Unsre Linksradikalen sind bekanntlich Idealisten, das heisst sie halten ihre eigenen Ideen für realer als die Realität. In normalen Zeiten ist das schwer zu ertragen, in Krisenzeiten führt es zum Totalausfall. Die Linken sind allgemein bekannt dafür, sterile Forderungen ins Nirgendwo zu richten. Man schweigt schamhaft darüber, an welche Macht sie sich richten. Die Ideen nehmen sich dann erleichternd weltfremd aus; weit erhaben darüber, von irgendeiner Realität beschmutzt zu werden, die sie etwa annehmen könnten.
In der „Direkten Aktion“ lobt Peter Nowak
konkrete Forderungen …, wie der Stopp aller Bombardierungen und der Schutz der Zivilbevölkerung, ein umfassender Waffenstillstand und Verhandlungen für eine politische statt militärische Lösung.
An wen richtet sich solche Forderungen? An beide Seiten. Das ist der rein illusorische Teil. Man hat ja nicht etwa beide Seiten vor sich, es sind ja nicht „beide Seiten“ auf mysteriöse Weise eine gemeinsame Entität, dass man sie gemeinsam adressieren könnte. Wie sähe es wirklich aus? Der Angegriffne soll kapitulieren. „Der Eroberer ist immer friedliebend (wie Bonaparte auch stets behauptet hat), er zöge ganz gern ruhig in unseren Staat ein“, sagt Clausewitz; eine „politische Lösung“ will Putin bekanntlich auch, er hätte gern die Ukraine seinem Machtbereich einverleibt, ohne einen Schuss zu tun. Die Ukrainer wollen anscheinend das nicht, und gerade deswegen wehren sie sich. Täten sie es nicht, gäbe es keinen Krieg. Es ist also nicht nur illusorisch, sondern grund-unehrlich, so daherzureden; eine politische Lösung, das heisst heute die imperialistische Neuaufteilung der Welt mit friedlichen Mitteln. So eine Position sortiert sich offenkundig selbst als irrelevant aus dem Weltgeschehen aus. Leute wie Nowak empfehlen sie genau deswegen ausdrücklich. Aber pünktlich am 18. März werden sie wieder die pariser Commune feiern; wie gut, dass niemand genau wissen will, wie diese zustandekam.
Aber es wäre nicht die radikale Linke, wenn nicht eine gegenteilige, genauso doofe Position sich fände. Hauptsache ist, dass man seine eignen Ideen für realer als die Realität hält; wie man das anfängt, ist rein Geschmackssache. Also schreiben Plot Point:
Nur der putinistische Lügenhumanismus kann darauf kommen, dieser Adel der Menschheit werde vor seinem angeblichen Schicksal kapitulieren und sich jemals mit seiner Versklavung abfinden.
In diesem hoch-donnernden Ton ist das ganze überspannte Stück gehalten. In der Tat steht es den Nowak usw. nicht zu, anderen Leuten vorzuschreiben, ob sie sich wehren dürfen. Aber auf dem Boden der Ideologie kann man diese Einsicht nicht formulieren, ohne aus diesen Leuten wiederum Charaktermasken eines höheren Prinzips zu machen statt so etwas gewöhnliches wie handelnde Personen.
In der Ukraine selbst ist angesichts der klassenübergreifenden Vereinigung kämpfender Ukrainer mit internationalen Freiwilligenbrigaden die Brüderlichkeit der Menschen keine Phrase, sondern Wahrheit.
Das ist so „schön empfunden“, dass die Autoren es einrahmen und über den Kamin hängen sollten, wo die Sonne nicht scheint. Am besten den ganzen Text! Aber der ist zu lang dafür.
Das internationale Proletariat trat selbst halbherzig, aber in relativ großen Zahlen neben Kleinbürgern und Führungskräften auf den Straßen der Welt in Erscheinung
, was genau betrachtet gar nichts über den spezifischen Zustand des Proletariats aussagt; weswegen schlechterdings nur ein Schluss möglich ist:
Dem Proletariat bleibt nur übrig, sich seine Flausen aus dem Kopf zu schlagen, eine revolutionäre Politik auf wissenschaftlicher Grundlage zu entwickeln und den Putinismus aller Farben und Richtungen als den Todfeind zu behandeln, der er ist
, wobei die „wissenschaftliche Grundlage“ bereits in den Köpfen unser Autoren fertig vorliegen dürfte und dem Proletariat die Ehre zugedacht ist, diese erhabenen Ratschlüssen auszuführen. Unsere „Kader“, die genau wissen, dass sie in diesem Kampf wie in jedem anderen eine eigene Rolle nicht haben werden, sichern für diesen Fall ihre guten Dienste zu:
Wie das katastrophale Scheitern der europäischen Russlandpolitik und das opportunistische Zögern insbesondere der deutschen Bourgeoisie schlagend die dringende Notwendigkeit einer „own foreign policy“ (Marx) des Proletariats beweist, so unbeirrbar, hartnäckig und grausam-gründlich muss eine solche antizipiert, vorbereitet, verfolgt und beständig kritisiert werden.
Der Weltgeist pflegt Köpfe zu befallen, wie der Pilz Ophiocordyceps Ameisen befällt, und ihnen die widersprüchlichsten Dinge einzugeben, die Wege des Herrn sind bekanntlich unergründlich; aber sie laufen, für uns einfache Menschen unbegreiflich, doch immer aufs selbe hinaus: sterile Forderungen ins Nirgendwo, aus dem Nirgendwo.