Anti-westliche Islamkritik?

Und damit wäre ein zentrales Unterscheidungsmerkmal formuliert: Es gibt einerseits weltweit antiwestliche Islamkritik und dann eine, die sich unverbrüchlich den Ideen des Westens verpflichtet fühlt. Die einfache Frage lautet deshalb: Which side are you on?

Schreibt Thomas von der Osten-Sacken auf dem Blog der jungle world. Ich meine: wenn er schon dabei war, hätte er gleich noch Köpfe auf die Nägel machen können. Thomas, du hast mit den Typen doch eh abgeschlossen bzw. die mit dir; auf wen musst du Rücksicht nehmen, dass du nicht sagen kannst: es gibt so etwas wie antisemitische Islamkritik. Und damit meine ich gar nicht nur eine gewisse Hassliteratur der Hizbullah, wo man ganz ungeniert auf westliche Vorarbeiten aufbaut und den sunnitischen Salafismus direkt zu einer „talmudischen Sekte“ erklärt. Ja, das ist auch „Islamkritik“, und sie ist der christlichen übrigens in den theologischen Argumenten gar nicht unähnlich. Ich meine aber gar nicht nur diese.

Ich kenne da welche, die vor lauter „Verteidigung des Abendlands“ Islamkritik treiben, als wären sie Bruno Bauer und trieben „Kritik“ des Judentums. Wie weit ist das denn alles wirklich voneinander weg? Wieviel der heutigen „Islamkritik“ erinnert an antisemitische Auslassungen von früher über das traditionelle Milieu des osteuropäischen Judentums? Oder an Auslassungen unserer auf den St. Paulus immer so stolzen Gelehrten über den fanatischen Glauben an den toten Buchstaben des religiösen Gesetzes? Bei wie vielem, was sich gegen die Muslime richtet, kann man das Gefühl haben, es geht vorläufig nicht gegen die Juden?

Oder lass es mich andersrum probieren: Die Antideutschen haben jahrzehntelang an einer Kritik des Antisemitismus gearbeitet, und entweder das war alles umsonst, oder es sollte doch ein bisschen was davon stimmen. Irgendwas hiervon: der Antisemitismus ist nicht einfach dasselbe wie Rassismus; er tritt nicht einfach als Herrschaftsideologie auf, sondern als Welterklärungsmodell; er wandelt sich über die Epochen, nimmt neue Vorstellungen auf, maskiert sich, chiffriert sich; er kommt nicht aus Unwissen, und mit Argumenten ist ihm letztlich nicht beizukommen; er ist nicht eine Summe persönlicher Vorurteile, sondern eine gesellschaftliche Bewusstseinsform; er kommt bei Linken wie bei Rechten vor; er kommt ohne jeden Bezug darauf aus, was Juden tatsächlich sind und tun; und die, die ihm verfallen sind, streiten vehement ab, das zu sein, gerade weil sie sich hinter der jeweils neuen Maske des Antisemitismus verstecken können.

Wenn dies aber wahr ist, was hindert uns eigentlich, das Muster wiederzuerkennen? Unsere heutigen Islamkritiker argumentieren ja auch, wie sie selbst als erste betonen, keineswegs rassistisch, sondern erstens gegen eine bestimmte Religion, die aber dann doch zweitens wieder etwas viel allgemeineres ist als eine Religion, nämlich ein gesellschaftliches Verhältnis, Despotie oder Bandenherrschaft oder Nationalsozialismus; aber nicht als gesellschaftliches Verhältnis gefasst, sondern dann doch irgendwie von den einzelnen Angehörigen der konkreten Religion ausgehend.

Revoltierende Jugendliche etwa 2011 in England sind dann Beispiel von z.B. „Gangland-Islamismus“, auch ohne jeden muslimischen Hintergrund; „Islam“ wird auf einmal fast eine Metapher für „Bandenwesen“. Aber neben den wirklich bestehenden Banden, die gewissermassen qua Bande muslimisch sein sollen, auch wo diese aus Christen bestehen, gibt es dann noch die konkreten Muslime, die auch dann pars pro toto für „das Bandenwesen“ stehen, wenn sie selbst überhaupt nicht in Banden tätig sind, sondern z.B. ganz normale Leute. Man bezeichnet dann also den vermeinten Gesellschaftszerfall (in „die Banden“) als Islamisierung der Gesellschaft, aber genauso auch die Zuwanderung von wirklichen Muslimen.

Was ist das überhaupt für eine Logik? Gibt es irgendwelche anderen Leute, über die so geredet wird?

Auf die Weise verdoppelt sich das, was man als Feind ausgemacht hat, in den wirklich bestehenden und in eine Sorte von Leuten, die als dieser Feind gilt kraft Religionszugehörigkeit. Dann muss einem „der Islam“ nur noch zur Weltgefahr und zum uranfänglichen Endgegner werden, (☑) und man hat die Suppe zusammen. Die wirklichen und die bloss eingebildeten Gegner tauschen dann ihre Plätze: die wirklich handelnden Akteure des gesellschaftlichen Prozesses werden zufällige Randfiguren, die bloss eingebildeten Akteure werden zu den wirklichen Ursachen. Die allein noch nötige schattenhafte Macht im Hintergrund ergibt sich organisch aus dem ganzen Wahngebilde, wenn sich zeigt, dass der Staat vermutlich aus schwächlichem Liberalismus gegen diese Umtriebe nicht ausreichend einschreitet; dann fällt einem ein, dass er von sogenannten Globalisten durchsetzt ist, die selbst im Bunde mit „dem Islam“ stehen, und von sogenannten Gutmenschen oder Islamverstehern, die sich aus falsch verstandenem Liberalismus über die wahren Absichten „des Islam“ täuschen lassen.

Dass bisher niemandem eingefallen ist, die Rolle der jüdischen Hintermänner mit Sunniten zu besetzen (ausser General Flynn), hat historische Gründe; und genau das ist der Garant dafür, wo das alles enden wird, ob es unsere Islamkritiker wollen werden oder auch nicht. Bis zu diesem Punkt aber hat man eine Logik vor sich, die man genausogut bei Hitlers Lehrer Dietrich Eckart in seinem Buch „Der Bolschewismus von Moses bis Lenin“ finden kann. (1)

Oder ich irre mich, und Antisemitismus ist gar keine gesellschaftliche Denkform? Kann sein. Es gibt eine Möglichkeit, das herauszufinden. Vielleicht tragen wir mal zusammen, was wir so an Islamkritik kennen, das ohne Anleihen beim Antisemitismus auskommt. Ich bin sicher, mir ist sowas schon untergekommen. Oder? Vielleicht täuscht man sich ja auch, und es hat so etwas noch gar nie gegeben? Vielleicht wirds Zeit.

1 Wenn einen das unglaubhaft vorkommt, liegt das vielleicht daran, dass man von der Hetze gegen die jüdischen Flüchtlinge aus Osteuropa nach 1916 noch nie ein Wort gehört hat, die man entweder als rückständig und unzivilisiert verschrieen hat oder als gefährliche bolschewistische Mordbrenner, die schon Russland ins Unglück gestürzt haben und jetzt darauf brennen, auch Deutschland zu zerstören. Es sieht um so irritierende aus wie heute, je genauer man hinschaut.

Dieser Beitrag wurde unter Geschireben veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Anti-westliche Islamkritik?

  1. Pingback: Die Einsendungen Teil II | Das grosse Thier

  2. Pingback: Die Einsendungen Teil II | Das grosse Thier

Kommentare sind geschlossen.