Von der Einheit der ukrainischen Nation

von Shiitman

Dies ist der zweite Abdruck aus dem Heft 1/2014. Wer es nicht bekommen hat, soll sich melden. Irgendwann bekommt man auch eine Antwort, versprochen!

Die bei den Liberalen so beliebte Rhetorik „der Einheit und Konsolidierung der Nation“ ist genau so schädlich und gefährlich, wie die offen nazistische Rhetorik der „Swoboda“, wie die imperiale Nekromantie der „russischen Welt“.
Gerade das unüberwindbare Schisma zwischen den ukrainischen Rechten rettet uns in vieler Hinsicht vor jenem Niveau der Reaktion, die gerade Russland überflutet. Haben einmal die Anhänger Stalins und die Banderas aufgehört, einander die Kehlen durchzubeißen, werden sie uns doppeltem Enthusiasmus uns an die Gurgel springen. Haben pro-ukrainische und pro-russische Faschos ihre Reibereien beigelegt und auf die für einander beleidigenden Symbole einmal verzichtet, werden sie sich im Kampf für Traditionelle Werte und einen Starken Staat ekstatisch vereinigen. Haben Bischöfe des Kiewer und des Moskauer Patriarchats ihre Fehden einmal vergessen, werden wir uns endgültig vom Säkularismus verabschieden müssen. Haben die Gespenster der Galizischer Division SS und Sperrtrupps des NKWD einmal aufgehört, einander in ihrem ewigen und sinnlosen Ringen zu schinden – wird dieses vereinigte Vampirenheer uns heimsuchen.
Bei all meinem Hass auf Nazis – ich fühle mich viel sicherer, wenn sie offen unter dem Hakenkreuz oder dem Imperialbanner auftreten, wenn sie Fackelmärsche für Bandera oder die UPA (Ukrainische Aufständische Armee) veranstalten, als wenn sie sich auf blau-gelbe Fahnen und das Singen der Nationalhymne beschränken. Solange Anarchisten schwach und zersplittert sind, ist uns alles günstig, was die Einheit der Reaktion schwächt: sowohl ökonomisch, als auch politisch oder kulturell. Wir begrüßen jegliche zentrifugalen Kräfte.
Die wirkliche Einheit des Landes ist der ewige Janukowytsch mit Irina Farion als Ideologin, es ist der ukrainisirte Dmytro Tabatschnyk, der Studentenschädel auf der Suche nach einem echt-slawischen abmisst, es ist der zweiköpfige und vierarmige Patriarch, der jeden Park mit einer kleinen Kirche und jedes Klassenzimmer mit einem Kruzifix schmücken wird, und wer’s nicht mag, dem wird das Grab geschmückt; die Einheit des Landes ist die durch die Einheit von Regierung und Oligarchat garantierte langjährige politische Stagnation, es ist das Lynchen von Drogenabhängigen und LGBT, es ist die gesetzlich verordnete Xenophobie, es ist der 12-Stunden-Arbeitstag und Streikverbot, es ist all das, wovon gleichermaßen die Regierung und die Opposition träumen.
Es gibt nichts Schrecklicheres für die Ukraine als die „nationale Einheit“. Ausgerechnet die Zersplitterung und Zerwürfnis retten das Land davor, auch zu jenem braunen Sumpf zu verkommen, zu dem Belarus und Russland bereits geworden sind.
Tod der Nation! Hoch lebe der Feind! Смерть нації! Слава ворогам!
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