Donnerstag, 26. Oktober 2017
Oktober 1917: Zur Staatswerdung einer Revolution
Die sagenumwobene Oktoberrevolution in Russland gilt immer noch – wohl neben der Großen Französischen – als eines der Beispiele für eine gewaltige Erschütterung der Herrschaft durch die Massen, die eine Ära der Emanzipation der ganzen Menschheit hätte einleiten sollen. Die in und durch die bolschewistische Partei organisierten Massen fegten den maroden absolutistischen Staat hinweg und verhinderten im selben Zug die Etablierung einer bürgerlichen Gesellschaft auf dem Territorium des ehemaligen Zarenreiches, indem sie sich – trotz Marxens Einsichten – sofort an die Errichtung des Kommunismus in einer vorwiegend bäuerlichen Gesellschaft machten. Weil sich der Marxismus-Leninismus paradoxerweise praktisch „bewahrheitete“, sprich: seine Herrschaft politisch durchsetzen und sichern konnte, gilt nach wie vor vielen Menschen auf der Welt auch sein kruder theoretischer Inhalt als die ultimative Anleitung zur kommunistischen Revolution schlechthin – und das nicht nur in den agrarisch geprägten Gegenden der sog. „Dritten“, sondern auch in der „Ersten Welt“. Dabei musste er viele erbitterte theoretische Kämpfe nicht nur gegen erklärte Feinde, sondern auch gegen seine Mitstreiter und innere Opposition führen, bis er sich an die körperliche Liquidation seiner eigenen Träger machte.
Wann diese Revolution zu Ende gegangen ist, ist unter ihren Freunden und Feinden umstritten. Vielleicht erst 1991. Vielleicht mit dem Aufstieg Stalins zur Macht. Vielleicht aber bereits mit der Niederschlagung des Kronstadter Aufstands 1921. Auch über die Absichten bolschewistischer Anführer kann man sich streiten. Ihre proklamierte Staatstreue vermochte jedoch keinen revolutionären Staat zu konstruieren: Mit der Staatswerdung der Emanzipation erledigt sich die letztere. Man munkelt aber, nach der „bürgerlichen“ und „bolschewistischen“ Revolution habe es eine dritte gegeben, die in der Geschichtsschreibung der Freunde und Feinde der Oktoberrevolution so gut wie nicht mehr vorkommt.
Es spricht Ndejra, Mitherausgeber des Weltschmerzmagazins Das Grosse Thier. Er lebt und arbeitet in Leipzig.
Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37
Im Rahmen des Jour Fixe des ISF Freiburg.