekommt es beim Lesen mit der Verzweiflung, weil man zu ahnen beginnt, dass das Problem wahrscheinlich in der ganzen Debatte seither niemand gestellt hat, also die ganze Debatte eine Flucht vor dem Problem ist, und zwar bis in unsre Zeit, wo das ganze Konzept ungeheuer modisch geworden ist.

Natürlich kann man einwenden: es ist nicht die Aufgaber der Theorie, die Bewegung vorwegnehmen zu wollen, und es ist ohnehin aussichtslos, aber seit wann ist es Aufgabe der Theorie, fehlerhafte Theorie zu machen? Wenn man schon Theorie macht, könnte man doch gleich gescheite machen. Aber wie soll das gehen? Wie soll man versuchen, zu beschreiben, was irgendwelche andre Leute an einem unklaren Zeitpunkt alles tun werden, und ihnen Ratschläge geben, die sie nicht erreichen werden? Soll man eine spontane Bewegung planen wollen? D.h. ihren Verlauf beschreiben, ehe noch die, die an ihr teilnehmen werden, wissen können, dass sie an ihr teilnehmen werden? Läuft das nicht darauf hinaus, die Kristallkugel anwerfen?

7
Das Problem scheint in der Randbedingung der Theorie zu liegen, der sogenannten Praxis. Lesen wir, was die guten Endnotes schreiben. Die Sitatutionisten hatten, heisst es da, das ganze Problem nicht. Sie weigerten sich zwar so gut wie irgendeiner, der „Trennung zwischer revolutionärer Aktion und völliger Veränderung des Lebens“ zuzustimmen; in der Tat haben sie diese Weigerung als erste ausgesprochen. Und damit ist auch gemeint jede Kluft zwischen Zielen und Mitteln, das heisste jede sogenannte Übergangsperiode.

„Die Situationisten waren fähig, die Abschaffung der Arbeit als direkte Folge der Befreiung der Arbeit zu begreifen“, schreiben die Endnotes; kurz danach aber erklären sie sich selbst dazu als unfähig, indem sie diese Fähigkeit plötzlich als eine Unfähigkeit beschreiben: „Was die Situationisten daran hinderte, diesen Widerspruch zu überwinden, war, dass [ihre Lehre] auf die Affirmation der Arbeiterbewegung … gegründet war.“

Also für die Situationisten bestand vor 1968 gar nicht der Gegensatz zwischen dem unmittelbaren Übergang einerseits, und damit, dass „die Form dieser Revolution die war, dass die Arbeiter ihre Betriebe übernehmen und demokratisch weiterführen.“ Warum und für wen besteht dann dieser Gegensatz? Könnte man nicht einfach zu diesem Standpunkt zurückgehen?

Aber „entgegen den Ratschlägen der Situationisten ergriffen die Arbeiter, die an der Bewegung von 1968 teilnahmen, nicht die Produktionsmittel, bildeten Räte, oder versuchten, die Fabriken unter Arbeiterführung zu betreiben. … In den wichtigsten Klassenkämpfen der folgenden Jahre, vor allem in Italien, war die Räteform abwesend; die doch regelmässig das Kennzeichen des proletarischen Radikalismus in dem voraufgehenden Kampfzyklus (Deutschland 1919, Italien 1921, Spanien 1936, Ungarn 1956) gewesen war.“

Gut also man könnte jetzt auf die neueren Erfahrungen verweisen, Ägypten 2011, aber damit würde man einen ganz bestimmten Punkt nur unterstreichen: es ist gut möglich, dass zumindest die klassische Form der Arbeiterräte, als Organisation gleichzeitig des Kampfs und des Übergangs, an ein frühes Stadium dieser Gesellschaftsordnung gebunden ist. Es war anderswo schon referiert worden, dass sie beim Übergang von Diktaturen zu parlamentarischen Systemen aufzutreten pflegen; es gibt kein Beispiel, wo sie auf dem Boden einer parlamentarisch-demokratisch regierten Gesellschaft auftauchen, auf dem Boden der wirklich entfalteten bürgerlichen Gesellschaft.

Und hier, wir werden uns aus unserer eigenen Theorieschule lebhaft erinnern, liegt dasjenige, was bei den Endnotes kritisch gemeint ist, wenn sie „Affirmation der Arbeiterbewegung“ sagen oder „Befreiung der Arbeit“. „Die Selbst-Befreiung der Arbeiterklasse bedeutete nur die Entwicklung der Produktivkräfte; denn die hauptsächliche Produktivkraft war die arbeitende Klasse selbst“, so fassen Endnotes die Debatte zusammen.

Historisch hat in der Tat die Arbeiterbewegung, was auch immer sie subjektiv wollte, der kapitalistischen Produktionsweise den Weg gebahnt. Ihr radikaler Widerstand hat der bürgerlichen Gesellschaft erst alle die Massregeln aufgezwungen, mit deren Hilfe sie sich durch alle Krisen hindurch am Leben hielt. Auf dem Boden einer so eingerichteten Gesellschaft aber kann sich eine solche proletarische Opposition wie die damalige nicht mehr konstituieren.

Aber wie dann? Das ist tatsächlich, unter mehreren Schichten Jargon verdeckt, das Thema des Heftes gewesen, aus dessen Einleitung wir zitieren. Existiert etwas, das von der proletarischen Opposition übrigbleibt, das sich jetzt neu konstituieren muss, oder aber wird die Opposition immer von der herrschenden Ordnung als ihr eigenes Resultat bestimmt? Das klingt sehr abstrakt, aber das ist, wo Theorie notwendig landet. Es ist ja nicht einmal uninteressant. Es ist nur ein trauriger Anblick: die verwilderten Hauskatzen der Theorie balgen sich um Abfall.

8
Also gut, man kann es nicht ohne weiteres so machen wie die Situationisten. Man kann nicht ein ganzes Jahrhundert auf dem selben Ross in die Schlacht reiten wollen. Aber einmal anders gefragt: wird irgendetwas besser dadurch, dass man die Abschaffung der Arbeit aus ihrem Verhältnis mit der Befreiung der Arbeit herauslöst, und sie zum abstrakt absoluten Prinzip macht? Wir haben gerade gesehen, wie so etwas ausgehen kann.

Man war ja nicht einmal wirklich soweit gekommen, die Abschaffung der Arbeit zu fordern, man hat nur eine Gesellschaft postuliert, in der sie freiwillig geschieht; und dann den Lohn durchgestrichen und durch direkt gesellschaftlichen Unterhalt ersetzt, das heisst man hat die Arbeit „abgeschafft“, indem man ihre Begrenzungen „abgeschafft“ hat – und jetzt sehen wir uns doch einmal an, wie die Endnotes das Scheitern des Rätekommunismus beschreibt: „Das Ziel der Abschaffung der Arbeit sollte paradoxerweise dadurch erreicht werden, dass zuerst alle Begrenzungen der Arbeit entfernt wurden (z.B. der Kapitalist als ein Schmarotzer an der Arbeit, die Produktionsverhältnisse als Fessel der Produktion)“ usw.: wie ist das dann jetzt besser?

Gehen wir doch einen Schritt weiter. Steht denn die ganze neuere „ultra-linke“ Kritik der Arbeit überhaupt nicht in einem Bezug zur Durchsetzung eines neuen gesellschaftlichen Arbeitsregimes? Sehr wahrscheinlich doch. Aber wessen Illusion drückt sie dann aus und worüber?

Eines haben die Situationisten ja geschafft, was niemand nach ihnen mehr geschafft hat: sie haben den Klassenkampf ihrer Zeit in ein Verhältnis zu den vergangenen Klassenkämpfen zu sehen gewusst. Wenn das nicht mehr geht, verliert man die Vergangenheit. Man kann die Position, die sie noch geschafft haben zu halten, auch anders beschreiben: sie haben ihre Theorie noch als Kritik treiben können. Kann man das ihren Nachfolgern nachsagen?

Deren Vorstellungen sind arkan und nur ihnen selbst klar; sie sind zwingend nur unter Voraussetzungen, die allein Spezialisten bekannt sind; denn diese Voraussetzungen sind nicht einfach die Erfahrungen von Bewegung und Niederlage, sondern in Isolation verarbeitete solcher Erfahrungen. Ihre Vorstellungen sind gewissermassen nicht mit den Sinnesorganen gewonnen, sondern mit dem Verstand; sie sind Spekulation, aber Spekulation über einen Vorgang, der vor unseren Augen stattfindet und mit Sinnen zu erfassen wäre; Weissagung der Gegenwart, zu welcher man sich die Augen verbinden muss.

9
Das konnte der Stand der Dinge 2008 sein. Aber wir haben heute nicht mehr 2008. Die Ereignisse seither haben in jeder Hinsicht grössere Dimensionen angenommen als 1968. Kann man wirklich so tun, als wären die Ereignisse von 1968 immer noch die nächste Referenz, und die Schwierigkeiten, vor denen die Arbeiterbewegungen des industriellen und parlamentarischen Westens damals standen? Heute würden sie vor völlig anderen Schwierigkeiten stehen. Geht das vielleicht mit in die Rechnung ein? (8)

Wenn die Theorie der Kommunisierung in Wirklichkeit der Rückzug vor einem revolutionstheoretischen Paradox war, und nicht ein kühner Schritt vorwärts, wird man sie vielleicht modifizieren oder ganz aufgeben müssen. Was von beiden, geht uns nichts an, da es nicht unsere Theorie ist.

„Der Kampf der Arbeiter traf gar nicht auf Widerstand. Das war es, was ihn entwaffnet hat“, fassen C. u. D. S. 88 einen Aspekt dieses Paradoxes zusammen. Das wird man heute nirgendwo mehr sagen können. Das Paradox würde heute wahrscheinlich die Gestalt annehmen, dass der Aufstand, auch da, wo er mehr oder weniger aufs Ganze ausgerichtet ist, durch die Gewalt aufs Partikulare zurückgeschlagen wird; dass sich die Frage nach dem Übergang überhaupt nur für überschaubare kleinere Einheiten stellen lässt.

Es ist gar nicht mehr die Frage, ob man sich auf der stolzen Höhe der Situationisten halten können möchte. Die kühne Offensive ist eine Illusion auch da, wo sie zustandekommt. Sie setzt nicht den unmittelbaren Übergang auf die Tagesordnung, sondern sie provoziert den zerstörerischen Gegenschlag der angegriffenen Ordnung. Jede weitere Veränderung wird gezwungenermassen aus der Defensive heraus stattfinden.

Aber die Defensive hat es in einer ganz anderen Weise als früher noch mit der Totalität zu tun. Heute geht es um einzelne Betriebsschliessungen; bald wird es wieder, wie vor 10 Jahren, um den Fortbestand der kapitalistischen Produktionsweise im Ganzen gehen. So, wie es jetzt abläuft, stand das bisher in keiner Revolutionstheorie zu lesen. Und das sagt eigentlich alles über die Relevanz aller dieser Revolutionstheorie.

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1 „Die Tätigkeit der Arbeiterklasse rührt nicht aus Erfahrungen her und hat kein anderes „Gedächtnis“ als die allgemeinen Bedingungen des Kapitals… Es studiert nicht seine Erfahrungen; das Scheitern einer Bewegung ist selbst ein adäquater Beweis ihrer Grenzen“, C. u. D. S. 80

2 Nach einer Fassung von 1973

3 Bekanntlich eine Hauptfrage, deren Lösung Marx beansprucht: „Die politische Ökonomie hat nun zwar, wenn auch unvollkommen Wert und Wertgröße analysiert und den in diesen Formen versteckten Inhalt entdeckt. Sie hat niemals auch nur die Frage gestellt, warum dieser Inhalt jene Form annimmt, warum sich also die Arbeit im Wert und das Maß der Arbeit durch ihre Zeitdauer in der Wertgröße des Arbeitsprodukts darstellt?“, MEW 23, 94 f.

4 Gründliche Kritik bei Girschner, Politische Ökonomie und Weltmarkt, Papyrosse, Köln 1999; ausserdem demnächst im zweiten Band von „Staat oder Revolution“ die Abschnitte 4 und 5.

5 „Was jemand für sich selbst herstellt, tritt jetzt gesondert neben das, was er zum Zwecke des Austauschs herstell. Die Gesellschaft wird nicht nur in verschiedene Gewerbe aufgeteilt, sondern auch in Arbeiter und Nichtarbeiter“, S. 36, und die ältere Fassung fährt noch fort: „An diesem Punkt hört die ursprüngliche Gemeinschaft auf.“ In der historischen Realität hat diese ursprüngliche Gemeinschaft nach diesem Begriff also niemals bestanden. Just diese Unterscheidung zwischen demjenigen, was für den Austausch hergestellt, und dem, was für den eigenen Verbrauch hergestellt wird, ist dasjenige, was die sogenannten totemistischen Austauschsysteme konstituiert. Und diese finden wir, immer in den Einzelheiten verschieden, bei Gemeinwesen, deren letzter fassbarer Kontakt 50.000 Jahre und länger zurückliegt; die sich also seit fast den Anfängen der modernen Menschheit nicht mehr gegenseitig beeinflusst haben.

6 Und auf libcom.org ausdrücklich und amtlich als Alternative zu der Arbeit der GIK empfohlen: „We do not agree with its prescription of the use of labour vouchers, but reproduce this text for reference. For an alternative we recommend reading A world without money: communism. … Posted By libcom Jul 25 2005 16:22“, https://libcom.org/library/fundamental-principles-communist-production-gik.

7 Horkheimer, Gesammelte Schriften, Bd. 19: Nachträge, Fischer, 1996, S. 41

7a In Diskussionen mit Anhängern dieser Art von Kommunismus wird man regelmässig viele Freunde des Bezugsscheinsystems finden, z.B. in den Kommentaren unter https://libcom.org/library/marx’s-critique-socialist-labor-money-schemes-myth-council-communism’s-proudhonism . Das ist in dieser Schule offenbar kein bug, sondern ein feature.

8 Hat übrigens Gustav Landauer Recht, wenn er sagt: „…wenn wir das wirkliche Bild unserer Zustände und den Gang, den der Kapitalismus bisher, vor allem seit dem Erscheinen des Kommunistischen Manifests und des „Kapital“ genommen hat, der zeitideologischen Simplifikationen und dialektischen Karikatur des Marxismus entgegengestellt haben, können wir weitergehen, können wir sagen, was unser Sozialismus und unser Weg zum Sozialismus ist. Denn Sozialismus – das sei gleich hier gesagt, die Marxisten sollen es hören, solange der Nebelschwaden ihres eigenen Fortschrittphilisterdunstes noch in der Luft ist – hängt seiner Möglichkeit nach gar nicht von irgend einer Form der Technik und der Bedürfnisbefriedigung ab. Sozialismus ist zu allen Zeiten möglich, wenn eine genügende Zahl Menschen ihn will. Nur wird er je nach dem Stand der Technik und je nach der verfügbaren Technik, das heißt nach der Zahl Menschen, die ihn begegnen und immerhin auch nach den Mitteln, die sie mitbringen oder sich vom Erbe der Vergangenheit nehmen können – nichts fängt mit nichts an – immer anders aussehen, anders beginnen, anders weiter gehen. … Der Sozialismus, ihr Marxisten, ist zu allen zu allen Zeiten und bei jeder technik möglich; und ist zu allen Zeiten und bei jeder Technik unmöglich.“ ? Es wird oft so getan, als macht der Fortschritt der Produktivität den Sozialismus möglich, als umginge es gewissermassen das Problem der Gesellschaft. Das zieht sich, wie vorhin gesehen, bis in die äusserste ultra-linke Opposition. Marcuse hatte dazu einmal eine sehr verbreitete Unterscheidung von notwendiger und von überschüssiger Repression gefunden; vielleicht wird man als nächstes die sich mal ansehen müssen, und in dem Zusammenhang die ganze Abschaffung oder Veränderung der Arbeit; hier passts nicht mehr hin.

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