von Liberace Swaggylegg
(erschienen in der Ausgabe #14)
Koschka Linkerhand hat als Herausgeberin eine Textsammlung zusammengebracht, die ein weites Spektrum abdeckt. In dem Band tauchen einige Reizthemen des feministischen Feuilletons auf, die zumindest dort heiß diskutiert werden. Dabei schafft der Band es, keine neuen Szenegräben aufzutun oder die bestehenden zu erweitern, sondern bietet dialektische Zwischentöne ohne dabei den kleinstmöglichen Kompromiss herbeizusehnen. Vernunftbegabte Menschen sollten es lesen und Leute, die damit anfangen wollen, auch. Allerdings dürfte für einige der ein oder andere Text schon bekannt sein.
Doch kann in diesem Band ein Potential stecken, Strömungen zusammenzubringen. Die Einleitung, von Linkerhand verfasst, ist recht ausführlich und mit jeder Menge Erklärungen und zum großen Teil auch prophylaktischer Deeskalation in Richtung der wutschnaubenden Queers*_Innen*.
Ich bin auf jeden Fall dafür. Für Streit. Weg von diesem harmoniesäuselnden, armewinkenden Konsensgefuchtel oder subagressivem Rumgenörgel. Nun lebe ich persönlich recht weit außerhalb der Szenestreiterein, in der Provinz. Da wird zwar viel gestritten aber selten über die Probleme des Feminismus. Wenige haben einen konkreten Begriff davon und noch wenigere streiten miteinander darüber. Wenn man sich doch aus seinem Dünkel heraus begibt dann geht es meistens um lokalpatriotische Pfründe. Fast nie um Begriffe.
Nun ist natürlich das Streiten an sich eine Kunst, will man sich nicht entlang der eigenen Argumente festbeißen, die mehr als ein Standpunkt oder eine Ideologie sein sollen. Vielmehr ist es ein Abwägen der eigenen inneren Vorgänge und der Frage: Worum geht es denn eigentlich? Katharina Lux schreibt in einem Text über das „für und wider in der Polemik in der feministischen Auseinandersetzung“: Der Zorn der Polemik lässt kein Zaudern zu“ (S.294). Überhaupt wir in dem Band wenig gestritten. Der zweite Teil dreht sich dann auch genau um die Schwierigkeiten beim Streiten.
Im Sammelband tauchen also viele Argumente für viele Ideen auf. Ich habe nicht alle gelesen, eher so nach Gusto entschieden, wofür ich mich interessiere. Das ist die große Qualität dieses Buches. Es mäandert durch sämtliche linken Themenfelder und füllt sie mit neuen alten materialistisch-feministischen Thesen. Nicht, dass es das nicht alle schon gegeben hat. Aber das ist ja eh die große Vergessenheit der Szene, die meint alles neu und selbst erfinden zu müssen, ohne sich historische Texte anzuschauen. Vieles wurde schon in der Vergangenheit ausufernd diskutiert und Kate Millett ist sowieso ungeschlagen.
Erfreulich fand ich persönlich den Text über eine feministische Islamkritik. Denn darüber sollte man noch viel heftiger streiten statt sich gegenseitig zu boykottieren und auszuschließen. Bezeichnenderweise ist der Artikel mit Nestbeschmutzerinnen überschrieben. Endlich findet man Argumente gegen diese überstrapazierte Sprechortdebatte. Linkerhand schreibt selber: „Wir haben es also mit einem Feminismus zu tun, dem das politische Subjekt Frau abhandengekommen ist.“ (S.249)
Was nicht fehlen darf und das tut es auch nicht, ist den Antisemitismus in feministischen Strömungen zu thematisieren. Der immerhin schon eine kleine Möglichkeit zum Streit bietet immerhin heißt das Kapitel Gegen den Burgfrieden. der Text dreht sich um die Analyse des Women´s March on Washington 2017 und deren Ausuferungen in Deutschland.
Das Buch hat das Potential, dass man es mit sich herumträgt und kleine bunte Zettel an wichtige Stellen klebt. Die einzelnen Themen sind unterschiedlich im theoretischen Gehalt. Manche kann man auf dem Klo lesen und für andere braucht man mehr Ahnung von wo anders her. So ist das halt, wenn man klüger werden will. Dümmer wird man auf jeden Fall nicht.