Neue Medien 101

Weil man ja das letzte Mal 2009 bei der iranischen Revolte in unseren Kreisen angefangen hat, Facebook und Twitter zu lesen, und das damals alles noch etwas einfacher war, verkündet das grosse Thier hiermit:

Das Internet, so es das noch gibt, ist tatsächlich, wie es amtlicherseits auch heisst, „Neuland“.

Insbesondere, wenn die guten Leute jetzt anfangen, auf Twitter und Facebook Aufschluss über „die wirkliche Bewegung“ zu suchen, sollte man auf so etwas hinzuweisen.

Medium.com hat einen Beitrag über Fake News, welche man früher Desinformation nannte, als man noch ahnte, dass das weniger mit Free Speech und mehr mit Totalitarismus zu tun hatte.

In dem Text geht es verblüffend viel um Mathematik, um Mining-Techniken, mit denen man Nachrichtenmanipulationen erkennt, und das alles ist schon sehr verdächtig. Das sind normalerweise die Methoden, mit denen man unserem Verhalten nachsteigt. Und Medium.com ist vom Gründer von Twitter gegründet worden. Alles, wie gesagt, sehr verdächtig.

Es wird auch ein wissenschaftlicher Beitrag verlinkt, wie man mathematisch Desinformation auf Microblogs (Facebook funktioniert doch eigtenlich auch als Microblog, oder) auf die Spur kommt. Man muss von Fach sein, um nicht irgendwann aufzuhören, den Text zu lesen.

Problem ist, dass diese Methoden wahrscheinlich die richtigen sind. Was wahr ist, wissen wir nicht. Was geplant falsch ist, können wir jedenfalls wissen. Die Daten dazu haben wir halt nicht. Sie würden aber dem philologischen Misstrauen, das man Quellenkritik nennt, sehr weiterhelfen.

Anschaulichere Beispiele kann man schon auch geben, aber die sind dann halt so blatant wie „Sarah Abdallah“, angeblich „Independent Lebanese geopolitical commentator“, welcher Commentary dann platteste Putin-Propaganda ist. Trotzdem nicht dumm genug, um nicht unter der B-Prominenz der deutschen radikalen Rechten re-tweeted zu werden.

Ob die das dann glauben, bloss weil ein Foto von einer jungen Frau mit rotem Lippenstift und genug russische Propaganda da steht; oder ob die das glauben, weil das, was da steht, in das Bild ihrer kleinen Welt passt; oder ob sie es gar nicht glauben, aber es ihnen grade passt; oder ob es ihnen schlicht Wurst ist, das will jedenfalls ich gar nicht zu genau wissen.

Das Problem, und deswegen bringen wir das überhaupt auf, ist, dass niemand heute sagen kann, wer auf Twitter ein real Human ist, und wer ein Bot, der dir sagt, was du hören willst, um dich zu benutzen. Das muss man unabhängig verifizieren, und das ist an Tagen, an denen sich die Ereignisse überschlagen, nicht einfach.

Im Gegenteil scheint es das Gesetz zu geben, dass dann, wenn viel geschieht, ohnehin wenig geschrieben wird. Und umgekehrt begann der Kairoer Teil der ägyptischen Revolution bekanntlich im Ernst erst, als der Staat das Internet verlangsamte und die Leute notgedrungen auf die Strasse gehen mussten, um zu sehen, was auf der Strasse denn geschah.

Letzten Endes rettet uns auch nicht die beste Quellenkritik. Entweder ist der Ansturm so krass, dass er den Feind verwirrt und überfordert, oder er wird scheitern. Die Desinformation gehört, wie sie auch gedacht war, zu den ideologischen Staatsapparaten.

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