[Wir übernehmen einen weiteren Beitrag von Denis, um die allseits beliebte Rubrik fortzusetzen: was machen denn die ganzen „NATO-Faschos“ und die „antifaschistischen Befreier“? Gut geht es ihnen, zumindest äußerlich: bei den einen sieht es nach einer Privatfette aus, während bei den anderen ist es allerdings ein Staatsakt. Erwähnenswert ist bloß, dass der sog. russische Nationalismus ist zwiegespalten und das ist der Ausdruck der schizophrenen russländischen Staatlichkeit selbst: Russland ist ein altes Kolonialreich mit etwas auf der Strecke gebliebener Nationbildung. – das GT]
von Denis Kosak
Anlass für diese Notizen war ein Vorfall bei der Beerdigung des ukrainischen Anarchisten David Tschitschkan (eng. Chichkan). Denis Kapustin-Nikitin, Anführer des Russischen Freiwilligenkorps (RDK), tauchte unerwartet unter den Anwesenden auf.
Sein Auftritt war nicht als Ehrung des Andenkens gedacht, sondern als bewusste Provokation: Daraufhin wurde ihm Pfefferspray direkt ins Gesicht gesprüht. Der Vorfall verbreitete sich augenblicklich in den Medien und rief das vertraute Gefühl einer Straßenkonfrontation hervor – AnarchistInnen und AntifaschistInnen auf der einen Seite, Neonazis auf der anderen.
Dieser Vorfall ist jedoch nicht nur wegen des jüngsten Aufflammens eines alten Konflikts bemerkenswert. Im Mittelpunkt steht die Person Kapustin-Nikitins. Er ist kein ukrainischer Nationalist, sondern Russe – russischer Staatsbürger und zudem Kommandeur einer ganzen Militäreinheit. Seine Anhänger – sowohl russische als auch ukrainische Nationalisten – beeilten sich, sein Verhalten zu rechtfertigen und bezeichneten die Trauergäste als „linkes Gesocks“. In einem Akt der Solidarität verbreiteten sie in den sozialen Medien den Slogan „Ruhm der Rus’!“
Und hier stellt sich die entscheidende Frage: Was bedeutet dieser Slogan überhaupt im ukrainischen Kontext – insbesondere unter den Kriegsbedingungen? Auf den ersten Blick scheint er nichts Besonderes zu sein: Ein pathetischer Ruf nach „Ruhm“, eine simple Kopie des Slogans „Ruhm der Ukraine“, nur eben auf russische Art. Doch bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass es sich um einen rhetorischen Parasiten handelt, um einen Versuch, sich fremden symbolischen Raum anzueignen. Denn „Ruhm der Rus“ steht nicht für eine freie Ukraine, nicht für ihren Kampf und ihre Zukunft. Es ist ein Ruf nach einer Rückkehr in eine mythische Vergangenheit, in der „Rus“ nicht als Quelle vielfältiger Traditionen, sondern ausschließlich als Herkunftsgebiet russländischer Ultrarechte dargestellt wird. Weiterlesen

