Das Problem des Bodeneigentums

Buchbesprechung:

Werner Heinz und Bernd Belina, Die kommunale Bodenfrage, Hintergrund und Lösungsstrategien, Studien 2/2019, Hg. Rosa-Luxemburg-Stiftung
Peter Conradi, Hartmut Dieterich, Volker Hauff: Für ein soziales Bodenrecht, 2. Auflage, EVA, Frankfurt/Main 1973
Gerhard Senft (Hg.), Land und Freiheit, Zum Diskurs über das Eigentum von Grund und Boden in der Moderne, Kritische Geographie, 2. Auflage, Promedia, Wien 2014

Die Fragen der Grundrente und des Bodeneigentums werden von den heutigen Marxisten meistens nur unter dem Aspekt des städtischen Bodens und der Wohnraummiete untersucht. Die landwirtschaftliche und mineralische Produktion und die hier anfallende und auf allen Warenpreisen ungleichmässig liegende Grundrente wird bedeutend weniger untersucht. Insbesondere die Landwirtschaft wird anscheinend unter Marxisten von jeher nicht besonders ernst genommen.

Betrachten wir fürs erste einige ausgewählte Gedanken zu der Mietfrage und verfolgen wir sie danach weiter. Es wird nötig sein, bei einigen Gelegenheiten weit über dieses Thema hinauszugreifen. Denn die Frage sogar des städtischen Grundeigentums kann nicht gelöst werden von dem Zusammenhang gesellschaftlicher Produktion, und noch weniger von der Verfassung der städtischen Gemeinden.

I
Die neuere Arbeit aus der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat mit der älteren von 1973 den sozialdemokratischen Hintergrund und die meisten diskutierten Instrumente der Bodenpolitik gemeinsam; sie geht über sie hinaus hauptsächlich in zwei Hinsichten, einerseits in der ökonomischen Analyse der Vorgänge, die zum Steigen städtischer Bodenpreise führen, welche Analyse meistens auf neuerer Literatur aus der heute modischen Schule beruht; und andererseits in dem Vergleich mit der Lage in anderen Ländern, und der Heranziehung einiger dort verwendeter Instrumente. Beide Arbeiten sind so genau für die bestehende Gesellschaftsordnung geschrieben, dass es sich empfiehlt, das BauGB daneben liegen zu haben.

Mir hat vor Zeiten ein sozialdemokratischer Stadtrat aus der älteren Schule einmal erklärt, wie die Ausweisung von Bauland die einzige originäre Art von Wertschöpfung sei, die die Kommunen betreiben könnten; so drückte er sich aus. Die Formulierung ist mir im Gedächtnis geblieben, gerade weil sie so kurios ist. Wertschöpfung ist ein ziemlich merkwürdiger Begriff, er bezeichnet bei den Ökonomen nicht eigentlich einen produktiven Akt, sondern die Entstehung eines Einkommens; die einzelnen Einkommensarten, Lohn, Profit und Grundrente nennt man auch die einzelnen Wertschöpfungsarten. Also nicht Erzeugung von Mehrwert, sondern die Form seiner Aneignung.

Was tut die Kommune, wenn sie einen Bebauungsplan erstellt? Sie bestimmt, welcher Boden wie genutzt werden darf. Das heisst, sie wird Schiedsrichterin unter den Interessen der verschiedenen Bodeneigentümer, oder wie es Conradi/Dieterich/Hauff (im folgenden C., D., H.) noch drastischer ausdrücken, sie verteilen weiße und schwarze Lose unter ihnen, S. 29. Denn der Preis des Grundstücks und die Höhe der Grundrente, die es abwirft, richten sich nach der Art seiner Nutzung. Folgerichtig ist die Beteiligung der „Öffentlichkeit“ beim Planverfahren auch vor allem die Beteiligung der grundbesitzenden Klasse, S. 28. Jeder Kommalpolitiker wird bestätigen, dass es Bebauungspläne noch viel mehr als die Haushaltsberatungen sind, wo die Messer gezückt werden.

Das ist der ökonomische Kern der Gemeindetätigkeit in Gesellschaften, wo der Boden in Privateigentum steht. Die Wertschöpfung, die mein sozialdemokratischer Gewährsmann meinte, ist die der bodenbesitzenden Klasse; und die Gemeinde fungiert als deren gemeinschaftliches Organ.

Die Gemeindetätigkeit umfasst zwar noch allerhand mehr, namentlich die sozialen und öffentlichen Dienste, an denen die verschiedensten Klassen ein Interesse haben, aber diese ziehen niemals dieselbe nachhaltige und konzentrierte Aufmerksamkeit auf sich; einerseits, weil sie als Ausgaben der Gemeinde gegeneinander konkurrieren, vor allem aber, weil sie weitgehend durch staatliches Gesetz festgelegt sind und von der Gemeinde nur verwaltet werden. Die Gemeindewahlen sind deshalb meistens mehr oder weniger unpolitisch, die erfolgreichsten Gemeindräte sind die, die fähig sind, unterschiedslos auf jedem Fest den Begrüssaugust zu spielen. Niemand bringt der Kommunalpolitik so viel dauerhaftes Interesse auf wie die bodenbesitzenden Klassen. Sie sind deshalb unvermeidbar die herrschenden Interessen in der Gemeinde, gelegentlich ergänzt durch wenige grosse gewerbliche Interessen; aber selbst diese nur in der zweiten Linie.

II
Diese merkwürdige Stellung der Gemeinden zum Bodeneigentum ist historisch nicht alt und von zwei Gründen bedingt. Der erste ist die bürgerliche Form des Eigentums am Boden; auch wenn sie in der modernen bürgerlichen Gesellschaft als dessen Normalform erscheint, ist sie keineswegs selbstverständlich.

Das Bodeneigentum ist in der bürgerlichen Gesellschaft sogar ein regelrechtes theoretisches Ärgernis von ihrem Anbeginn. Nehmen wir das 18. Jahrhundert: der Satz „Eigentum ist Diebstahl“, ehe er durch Proudhon bekannt wurde, ist geprägt worden vom nachmals guilottinierten Brissot, dem Anführer der liberalen Girondisten. Und er meinte damit speziell das Bodeneigentum, denn anders als Eigentum an den Produkten menschlicher Arbeit kann das an Boden nicht gut naturrechtlich begründbar: niemand kann sagen, er hätte ihn geschaffen oder Leute dafür bezahlt, ihn zu schaffen; sondern irgendein Rechtsvorgänger, nämlich der erste, hat sich den Boden genommen, das war jedenfalls die Vorstellung, und zwar durch nichts anderes als Gewalt. Rousseau z.B. behandelt das Bodeneigentum deshalb direkt als Usurpation.

Die historische Realität sieht etwas anders aus. Von Beginn der staatlichen Organisation menschlicher Gemeinwesen hat das Bodeneigentum eine gewisse Bindung an diese staatliche Organisation behalten, ehe die Entstehung der modernen bürgerlichen Gesellschaft diese Bindung aufgelöst hat: gerade die sogenannten feudalen Verhältnisse, die der Wissenschaft des 18. Jahrhunderts als unbegreiflicher Missbrauch erscheinen mussten, sind deren Spuren. Die französischen Ökonomen und kurz darauf die Nationalversammlung der französischen Revolution fanden ein Bodenrecht vor, das von ihrem Standpunkt aus vollkommen unbegreiflich war: statt einfache Eigentümer waren die Grundherren Inhaber von Hoheitsrechten über die Einwohner des Lands, Inhaber von Gerichtsbarkeiten, sogar von Leibeigentumsrechten an der Arbeit der Bauern usw.

Susan Reynolds hat 1994 dieses ätere Bodenrecht historisch untersucht und die geläufigen Vorstellungen über den Feudalismus dabei sehr weitgehend auseinandergenommen. Nicht die öffentlichen Rechte des Feudaleigentums sind ein unbegreiflicher Anhang zum Eigentum am Boden, sondern das feudale Bodeneigentum ist der Anhang zu dem öffentlichen Amt: der Graf, Herzog oder Bischof ist Amsträger, übt die niedere Gerichtsbarkeit und die Erhebung von Steuer oder Militäraufgebot aus, und das Bodeneigentum und seine Erträge sind zu seinem (standesgemässen) Unterhalt und den Aufwendungen des Amts gedacht. Aus den Erträgen des Eigentums werden also die Ausgaben des Staats getragen; es steht an der Stelle, an der in der bürgerlichen Gesellschaft die Geldsteuer steht.

In denjenigen Phasen der Geschichte, in denen Geldgebrauch vordringt (in Westeuropa in der Römerzeit, im 12. Jahrhundert, und wieder ab 1700), verändert sich unvermeidlich die Struktur des Staatseinkommens; das Dienstgut der grossen Amtsträger verliert seine Funktion zugunsten der Geldsteuer, aufgebracht von einer neuen Klasse freier Bauern, bis es als unbegreiflicher Anachronismus erscheint. Vor dem Beginn der kapitalistischen Produktionsweise hat aber nie ein Staatswesen geschafft, sein Einkommen völlig auf die Geldsteuer zu stützen; selbst in England ist das erst nach 1830 geschehen.

Die Tendenz zur Geldsteuer schliesst notwendig die Tendenz ein, das Bodeneigentum als gewöhnliches privates Eigentum verstehen und verfassen zu wollen. Bürgerliches Bodeneigentum ist also etwas sehr neues, und im Inneren mit dem zentralen ökonomischen Nerv des modernen bürgerlichen Staats verbunden. Zuletzt liessen sich damit auch die naturrechtlichen Skrupel der bürgerlichen Denker befriedigen: das Bodeneigentum verliert das Schandmal der Usurpation, so sagt Brissot, in dem Moment, in dem der Boden wie jeder andere Vermögenswert am Formwechsel des gesellschaftlichen Vermögens teilnimmt; das heisst sobald es frei verkauft und gekauft werden kann. Denn der Käufer hat es zwar nicht durch Arbeit anggeignet, aber durch Hingabe eines Vermögenswerts, den er durch Arbeit erworben hat. (Nehmen wir zur Kenntnis, das fürs 18. Jahrhundert der Arbeitgeber Eigentum am Produkt erwirbt durch die Arbeit des Arbeitnehmers; und nehmen wir weiter zur Kenntnis, dass Brissot eigentlich etwas wie Geldwäsche beschreibt.)

Dieser Formwechsel aber, hat zu seinem Funktionieren die Voraussetzung, dass alle Vermögenstitel einander auch im Hinblick auf die Erträge, die sie abwerfen, gleichen; das heisst zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Eigentums ist eine allgemeine durchschnittliche Profitrate eine Voraussetzung. Die ist historisch keineswegs gegeben, sondern bis zur Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise haben die Gewerbezweige und Eigentumstitel unüberbrückbar verschiedene Ertragsraten; die kapitalistische Produktionsweise ist also die Voraussetzung sowohl für die dauerhafte Errichtung bürgerlichen Bodeneigentums, als auch des zentralen Staatsbudgets und der Geldsteuer. (Ausführlicher dazu im dritten Abschnitt von „Staat oder Revolution“ Bd. II, demnächst bei ca ira.)

Die von Senft herausgegebene Sammlung hat in 55 ff. und 63 ff. einige kleine Auszüge von Turgot, aber die falschen; von Brissot und Rousseau nichts, nur später 77 ff. von Proudhon, den aber die Pointe Brissots nicht recht interessiert. Die von Reynolds und später von Rafe Blaufarb, The Great Demarcation, 2016 erforschten Bezüge zum älteren sogenannten feudalen Bodenrecht sind überhaupt nicht repräsentiert. Blaufarb wusste einige Verhandlungen der Nationalversammlung übers Bodenrecht, die in dem Zusammenhang sehr erhellend gewesen wären.

III
Das ist ein vielleicht etwas umfangreicher Exkurs über die historischen und gesellschaftlichen Gründe, wie das moderne bürgerliche Eigentum, das eigentliche Privateigentum an Boden zustandekommt; es umfasst aus diesen Gründen bekanntlich die Freiheit der Verfügung und Veräusserung einerseits, und die der Nutzung und Aneignung des Ertrags andererseits. Die moderne kapitalistische Industrie bringt aber eine gewaltige Wanderung in die Städte mit sich; und so finden sich im 19. Jahrhundert einerseits die Bodenreformbewegung, bei Senft 101 ff., 131 ff.; und andererseits die ersten Grundzüge des modernen Bauplanungsrechts.

Zur Nutzung gehört insbesondere das subjektive Baurecht, die Baufreiheit, aus Art. 14 Abs. 1 GG. Die erste Phase der Bildung moderner Grossstädte verläuft in der Regel völlig chaotisch und unterscheidet sich von der Art, wie heute Wanderarbeiter aus Osteuropa oder Afrika untergebracht werden, in nichts ausser der Grössenordnung. Zu der Gebrauchswerteigenschaft des Bodens, namentlich seiner Geometrie, gehört, dass das nicht lange gut geht, es sind zumindest Strassen vonnöten, die auch nicht zugebaut werden dürfen; die Fluchtlinienplanung ist die älteste Form der Bauleitplaung. Feuerpolizei, Seuchenbekämpfung, oder andere eher ideale Zwecke wie der Bau von Gebetshäusern sind weitere Gründe, die in die gemeindliche Regulierung der baulichen Nutzung einfliessen.

Alle diese Dinge sind Einschränkungen des Privateigentums am Boden, oder manchmal sogar nur durch Entziehung des Eigentums überhaupt umsetzbar. Grundsätzlich hatte die Gemeinde nur folgende Möglichkeiten: entweder sie regelt die Nutzung eines neu zu besiedelnden Landstrichs detailliert nach der Karte und unter genauer Angabe der zulässigen Nutzung. Dann entfallen auf die jeweiligen Eigentümer der einzelnen Grundstücke wirklich schwarze oder weisse Lose. Ein siebenstöckiges Wohnhaus bauen zu dürfen, oder nur eine Kirche oder Grünfläche oder einen Kindergarten, das macht einen ordentlichen Unterschied im Ertragswert.

Oder die Gemeinde erwirbt selbst durch Kauf oder Enteignung die Fläche, entwickelt sie selbst und verkauft sie anschliessend wieder; beziehungsweise lässt sie erwerben, durch eine Siedlungsgenossenschaft oder ein städtisches oder auch privates Unternehmen. Dann verteilen sich die Gewinne gleichmässig auf alle früheren Eigentümer des Bauerwartungslands, die Preise, zu denen die Gemeinde den Boden erwirbt, steigen natürlich vorher immens.

Das ist für die Gemeinde ein Problem, und es ist natürlich auch für die Mieter ein Problem, und zwar nicht nur die arbeitenden Klassen, sondern auch für das Gewerbe, und es stellt sich bald die Frage, was man dagegen tun kann. Die Literatur der Bodenreformbewegung und das moderne Städtebaurecht haben darauf allerhand Antworten gesucht; auf der anderen Seite muss sich natürlich zeigen, ob diese Antworten den Ursachen der ganzen Entwicklung überhaupt gerecht werden können. Einerseits trifft in den neu entstandenen und seither immer nur grösser gewordenen städtischen Ballungsgebieten eine steigende Nachfrage, die auf ein an sich starres Angebot trifft, so auch C.,D.,H., S. 42; andererseits fungiert Boden nicht nur als Gebrauchswert, sondern als Anlagemittel, ebd. S. 43, das heisst die Bodenpreise steigen nicht nur mit der Nachfrage nach Wohnungen und Gewerbeflächen, sondern auch mit der Nachfrage nach Vermögensanlagetiteln. Sie sind als an die Zyklen der kapitalistischen Konjunktur gebunden, und auch an die Zusammensetzung des produzierenden Kapitals. Sie steigen tendenziell, jeher grösser der gesellschaftliche Kapitalstock anwächst.

Dieser Faktor ist natürlich ausserhalb der Reichweite gemeindlicher Planungspolitik. Aber höhere Grundstückspreise treiben nicht von allein die Mieten nach oben. Die Diskussion um städtische Baupolitik hat sich damals sowenig als heute durch Engels „Wohnungsfrage“ erledigen lassen. Man muss es sich schon etwas genauer ansehen.

C., D., H. diskutieren in ihrem Band die (vor und nach dem BauGB) zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumente der Gemeinden, sowie einige damals und heute diskutierten kleineren Veränderungen. Die Arbeit von Heinz und Belina (H.u.B.) behandelt bis kurz vor dem Ergebnis die gleichen Fragen; wir zitieren sie nur dort, wo sie abweicht. Der ältere Text kommt von seiner Gliederung, seiner Ausführlichkeit und der Tiefe seiner Erörterung unseren Interessen näher.

IV
Das BauGB und seine beiden Vorgängergesetze erlauben eine Reihe von Beschränkungen des privaten Eigentums, durch Akte der Planung, und auch durch direkte Entziehung oder Veränderung des Eigentums. Der grundlegendste solche Akt ist der Bebauungsplan selbst, früher im BBauG von 1960 geregelt. Der Bebaungsplan regelt Art und Mass der baulichen Nutzung, § 30 BauGB.

Die Ziele des Bebauungsplans, nämlich eine wirkliche Bebauung und Nutzung nach seinen Vorgaben, sind an sich von der Tätigkeit der Bodeneigentümer abhängig. Das BauGB wie vorher das BBauG 1960 sieht Möglichkeiten von Eigentumsentziehung zur Sicherung des Planungszwecks vor. Das einfachste ist das Vorkaufsrecht aus §§ 24 ff. BauGB; die Gemeinde kann ein Grundstück, das im Planbereich veräussert wird, selbst erwerben. Sie muss allerdings den unter Umständen wegen der Bauerwartung erhöhten Kaufpreis zahlen, § 28 BauGB. Sie kann den vereinbarten Kaufpreis auf den Verkehswert reduzieren, Abs. 3; aber typischerweise ist der Verkehrswert selbst wegen Erwartung alsbaldiger Bebauung schon lange erhöht.

Die Enteignung folgt den in §§ 85 ff. BauGB aufgestellten Vorschriften, auch hier ist die Entschädigung nach §§ 93 ff. BauGB nach dem Verkehrswert bemessen. In dem Verkehrswert, mit dem der Eigentümer entschädigt wird, sind natürlich die zukünftig erwarteten Erträge schon einberechnet; er wird ja auch u.a. nach dem Ertragswertverfahren ermittelt.

Nach § 89 BauGB ist die Gemeinde nach Erreichen des Planziels verplichtet, das Grundstück wieder zu veräussern. Sie kann das zu dem Verkehrswert tun, dann leistet sie direkt einen Beitrag zu den überhöhten Preisen; oder sie kann versuchen, dem durch vergünstige Preise entgegenzuwirken, dann werden sie natürlich früher oder später zum Verkehrswert weiterveräussert, und die Gemeinde hat die Differenz einfach verschenkt, C.,D.,H. S.120.

Die Enteignungsvorschrift des BauGB, auf die im übrigen die meisten Gesetze Bezug nehmen, die Enteignung in anderen Bereichen regeln, sind übrigens Ergebnis einer Rechtsprechung des BGH aus den 1950ern, BGHZ 2, 270; 11, 156; 12, 395. Das BGH hatte aus der älteren RG-Rechtsprechung abgeleitet, dass der Verkehrswert massgeblich sein müsse, ohne sich mit der völlig ander lautenden Regelung Art. 14 Abs. 3 GG auseinanderzusetzen. Diese Rechtsprechung ist durch BVerfG 24, 367; 58, 300 überholt. Der Gesetzgeber könnte die Entschädigung auch niedriger als den Verkehrswert ansetzen. Er tut es nur nicht. (Hierzu Opfermann, Entschädigung im Bodenrecht, in Rehbinder (Hg.), Recht im sozialen Rechtsstaat, Opladen 1973, S. 165 ff.)

Im grossen Stile in den Bodenmarkt regulierend und wirksam planend eingreifen lässt sich deshalb nur begrenzt durch Vorkausrecht noch durch Enteignung eingreifen, C.,D.,H. S. 96 ff., 100ff.; das dritte bedeutende Instrument des BauGB ist die Umlegung, §§ 45 ff. Hier werden die Eigentümer enteignet, der Bebauungsplan umgesetzt und die Eigentümer anschliessend in Boden wieder entschädigt; nur ist der Boden jetzt wie bei einer Flurbereinigung anders zugeschnitten und um die Fläche der angelegten Strassen und Grünflächen verkleinert. Sie sind aber nicht ärmer dadurch, denn der sogenannte Planungswert verbleibt ihnen; das heisst genau jene durch die Gemeinde ermöglichte Wertschöpfung, der gestiegene Preis des Grundstücks.

Neben dem Bebauungsplan gibt es seit dem StBauFG 1971 die weiteren städtebauliche Möglichkeiten, Sanierungs- bzw. Entwicklungsgebiete festzusetzen, §§ 136 ff., 165 ff. BauGB. In diesen kann wie in Gebieten unter einem Bebauungsplan Vorkaufsrecht, Enteignung oder Umlegung angewandt werden; auch hier gilt anschliessend Privatierungspflicht; wenn auch hier der sogenannte Planungswert von den Eigentümern der Gemeinde abzugeben ist, §§ 154, 169 BauGB. Auch diese Insturmente eignen sich zur Regulierung des Bodenmarkts nur begrenzt, C.,D.,H. S. 84 ff.

Für eine solche regulierende Wirkung schlagen C.,D.,H. eine aktive Bodenpolitik vor: sogenannte Bodenbevorratung, S. 116, bei der Boden dauerhaft in öffentlicher Hand bleibt und nicht mehr veräussert wird; veräussert wird lediglich ein dingliches Nutzungsrecht und allenfalls das Eigentum an den Gebäuden, S. 123, etwa ein Erbbaurecht. „Für den Erwerb gilt, daß eine langfristige Bodenbevorratungspolitik der Kommunen unmöglich ist, solange der Verkehrswert maßgeblich ist“, S. 118.

V
C.,D.,H. entwickeln zuletzt einen weit darüberhinaus gehenden Vorschlag, den sie einen „Bodenfonds“ nennen. Die Idee ist sehr verschieden von dem, was die meiste spätere Literatur, etwa H.u.B. als Bodenfonds bezeichnen. C.,D.,H. meinen damit nicht einfach einen kommunalen Vorrat an Grundstücken. Sie schlagen vor, ganze Quartiere durch Umlegungsverfahren von Alleineigentum in eine Art bodenrechtliches Genossenschaftseigentum zu überführen, S. 131 ff. Das vorher private Eigentum am Boden selbst würde in (handelbare und verzinsliche) Anteilstitel umgewandelt, das Recht am Boden aber einer genossenschaftlichen Bindung unterworfen; das Recht der Nutzung und das Eigentum an den einzelnen Gebäuden würde durch ein Erbbaurecht direkt zurückerstattet.

Was C.,D.,H. den Bodenfonds nennen, würde zu einer selbständig handelnden Gebietsgenossenschaft, die von der Gemeinde errichtet würde mit einer Satzung. Diese Satzung würde Alteigentümer, Mieter und Vertreter der Gemeinde mit Stimmrechten versehen, S. 137. Bodeneigentum und Nutzungsrecht wären dauerhaft voneinander getrennt, aber ebenso im Gegensatz zur Sozialisierung bzw. Kommunalisierung Nutzungsrecht und Planungshoheit, um eine Machtkonzentration bei der Gemeindeverwaltung zu vermeiden. Die Einnahmen aus Mieten und Pachten würden von der Genossenschaft vereinnahmt mit Ausnahme des Tributs, der den früheren Eigentümern zu zahlen wäre; aber Miethöhe und Grundstückspreis wären der Dynamik des Markts entzogen.

Um 1973 sind solche Konzepte in der SPD unter dem Namen „demokratisches Bodenrecht“ breit diskutiert worden, angestossen durch den damaligen Bundesbauminister Hans-Jochen Vogel, und sind auch in ein Papier der SPD eingegangen, das ich nicht auftreiben konnte. Darin wird auch erwogen, das private Eigentumsrecht am Boden seinem Inhalt nach zu reduzieren auf das Nutzungsrecht und Eigentum am Gebäude, das Recht der Verfügung am Boden aber insgesamt der Gemeinde zu übertragen; das ist, so C.,D.,H. S. 122 ff., wegen der immensen Kosten der Entschädigung nicht praktikabel.

B. und H. kennen einen solchen Gedanken eines als öffentlich-rechtlichen Genossenschaft ausgestalteten Bodenfonds nicht; sie zitieren aber S. 32 den sogenannten Community Land Trust, eine amerikanische Entwicklung der 1960er aus dem Civil Rights Movement, der ausserordentlich ähnlich verfasst ist. Anscheinend ist ein solcher Land Trust auch sehr effektiv darin, Wohnhäuser vor der Zwangsräumung in der Immobilienkrise zu bewahren. Wie das genau funktioniert, bleibt unklar.

Wie praktikabel dieser Vorschlag unter kapitalistischen Bedingungen, ist die eine Frage; Vogel, der bis in unsere Tage solche Ideen vertreten hat, war in der SPD interessanterweise kein Mann der Linken. Aber mir scheint eine solche Idee dem Ansatz nach bedeutend weiter in die Eigentumsordnung einzugreifen, als die meisten heute umlaufenden Gedanken aus nominell weiter links stehenden Gruppen es tun. Sie endet auch an einer ganz anderen Stelle. B. und H. entwickeln das Problem nicht viel anders, aber bleiben beim Punkt stehen, dass die Gemeinde selbst, als politische Organisation, als Vermieterin auftreten soll; sie soll Boden erwerben, man weiss nicht mit welchen Mitteln, und ihn in bewusster gegen die Marktrichtung gewendeter Anstrengung nutzen. Der Vorschlag C., D., H. würde den städtischen Boden faktisch unveräusserlich machen und das Verfügungsrecht an selbstverwaltete lokale Körperschaften binden. (1)

Welche Idee ist interessanter? Sehen wir einen Moment von der Frage der Entschädigung ab und stellen wir das Ganze in den Horizont des Übergangs zu einer klassenlosen Gesellschaft. Die Frage lässt sich so fassen: Wie kann das Bodeneigentum aufgehoben werden? Und in welcem Verhältnis steht diese Aufhebung zur Frage der gesellschaftlichen Organisation?

VI

Marx hat ja 1868, eine kleine Schrift angefangen, die Fragment geblieben ist, in den MEW abgedruckt als „Über die Nationalisierung des Bodens“. Darin führt er sehr logisch aus, dass der Boden in Staatseigentum überführt, und in der Agrikultur die direkteste Staatswirtschaft eingeführt werden müsse; und das alles andere nicht zu der zentralistischen Art passen könnte, als die er sich die Diktatur des Proletariats dachte.

3 Jahre später gab die Commune von Paris eine erste Probe von der „politischen Form“, in der die Emanzipation des Proletariats sich abspielen würde, MEW 17, 342; das völlige Gegenteil seiner früheren Ansichten über den staatlichen Zentralismus. „Damals galt es – dank den bonapartistischen und liberalen Geschichtsfälschern – als ausgemacht, daß die französische zentralisierte Verwaltungsmaschine durch die große Revolution eingeführt und namentlich vom Konvent als unumgängliche und entscheidende Waffe bei Besiegung der royalistischen und föderalistischen Reaktion und des auswärtigen Feindes gehandhabt worden sei. Es ist jetzt aber eine bekannte Tatsache, daß während der ganzen Revolution bis zum 18. Brumaire die gesamte Verwaltung der Departements, Arrondissements und Gemeinden aus von den Verwalteten selbst gewählten Behörden bestand, die innerhalb der allgemeinen Staatsgesetze sich mit vollkommener Freiheit bewegten; daß diese der amerikanischen ähnliche, provinzielle und lokale Selbstregierung grade der allerstärkste Hebel der Revolution wurde, und zwar in dem Maß, daß Napoleon unmittelbar nach seinem Staatsstreich vom 18. Brumaire sich beeilte, sie durch die noch bestehende Präfektenwirtschaft zu ersetzen, die also ein reines Reaktionswerkzeug von Anfang an war“, Engels, MEW 7, 254. „Apology accepted“, wie man bei uns auf der dunklen Seite sagt.

Was folgt daraus für Bodeneigentum und Grundrente? Das Problem ist nicht gelöst, sondern gestellt, durch Sätze wie diese: „Übrigens muß konstatiert werden, daß die „faktische Besitzergreifung“ sämtlicher Arbeitsinstrumente, die Inbesitznahme der gesamten Industrie von seiten des arbeitenden Volks, das gerade Gegenteil ist von der proudhonistischen „Ablösung“. Bei der letzteren wird der einzelne Arbeiter Eigentümer der Wohnung, des Bauernhofs, des Arbeitsinstruments; bei der ersteren bleibt das „arbeitende Volk“ Gesamteigentümer der Häuser, Fabriken und Arbeitsinstrumente, und wird deren Nießbrauch, wenigstens während einer Übergangszeit, schwerlich ohne Entschädigung der Kosten an einzelne oder Gesellschaften überlassen. Gerade wie die Abschaffung des Grundeigentums nicht die Abschaffung der Grundrente ist, sondern ihre Übertragung, wenn auch in modifizierter Weise, an die Gesellschaft. Die faktische Besitznahme sämtlicher Arbeitsinstrumente durch das arbeitende Volk schließt also die Beibehaltung des Mietsverhältnisses keineswegs aus.“ Engels, MEW 18, 282

Gut und schön, aber wer aber ist die Gesellschaft? Sie hat nicht Hände und Füsse, um zu handeln, sondern sie muss vertreten werden. Aber welche Organe vertreten sie? Eine zentrale Instanz? Aber wo bleibt da die Selbsttätigkeit der lokalen Organe? Oder diese lokalen Organe? Wo bleibt dann das Moment ihrer Einheit?

Das Problem der Gesellschaft stellt sich seit dem Beginn des Bodeneigentums, es ist mit dem Problem des Bodeneigentums im Innern verknüpft, und es lässt sich nicht lösen, ohne das Problem des Bodeneigentums zu lösen.

Denn das Bodeneigentum ist einfach falsch betrachtet, wenn man es nur unter dem Aspekt des städtischen Bodeneigentums, und der Wohnungsfrage betrachtet. Es ist ein sehr viel älteres Verhältnis, das die ganze Geschichte der agrarischen Gesellschaften beherrscht hat, und das auf eine kaum begriffene Weise mit der Geschichte des Gelds und des Staats verwoben ist. Die alte Gesellschaft behandelt den Boden überall mehr oder weniger als die Grundlage der staatlichen Organisation, das grosse Bodeneigentum als Grundlage der Staatsklasse, und die Grundrente als bevorzugte Einkunftsart, aus der öffentliche Arbeiten getragen werden.

Von der Instandhaltung der Strassen, Brücken und Quellen, über die Tempel oder Kirchen, die Gerichte und das Militäraufgebot, von dem Amtslehen der kleineren Staatsbeamten bis zum Krongut, überall herrscht seit den ersten Staaten das Prinzip, dass die Einnahmen bestimmter Landgüter direkt zu bestimmten öffentlichen Zwecken gehören.

Es lässt sich damit leicht zeigen, dass das Problem sich nicht sich auf „die soziale Revolution“ verschieben wird lassen, dass im Gegenteil eine soziale Revolution undurchführbar ist, wenn sie nicht von einer Lösung dieses Problems ihren Ausgang nimmt. Streicht die kapitalistische Produktionsweise durch, überführt die gewerbliche Wirtschaft in wie auch immer geartetes gesellschaftliches Eigentum, und ihr werdet bei keiner anderen Wirtschaft landen als der, mit der die kapitalistische Produktionsweise ihren Anfang genommen hat. „Das Eigentum an Grund und Boden … , diese ursprüngliche Quelle allen Reichtums, ist das große Problem geworden, von dessen Lösung die Zukunft der Arbeiterklasse abhängt“, schreibt Marx am Anfang seines unglückseligen Entwurfs, und da hat er Recht.

VII
Der Grund dafür liegt in der Natur der Grundrente. Die Grundrente hat eine bestimmte Form unter der kapitalistischen Produktionsweise; sie wird von dem Kapitalprofit begrenzt, und von diesem als vorherrschende Aneignungsform des Mehrwerts abgelöst, MEW 25, 791, so dass es den Anschein haben kann, als sei sie eigentlich ein Abkömmling des Kapitalprofits, das Bodeneigentum ein Teil des Kapitals. Aber es ist komlizierter. Das Kapitalverhältnis lässt sich nämlich auflösen in ein Verhältnis von gesellschaftlicher Arbeit zu sich selbst. Aber nicht die Grundrente.

Das Bodeneinkommen eignet sich durch die Grundrente gesellschaftliche Arbeit zwar an, aber im Austausch gegen Naturstoff, gerade insofern dieser nicht Produkt gesellschaftlicher Arbeit ist. Alle gesellschaftlichen Produkte sind natürlich gesellschaftliche Arbeit, die in nichtgesellschaftlichen Naturstoff hineingesteckt wird; der Naturstoff ist genau betrachtet diejenige Dimension der berühmten Ware, die nicht Tauschwert, sondern Gebrauchswert ist.

Mehr oder weniger einfache Arbeit ist für die Gesellschaft als ganzes betrachtet nie eine absolut knappe Sache, von ihrem Gebrauchswert kann deswegen in den meisten Fällen abgesehen werden; was die spezifisch gesellschaftliche Bestimmung anbetrifft, kann deswegen die eine Arbeitskraft die andere grundsätzlich vertreten. Das ist das ganze Geheimnis zwischen der vollkommen zu Unrecht berühmten „abstrakten Arbeit“. Wo eine ganz bestimmte Fähigkeit zu dieser Arbeit vorausgesetzt wird, wo es also auf einen spezifischen Gebrauchswert ankommt, entsteht durchaus eine Knappheitsrente selbst an der Arbeitskraft, was einem Marxisten vielleicht als ein Unding erscheint. (In den 1990ern gab es eine Knappheit an Maurerpolieren im Bauhauptgewerbe; es waren viel zuwenige ausgebildet worden, und man musste wegen Vorschriften auf der Baustelle einen haben. Wer die Ausbildung hatte, brauchte nur pro forma da zu sein und musste eigentlich weiter nichts tun, als sich für sein Zertifikat bezahlen zu lassen.)

Sogenannte Renten entstehen also immer da, wo ein für die Gesellschaft nötiger Gebrauchswert knapp ist. Wo fällt sie aber an? Die triviale Antwort wäre: bei dem Eigentümer der Sache, deren Gebrauchswert knapp ist. Aber das verschiebt das Problem nur, denn wer oder was ist ein Eigentümer? In der feudalen Zeit war es gewöhnlich so, dass an demselben Stück Land der Bauer ein gewisses Eigentum haben konnte (das dominium utile), und ein anderes Eigentum hatte der sogenannte Grundherr (das sog. dominium directum), und als man daranging, eine ordentlich übersichtliche bürgerliche Bodeneigentumsordnung zu schaffen, war überhaupt nicht klar, wer der richtige Eigentümer ist. Juristisch mag Eigentümer sein, wer will, wirtschaftlich wird man den als Eigentümer ansehen, der über den Ertrag der Sache verfügen kann; das heisst, der die Grundrente bekommt. Das Bodeneigentum ist nur die juristische Form des Rechts, sich Grundrente anzueignen.

Wer bezahlt aber die Grundrente? Das ist eine ganz andere Frage. Die triviale Antwort wäre hier: sie wird über den Warenpreis auf den Verbraucher übergewälzt. Aber letztlich ist der Austausch innerhalb einer Gesellschaft ja nicht die Summe aller Zahlungsvorgänge. Denn woher haben die Verbraucher ihr Geld? Sondern wenn das Wort einen wirklichen Sinn haben soll, muss man sich das Gesamtverhältnis der Gesellschaft einmal auf einer etwas anderen Ebene ansehen. Die Gesellschaftsmitglieder, wenn mans mal etwas naiv so nennen mag, stecken unterschiedlich viel Arbeit in die Gesellschaft hinein, und sie entnehmen Produkte, in denen wieder eine bestimmte Menge gesellschaftliche Arbeit verkörpert ist.

Auf den Preisen, zu welchen die Waren getauscht werden, liegen also neben dem Einkommen aus der Arbeit, also den Lohnkosten, noch die Einkommen aus Renten, und zwar ohne dass es hierfür einen objektiven Massstab ausser der relativen Knappheit gäbe; das heisst sogar wenn wir von dem Kapitalprofit und in der Tat dem Kapital vollkommen absehen und voraussetzen, dass die Arbeiter ihre Produktionsmittel selbst besitzen, bestehen die Renteneinkommen in Aneignung des gesellschaftlich erzeugten Mehrwerts, ihre Höhe insgesamt begrenzt nur durch die Höhe des Mehrwerts, und ihre relative Höhe gegeneinander bestimmt durch das Verhältnis ihrer Knappheit.

Erinnern wir uns an das neulich gegebene Weinbeispiel. Es wird schnell einsichtig werden, dass die Grundrente kann nicht einfach beim Übergang in die klassenlose Gesellschaft abgeschafft werden kann, sondern sie würde sich wiederherstellen, und mit ihr die Klassengesellschaft.

IIX
Nehmen wir als Beispiel eine Gesellschaftsorganisation, die verfasst ist nach dem Schema, wie die niederländischen Rätekommunisten sie 1930 in den „Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung“ vorschlagen. In diesem Schema lässt sich zeigen, dass eine transparente Vergesellschaftung der Arbeit ohne Ausbeutung und mit fortschreitender Aufhebung des Tauschs möglich ist, und zwar auf Grundlage einer dezentral selbstverwalteten Gesellschaft. Ihr einigendes Band, das Prinzip ihrer Synthesis (wie es Sohn-Rethel nennen würde) ist die allgemeine menschliche Gleichheit, ausgedrückt auch in der Gleichwertigkeit jeder Arbeitsstunde.

Solange man von der Grundrente absieht. Derjenige Aspekt des gesellschaftlichen Reichtums, der sich nicht aus menschlicher Arbeit ableiten lässt, der sogenannte stoffliche Reichtum, hat in dieser Rechnung keinen unmittelbaren Repräsentanten. Wenn wir der Einfachheit halber die dort gegebenen Verhältnisse einmal Tausch nennen wollen (ohne auf die scholastische Marxologie einzugehen, die es zu dem Thema gibt), und die Arbeiteszeiten, nach denen der Tausch sich vollzieht, Preise; dann werden wir feststellen, dass diese Preise in der Tat sich von dem, was am Ende des „Kapital“ B. III als kapitalistische Preise erscheint, wesentlich unterscheiden.

Diese Preise erscheinen keineswegs zusammengesetzt aus Arbeitslohn, Kapitalprofit und Grundrente. Der Kapitalprofit ist auf eine Weise verschwunden, die die Niederländer sehr nachvollziehbar aufführen; aber von der Grundrente ist einfach abstrahiert worden. Ich würde sagen, zu Unrecht; aber vielleicht sollte man doch einmal sehen, ob man nicht auf einem etwas anderen Weg zu einem ähnlichen Ergebnis kommen kann.

Es soll gesagt sein, dass die marxologische Kritik an den GIK eine Sache völlig vernachlässigt: sie argumentiert alleine vom ersten Band des „Kapital“ aus, sie gibt überhaupt nichts auf den dritten. Das entspricht so ziemlich dem Klima im momentanen akademischen und studentischen Marxismus. Aber es ist nicht haltbar. Von den Verkehrsformen der kapitalistischen Gesellschaft handelt der dritte Band. Sie verfehlen also ihren Gegenstand. Ihre Kritik sieht nicht selten so aus, als träfe sie gar nicht die kapitalistische Produktionsweise, sondern die reine Tatsache der Gesellschaftlichkeit der Menschen insgesamt;(2) es wird einzusehen sein, dass man damit nicht viel anfangen kann.

Ob ein Tauschmedium, das ein Quantum Arbeit darstellt und nur Quanta Arbeit vermittelt, schon wirkliches fungierendes Geld ist oder nicht, darüber wird gestritten werden, ohne dass man zu einem Schluss kommt. Uns reicht hier, dass ein solches Medium Geld werden kann, und zwar genauer dass es auf jeden Fall zu Geld wird, sobald es aufhört, transparentes Medium zu sein; und das tritt ein, sobald die Preise Kapitalprofit tragen oder Grundrente.

IX
Fassen wir das genauer. In einem System, wie die GIK es entwerfen, können zwei Produkte zum selben Preis (oder Nicht-Preis) getauscht werden, wenn dieselbe durchschnittliche Arbeit zu ihnen erfordert ist. Sie haben verschiedenen Gebrauchswert, einerseits durch die Art der Herstellung bedingt, was uns hier nicht interessiert; andererseits aber den, der durch die Art des Naturstoffs bedingt ist. Und dieser ist durch eine Grösse wie die gesellschaftliche Arbeit nicht abgebildet und nicht ohne weiteres abbildbar. Wird so ein System funktionieren?

Nein, weil die Knappheit des Naturstoffs sich geltend macht. Es entsteht zwangsläufig irgendwo ein Renteneinkommen, das heisst es häuft sich gesellschaftliches Arbeitsprodukt irgendwo an, ohne dass dort entsprechende gesellschaftliche Arbeit geleistet würde. Es entsteht ein Ausbeutungsverhältnis; und noch mehr, alle Preise tragen einen Anteil, der auf diese Weise angeeignet wird; also aus der Gesamtmenge der gesellschaftlichen Arbeit wird, ununterschieden und unfassbar, etwas abgezogen. Dieser Abzug liegt in undurchschaubarer, nicht rekonstruierbarer Weise auf allen Preisen auf spezifisch verschiedner Weise.

Die Preise verwandeln sich zurück in gewöhnliche Preise, das Austauschmedium verwandelt sich in Geld nicht nur der Möglichkeit nach, sondern tatsächlich; es muss nur noch der auf diese Weise akkumulierte Reichtum am gesellschaftlichen System in Produktionsmittel verwandelt werden, um die volle Restauration der kapitalistischen Produktionsweise herbeizuführen.

Was passiert, wenn wir stattdessen die Idee von Engels einführen, die Grundrente „in modifizierter Weise… an die Gesellschaft“ zu übertragen? Es zeigt sich, dass die Frage, wer denn die Gesellschaft ist, auch hier die Sache entscheidet, nur nicht in politischer, sondern schon in rein ökonomischer Hinsicht.

Gesetzt, eine zentrale Regierung vertritt „die Gesellschaft“. Alle, die Naturstoff nutzen, kaufen ihn von ihr, d.h. zahlen ihr die Mieten und Pachten. Sie vermittelt der Gesellschaft das Verhältnis zum Naturstoff. Dann müssen notwendig die Pachten als Kosten des Naturstoffs irgendwie aus dem Betriebsergebnis aufgebracht werden, und zwar in der einen oder anderen Weise über den Preis. Das so unterschiedslos intransparent der gesellschaftlichen Arbeitsmenge entzogne Einkommen gibt die Regierung für allerhand Dinge aus, die uns jetzt nicht interessieren; aber auf dem Weg von dort, wo es aufgebracht wird, nach dort, wo es verausgabt wird, verliert es jede Unterschiedenheit. Die Ausgaben des Gemeinwesens liegen in unkenntlicher Weise auf allen Warenpreisen, das transparente gesellschaftliche Band ist durchschnitten.

Nehmen wir die zweite, durch die späteren Äusserungen nahegelegte Variante. Die Gemeinden sind Herrinnen des Bodens. Sie sammeln die Pachten der Betriebe ein, diese legen sie wieder auf die Preise; die Gesellschaft trägt diese aber auf ebenso unterschiedslos intransparente Weise. Immerhin spart man sich die zusätzliche unterschiedslose Vermischung des zentralen Staatshaushalts. Aber das Resultat ist im Prinzip das gleiche.

Wie kann eine Lösung aussehen? Die Gesellschaft muss so verfasst sein, dass sich nicht hinter ihrem Rücken ein andres Verhältnis der Gesellschaft herstellt, gestiftet durch die Grundrente, das heisst das Eigentum an den verschiednen Quellen des Naturstoffs. Zu was muss denn überhaupt ein Verhältnis hergestellt sein? Was ist denn der gesellschaftliche Gegenwert, sozusagen, unsrer so überaus problematischen sozialistischen Grundrente, zu deren Annahme wir gezwungen sind?

X
Sie hat natürlich auf transparente Weise für gesellschaftliche Aufgaben angewandt zu werden. Und zwar reicht nicht das allgemeine Stimmrecht, um diese Transparenz herzustellen, weil aufgrund der Preisform aller Produkt überhaupt nicht klar ist, wie dieses öffentliche Einkommen zustandekommt, wessen Arbeit es in welchem Mass darstellt. In dem zentralen Staatshaushalt der ersten Variante kann die Gesellschaft auf keine Weise wiedererkennen, wie er ihr Werk ist. Sie verfügt, wenn sie demokratisch über ihn verfügt, äusserlich. Und die Degeneration in einen intransparenten Apparat ist schon vorgezeichnet.

In der zweiten Variante, wo diese Einnahme den Gemeinden zusteht, lässt sich dagegen ein direkteres Verhältnis durchführen, aber nur dann, wenn diese Gemeinden selbst es sind, die die öffentlichen Dienste erbringen. Erinnern wir uns, wie diese Dienste nach der Idee der niederländischen Rätekommunisten organisiert sind: ja nach „Bezirk“, worunter ja wohl ein lokales Gemeinwesen zu verstehen ist, ist bestimmt, welche Ausgaben für öffentliche Ausgaben zur Verfügung steht. Von der gesamten Produktenmenge entnehmen erst die produktiven Betriebe Ersatz für ihre verbrauchten Stoffe, dann die öffentlichen Betriebe, der Rest wird an die Arbeiter zum Verbrauch verteilt nach ihrer Stundenzahl.

Stellen wir uns vor, unter den verbrauchten Stoffen ist auch die Nutzung des Naturstoffs, z.B. des Bodens zu verstehen. Als dessen Verkäuferin tritt die Gemeinde auf, die wir uns als mit dem „Bezirk“ aus verschiednen Gründen identisch vorstellen müssen. Aber sie kann die Nutzung des Naturstoff nicht gut nach Stunden Arbeit verkaufen, denn es steckt keine darin. Stattdessen fallen bei ihr aber Stunden Arbeit für öffentliche Dienste an. Streng genommen fallen diese zwar bei den öffentlichen Betrieben an; aber sie werden aus der jeweils gemeindeweise verfügbaren Produktenmenge getragen, und kommen zustande auf Rechnung des Gemeinwesens eines bestimmten Bezirks. Die niederländischen Rätekommunisten haben nicht viel gefragt, wie dieses Gemeinwesen beschaffen ist. Ich schlage vor, es sich folgendermassen zu denken.

Dieses Gemeinwesen, d.h. die Gemeinde kann ja, statt im zweiten Schritt der Verteilung den Bedarf der öffentlichen Dienste zu entnehmen, diese den Betrieben direkt für Überlassung des Bodens etc. direkt entnehmen. Die Produkte dieser Betriebe enthalten nun die direkt erforderliche, und anteilig die gemeindlich notwendige öffentliche Arbeit in ihren Preis, wenn wirs so nennen wollen, sichtbar ausgedrückt.

Gemeindeland ist dann sozusagen mehr wert, wo die öffentlichen Dienste ein höheres Niveau haben; oder wo mehr von den produktiven Betrieben in öffentliche überführt sind, deren Produkte frei sind. Die dafür erforderte Arbeit aber hat ihr gesellschaftliches Gegenstück wo? In der Arbeit derjenigen Gemeinden, die eigne Produkte mit ihnen tauschen. Denn, nach der Logik der Grundrente, diese zahlen sie; aber nicht ununterscheidbar vermischt, sondern sinnfällig ausweisbar.

Die Arbeit in einer Gemeinde tauscht sich nach wie vor gegen dieselbe Menge Arbeit in der anderen Gemeinde aus;(3) aber indem sie eignes Produkt für eingeführtes tauscht, trägt sie im Gegenzug zur Überlassung des darin enthaltnen Naturstoffs die öffentlichen Ausgaben der ausführenden Gemeinde, und zwar bewusst und sichtbar. Noch mehr: allgemeinen Handel vorausgesetzt, trägt alle Welt sichtbar und bewusst die gesellschaftlichen Ausgaben jedes einzelnen lokalen Gemeinwesens zu einem bestimmten Teil.

Ein solcher Welthandel konstituert an sich zweierlei: einerseits erkennt durch den Austausch jede einzelne Gemeinde jede andere Gemeinde in dem Besitz ihres Bodens, als gesellschaftliche Repräsentantin eines bestimmten Teils der Natur an. Andererseits aber bekräftigt sie das universale Recht der ganzen Weltgesellschaft, diese Gemeinde als eines ihrer eigenen Organe zu betrachten.

Die Gemeinde, und zwar nur die Organisation, nicht die genau festgelegte Menge Menschen, ist es, die das anerkannte Recht an diesem Boden hat. Genauer gesagt ist sie nur die Form, in der die gesamte Menschheit das Recht an diesem Boden ausübt, und zwar vertreten durch die dort gerade ansässigen Menschen. Ein solches Verhältnis ist unverträglich etwa mit der Beschränkung des Zuzugs und der Niederlassung. Die gegenseitige Anerkennung der Gemeinden in ihrem Gebiet ist vielmehr bedingt gerade durch die Freiheit der Niederlassung.

XI
Das alles soll erst einmal nur zeigen, dass das Problem des Bodeneigentums und der Grundrente lösbar ist, und in welcher gesellschaftlichen Organisation man diese Lösung wird suchen müssen. Die richtige Zuständigkeit der Grundrente und vermutlich aller anderen Rente aus dinglichem Gebrauchswert ist die Gesellschaft; die richtige Form, unter diese vertreten ist, ist diejenige Organisation, die unentgeltliche gesellschaftliche Dienste erbringt.

Es ist aber damit noch nichts über die Art dieser öffentlich gesellschaftlichen Dienste, und noch nicht viel über den Aufbau und den Zuschnitt dieser Gemeinden gesagt. Wir haben das letzte Mal schon einen Eindruck bekommen, in welchem Zusammenhang das mit der Frage der Familie und des Geschlechterverhältnisses steht. Der Zuschnitt dieser lokalen Gemeinswesen wird wesentlich davon bestimmt werden, auf welche gesellschaftliche Weise diejenigen Aufgaben ausgeführt werden, die in der bürgerlichen Gesellschaft den vereinzelten Frauen aufgeladen sind. Verschiedene Autoren nennen solche Formen Kommunen, Shulamith Firestone Haushalte.

Nehmen wir an, dass mehrere solcher Haushalte gemeinschaftliche Einrichtungen betreiben, oder nennen wir mit Cottrell und Cockshott so ein Ensemble von Haushalten eine Kommune: dann haben wir vielleicht eine Grösse, die etwa dem entspricht, was ein Community Land Trust oder ein Gebiets-Bodenfonds nach der Benennung von C.,D.,H. umfassen könnte. So eine Grösse wäre viel zu klein, um ernsthafte grössere Betriebe zu umfassen. Nach der anderen Seite, vor dem globalen Masstab, wird man das, was wir die Gemeinden nannten, sich eher als ausgedehnte Stadtschaften vorstellen müssen, die agrarische Flächen, Wälder und ausgedehntes Ödland umfassen. Es ist also klar, dass solche Gemeinden eine differenzierte Binnenorganisation haben müssen.

Die Land Funds oder Bodenfonds können vielleicht als grobes Beispiel dienen, wie diese Bausteine beschaffen sein können, aus denen solche Gemeinden bestehen; aber nur, dass sie die gesellschaftlichen Aufgaben, die sie neben der Verwaltung der baulichen Substanz wahrnehmen, ja nicht selbst an sich selbst als Wohnraummiete zahlen würden. Aber die einzelnen lokalen Arme oder Zweige einer Gemeinde könnten nach einem ähnlichen Muster gestaltet sein; nicht nur einzelne Stadtviertel, sondern radial ins Umland ausgreifend und die ländliche Region mit umfassend.

XII
Ist dieser lange Exkurs übermässig spekulativ? Das sehen wir gleich. Es ist in der heutigen Debatte ja nicht von solchen weitgehenden Ideen die Rede, wenn von Kommunalisierung oder Sozialisierung des Bodens gesprochen wird, C.,D.,H. S. 126 ff.

Es geht „bei der Kommunalisierung nicht um die Abschaffung des Eigentums“, C.,D.,H. S. 123, sondern um die Sicherung der Zwecke des Bauleitplanung; es hat sich nur in 120 Seiten Darstellung gezeigt, dass diese mit den bestehenden gesetzlichen Instrumenten nicht zu leisten ist. Das Verhältnis von Planungshoheit und Bodeneigentum funktioniert nicht besonders; aber die Debatte endet mit der Frage, ob öffentliches Eigentum am Boden, B. und H. 42, oder „sozialgebundenes Nutzungseigentum“, C., D., H. S. 124 die richtige Grundlage einer sozialistischen Bodenordnung wäre. Keines von beidem, natürlich; das Problem geht weit darüber hinaus.

Es ist übrigens keineswegs so, dass die grundlegendere Veränderung so viel unrealistischer wäre als die bloss begrenzte. Die Städtebewohner haben ja keineswegs das selbe Interesse. Kleines Bodeneigentum ist weit verbreitet; es dient nicht nur zum Wohnen, sondern zur Besicherung von Krediten. Die ökonomische Existenz ganzer Schichten der arbeitenden Klassen hängt daran. Man weiss spätestens seit 2008, dass eine solche ökonomische Existenz keineswegs so fest ist wie der Boden selbst; wenn die Bodenpreise zu fallen beginnen, kann sich so etwas ins Gegenteil umdrehen. Genossenschaftliche Bodenverfassung könnte dann auf einmal eher als Zuflucht als als Schreckbild aussehen.

Aber Kommunalisierung oder Sozialisierung des Bodens werden bis heute vor allem unter dem Gesichtspunkt des Städtebaus und der Bauleitplaung diskutiert. Die meisten vorgeschlagenen Massregeln kommen aus dieser Debatte. Sie beginnt bei der Frage, wie die heute bestehenden Gemeinden effizienter in den Bodenmarkt eingreifen können; und sie enden bei Forderung nach erweiterter Befugnis des Eingriffs, bis an den Rand dessen, was in der bürgerlichen Gesellschaft möglich ist.

Gehen wir an den Gedanken des Anfangs zurück. Der Kern der ökonomischen Funktion der heutigen Gemeinde ist die der Schiedsrichterin unter der bodenbesitzenden Klasse. Ihr politischer Charakter ist dadurch bestimmt. Die Überführung des Bodeneigentums in öffentliche Hand ändert nun in der Tat ihren politischen Charakter; aber wer verfügt dann über den Boden? Die öffentliche Hand. Zu wessen Gunsten?

„Die Großstädte ..können nur funktionsfähig bleiben, wenn ihre Infratstruktur ständig ausgebaut, umgebaut, verbessert wird… Wo werden die Menschen wohnen, die die nach wie vor steigende Zahl von Arbeitsplätzen in den Verdichtungsgebieten ausfüllen sollen?“, C.,D.,H. S. 36 f. Natürlich kann man jetzt eintrüstet rufen: zu Gunsten des Kapitals also! Aber was wird man dem Einwand entgegenen: nein, zugunsten des öffentlichen Wohls? In Wahrheit kann man das öffentliche Wohl, solange die kapitalistische Produktionweise vorherrscht, nicht vom Gesamtinteresse des Kapitals unterscheiden.

Die Städte können in der Tat dem besonderen Interesse einer Eigentümerklasse entrissen werden, indem sie im Gesamtinteresse aller anderen Eigentümerklassen verwaltet werden. Geht es in der jetzigen Debatte um etwas anderes? Der Boden den Gemeinden! Sozialisierung des Bodens! Allerdings. Aber dann müssten noch die Gemeinden sozialisiert werden. Und dazu müsste es heissen: der Boden den sozialen Diensten, die Betriebe den Arbeitern, allgemeine Gleichheit der Löhne; denn das, in einfachen Sätzen, sind die Grundlagen kommunistischer Produktion und Verteilung, der Eingang in eine klassenlose Gesellschaft.

XIII
Soweit, sagt man uns, sind wir noch nicht. Aber wie weit denn dann? Wir sind 50 Jahre nach einem Punkt, an dem einigermassen konservative Sozialdemokraten die Abschaffung der privaten Verfügung über Boden erwogen haben, allein um noch eine Planungshoheit der Gemeinden verwirklichen zu können. In der Zwischenzeit sind die Bodenpreise immer nur weiter gestiegen. Die Funktionen und die Bevölkerungen der Städte werden fortlaufen neu sortiert; und zwar sortiert durch die Entwicklungsrichtung der kapitalistischen Ökonomie selbst.

In diesen 50 Jahren sind allerhand Ideen entwickelt worden, wie der zukünftige Kapitalismus aussehen wird, und wie eine ihm angemessene Stadt. Es ist wenig von alledem übriggeblieben. Das Land Berlin versucht, auf gesetzliche Weise die Mieten zu begrenzen; während in Berlin für die Vergesellschaftung des Bodens agitiert wird. Das ist zweifellos konsequenter. Ja noch mehr: es kann sich leicht zeigen, dass das Berliner Gesetz vom Verfassungsgericht aufgehoben wird, während die viel weitergehende Massnahme nach Art. 15 GG möglich ist ( allerdings für den Bund, und nicht für das Land Berlin, dass eine derartige Verfassungsbestimmung nicht hat.)

„Von den aktuell diskutierten bodenpolitischen Maßnahmen ist für die Reduzierung der Wohnungsproblematik… kaum Besserung zu erwarten“, stellen B. und H. 39 fest; sie empfehlen „die Errichtung großer, an den Bedarfen der Bewohner*innen orientierter preisgünstiger Wohnungsbestände in Eigenregie“ der Gemeinden, S. 38. Die Überführung des Bodens an die Gemeinden ist dabei der Schlüssel, denn es wird ja auch „gegenwärtig gebaut …, zum Teil in beträchtlichem Umfang – nur nicht in dem Marktsegment, in dem der Bedarf kontinuierlich zunimmt: dem des bezahlbaren Wohnraums. Für private Investoren ist dieser angesichts der gegenwärtigen Kapitalverwertungsbedingungen nicht rentabel. Ein dauerhafter, bezahlbarer und der Renditelogik entzogener Wohnungsbestand im Sinne kommunaler Daseinsvorsorge ist daher nicht Ergebnis einer «aktiven Baulandpolitik», sondern nur mit einem Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik zu erreichen“, S. 41, und damit meinen sie Kommunalisierung.

Aber gesetzt, die Gemeinden betreiben den Wohnungssektor mehr oder weniger in Eigenregie. Wie hoch sollen die Mieten sein? „Bezahlbar“ sagt nicht viel; nach welchen Masstäben werden sie bemessen? Sollen sie niedrig, subventioniert und umverteilend gestaltet sein; oder sollen sie an den Kosten orientiert sein? Aber B. und H. haben das ganze System dessen, was bei ihnen Bodenfonds heisst, so angelegt, dass die Einnahmen aus dem kommunalen Boden zum Erwerb weiteren kommunalen Bodens dienen sollen, sie nennen es revolvierende Bodenfonds, S. 42. Die Wohnungen sollen der Gemeinde also jedenfalls Gewinn abwerfen.

Es ist also mit der Kommunalisierung oder sogenannten Vergesellschaftung des Bodens überhaupt noch nichts gesagt! Es besteht noch nirgendwo eine Idee darüber, wie er genutzt werden soll, und von wem. Es ist, wie sich zeigt, ein grosser Unterschied zwischen effizienterer öffentlicher Planung und wirklich gesellschaftlichem Eigentum. Und was ist der Inhalt wirklichen gesellschaftlichen Eigentums? Ehe die Frage nicht klar ausgeprochen ist, wird in der ganzen Debatte auch weiter keine Klarheit möglich sein. Es sieht so aus, als ob unser länglicher Exkurs vielleicht doch nicht allzu spekulativ gewesen ist. Immerhin lässt er nämlich zu, über das Innere des Begriffs vom gesellschaftlichen Eigentum ein paar genauere Fragen zu stellen!

Anmerkungen

1 Es ist interessant, dass derartige bodenrechtliche Genossenschaften im Agrarrecht im Ansatz bereits bestehen seit dem Reichs-Siedlungsgesetz von 1919; dem ersten Gesetz der weimarer Nationalversammlung. Dort sind sogenannte Siedlungsgesellschaften vorgesehen, § 1, denen ein gesetzliches Vorkausfsrecht an agrarischen Grundstücken, § 4 ff. zusteht Diese Einrichtungen werden natürlich seit Jahrzehnten zunehmend unterlaufen, und man fordert bereits ihre Abschaffung; derzeit läuft die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes aus, und die Länder beschliessen eigene agrarische Bodengesetze; die derzeitigen Bauernbewegungen, von der sogenannten Linken völlig unbeachtet, versuchen in der einen oder anderen Weise darauf Einfluss zu nehmen. Die Idee, solche bodenrechtlichen Institutionen auf städtische Grundtstücke zu übertragen, liegt eigentlich nicht fern, wird aber nicht mehr geäussert. Die Debatte wird geführt, als gäbe es nur die Städte, als gäbe es keine Grundrente als nur die Wohnraummiete, als gäbe es keine Landwirtschaft, und auf mehr als eine Weise liesse sich zeigen, dass genau aus diesem Grund diese Debatte zu gar nichts führen wird.

2 Ich vermisse in den Produkten der neueren Marxologie, insbesondere wenn es um die sogenannte „Wertformanalyse“ geht, irgendeine Beachtung folgender Frage. Menschen werden selbstbewusste Einzelwesen sein, d.h. solche, die jeweils eigene Zwecke setzen. D.h. aber ihre Gesellschaft miteinander wird immer darauf beruhen müssen, dass sie sich gegenseitig (auch) Mittel für ihre eigenen Zwecke sind, für ihr Überleben usw. Das hat Folgen für den Begriff von der Gesellschaftlichkeit der Arbeit, und der Bedürfnisse. Die „Wertformanalyse“ wird von ihren heutigen Lesern im studentischen Milieu regelmässig so gelesen, als hätte sie damit nicht das geringste zu tun. Um so mehr müssen wir sagen, dass die speziellen Erkennntisse dieser Art der „Wertformanalyse“ wiederum mit uns nicht das geringste zu tun haben.

3 Eine notwendige Klarstellung. Nach Vorstellung der GIK selbst ist das Verhältnis, in welchem die Arbeitsprodukte entweder unengeltlich von öffentlichen Betrieben, oder sozusagen entgeltlich gegen Arbeitszettelgeld verteilt wird, je nach „Bezirk“ verschieden; weil das Fortschreiten des öffentlichen Sektors ungleichmässig vonstatten geht. Das heisst aber m.A.n. notwendig, dass auf der Ebene solcher „Bezirke“ eine andere Art des Austauschs vor sich geht als zwischen diesen „Bezirken“; so dass es mir zwingend erscheint, dass diese „Bezirke“ und ihre Einrichtungen, d.h. die Gemeinden eine eigene aktive Rolle im Handel zu spielen haben. – Genauer: die Betriebe (einschliesslich der öffentlichen Betriebe) und die weiteren öffentlichen Kostenstellen („Akkumulationsbudgets“) entnehmen jeweils nach Bezirk ihren Bedarf dem Gesamtprodukt direkt; man muss sich dazudenken: nach erfolgtem überregionalen Produktenaustausch. Die beiden Akte müssen unterschieden werden; der sog. Auszahlungsfaktor, den die GIK beschreibt, spielt eine ganz andere Rolle in beiden.

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