[Denis floh 2022 aus Russland nach Kasachstan, nachdem Kasachstan ihm den Schutzstatus verweigerte, konnte er 2024 der Extradiktion nach Russland entgehen und nach Deutschland ausreisen. Wir übernehmen den folgenden Beitrag, da wir der Meinung sind, hier werden wichtige Dinge angesprochen, während die FreundInnen der blau-gelben Folkloristik und die möchte-gern-Geopolitikasten uns mit bürgerlichem Idealismus und irgendwas „mit Europa vereint“ vollsülzen. Zwei grundsätzliche Kritikpunkte allerdings: die Frauen trifft es noch mal ganz anders, obwohl Osteuropäerinnen auch vor dem Krieg ganz gut in deutschen Bordells vertreten waren; zweitens, scheint der Kollege die ganze Hoffnung in die staatliche Regulation zu legen. Ohne die Selbstorganisation und solidarische Unterstützung jedoch wird sich nicht viel tun, punktuelle Erfolge und Erfahrungen gibt es mittlerweile. Es wird uns allen gut tun, den Kopf mal wieder aus dem Arsch zu ziehen. – das GT]
Denis Kosak
Anstelle einer Einleitung
Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur Millionen von Menschen schweres Leid zugefügt, sondern auch einen massiven Zustrom von Flüchtlingen in westeuropäische Länder, vor allem nach Deutschland, ausgelöst. Bis Mai 2025 wurden in Europa über fünf Millionen Ukrainer registriert, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Nach Angaben des UNHCR ist Deutschland das Land, wo mit etwa 1,2 Millionen Menschen die meisten Anträge auf Asyl und vorübergehenden Schutz gestellt worden sind.
Deutschland bleibt eines der wichtigsten europäischen Länder hinsichtlich der Zahl der Flüchtlinge und Migranten. Im Jahr 2025 stieg ihre Gesamtanzahl um weitere 124.000 Menschen auf rund 3,5 Millionen. Etwa ein Drittel aller registrierten Flüchtlinge sind ukrainische StaatsbürgerInnen.
Deutschland verfügt über eines der am weitesten entwickelten sozialen Unterstützungssysteme in Europa sowie vereinfachte Mechanismen für den vorübergehenden Schutz ukrainischer StaatsbürgerInnen. Darüber hinaus besteht auf dem deutschen Arbeitsmarkt ein Bedarf an Arbeitskräften, was das Land nicht nur für Vertriebene, sondern auch für Migranten attraktiv macht, die stabilere Lebensbedingungen und Beschäftigungsaussichten suchen.
Als Migrant mit annulliertem Pass, der als Flüchtling in Deutschland lebt, habe ich die Komplexität der deutschen Bürokratie persönlich durchgestanden und aus erster Hand erfahren, dass Statistiken und offizielle Berichte nicht immer die Realität widerspiegeln. Heute gehöre ich der Arbeiterklasse an und arbeite Seite an Seite mit Ukrainerinnen und Ukrainern sowie anderen Migrantinnen und Migranten, die mit denselben Problemen und Herausforderungen konfrontiert sind. Deshalb ist es mir wichtig, meine Beobachtungen und Erfahrungen zu teilen, um zu zeigen, inwiefern das, was über die Situation von Flüchtlingen und MigrantInnen und Migranten in Deutschland erzählt wird, tatsächlich mit dem übereinstimmt, was wir täglich erleben.
Die Besonderheiten eines neuen Lebens
Jeder Wochentag beginnt für mich gleich: Der Wecker klingelt um 4:50 Uhr, und ich habe nur zwanzig Minuten Zeit, um mich fertigzumachen. Ich gehe raus, als es noch dunkel ist – die Fenster der Nachbarhäuser sind unbeleuchtet, als schliefe die Stadt noch. Ich warte auf den Bus und merke, dass ich allmählich von anderen Pendlern umgeben bin. Die Stille wird nur durch die Gespräche meiner Kollegen unterbrochen – überall wird Ukrainisch gesprochen, und es entsteht das Gefühl, gemeinsam einem neuen Arbeitstag entgegenzugehen.
Endlich kommt der Transport an, und wir fahren zu unserer Arbeitsstelle. Als wir aussteigen, sehen wir dieselben Leute, die zu ihren Schichten eilen. Ihre Sprache ist sofort erkennbar – dasselbe Ukrainische, das wir alle verstehen. Es folgen arabische Stimmen, und etwas weiter ist gebrochenes Englisch zu hören. All dies verschmilzt zu einem einzigen morgendlichen Chor, in dem eines deutlich zu hören ist: Der Arbeitstag hat für alle bereits begonnen.
Doch wo ist denn die deutsche Sprache? Sie ist kaum zu hören. Man hört sie nur aus den Mündern der Chefs in den Büros, von Menschen, die die meisten von uns nicht einmal vom Sehen kennen. Deutsch zu lernen gestaltet sich in Deutschland äußerst schwierig. Staatliche Einrichtungen setzen auf Kurse von drei bis vier Stunden pro Woche über sechs Monate, in der Annahme, dass dies ausreicht, um zumindest auf Arbeitsniveau fließend zu sprechen. Doch die Realität sieht völlig anders aus. Der Unterricht berücksichtigt nicht die individuellen Merkmale der Schüler, baut nicht auf ihren bisherigen Erfahrungen auf und findet vom ersten Tag an ausschließlich auf Deutsch statt, sodass wir zu einfachen Wiederholern werden. Diese Praxis führt zu Ergebnissen, aber nicht immer. Das Tempo ist zu hoch, und gleichzeitig erinnert das Arbeitsamt regelmäßig mit seinen Briefen: Es ist Zeit, sich einen Job zu suchen. Infolgedessen landen viele Flüchtlinge, darunter auch Ukrainer, in Unternehmen, die nur Migranten aufnehmen – oft ohne Sprachkenntnisse. So fand der Kapitalismus in Deutschland eine Antwort auf die Migrationskrise: die Bildung von Arbeitskollektiven, in denen die Kommunikation innerhalb einzelner Sprachgruppen erfolgt. Die Arbeit hier ist hart, aber sie ermöglicht zumindest, Geld zu verdienen und sich über Wasser zu halten.
Doch das Problem stellt nicht nur die Sprachbarriere dar, viel mehr noch: Alles hängt von Dokumenten ab. Laut der Deutschen Welle konnten nur etwa 20 Prozent der Ukrainer ihre Diplome und Qualifikationen in Deutschland offiziell bestätigen lassen. Dieser Prozess ist äußerst arbeitsintensiv: Die Anerkennung von Ausbildung und Beruf ist mit einer unübersichtlichen und langwierigen bürokratischen Auseinandersetzung verbunden, die nicht jeder bewältigen kann. Einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge haben durchschnittlich nur 22 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge im Alter zwischen 18 und 64 Jahren eine offizielle Beschäftigung. Gleichzeitig sind 57 Prozent der Frauen und 50 Prozent der Männer gezwungen, in Positionen zu arbeiten, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen. Am häufigsten finden sich Ukrainer in den Bereichen Reinigung, Gastronomie und Sozialarbeit wieder, insbesondere in der Betreuung von Menschen mit Behinderungen. Das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen für eine Vollzeitbeschäftigung liegt bei rund 2.600 Euro und damit deutlich unter dem deutschen Durchschnitt von 4.479 Euro.
Diese Zahlen zeigen, dass für die meisten UkrainerInnen, wie auch für andere Flüchtlinge, der Weg zur Integration in die deutsche Gesellschaft viel länger und schwieriger ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Selbst mit Erfahrung, Ausbildung und dem Wunsch, in ihrem Bereich zu arbeiten, stellen viele fest, dass ihre Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht anerkannt werden. Statt beruflicher Aufstiegsmöglichkeiten sind die Menschen gezwungen, körperlich anstrengende, schlecht bezahlte Jobs anzunehmen, nur um ein stabiles Einkommen zu haben und eine Familie ernähren zu können. Diese Situation wirkt sich unweigerlich auf ihre psychische Verfassung aus: Gefühle der Unerfülltheit und sozialer Isolation werden zu den Begleitern vieler MigrantInnen.
Gleichzeitig lässt sich nicht leugnen, dass Arbeitsmigranten ganze Sektoren der deutschen Wirtschaft mittragen. Ohne Arbeitskräfte aus der Ukraine, Syrien, Afghanistan und anderen Ländern wären viele Unternehmen in der Reinigungs-, Pflege- und Gastronomiebranche kaum funktionsfähig. Der Kapitalismus in Deutschland hat sich schnell an diese neue Realität angepasst: MigrantInnen füllen die Nischen, in denen Deutsche nicht arbeiten wollen. Diese Lösung beseitigt das Problem jedoch nicht – sie verschleiert es nur.
Die Ausbeutung ukrainischer Flüchtlinge in Europa und insbesondere in Deutschland ist zur bitteren Realität geworden, worauf Menschenrechtsaktivisten und Journalisten zunehmend aufmerksam machen. Menschen, die vor dem Krieg fliehen, geraten an eine weitere Front – die Arbeitsfront. Versprechen auf einen festen Arbeitsplatz und Unterstützung verwandeln sich in harte körperliche Arbeit für ein paar Cent, ohne Verträge oder soziale Absicherung. Flüchtlinge finden am häufigsten Arbeit in den Bereichen Reinigung, Bau, Hausmeisterdienste und Gastronomie. Doch damit einhergehend sind verspätete Löhne, unbezahlte Überstunden und völlige Abhängigkeit von den Arbeitgebern. Deutschland bietet formal Schutz, doch in der Praxis finden sich zu viele in einer Grauzone wieder, in der Recht und Gesetz scheinbar keine Wirkung haben.
Internationalen Organisationen zufolge klagen bis zu 16 Prozent der UkrainerInnen über übermäßig lange Schichten, 10 Prozent über Unter- oder Nichtzahlung des Lohns und 8 Prozent über Arbeit ohne Vertrag. Hinter diesen trockenen Zahlen verbergen sich menschliche Dramen. „Der Spiegel“ beschrieb einen Fall, in dem ukrainische Frauen in einem deutschen Ferienort unter der völligen Kontrolle ihrer Arbeitgeber lebten: Sie durften das Hotel nicht verlassen, ihre Ernährung wurde eingeschränkt, sie wurden mit Polizei und sogar dem Tod bedroht. Dies ist nicht mehr nur Arbeitsausbeutung – es ist moderne Sklaverei im Herzen Europas.
Und während die deutsche Bürokratie über Integrationskurse und die Anerkennung von Diplomen redet, baut der Kapitalismus in der Praxis sein eigenes System der „Integration“ auf – durch harte Arbeit, wobei die Kommunikationssprache nicht Deutsch, sondern die des Überlebens ist. Flüchtlinge werden zu billigen Arbeitskräften, und ihre Verletzlichkeit wird wie eine Ware ausgebeutet. Und während die Gesellschaft dies ignoriert, bezahlen Tausende Menschen täglich für den Anschein „erfolgreicher Anpassung“ mit ihrer Freiheit und Würde.
Die Ausbeutung der UkrainerInnen in Deutschland ist zudem weniger auf deutsche Unternehmen selbst als vielmehr auf Zwischenhändler zurückzuführen. Mit ihnen begann auch meine eigene Arbeitserfahrung. Das Schema scheint einfach: Es gibt beispielsweise ein Hotel, das bereit ist, MigrantInnen und Flüchtlinge zu beschäftigen. Doch es schließt keine direkten Arbeitsverträge mit den Menschen ab, sondern beauftragt Zwischenhändler. Und genau hier beginnt das Missbrauchspotenzial.
Oftmals entpuppen sich solche „Firmen“ als fiktive Strukturen, die von Betrügern geschaffen wurden. Offiziell werden sie vom Hotel für die Anwerbung von Arbeitskräften bezahlt, und oft erfolgt die Bezahlung nicht stundenweise, sondern im Akkord, beispielsweise für die Zimmerreinigung. Nur ein Teil der Summe kommt bei den Arbeitskräften selbst an – nach meinen Berechnungen 20 bis 30 %; der Rest verbleibt bei den Anwerbern. Zudem ist der Arbeitgeber rechtlich gesehen gar nicht das Hotel, sondern eine Scheinfirma, die in Wirklichkeit gar nicht existiert. Die gesamte Verantwortung wird auf den Vermittler abgewälzt, und der Arbeitnehmer bleibt ungeschützt und ohne Dokumente zurück. Dieses System ermöglicht es großen Unternehmen, außen vor zu bleiben, obwohl sie die Nutznießer sind. In Düsseldorf beispielsweise wendet das Hotel Adina ähnliche Praktiken an.
Auf den ersten Blick erscheint die Anwerbung im Rahmen solcher Programme organisiert und „korrekt“: Stellenausschreibungen, Versprechen eines sicheren Einkommens, Unterstützung bei der Wohnungssuche oder beim Papierkram. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich eine völlig andere Realität. In Wirklichkeit handelt es sich lediglich um einen schönen Schein, der die typische Ausbeutung verdecken soll. Menschen werden mit Versprechungen angelockt, doch letztendlich finden sie sich ohne Arbeitsvertrag, mit niedrigem Lohn und völlig abhängig von Mittelsmännern wieder, die ihre prekäre Lage als das Instrument für Profitmaximierung ausnutzen.
Ausbeutung unter solchen Bedingungen äußert sich nicht nur in niedrigen Löhnen, sondern auch in einem System ständiger Geldstrafen, das Arbeit praktisch in Schuldknechtschaft verwandelt. Die ArbeiterInnen können für die kleinsten Fehler bestraft werden – für ein nicht richtig gereinigtes Zimmer, langsames Tempo oder sogar ein paar Minuten Verspätung. Beträge werden ohne Erklärung und ohne Einspruchsmöglichkeit vom Lohn abgezogen. Es kommt nicht selten vor, dass ganze Arbeitstage unbezahlt bleiben, entweder unter dem Vorwand „schlechter Arbeitsqualität“ oder ohne jegliche Begründung. Infolgedessen erhält die Person, die erwartet hatte, Geld zu verdienen, nur ein paar Krümel und manchmal überhaupt keine Vergütung, ist aber gezwungen, weiterzuarbeiten, weil sie weder eine Wahl noch einen Schutz hat.
Da ich diese offensichtlich erniedrigende Behandlung nicht mehr hinnehmen wollte, beschloss ich, etwas zu unternehmen – einen Streik zu organisieren. Der Grund war das inakzeptable, brutale Verhalten meiner Chefin, das mich unter einem ständigen emotionalen Druck arbeiten ließ. Vier weitere Menschen folgten meinem Beispiel, doch nicht alle fanden den Mut, ihre Meinung zu äußern. Man kann sie verstehen: Viele klammern sich an jeden Job, aus Angst, ihre Einkommensquelle zu verlieren, und sind gezwungen, Ungerechtigkeit zu ertragen.
Doch wir konnten nicht länger schweigen. Unsere Aktionen zeigten, dass selbst das unmenschlichste System seine Macht verliert, wenn ein Kollektiv zusammenhält. Das Hotel wurde praktisch lahmgelegt, die Verwaltung musste Löhne zahlen, und wir entschieden uns für Freiheit und Würde und verließen das Hotel freiwillig.
Aber im Großen und Ganzen hat das Hotel nichts verloren. Andere MitarbeiterInnen werden kommen, um die offenen Stellen zu besetzen. Diese Jobs haben eine hohe Fluktuationsrate: Die Leute kommen und gehen ständig und ersetzen sich gegenseitig. Trotzdem laufen die Ausbeutung und der Betrieb des Hotels ohne Unterbrechung weiter.
Und es gibt Hunderte solcher Geschichten. Hunderte Menschen müssen für das Recht auf Arbeit, die Vermittler für jedes Dokument, jedes Visum, jede Bewegung bezahlen. Unternehmen erhalten rund um die Uhr billige Arbeitskräfte. Und die UkrainerInnen? Sie sind Geiseln eines Systems, in dem man ohne Vermittler keinen Job bekommt und mit einem einen Preis bezahlt, den niemand bekannt gibt.
Dieses System blüht und gedeiht, weil es sich selbst nützt. Der Staat schaut weg, die Unternehmen profitieren von der Arbeit anderer, und die Menschen bleiben blind und entrechtet. Die hohe Nachfrage nach billigen Arbeitskräften, soziale Verletzlichkeit und Informationsmangel schaffen ideale Bedingungen für Ausbeutung.
Die Folgen sind mehr als nur Unannehmlichkeiten. Ausstehende Löhne, gefährliche Bedingungen, psychischer Druck, Angst. Und dennoch läuft die Wirtschaft weiter, als wäre ein Menschenleben nur Verbrauchsmaterial.
Probleme mit den Papieren
Deutschland hat Tausenden UkrainerInnen seine Türen geöffnet und ihnen vorübergehend subsidiären Schutz nach § 24 des Aufenthaltsgesetzes gewährt. Die Aussicht auf legalen Aufenthalt und Arbeit in Europa scheinen eine Chance auf ein neues Leben zu bieten. Doch die Realität ist komplexer als der Wortlaut des Gesetzes.
Der Status nach § 24 ist befristet und vollständig vom Krieg abhängig. Solange die Feindseligkeiten andauern, wird der Status verlängert. Wird der Konflikt jedoch eingefroren oder werden die Feindseligkeiten offiziell eingestellt, kann er nicht verlängert werden. Damit erlischt auch die Arbeitserlaubnis. Diese rechtliche Grauzone macht jeden Versuch, ein stabiles Leben aufzubauen, zu einem Glücksspiel mit ungewissem Ausgang.
Für deutsche Arbeitgeber ist das ein echtes Problem. Viele Unternehmen zögern, UkrainerInnen einzustellen, aus Angst, dass ihre MitarbeiterInnen im ungünstigsten Moment ohne Papiere dastehen könnten. Schulung, Anpassung an Unternehmensstandards und Integration ins Team – all das kostet Zeit und Ressourcen. Was ist, wenn der Mitarbeiter morgen wieder nach Hause muss?
Solange §24 „vorübergehend“ bleibt, müssen die UkrainerInnen zwischen Hoffnung und Angst balancieren. Sie akzeptieren befristete Stellen, stellen sich auf Instabilität ein und geben oft ihre Ambitionen auf. Und darin liegt vielleicht eines der größten gesellschaftlichen Probleme: Die Talente, die Energie und die Erfahrungen der Menschen werden aufgrund formaler Rechtsunsicherheit unterschätzt.
Das Paradoxe ist, dass diesen Menschen ein friedliches Leben und eine stabile Beschäftigung möglich sind, ihre Abhängigkeit vom militärischen Konflikt ihnen jedoch das Recht auf Sicherheit nimmt. Solange Deutschland und Europa keine Mechanismen finden, die es Arbeitgebern ermöglichen, vertrauensvoll in ukrainische Arbeitskräfte zu investieren, wird diese Situation ein Engpass für die Integration bleiben.
Letztlich sind ukrainische Flüchtlinge nicht nur „Statistiken“ oder „temporäre EinwohnerInnen“. Sie sind Menschen, die Arbeit suchen, studieren, Karriere machen und zu einer neuen Gesellschaft beitragen wollen. Und die Frage des § 24 ist nicht nur eine juristische Formalität, sondern ein echtes Hindernis für eine vollständige Integration, wirtschaftliche Stabilität und soziale Gerechtigkeit.
Wie funktioniert bezahlte „Hilfe“?
Es beginnt meist mit einem einfachen Inserat: „Wir helfen Ihnen bei der Zahlungsabwicklung, der Wohnungssuche und der Einschulung Ihrer Kinder. Schnell und unbürokratisch.“
Hinter diesen Angeboten stehen oft Betrüger, die in sozialen Medien „Hilfsagenturen“ gründen, sich als ehrenamtliche Initiativen ausgeben und versprechen, Probleme mit dem Jobcenters zu regeln, Versicherungen, Aufenthaltsgenehmigungen oder sogar eine Anstellung zu vermitteln. Der Preis für diese „Dienstleistungen“ liegt zwischen 50 und mehreren hundert Euro. Doch nach der Zahlung verschwindet der Vermittler oder, schlimmer noch, er nutzt die bereitgestellten Dokumente für illegale Aktivitäten.
Eine der häufigsten Maschen ist der Missbrauch einer Vollmacht. Flüchtlingen wird angeboten, „den Prozess zu beschleunigen“, und sie werden gebeten, ein Dokument zu unterzeichnen, das ihnen das Recht einräumt, ihre Interessen vor Behörden vertreten zu lassen. Mit der Unterschrift überträgt die Person die Kontrolle über ihre Zahlungen, ihre Post und sogar ihre Bankkonten. Dadurch erhalten die Betrüger Zugriff auf das Geld, stellen Scheinanträge und verschwinden, während das Opfer mit Schulden und rechtlichen Problemen konfrontiert wird.
Eine weitere Betrugsmasche ist die Scheinbeschäftigung. Dabei werden Personen als Angestellte bei Scheinfirmen angemeldet, um in ihrem Namen Sozialleistungen oder Steuerzahlungen zu erhalten. Das Opfer erfährt von der Anmeldung als „ArbeitnehmerIn“ erst, wenn eines Tages ein Brief vom Finanzamt kommt, in dem die Rückzahlung „unrechtmäßig erlangter Gelder“ gefordert wird.
Nicht weniger beliebt ist die Anmietung von „Geisterwohnungen“. Auf Plattformen erscheinen verlockende Anzeigen: Niedrige Mieten, „Verständnis für die Situation der UkrainerInnen“ und die Aufforderung, im Voraus eine Kaution zu zahlen. Nach der Überweisung bricht der „Vermieter“ die Kommunikation ab. Besonders aktiv sind solche Machenschaften in Großstädten wie Berlin, Hamburg und München.
Der Betrug basiert immer auf Vertrauen. Menschen, die vor dem Krieg fliehen, erwarten Unterstützung, nicht einen miesen Trick. Sie haben die deutsche Bürokratie, die Sprachbarriere und den Papierkram satt – und vertrauen daher gerne denen, die versprechen, „alles schnell zu lösen“. Genau das machen sich Betrüger zunutze.
Hunderte von Polizeiberichten dokumentieren immer dasselbe: Gestohlene Sozialleistungen, verlorene Dokumente, Identitätsdiebstahl. Manche UkrainerInnen erfahren erst Monate später von dem Betrug, wenn Schulden auf ihren Namen registriert werden oder falsche Anzeigen bei den Behörden eingehen.
Versprechen, die zu Fallen werden
Die Geschichte zweier Frauen – Karina und Nastya (Namen geändert) – begann mit einer einfachen Anzeige in einem Messenger: „Jobs in Deutschland. Legal. Für Flüchtlinge. Gutes Gehalt, Unterkunft inklusive.“
Ein Mittelsmann, ebenfalls aus der Ukraine, bot ihnen einen Job auf einer Baustelle in Hannover an, um „bei der Renovierung eines Hotels zu helfen“. Er organisierte Transport und Unterkunft und versicherte ihnen, dass alle Formalitäten in Ordnung seien.
In Wirklichkeit entsprachen die Bedingungen nicht den versprochenen Bedingungen. Die Arbeiterinnen lebten in einem baufälligen Gebäude und schliefen auf Matratzen auf dem Boden. Sie arbeiteten zehn bis zwölf Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Als die Frauen nach dem Lohn fragten, drohte der Vermittler mit Zwangsräumung und „Problemen mit der Polizei“. Sie erhielten ihr Geld nie. Nach wochenlanger Verzweiflung flohen Karina und Nastja und suchten Hilfe bei einem örtlichen Zentrum für Opfer von Menschenhandel.
Solche Geschichten sind keine Seltenheit. Berichten der Europäischen Kommission und von Menschenrechtsorganisationen zufolge hat die Zahl der Fälle, in denen UkrainerInnen als billige und manchmal sogar kostenlose Arbeitskräfte eingesetzt werden, seit 2022 stark zugenommen.
Besonders gefährdet sind Frauen, die mit Kindern und ohne Sprachkenntnisse ankommen. Viele von ihnen akzeptieren die Zusammenarbeit mit „Agenturen“ oder mit Vermittlern, die ihnen Arbeit, Unterkunft und Transport anbieten – alles in einem Paket. In der Praxis bedeutet dies völlige Abhängigkeit: Die Betroffenen haben keine Kontrolle über ihren Wohnort oder ihr Einkommen.
„Wir treffen ukrainische Frauen, die 14 Stunden am Tag in Lagerhallen oder Fabriken arbeiten und 200 bis 300 Euro im Monat verdienen. Formal schuldet ihnen niemand etwas: Sie haben Dokumente, aber keine Verträge, der Lohn wird bar ausgezahlt und ihr Arbeitgeber kontrolliert ihre Unterkunft“, sagt ein Vertreter der Berliner Organisation SOLWODI, die Opfern von Ausbeutung hilft.
Eine weitere Geflüchtete, Oksana, erinnert sich, wie sie in einer Lebensmittelverpackungsfabrik in Sachsen landete. Die Agentur vermittelte ihr eine Anstellung über einen polnischen Auftragnehmer. Von den versprochenen 12,50 Euro pro Stunde blieb weniger als ein Drittel übrig: Der Rest „ging“ für Unterkunft, Transport und „Verwaltungsdienste“ drauf.
Die Zimmer waren überfüllt, bis zu acht Personen teilten sich ein Zimmer, und die Duschen funktionierten nur zeitweise. Ein Beschwerdeversuch führte zur Entlassung und Räumung.
Das Problem wird dadurch verschärft, dass viele Ukrainer Angst haben, sich an die Polizei zu wenden. Sie wissen nicht, dass Ausbeutung eine Straftat ist (§ 232 StGB: „Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung“). Oft wird ihnen gesagt, dass eine Anzeige zum Verlust des Aufenthaltsstatus oder zur Abschiebung führen würde.
Vermittler und „Arbeitgeber“ nutzen diese Angst aus, um die Menschen zum Schweigen zu bringen.
Einer Untersuchung des Mixed Migration Centre (2024) zufolge ist fast jeder fünfte ukrainische Flüchtling in der EU mit Formen der Ausbeutung konfrontiert: unbezahlte Arbeit, Drohungen, verspätete Löhne oder Wohnungsabhängigkeit.
In Deutschland bleiben diese Fälle oft in einer Grauzone – die Opfer erstatten keine Anzeige, um nicht ihre Wohnung zu verlieren. Allein im Jahr 2023 gingen bei den Bundeszentren zur Bekämpfung von Menschenhandel über 400 Berichte über den Verdacht auf Zwangsarbeit unter BürgerInnen der Ukraine und anderer osteuropäischer Länder ein.
Formal gesehen handelt es sich bei solchen Programmen um eine „private Hilfsinitiative“. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um Ausbeutung, die als Unterstützung getarnt ist. Der Vermittler nutzt das Vertrauen aus, verspricht Sicherheit und erhält dafür das wertvollste Gut: die Arbeitskraft, die nichts kostet.
Die Ausbeutung ukrainischer Arbeitskräfte in Deutschland ist nach wie vor ein komplexes und vielschichtiges Phänomen, das wirtschaftliche Interessen, bürokratische Beschränkungen und menschliche Schicksale miteinander verbindet. Einerseits besteht auf dem deutschen Arbeitsmarkt ein großer Bedarf an Arbeitskräften, besonders in der Landwirtschaft, im Pflegebereich und in der Logistik. Andererseits sind gerade in diesen Sektoren Arbeitsrechtsverletzungen, informelle Beschäftigung, Unterbezahlung und fehlende soziale Garantien am häufigsten zu verzeichnen.
Ukrainische MigrantInnen, die aufgrund von Krieg und wirtschaftlicher Not gezwungen sind, im Ausland Arbeit zu suchen, geraten in ein System, in dem Arbeitgeber oft ihre Abhängigkeit und mangelnde Sprachkenntnisse ausnutzen. Gleichzeitig ist es unbestreitbar, dass die deutsche Gesellschaft Schritte zur Verbesserung der Situation unternimmt: Es entstehen Menschenrechtsinitiativen, die Kontrolle der Arbeitsagenturen wird verstärkt und das öffentliche Bewusstsein für faire Arbeitsbedingungen wächst.
Wirkliche Veränderungen sind jedoch erst dann zu erwarten, wenn ukrainische ArbeitnehmerInnen umfassenden Rechtsschutz erhalten und der deutsche Staat über wirksame Mechanismen zur Überwachung und Rechenschaftslegung der Arbeitgeber verfügt. Nur die Kombination dieser Faktoren wird die Arbeitsmigration von einer Überlebenschance in eine Chance für ein angemessenes Einkommen und die gemeinsame Entwicklung beider Länder verwandeln.
Übersetzt aus dem Russischen:
https://syg.ma/@kozak205_2/cena-vyzhivaniya-ukraincev-v-germanii