von Seepferd
Es ist m.E. müßig, Wahlfälschunen in Russland nachzuweisen. Besonders der Bevölkerung Russlands. Als wüsste man das nicht, als wäre es angesichts der sowjetischen Erfahrung irgendwas Neues, dass die Wahl keine war. Es wird nicht das sein, weswegen man handeln wird. Auch mit ökologischen Katastrophen und Tragödien, die von Korruption und zerfallender sowjetischer Infrastruktur verursacht werden, kennt man sich aus. Sich daran gewöhnen tut man eigentlich nicht.
Seit Anfang 2018 klagen die BewohnerInnen kleinerer Städte nicht weit von Moskau über verpestete Luft. Giftige Gase entwickeln sich auf gigantischen Müllhalden, Dutzende von Menschen, darunter viele Kinder werden hospitalisiert. Ab Ende März beginnen die regionalen und Moskauer Machthaber die Proteste und Hilferufe zur Kenntnis zu nehmen. Was im Konkreten bedeutet: namhafte Ärzte behaupten unisono, Kinder würden von alleine krank (das tun Kinder bekanntlich gern), die Regierung schickt ihnen extra für solche Fälle gegründete – nein, keine extraordinäre Mannschaft des Katastrophenschutzes – sondern die Nationalgarde. Und diese jagt die BewohnerInnen der Müllhalden (so muss man diese Siedlungen leider bezeichnen) munter auseinander, die Repressionswelle rollt. Das passiert kurz nach der Präsidentschaftswahl in Moskauer Region. Das passiert gerade jetzt. Nachzulesen hier und hier.
Am frühen Morgen des 25. März fängt das schopping mall „Simnaja wischnja“ in der westsibirischen Stadt Kemerowo Feuer. Wegen vernachlässigter Brandschutzvorrichtungen, weil es anscheinend billiger ist, die städtische Brandschutzkommission zu schmieren, als in die nötigen Vorrichtungen zu investieren, und wegen Inkompetenz und Schlampigkeit sterben im Feuer (nach offiziellen Angaben) 64 Menschen, davon 41 Kinder. Die Einzelheiten hier.
So leicht kann man das zwar nicht ignorieren, aber man kann schon die gesamte staatliche Lügenmaschinerie gegen die Familien loslassen, die nach Aufklärung und Bestrafung der Verantwortlichen rufen. Da sagt man ihnen ins Gesicht, sie würden übertreiben, sie würden Wladimir Wladimirowitsch höchstpersönlich in den Rücken fallen, sie würden nur an ihren „public relations“ arbeiten, man entschuldigt sich vor Putin (!) für dieses dumme Missgeschick, die Kirche freut sich, dass den Kindern ein sündhaftes Leben erspart blieb und sie direkt in den Himmel gefahren seien, womöglich sind das eh alles Auslandsagenten. Und vor Allem: lasst uns jetzt bitte nicht in solch finsterer Stunde politisch werden! Nur, die Märchen von Obama, der Omas ihre kargen Renten klaut und überall in Russland in den Fahrstühlen pisst, vom blutrünstigen ukrainischen Geheimdienst SBU, von der vom Westen bezahlten „fünften Kolonne“, die alles schlimmer darstellt, als es ist (sprich, Sprachmagie betreibt), von schwul-feministischen Schläferzellen, die dem wiedererstarkenden Russland von hinten einen tödlichen Stoß verpassen wollen, ziehen nicht mehr. Deswegen fordert man in Kemerowo nicht nur den Rücktritt vom Oberbürgermeister Tulejew, sondern auch von Putin dazu. Selbst der apathischste und apolitischste Mensch weiß inzwischen ganz genau: ohne Putin kein Tulejew. Das Märchen vom guten Zaren und bösen Großgrundbesitzern zieht ebenfalls nicht mehr.
Frage: Warum haben sich die überlebenden Familienangehörigen immer noch nicht persönlich bei Kadyrow via Youtube entschuldigt?
Die Opposition ist unnötig in diesen beiden Episoden. Weder Sobtschak noch Nawalny noch Grudinin (der – ahäm! – Friedrich Engels der KPRF, der Schmankerl ist leider nur auf Russisch verfügbar), geschweige denn „die linke Hoffnung“ Udaltzow haben den Leuten irgendwas zu sagen. Dafür gibt es dieses freche Mädchen in pinken Klamotten im vermüllten Wolokalamsk, das dem Moskauer Bürgermeister eine unmissverständliche Geste zeigt –
Warten wir mal ab, was die Lügenmaschinerie zum Mädel sagt…
Nächste Frage allerdings: wann wird diese Wut in Hass umschlagen? Das Verhalten dieser Herrschaften erweckt den Eindruck, sie wollen nicht vor‘s internationale Tribunal in Den Haag. Auf gar keinen Fall wollen sie das. Sie wollen mit dem Kopf nach unten neben ihren Liebhaberinnen an einer Gasprom-Tankestelle hängen.
Vergesst Putins Superwaffen, Russland ist ein Wrack und eine Müllhalde.
„sie wollen nicht vor‘s internationale Tribunal in Den Haag. Auf gar keinen Fall wollen sie das. Sie wollen mit dem Kopf nach unten neben ihren Liebhaberinnen an einer Gasprom-Tankestelle hängen.“
bester satz im grossen thier bisher.
den namen des lustigen herrn navalny sollte man sich aber vielleicht merken:
http://euromaidanpress.com/2017/07/22/for-the-chekists-navalny-is-the-yeltsin-of-1987-portnikov-says-euromaidan-press/
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