Aufruf: Dezentraler 1. Mai

Wir geben hier folgenden Aufruf aus Würzburg bekannt:

Dezentraler 1.Mai

Die Krise heißt Kapitalismus – solidarisch und gemeinsam für eine befreite Gesellschaft

Der 1. Mai wird anders als die Jahre zuvor. In Zeiten einer Pandemie ist das auch notwendig.

Während der DGB alle 1. Mai Kundgebungen abgesagt hat, sind wir der Meinung, dass wir trotz oder gerade wegen der Veränderungen durch Covid-19 am 1. Mai unseren Protest und unsere Wut gegen die herrschenden Verhältnisse zum Ausdruck bringen müssen. Jedoch halten auch wir klassische Großdemonstrationen in der momentanen Lage nicht für sinnvoll.

Deshalb heraus zum dezentralen 1. Mai!

Es gibt viele Wege unsere Forderung nach Überwindung des kapitalistischen Systems zum Ausdruck zu bringen. Das gilt auch in Zeiten von Covid-19. Bildet Kleingruppen, tragt Mundschutz, Handschuhe und seid kreativ. Bereitet Transparente, Plakate oder Aktionen mit euren Forderungen zum internationalen Arbeiter_innenkampftag vor und bringt sie um den 1. Mai an öffentlichen Orten an. Dokumentiert eure Aktionen und veröffentlicht sie, entweder selbst unter #m1wue2020 oder schickt sie an ldbu@riseup.net.

Schützt euch und andere, indem ihr die Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen einhaltet, damit wir schnellstmöglich unseren Unmut wieder zusammen und organisiert auf die Straße tragen können.

Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark! ~ Rosa Luxemburg

Der Kapitalismus ist in einer ökonomischen Krise, die zwar durch die Pandemie verstärkt wird, jedoch liegt der Ursprung der Krise im kapitalistischen System selbst. Aktuell leben wir in einem System, welches zwar unendlich viel Reichtum produziert, aber zugleich auch unendlich viel Armut. Weltweit sehen wir Probleme, die von einem nationalstaatlich organisierten Wirtschaftssystem nicht mehr gelöst werden können. Dies wird in der Krise immer deutlicher.

Alles, was wir bis jetzt in der Corona-Phase erlebt haben, hat und wird massive Spuren hinterlassen: Kurzarbeit, Verlängerung von Arbeitszeiten, Ausgangsbeschränkungen, Abbau von Mitbestimmungsrechten. Die gesamte Klasse der Lohnabhängigen ist betroffen, ob in der Metall- und Elektroindustrie oder im Einzelhandel, in der Gastronomie oder der Spedition, in der Pflege oder dem öffentlichen Dienst. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Krise auf dem Rücken der Lohnabhängigen ausgetragen wird.

In kurzen Abschnitten versuchen wir dazulegen, wie und warum uns dieses System an einem guten Leben für alle hindert.

++Krank ist das System!++

In unseren Krankenhäusern sorgen Fallpauschalen schon seit geraumer Zeit für eine profit- statt bedarfsorientiere Gesundheitsversorgung. Die Probleme waren vor der Krise die gleichen wie jetzt.
Der Personalmangel im Gesundheitswesen kann nicht bestritten werden. Die (neo)liberale Antwort war die letzten Jahre stets der Verweis auf eine angebliche Überkapazität an Betten und Krankenhausstandorten. Durch Schließungen von Krankenhäusern und Reduzierung der Bettenzahlen sei es möglich die anfallenden Arbeiten mit dem vorhandenen Personal zu bewältigen. Es wäre doch auch genau so aberwitzig, die Feuerwehr nur für tatsächlich gelöschte Brände zu entlohnen.

Durch die Pandemie verschob sich diese Debatte. Was vorher noch das größte Problem des Kranhauswesen war, ist heute ein wichtiges Argument für die „Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens“.

Die Krise macht deutlich, dass Krankenhäuser eine gesellschaftliche Infrastruktur darstellen, die in Krisenfällen ausreichend Kapazitäten in der Hinterhand halten muss. Diese Kapazitäten können im Nicht-Krisenmodus natürlich nur zum Teil genutzt werden und sind damit nicht rentabel.

Die Gesundheitsversorgung als lebensnotwendiger Bereich darf nicht den Konkurrenz- und Gewinnabsichten des kapitalistischen Markts untergeordnet sein! Für einen sofortigen Stopp und die Rücknahme jeglicher Privatisierung im Gesundheitsbereich! Für eine faire Bezahlung und gute Arbeitsbedinungen aller Beschäftigten! Gesundheit ist keine Ware – gleiche medizinische Versorgung für alle, unabhängig von Einkommen und Vermögen!

++Mietstreik jetzt!++

In der jetzigen Situation zeigt sich deutlich, dass sich die Lebensumstände der Menschen stark unterscheiden. Wer genügend Platz zum Wohnen hat, dem fällt es leichter, sich an Ausgangsbeschränkungen zu halten. Aber die Menschen, die gezwungen sind auf engstem Raum zusammen zu leben, treffen die Veränderungen deutlich härter.

Der Anteil unseres Verdienstes, den wir für Miete aufbringen müssen, steigt immer weiter.

Die Ausgangsbeschränkungen vergrößern dieses Problem, da viele Menschen nicht in der Lage sind, Geld zu verdienen. Die Änderungen im Mietrecht beheben dieses Problem nicht, sie verschieben es nur.
Zwar darf jetzt für 3 Monate keine Kündigung wegen Mietschulden ausgesprochen werden, zahlen sollen wir trotzdem, es wird uns lediglich etwas mehr Zeit gegeben. Es kann nicht sein, dass die am Existenzminimum Lebenden nach der Covid-19 Pandemie vor einem kaum zu bewältigenden Schuldenhaufen stehen.

Keine Profite mit der Miete! Wohnraum vergesellschaften!

Sammelunterkünfte auflösenund durch die Beschlagnahmung von Leerstand, Hotelzimmern und Ferienwohnungen Wohnraum schaffen. Auch Wohnungslose und Geflüchtete brauchen menschenwürdigen Wohnraum und müssen sich wirksam vor Ansteckung schützen können. Auch Wohnen darf als grundlegendes menschliches Bedürfnis nicht den Regeln des Markts überlassen werden!

++Unsere Rechte wurden erkämpft, nicht erbettelt!++

Seit über 130 Jahren gilt der 1. Mai international als Kampftag der Arbeiter_innenklasse.

Dieser Tag steht wie kein anderer für den grenzüberschreitenden Kampf unserer Klasse, für die Durchsetzung ihrer gemeinsamen gesellschaftlichen Interessen.

Das Kapital greift uns immer wieder an. Bisherige Siege werden auch 100 Jahre später verteidigt und wieder erkämpft werden müssen. Wenn sie den 12-Stunden-Tag in der aktuellen Krise einführen, dann zeigen sie damit auch, dass wir nicht stillhalten dürfen, denn das, was wir erreicht haben, wird uns wieder aus den Händen gerissen!

++Grenzen öffnen – Geflüchtete aufnehmen jetzt!++

Der menschenfeindliche Umgang mit Flüchtenden insbesondere an den EU-Außengrenzen darf nicht im Schatten von Covid-19 übersehen werden. Ganz im Gegenteil spitzt das Virus die Situation für die Betroffenen immer weiter zu:
Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung oder Hunger sind immer, aber aufgrund der Covid-19 Pandemie besonders, in Gefahr.

In den Lagern auf den griechischen Inseln sind 40.000 Menschen einer immer schlimmer werdenden, unmenschlichen Situation ausgesetzt und ungeschützt der Covid-19 Pandemie ausgeliefert. Diese Lager sind an sich eine permanente Menschenrechtsverletzung. Hier wird Menschen in gewaltvollster Form der Zugang zu Grundrechten wie Bewegungsfreiheit, körperliche Unversehrtheit und das Recht auf menschenwürdiges Wohnen verweigert!

Für die sofortige Evakuierung aller Lager und die dezentrale Unterbringung aller Menschen in Not! Öffnet die Grenzen für Menschen auf der Flucht!

++Hoch die internationale Solidarität!++

Die internationale Konkurrenz und die weltgesellschaftlichen Ungleichheiten seit Ende des Zweiten Weltkriegs führen zu immer schnelleren und repressiveren Verhältnissen weltweit, in denen das globale Kapital und die Länder des Nordens die südliche Welt immer mehr ausbeuten.

Das im Jahr 2019 erstmals mehr als 70 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht waren, hängt maßgeblich mit der neokolonialen Ausbeutung des globalen Südens zusammen, an dem sich auch Deutschland rege beteiligt.

Um im internationalen Konkurrenzkampf zwischen den Ländern der kapitalistischen Zentren nicht von anderen Staaten ausgebootet zu werden, haben geopolitische Interessen im Sinne der deutschen Banken und Konzerne stets Vorrang vor Menschenrechten, Selbstbestimmung oder nachhaltiger Entwicklung.

Ein konkretes Beispiel hierfür stellen die deutschen Waffenexporte dar. Waffen aus Deutschland sind bei Kriegen in aller Welt im Einsatz, 2019 wurden erstmals Waffen für mehr als 8 Milliarden Euro exportiert, unter anderem in Länder wie Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate, die beide unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.

Unser Kampf gegen diese Verhältnisse muss auch deshalb ein internationaler Kampf sein! Wir sind solidarisch mit den unterdrückten Klassen weltweit!

Wir sind solidarisch mit den weltweiten sozialen Kämpfen, ob mit der Revolution in Rojava, den sozialen und feministischen Kämpfen in Chile, den Kämpfen gegen die neoliberale Rentenreform in Frankreich oder den vielen weiteren widerständigen Bewegungen auf der gesamten Welt!

Sind wir solidarisch, indem wir hier und jetzt dem deutschen Imperialismus und seinen Verbündeten in den Rücken fallen!

War starts here – lets stop it here!

++Nieder mit dem Patriachat!++

Es ist nicht überraschend wieder einmal festzustellen, dass die Politik es nicht wahrnimmt auf wessen Schultern die momentane Krise am meisten lastet. Ob es darum geht in Kurzarbeit zu gehen, ob es um Pflege oder Homeschooling, Haushalt oder Kinderbespaßung geht: Frauen leisten den Großteil der Arbeit und diese zum Großteil unbezahlt – Sowohl im Normalzustand als auch in der Krise. Sie sind die Ersten, die vom Arbeitsplatz nach Hause geschickt werden und die Ersten, die zuhause bleiben müssen, wenn Kindergärten und Grundschulen geschlossen bleiben.

Hinzu kommen die schrecklichen Berichte über häusliche Gewalt. In Deutschland wird alle 2 Tage eine Frau von ihrem Partner oder Expartner getötet; es gibt nicht genug Anlaufstellen; nicht genug Plätze in Frauenhäusern und keine Garantie, dass der Partner zur Rechenschafft gezogen wird. Die Mysogenie geht soweit, dass von Beziehungsdrama statt Mord berichtet wird.

Bei Schwangerschaftsabbrüchen ist die Rede viel zu oft von Mord, ohne zu überlegen, wie das Überleben oder die Zukunft der ungewollt Schwangeren aufs Spiel gesetzt werden. Niemand will einen Abbruch hinauszögern, wenn ein Fötus heranwächst, aber sie haben keine Wahl. Sie haben nicht die Wahl ihre Familien verhungern zu lassen, sie haben nicht die Wahl ihre Kinder im Stich zu lassen und sie haben nicht die Wahl genauso zurückzuschlagen – vielleicht haben sie das in einzelnen Situationen, aber es geht um die Mehrheit, die von der Politik im Stich gelassen wird.

Wir fordern Selbstbestimmung, Entlohnung der täglich geleisteten körperlichen und psychischen Arbeit und das Einsehen einer patriarchalen Politik, die nichts von den Werten der Gleichheit verinnerlicht hat!

++System change, not climate change!++

Warum möchten wir dem 1. Mai, dem internationalen Arbeiter_innenkampftag auch eine Komponente der Ökologie hinzufügen?

Denn es ist nicht nur der Mensch, auch als Humankapital bezeichnet, der durch den Kapitalismus fortwährend ausgebeutet wird, sondern auch die Natur, mit ihrer noch nicht gänzlich beschrieben Artenvielfalt und Diversität an Ökosystemen, die durch facettenreiche Wechselbeziehungen ein Leben auf der Erde erst ermöglicht, wird durch das Kapital zu einer verwertbaren natürlichen Ressource degradiert und in einem Maße ausgebeutet das die planetaren Grenzen überschreitet.

Unsere derzeitige Art zu wirtschaften ist perspektivlos und selbstzerstörerisch. Dabei findet das kapitalistische System global unterschiedliche Ausprägungen, von Gesellschaften der Ungleichheit bis hin zu stark rechts- und sozialstaatlichen Systemen. Allerdings liegt allen diesen Formen die Maxime des Maximalprofits und dem ewigen Wachstum, durch Ausbeutung von Mensch und Umwelt, zu Grunde. Dies ist nur äußerst schwer mit ökologischen Zielen und unmöglich mit dem Reichtum für alle vereinbar.
Denn ein unendliches Wachstum auf Basis endlicher Ressourcen kann es nicht geben.
Welche dramatischen Folgen die voranschreitende Zerstörung natürlicher Lebensräume haben kann wird nicht zuletzt durch die aktuelle Covid-19 Pandemie deutlich. Denn der Covid-Virus ist nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern reiht sich zusammen mit dem menschengemachten Klimawandel und dem menschliche bedingten Artensterben als Konsequenz der Wachstumsorientierten und zerstörerischen Produktionslogik des Kapitalismus ein.
Menschen und Umwelt müssen vor Profitmaximierung stehen. Wer glaubt, aus dem schlechten Kapitalismus mit Hilfe von „Lobbyregistern“, „demokratischen Banken“ und „Gemeinwohlpunkten“ eine gute Marktwirtschaft machen zu können, muss scheitern.

Das Gute Leben für alle ist erreichbar. Aber nur, wenn wir über den Tellerrand von Markt und Kapital hinausschauen und neue Wege einer bedürfnisgerechten Produktion gehen.

Fight every Crisis — United behind the Science — Enteignung for Future — Strike for Future — System Change, not Climate Change

++Deshalb heraus zum 1. Mai!++

Wir sind nicht bereit dabei zuzusehen, wie die ganze Welt im Chaos versinkt und immer mehr Menschen für die Interessen einiger weniger verelenden. Die Politik der herrschenden Klasse wird ihr eigener Untergang sein. Sie werden ihre Politik nicht ändern, weil wir sie darum bitten. Uns muss klar sein, dass Veränderung mit diesem Staat und in diesem System nicht möglich ist. Es gilt einen klaren Trennungsstrich zwischen denjenigen zu ziehen, die alles opfern werden für ihre eigenen Interessen und uns, die in internationaler Verbundenheit mit den Unterdrückten und Ausgebeuteten dieser Welt kämpfen werden.

Die heutigen Probleme lassen sich nicht lösen, ohne das Fundament umzuwerfen, auf dem sie aufbauen. Die ökonomische Basis der globalen Ungerechtigkeit ist die Aufteilung in eine besitzende Klasse, die das Privateigentum an Produktionsmitteln in den Händen hält und eine lohnabhängige, arbeitende Klasse, die Wert schafft, der sich von der besitzenden Klasse angeeignet wird.

Für die soziale Revolution!

Dieser Beitrag wurde unter Geschireben veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.