Nachtrag zur „Pseudolinke“-Reihe
Die bizarre, oder besser vollkommen närrische und verrannte Konstellation auf der Linken ist nicht oft so einfach in einem Bild zusammengefasst zu sehen gewesen wie neulich in Würzburg; und ich fürchte, man wird den Witz einem, der diese Stadt und ihre linke Szene nicht wenigstens 25 Jahre ertragen hat, nie völlig erklären können. Aber ohne Zweifel werden sich überall Parallelen finden lassen.
Am 17. Dezember war Veronika Kracher mit ihrem Vortrag über „Antisemitismus und Queerfeindlichkeit“ zu sehen, veranstaltet von der DIG Würzburg und der bewegungslinks-grünnahen Gruppe „Gegenpol“ (was für eine idiotische Konstellation allein schon dieser letztere Umstand).
Kracher Analyse des Zusammenhangs zwischen „Queerfeindlichkeit“ und Antisemtismus ist im Grunde eine „wissenschaftlicher“ formulierte Wiederholung der Lügenkampagne, die vor einigen Jahren gegen Marie Vollbrecht aufgefahren worden ist; notdürftig ergänzt um einige Brocken einer banalisierten Art der Ideologiekritik, wie sie in den 00er Jahren von einigen Studenten der Politikwissenschaft ausgedacht worden ist.
Der Trick besteht darin, durch eine möglichst verwässerte Umformulierung der Klassiker der „antideutschen Kritik“ alles, was einem am Herzen liegt, irgendwie in den Bereich des Antisemitismus hineinzudefinieren. Anders ausgedrückt läuft es darauf hinaus, die Geschichte des Antisemitismus nach allen Regeln der Kunst zu instrumentalisieren („für gegenwärtige Zwecke“, wie die Antideutsche Aktion Berlin neuerdings in einem allgemeineren Zusammenhang zitiert hat.)
Inhaltlich ist über diese verlogene Übung wahrscheinlich wenig zu sagen. Wo man mit dem Nationalsozialismus nicht weiterkommt, nimmt man sich Trump oder irgendeinen christlichen Konservativen, die sind schliesslich auch „rechts“. Alle offensichtlichen Widersprüche verschwinden unter auswendig gelernten Sophismen und dem Jargon der Antonio-Amadeu-Stiftung. Wir nennen das Spiel Lego der Ideologeme, und alle politischen Kräfte spielen zur Zeit nichts anderes.
Man hätte am selben Tag übrigens zur Linkspartei gehen können, die da einen Vortrag zum Zusammenhang von Zionismus und Antisemitismus im Angebot hatte. Der Kreisverband der Linkspartei ist, wie zur Zeit üblich, von den Queers for Palestine übernommen worden. Der Kreis-Sprecher, der einzige im Vorstand über 30, hat eine interessante Vergangenheit: er hat früher Bücher für ca ira lektoriert und war gross in Hanna Arendt und in Israelsolidarität, ehe er dann sich zur Linkspartei bekehrt hat.
Ich habe keinerlei Idee, wie man derart gründlich von A nach B gelangt. Aber wenn ich eins weiss, dann das: wenn man „Politik“ treibt, wenn man sich zum Politikanten herunterbringen lässt, dann wird man auf jeden Fall von A nach B gelangen, ehe man sich versieht.
Man muss das Wort „Politik“ genauso aussprechen, wie Jochen Bruhn es ausgesprochen hätte, oder die letzten Insus. Die „Form Politik“ ist genau das, woraus dieser ganze Wahnsinn gesponnen ist; der gegenwärtige mondsüchtige Unfug ist genau das, wozu die „Form Politik“ degeneriert, wenn die Bedingungen es verlangen.
Und das geschieht auf allen Seiten.
„Politik“ ist, was auch immer ihre Insassen sich dabei vorstellen, vollkommen gleichgültig gegen ihren Gegenstand, er ist ihr vollständig austauschbar. Ihr Identisches, d.h. dasjenige, was erhalten bleibt, ist die Form Politik selbst. Sie tendiert deswegen dazu, auch vollkommen identisch auszusehen über alle Lager- und Fraktionsgrenzen hinweg, und sie tendiert dazu, ihren Gegenstand so sehr zu irrealisieren, wie es das Zeitalter gerade noch erlaubt.
Die offizielle Linke und alle ihre Splitter haben es, gemeinsam und doch in bitterer Konkurrenz gegeneinander, geschafft, alle Begriffe zu blossen Spielmarken herunterzubringen, sie jeder Bedeutung zu berauben, einfach indem sie alles in den Dienst ihrer jeweiligen Fraktions-Doktrin stellen. Das logisch unausbleibliche Ergebnis scheint zu sein, dass die Pronomen-Brigade überall in der Linken die vorherrschende Kraft ist; alle Fraktionen sind vollkommen von ihr abhängig, es scheint, als wäre sie die einzige politische Kraft; die einzigen, die noch nicht gegangen sind; die einzigen, denen man noch etwas verspricht und die sich noch etwas von Politik versprechen.(1)
Das legt den Schluss nahe, dass wieder einmal das Ende dieser Art „Politik“ gekommen ist. Die Sozialdemokratie, und mit ihr die Restlinke, hat es wieder einmal geschafft, ihre eigenen Grundlagen aufzuheben. Sie haben niemandem etwas Reelles mehr zu versprechen; sie sind stattdessen zu immer weiterer Irrealisierung fortgeschritten.
Die betreffenden Organisationen fühlen sich hoffentlich wohl mit alledem. Sie werden in dem Bett schlafen müssen, das sie sich machen. Wer auch immer irgend ein reelles Interesse am Gegenstand hat, d.h. wer auch immer noch etwas mit sich und der Welt vor hat, wird sich von alle dem so fern halten, wie es geht; ja ganz offenbar tut man es bereits, und vor allem deswegen sieht alles das auch aus, wie es aussieht.
————–
1. Mittlerweile scheint in dieser Konkurrenz ein ziemliches Mass körperlicher Gewalt zwischen den Fraktionen üblich geworden zu sein. Man wird gelegentlich einmal ein bisschen mehr dazu schreiben. Es ist selbstverständlich immer die andere Seite, und man zeigt sich erstaunt und entsetzt. Das alles ist natürlich in diesen Kreisen für vollkommen akzeptabel gehalten worden, als es noch gemeinsam gegen die anderen, die „Queerfeinde“ ging. Das Kontinuum scheint zerbrochen zu sein, es wird sich jetzt gegenseitig an die Gurgel gegangen. Man hatte sich immer gefragt, wie diese Szene sich gegenseitig erträgt. Und wenige haben begriffen, dass der Konformitätsdruck in dieser Szene einfach die andere Seite ihrer Bereitschaft zu fanatischer Gewalt war, und dass nur das diese Szene zusammengehalten hat.