von Jörg Finkenberger
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„Ich läugne die möglichkeit baldiger Revolutionen nicht. Wohl aber läugne ich, daß die Revolutionen von der 48er Demokratie gemacht werden können. Revolutionen werden nicht von der demokratischen Partei gemacht, vielmehr ist die Umsturzpartei oft nur erst ein Erzeugniß der Revolution. Revolutionen entstehen, wenn ein Lebensprincip, welches bis dahin die Stände und Staaten ordnete, sich zersetzt, und wenn die daraus folgende Unsicherheit sich den leitenden Kreisen mittheilt.“ (1)
Das schrieb einer, der über die „48er Demokratie“, die „Umsturzpartei“ von 1848 genug wusste, um von der Polizei dafür bezahlt zu werden, nämlich Edgar Bauer; er sass wie die anderen Radikalen im Exil in England, wo er mit Marx soff, sich prügelte und zerstritt,(2) und wo er dieselben unfassbaren Klatschgeschichten, Intrigen, kaum begreiflichen Allianzen und Zerwürfnisse der politischen Emigration zusammenschrieb, aus denen Marx das Buch „Die Grossen Männer des Exils“ gemacht hat, nur gegen Geld für die dänische Staatspolizei. (3)
Es reicht, dieses Buch z.B. zu überfliegen, um zu begreifen, was er meint. Diese Leute hatten alle irgend eine Rolle in der kurzen, aber heftigen Revolution gespielt, und sie meinten nun, ihre Handlungen wären die Ursache und nicht die Folge der Revolution gewesen. Aus der Revolution war insgesamt eh nichts geworden, und das lag natürlicherweise an dem schlechten Einfluss, der Schlaffheit, Verräterei und den unrichtigen Spezialideen der anderen Parteien unter der revolutionären Emigration, und nicht an dem guten Einfluss, der Vorsicht, klugen Taktik und den völlig richtigen Spezialideen der eigenen Partei.
Wenn man diese Leute so beissend beschreibt wie Marx, dann sehen sie unfassbar dumm aus. Aber man braucht gar nicht so viel Phantasie, um sich grosse Teile unserer heutigen linken Szene so beschrieben vorzustellen. Man bildet heute nicht mehr so rasch Exilregierungen hierzulande, aber die geschlagenen Teilnehmer unserer letzten Revolutionen, 1968 und 1989, mussten auch nicht ins Exil. Unter der 68er „Umsturzpartei“ jedenfalls gab es genug Narren desselben Formats; die Gründung einer sogenannten Kommunistischen Partei ist doch auch nichts anderes als der Anspruch, demnächst die Regierungsgewalt übernehmen zu wollen. Je realistischer, desto gefährlicher; je unrealistischer, desto lächerlicher; zwischen diesen beiden Polen bewegt sich der Irrsinn.
Die linke Szene in Westdeutschland vergisst es manchmal, aber sie geht in der Form, die sie heute hat, auf 1968 zurück, wenn auch auf verschlungenen Wegen; in Ostdeutschland ist es alles noch nicht so lange her, die Erinnerung ist noch nicht ganz so getrübt, alle grösseren Institutionen der Szene haben sich natürlich um 1989 entwickelt, und die meisten Leute leben noch. Die linke Szene ist „ein Erzeugniß der Revolution“.
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Es gibt natürlich vor den Revolutionen schon Personenzusammenschlüsse, mehr oder weniger öffentlich auftretende Gruppen, oder Milieus, in denen die Themen der späteren Revolution schon klarer erörtert werden als anderswo. Vor 1968 bestanden sie an den Rändern den SDS, der sogenannten Republikanischen Clubs der APO, den sozialwissenschaftlichen Fachschaften der Universitäten, der Gewerkschaftsjugenden; vor 1989 gab es die bekannten Kreise an den Rändern der Landeskirchen, die betrieblichen Gruppen innerhalb und ausserhalb der sozialistischen Partei, die Umweltgruppen und das Milieu der sogenannten Lesekreise. Irgendwo stellen irgendwelche Leute auf einmal Fragen, die vorher nicht gestellt worden sind, und tun sich zusammen zu gemeinsamer Aktivität, die vorher nicht getrieben worden ist, und zwar ausserhalb oder am Rande der Organisationen und der Institutionen.
Das auffällige ist, dass solche Gruppierungen erstens am Scheitelpunkt der Revolution wieder auseinanderzubrechen pflegen; ihre Produkte gehen neue Bündnisse ein, und diese Umgruppierung endet erst, wenn die Revolution vorbei ist. Und zweitens fällt auf, dass sie nie direkt aus den erstarrten Formen hervorgehen, die vorhergehende Revolutionsversuche zurückgelassen haben. Die Bewegung von 1968 etwa hat es ja auch im Osten gegeben; ihre Nachwirkungen lassen sich noch bis in die späten 1970er zeigen, wo sie dann aber anscheinend abreissen, jedenfalls nicht zu direkten den Vorläufern der 1989er Gruppen gehören. Und auch der Vorlauf von 1968 im Westen hatte sich auch nicht ohne Grund die Neue Linke genannt, um eine Welt verschieden von der alten Linken, der SPD und KPD.
Die jeweils bestehende linke Szene, ihre Organisationen, ihre Einrichtungen, ihre Ideen, Gewohnheiten und Forderungen sind vielleicht, unfassbarer Gedanke, gar nicht dasjenige, was die nächste Revolution antreibt, sondern sind die Endmoränen der letzten, die Anhäufung ihrer unerledigten Geschäfte, vielleicht auch ihrer überschüssigen Ideen, wer weiss, vielleicht sogar ihrer Irrtümer?
Und die gesellschaftliche Unruhe, die den politischen Prozess antreibt, solange er funktioniert; und die ihn auch irgendwann verstopfen, zum Stocken bringen, am Ende umstürzen kann, diese gesellschaftliche Unruhe ist vielleicht am Ende gar nicht etwas, das in der linken Szene stattfindet, ausgedacht, verursacht wird; sondern die linke Szene ist vielleicht nur selbst eine Auswirkung von ihr, auf gleicher logischer Ebene wie Alkoholismus, Suizidrate, Wirtshausschlägerei.
Die linke Szene nimmt in der Revolutionsgeschichte keinen privilegierten Ort ein im Vergleich zu den Kegelvereinen, Kirchengemeinden, Kindergartenvereinen und Belegschaften, oder allen anderen Orte, wo auch Leute zusammenkommen, die an sich gleichzeitig nichts und alles miteinander gemeinsam haben. Unter diesen Einrichtungen ähnelt die linke Szene am ehesten den Kirchengemeinden; ihr offizieller Zweck ist der Kultus eines Wesens, das nicht existiert; und die wenige nützliche Arbeit, das einzig sinnvolle an der Sache, gilt, wo sie getan wird, als Nebensache.
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Die Hauptsache, um die es der linken Szene unvermeidlich gehen muss, ist die Erhaltung ihrer eigenen Strukturen. Das ist nicht unvernünftig, diese Strukturen sind die einzige institutionelle Präsenz, die die Revolution in einer nicht mehr revolutionären Gegenwart hat. Aber der verstrichene revolutionäre Moment lässt sich nicht konservieren. Was an Organisierung auf dem Scheitelpunkt der Welle erreicht wird, in Ostdeutschland war es der Sommer 1989, überdauert die Gegenrevolution nur, indem es sich gegen die gesellschaftliche Konjunktur abschliesst. Es besteht weiter, aber als eigenes abgetrenntes Milieu.
Die linke Szene ist eine Gestalt des Rückzugs, nicht der Offensive. Die sich in ihr sammeln, sind die, die sich vor der gegenrevolutionären Gesellschaft zurückziehen. Sie bezieht ihre Organisierung notwendig auf sich selbst als auf ihren Zweck; und auf diese Weise fügt sie sich in die gegenrevolutionäre Gesellschaft konflikthaft wieder ein, als eine linke Subkultur. Was die Einfügung leichter macht, sind Musik und Alkohol. Jede neue Welle von jungen Leuten, die der gesellschaftliche Konflikt in Bewegung bringt, landet irgendwann hier; der Impuls, den sie mitbringen, bricht sich hier. Ihre Assimilierung und Integration geschieht durch dieselben Mechanismen der Identitätsbildung, mit der die Szene sich zusammenhält.
Die Identität hat nie von vorneherein bestanden. Sie muss ohnehin immer erst hergestellt werden. Es wird nicht eine langsame Entpolitisierung mühsam und durch immer erneute Anstrengung zurückgeschlagen. Die linke Szene ist kein Kampffeld, auf dem gegen Ermüdung und Resignation etwas zu holen ist. Sondern die linke Szene ist aus dem revolutionären Milieu entstanden genau in dem Moment, in dem dieses politisch ausser Kurs gesetzt worden ist. Der Ausschluss aus der Geschichte, aus der gesellschaftlichen Wirksamkeit, das ist die ursprüngliche Grundlage der Szeneidentität. Und die Anstrengungen, die sogenannte Entpolitisierung aufzuhalten, tragen von vorneherein den Charakter von Täuschung und Selbsttäuschung. Sie wiederholen und bestätigen den Ausschluss, die Isolation, aber diesmal mit eigenen Mitteln und aus eigenem Entschluss.
Und sie kreisen immer um die eigene Szene. Je mehr sich ihre inneren Debatten von der gesellschaftlichen Wirklichkeit entfernen, desto unnachgiebiger fordern die Standpunkte, die sich in ihr durchsetzen, unbedingte Zustimmung. Es entsteht ein Klima, in dem es unmöglich wird, Aussenstehenden zu erklären, um was es denn jetzt wieder geht. Die schütteln ungläubig die Köpfe und begreifen nicht. Die Insassen der Szene können sich eine Weile einreden, dass das daran liegt, dass sie soweit voraus sind; aber irgendwann kommt der Punkt, wo sie einsehen müssen, dass es nicht so ist; dass man sie nicht ernst nimmt. Das ist der Punkt, wo man versucht, wieder relevant zu werden, das heisst völlig das spinnen anfängt. Dann beginnt man, den verrückten Kram, in den man sich verrannt hat, in dem verrückten Kram wiederzuerkennen, den die normalen Leute sagen, und dann kann man sich einbilden, die Isolation der Szene durchbrochen zu haben. Es ahnt ja niemand, dass dieselbe Isolation auch zwischen allen einzelnen Menschen besteht.(4)
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Man kann z.B., wenn man absolut nicht weiss, wie man die solchermassen gewonnene Volkstümlichkeit betätigen soll, auf den altehrwürdigen Brauch verfallen, ein sogenannter Maoist zu werden. Was 1969 richtig war, kann heute nicht falsch sein. Die Leute vom SDS hatten mit eigenen Augen eine ungeheuere, aber letztlich unentschieden verlaufende gesellschaftliche Bewegung gesehen; und sie hatten, während sie von den Rändern mit Flugblättern und Aufrufen einzugreifen versuchten, sich für einen kurzen Moment einbilden können, dass sie in Wirklichkeit in deren Zentrum gestanden hatten. Nichts ist verständlicher als diese lächerliche und übergeschnappte Illusion. Wem es nie so gegangen ist, hat nichts gesehen.
Wenn die Praxis des philosophischen Seminars, der Kapitallesegruppe, der studentischen Vollversammlung schon diese Wirkung hat, an ganz anderen Orten der Gesellschaft ganz andere Menschen in Bewegung zu bringen, und auf solches magisches Denken läuft es hier hinaus, was für Wirkungen muss es dann erst haben, wenn man es wirklich darauf anlegt? Während die Bewegung in Wirklichkeit um sie herum zerfiel, liess sich in den K-Gruppen, die ab 1969 entstanden, die Illusion aufrechterhalten, die Sache würde stattdessen immer nur radikaler, zielstrebiger, entschiedener. Die Minderheit der bewussten Kader, die die letzte Bewegung hervorgebracht hatte, würde jetzt darangehen, die nächste, diesmal entscheidende Bewegung gründlich vorzubereiten, und diesmal würde sie sich nicht in Hörsälen und Seminarräumen von der Bevölkerung isolieren, sondern organisiert in festen Gruppen mit einer ausgearbeiteten Doktrin an ihre Spitze treten.
Es zeigte sich, dass die Bevölkerung keinen Bedarf nach dieser Führung hatte, weswegen etliche Kader der bewussten Minderheit sich noch Jahrzehnte später in aussichtslosen und undankbaren Jobs durchschlagen mussten, etwa als Staatssekretäre in der Regierung Schröder.
In ihrer eigenen Zeit haben die maoistischen Gruppen in der linken Szene ganz ähnliches Aufsehen gemacht wie ihre Neuauflagen von heute. Sie waren immer die radikalsten, jedenfalls in Worten; sie legten grossen Wert auf ihre straffe innere Disziplin, jedenfalls in Worten; und die verdreht Logik ihrer Doktrin erlaubte es ihnen, praktisch jeden beliebigen Standpunkt zu vertreten und nach Belieben wieder auszuwechseln. Das liess sie nur umso kühner, radikaler und entschiedener erscheinen, je schockierender und unsinniger diese Standpunkte in dem Rest der Szene, und in der gesamten Gesellschaft sich ausnahmen. Im Grunde haben sie die Logik, nach der die linke Szene heute noch funktioniert, perfektioniert, um nicht zu sagen geschaffen.
So sind sie für die zehntausenden jungen Menschen, die ihnen angehört hatten, eine hervorragende Schule des Opportunismus gewesen, der Unterordnung unter unberechenbar schwankende Direktiven, der Kreativität in der Lüge und der Fähigkeit, nach Bedarf alles zu glauben, was geglaubt werden soll. Und nach ihrer Auflösung, spätestens in den 1990ern haben sie diese schönen Züge der ganzen restlichen Linken grosszügig mitgeteilt.
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Ihr klassischer Stil aber wird erst neuerdings wieder geplegt. Der Schauer des Fremdschams, den Ausdrücke wie „Dem Volke dienen“ auslösen, ist kalkuliert. Hinter der plumpen Zudringlichkeit und hinter der gestellten Naivetät, mit der der Gebrauch des Wortes „Volk“ verteidigt wird, schlüpft unbemerkt die beabsichtigte Botschaft durch: das Versprechen von Herrschaft über ebenjenes Volk, versteckt unter der auftrumpfenden Demut des Wortes „dienen“.
Die linke Kritik an einer solchen Agitation tappt unvermeidlich in die klug gestellte Falle; man zerbricht sich den Kopf und verfällt auf die antinationale Kritik an dem Begriff Volk, zu dem man dann allerhand dazureimt. Das mag auch alles stimmen, aber die Hauptsache fehlt. Die Losung verspricht der maoistischen Gefolgschaft nicht volkhafte Echtheit, Erfüllung enfremdeter Sehnsüchte, was die antinationale Kritik so alles mit dem Wort „Volk“ verbindet; sie verspricht Herrschaft. Sie verspricht das perfekte Verbrechen; sie verspricht absolute Selbstherrlichkeit. Denn das „Volk“, von dem die Rede ist, in dessen Dienste man zu treten aufgefordert wird, ist keine organisierte Grösse; niemand ist da, der seine Diener zur Rechenschaft ziehen könnte, denn wer sollte das sein ausser seinen Dienern selbst?
Über die neuen Maoisten hört man viel schlechtes. Sie greifen Leute aus der linken Szene an, also sind sie Feinde der Linken; sie greifen schwule, lesbische, feministische, antifaschistische, antideutsche, studentische usw. Aktivisten an, also folgt notwendig, dass sie homophob, antifeministisch, pro-faschistisch, anti-intellektuell usw. sind. Das Problem ist nur, dass diese Logik nur innerhalb der linken Szene selbst verstanden wird. Die Maoisten greifen alle an, die sie angreifen wollen, einschliesslich der linken Szene selbst im Ganzen, und zwar gerade weil sie beanspruchen, die revolutionäre Linke selbst zu sein. Der Angriff ist die praktische Ausübung dieses Anspruchs, der Anspruch die Rechtfertigung des Angriffs, die Angegriffenen selbst sind ihnen Nebensache.
Kritik der Art, das sei „innerlinke Gewalt“, ist hilflos. Der Russische Bürgerkrieg war auch „innerlinke Gewalt“; die Linke ist niemals eine Einheit, sie ist eine verfeindete Vielheit, und über die Feindschaft wird so genau geschwiegen wie über die Revolution. Den Betrug, der die maoistischen Gruppen zusammenhält, befestigt man gerade mit solchen Phrasen. Der Betrüger stellt sich so als den ehrlichen Mann hin, ihm gegenüber eine Welt voller Betrüger, die ihn verleumden. Mit anklagendem Finger zeigt er auf den ganzen Rest der linken Szene: überall Halbheit, versteckt unter Phrasen; viel Gerede von Revolution und Kommunismus, aber alles, was geschieht, ist Beschäftigung mit sich selbst. Denn als wer tritt man auf, wenn man sich über innerlinke Gewalt beklagt? Als Fürsprecher des bestehenden Zustands der Szene, nicht als verletzte Einzelne. Das ist der Trick: schlage den einzelnen verletzbaren Menschen, zum Vorschein kommt der klagende Szenefunktionär. Die Leute, die den ganzen Haufen gegründet haben, haben sich vielleicht eine ziemlich raffinierte Masche ausgedacht.
Der neue Maoismus funktioniert nach keinem anderen Prinzip als die linke Szene selbst. Aber er sucht sich seine Dummen auf etwas andere Weise. Man muss sich nur einmal die sogenannte Auflösungserklärung des sogenannten Jugendwiderstands anschauen. Was denken Leute, die davor warnen, „bei einigen Massen Illusionen in Parlamentarismus, Passivität und Reformierbarkeit des Systems zu stärken“? „Einige Massen“! Man hat eine Steigerung gefunden, weil „die Massen“ noch nicht entfremdet genug dahergeschwätzt klingt. Was meint jemand, der „die Massen“ sagt? Er sagt: die einfachen Leute, die Führung durch eine bewusste Minderheit brauchen; oder wie es der Grosse Vorsitzende ausdrückte, „ein unbeschriebenes Blatt, auf dem man die schönsten Gedichte schreiben kann.“ Überflüssig zu sagen, dass die Maoisten ausser Revierkämpfen nichts machen, etwa „den Kapitalismus“ anzugreifen. Auch das haben sie vom Grossen Vorsitzenden gelernt, der den zweiten Weltkrieg von Chiang Kai Chek hat ausfechten lassen.
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Die linke Szene findet das alles natürlich nicht in Ordnung. Aber sie begreift den Kern der Sache nicht. Der Kern ist dreiste Hochstapelei. Um gegen die etwas auszurichten, müsste sie selbst etwas sein, was sie nicht sein kann: die Umsturzpartei; oder sie müsste aufhören, so zu tun, als sei sie sie. Sie funktioniert aber selbst nach genau demselben Prinzip der Hochstapelei. Es nimmt nur immer verschiedene Formen an.
Ganz andere Frage. Was ist z.B. ein Soli-Tresen, den eine linke Gruppe veranstaltet, um ihre Aktivitäten zu bezahlen? Meistens wird es darauf hinauslaufen, dass die Mitglieder der Gruppe selbst die einzigen sind, die kommen und Bier trinken. Die Solidarität, nach der das benannt ist, ist dann eine mit sich selbst, vermittelt durch Alkohol. Gar kein schlechtes Bild für die Lage. Man braucht dann noch einen Raum, Werbung, es steckt da schon Arbeit drin. Es wäre schneller gegangen, man hätte gleich zusammengelegt und dann alleine gesoffen. Aber wo bliebe da der eigentliche Vereinszweck, die Gemütlichkeit, die Gruppenbindung?
Eine etwas grössere Nummer sind die linken Läden oder gar Häuser. Der Betrieb und die alltäglichen Konflikte fressen soviel Zeit, dass von den linken Häusern selbst keinerlei Gefahr mehr ausgeht. Wenn man sie ordentlich betreibt, bleiben keine Kapazitäten mehr übrig, und wenn man sie nicht ordentlich betreibt, gehen sie pleite. Sie binden die zuverlässigsten Leute an ihre reine Erhaltung. Die linken Inhalte müssen, soweit Platz ist, dann separat von aussen eingespielt werden. Sie sind im besten Fall die Bühnen für die linken Gruppen aus der Szene um sie herum. Siehe auch: Solitresen.
Schliesslich die linken Gruppen! Es werden sich natürlich zuerst die falschen kritisiert fühlen, die nämlich, die richtige Arbeit machen. Diejenigen, die wirklich gemeint sind, dürften ja ganz gut selbst wissen, was sie sind und was sie tun. Jeder lacht über die Riesenmaschine der IL-Organisation, die Heerscharen von Leuten mit der Planung und Durchführung von Aktionen beschäftigt, nicht damit eine Arbeit getan ist, sondern damit man in die Nachrichten kommt und der Eindruck erweckt wird, dass man Arbeit tut. Damit zieht man Leute an, die man für den Betrieb der Riesenmaschine braucht. Wieviele Gruppen funktionieren nach demselben Prinzip?
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Natürlich ist das nicht alles, was gesagt werden kann. Natürlich produziert das alles nicht nur Unfug, sondern auch ab und an etwas Gutes. Nur ist, wie es Debord formuliert hätte, das Gute immer nur ein Moment des Schlechten; es finden sich in der linken Szene immer, auch unter den grössten Narren noch, Leute, die bereit sind, bei irgendwas vernünftigem mit anzufassen, und zwar viel mehr als ausserhalb der Szene. Man hat dabei immer nur das Gefühl, dass das damit zusammenhängt, dass die Leute aus der Szene ohnehin eher gewohnt sind, bei jedem erdenklichen Unfug mitzumachen, ohne gross nachzudenken.
Denn, warum wird dann das nutzlose Spektakel, die inszenierte Arbeit für den Zusammenhalt des eigenen Ladens, überall wirklich so gut angenommen? Warum, wenn diese Logik in der linken Szene nicht vorherrscht, ist dann folgende Geschichte nunmehr schon zum zweiten Male passiert: in einer deutschen Grossstadt meiner Wahl veranstaltet eine dort angesehene Gruppe der linken Szene anscheinend alle fünf Jahre einmal einen Vortrag zu ihrem Lieblingsthema in der 60 km entfernt gelegenen Nachbarstadt, weil ihr die dort in der Szene vorherrschende Ansicht missfällt. Zu diesem Zweck bucht sie Räume und fährt ihr Publikum mit Bussen dorthin. Der Einlass wird natürlich bewacht, damit nicht Leute aus der dortigen Szene zu dem Vortrag kommen. Anschliessend packt man zusammen und fährt gemeinsam mit dem Bus zurück.
Die Stadt ist natürlich Halle, die Gruppe die AG No Tears For Krauts, die Nachbarstadt Magdeburg, und das Thema ist „Solidarität mit Israel“, zu welchem Dr. Stephan Grigat lauter Dinge sagt, die das mitgebrachte Publikum schon weiss, und niemand anders zu hören bekommt. Überall, wo man diese Geschichte erzählt, wird man ausgelacht; „bei euch in Halle ist doch was im Leitungswasser“, sagen die Leute. Ausser die Antifa-Szene in Halle, da findet man das total richtig und wichtig, wahrscheinlich weil in Halle wirklich was im Leitungswasser ist. Das Beispiel ist sehr speziell, und ausserhalb von Halle gehören die Leute von dieser Partei eh nicht so sehr zur linken Szene, weil sie auch nirgendwo so viele sind. Aber grundsätzlich anders ist es doch nirgendwo. Überall gibt es die eine oder mehreren lokalen K-Gruppen, zu denen ein Teil der Szene ehrfürchtig aufblickt, bei denen mitmachen zu dürfen das Herz des Szenejünglings höher schlagen lässt, deren unsinnige Verlautbarungen ehrfürchtig diskutiert werden, und über die man in den anderen Städten lacht.
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Nicht in allen anderen Städten. „Zusammen Kämpfen“ aus Magdeburg, der Mutterstadt des neuen Maoismus, kündigen ihrerseits einen Vortrag mit den Worten an: „Was in Magdeburg undenkbar scheint, ist in Halle bittere Realität: Die Antideutschen drangsalieren die linke Szene. Dieser Vortrag sollte eigentlich in Halle gehalten werden, aber weil die Antideutschen und ihre Freunde in der Stadtpolitik mit Gewalt und Fördermittelentzug drohten, wurde er abgesagt.“ „Drangsalieren“ ist etwas übertrieben, aber „auf den Wecker“ gehen klänge nicht richtig, und noch weniger „irrationale Identitätsbedürfnisse erfüllen“.
Aber vielleicht ist mir etwas entgangen, denn das ZK scheint zu meinen, die „Antideutschen“ seinen gar keine Linken, sondern die „Bodentruppen des Imperiums“. Wer ist denn die linke Szene von Halle, die von den Antideutschen „drangsaliert“ wird? Wir erfahren: „die Sprecher der Antideutschen legen eine antimuslimische Rhetorik an den Tag, die große Schnittmengen mit den Verlautbarungen der AfD aufweist. Und auch die rassistischen „Identitären“ freuen sich über die Schützenhilfe aus dem antideutschen Lager.“ (5)
Ach so! Also das ist einfach. Wenn die „Sprecher der Antideutschen“ die sind, die daherreden wie die AfD, dann ist damit gemeint natürlich die AG No Tears For Krauts. Diese also sollen, heisst es weiter, die hallische Szene drangsalieren. Die hallische Szene ist aber selbst antideutsch. Die Sprecher der Antideutschen drangsalieren also die Antideutschen? Das hat nur eingeschränkt Sinn. Also schreibt die hallische Szene in Gestalt des OAP aus ihrer Drangsal folgendes an die magdeburger Szene zurück: wir würden ja gerne mit euch zurechtkommen, aber bei euch „besteht weiterhin eine Zusammenarbeit mit ZK. Bezüglich der autoritären Trottel, die die Magdeburger linke Szene dank ihrer Einschüchterungstaktiken seit Jahren dominiert (sic), hat sich in den letzten Monaten jedoch das ein oder andere Abgrenzungsbestreben gezeigt, was uns vorsichtig erfreut.“ (6)
Also die magdeburger Szene wiederum wird von dem ZK drangsaliert. Wo kommen diese Gruppen nur immer her, die derart eine Szene beherrschen? Die Szene produziert sie. Aber warum? Weil die Szene überall ganz genau so funktioniert, wie es hier seit 5 Seiten beschrieben wird. „Die befreite Gesellschaft kann man mit diesen Gruppen nicht erstreiten“, schreibt, und hier völlig zu Recht, das OAP Halle. Aber über wen? Und über wen nicht?
Alle wissen das über alle anderen, aber niemand will es über die eigenen Leute wissen. Alle Ideen in der Szene sind bis zum Schwachsinn aufgeblasene Spezialideen, die nur plausibel werden, wenn man sie mit den anderen gegensätzlichen schwachsinnigen Spezialideen vergleicht. Wenn das ZK nicht wäre! Dann könnte man ja mit den Magdeburgern zusammenarbeiten. Wenn die AG nicht wäre, dann würden die Magdeburger das vielleicht sogar auch wollen. Aber woran zum Teufel wollt ihr denn zusammenarbeiten? Ihr habt doch alle miteinander keine Ahnung, was ihr überhaupt tun sollt! Wenn es diese Gruppen, die euch „drangsalieren“, nicht gäbe, ihr müsstet sie glatt erfinden.
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Dabei hat das ZK völlig Recht: die AG redet wirklich dasselbe Zeug daher wie die AfD. Aber die AG wiederum hat auch völlig recht: das ZK verhält sich wirklich wie eine antisemitische Schlägertruppe. Das ist ja das Elend: sie haben beide Recht, sie sind beides Scheisskerle, mit denen man unmöglich zusammenarbeiten kann. Und beide sind authentisches Produkt und Schandfleck derjenigen Szenen, aus denen sie hervorgehen. Aber genau darauf beruht ihr Einfluss. Und genau deswegen brauchen sie sich. Solange die einen da sind, kriegt man die anderen ncht los.
Man kanns nicht halb haben. Die Krätze und die linke Szene hat man entweder ganz oder gar nicht am Hals. Aber es geht nicht mit ihr und nicht ohne sie. Und es wird nicht besser, sondern schlimmer werden, wenn die Unruhe des Gesellschaft zunimmt. Dann wird die Szene grösser, und je grösser die Szene, desto mehr potentielle Abnehmer für noch abstrusere Spezialideen; also je unruhigere Zeiten, desto beklopptere Doktrinen gewinnen überall selbständige Existenz als Szenepartei.
Wenn die Zeiten am unruhigsten sind, wird die Szene also logischerweise am übergeschnapptesten sein. Es gibt ja Leute in der Szene, die glauben, sie können das aussitzen und sich ruhig und gründlich vorbereiten. Auch das ist eine solche übergeschnappte Spezialidee. Sie werden natürlich immer nur ruhiger und gründlicher sich vorbereiten. Man kanns drehn und wenden, es wird nichts draus. Die linke Szene ist krank. Nicht nur die Welt, in der sie lebt. Oder besser gesagt: die linke Szene ist ein Symptom.
Wozu ist die linke Szene gut? Zu recht wenig. Kommt man ohne sie aus? Wenn man einmal drin ist, nicht. Braucht man sie? Wozu? Alles, was Sinn hat, wird ausserhalb des Szene getrieben. Von Leuten, die sich nicht weigern, mit Leuten zu reden, die nicht ihrer Meinung sind. Und die nicht erst die Meinung ihrer Gruppe einholen müssen. Und die sich nicht davor fürchten, dass die Szeneoberen missbilligen, was sie sagen, weil sie keine Szeneoberen haben. Und die sich nicht beeindrucken lassen davon, was jemand redet, bloss weil sie es nicht verstehen, sondern die vermuten, dass es Schmarrn ist, wenn es klingt wie Schmarrn.
Manche davon kennen die linke Szene gut, weil sie aus ihr davongelaufen sind. Manche stehen äusserlich zu ihr in Verbindung, weil sie ihre Infrastruktur brauchen. Wird das so bleiben? Das weiss man nicht. Aber das eine weiss man. Präzise in dem Moment, an dem sie diese nicht mehr brauchen, hat die Stunde geschlagen, wo der ganze Spuk sich auflöst wie Nebel in der Sonne.
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1 Edgar Bauer: Konfidentenberichte über die europäische Emigration in London 1852-1861, Hg. Erik Gamby, Schriften aus dem Karl-Marx-Haus Trier 38, Trier 1989, 101
2 Und sich beim Saufen zuletzt mit ihm zerstritt und ihm in die Fresse schlug, Gamby, Edgar Bauer, Junghegelianer, Publizist und Polizeiagent, Schriften aus dem Karl-Marx-Haus Trier 32, Trier 1985, 33, und damit die traditionellen Formalitäten begründete, die bei Zerwürfnissen in der linken Szene unbedingt einzuhalten sind.
3 Während Marx sich sein Manuskript bekanntlich dem ungarischen Emigranten Bangya gab, des es der preussischen Staatspolizei verkaufte. Später trat der in türkische Dienste und wurde im Kaukasuskrieg von den Tscherkessen als russischer Spion zum Tod verurteilt, MEW 12, 166; 557;
4 Willi Langthaler hat das, glaube ich, 2003 wunderschön ausgedrückt: der antiimperialistischen Linken sei es in der Antikriegsbewegung von 2003 endlich gelungen, zum „Massenbewusstsein“ „vorzustossen“. Die Idee dahinter ist wohl, dass die Linken und das Volk irgendwodurch voneinander getrennt sind, so dass das Volk die Linke nicht so recht hören kann, und dass in bestimmten Situationen diese Barriere instabil wird. Dann aber! Wenn es halt jetzt noch etwas wie das „Massenbewusstsein“ gäbe. Man muss sich immer wundern, wie diese Leute sich die Welt vorstellen. Wenn sie natürlich zugäben, dass die Isolation, in der sie sich und ihre Ideen finden, keine spezielle Isolation der Linken ist, sondern die hungsordinäre Isolation, in der alle Glieder der Gesellschaft von allen anderen Gliedern des Gesellschaft leben, müssten sie auch zugeben, dass ihre Ideen auch keine speziellen historischen Ideen sind, sondern nichts anderes als die ebenfalls hundsordinären Ideen, mit denen sich die Leute ihre Situation erklären und aufrechterhalten. – Langthaler musste sich von dem Vorsitzenden der KPÖ sagen lassen, dass es nicht die Aufgabe der Linken ist, zum Massenbewusstsein vorzustossen, sondern es zu verändern. Dass muss man mal schaffen, gegen einen Parteikommunisten Unrecht zu haben.
4a Die antinationale Kritik des „Volksbegriffs“ geht fehl, weil sie zwar allerhand von dem ernst nimmt, was Intellektuelle sich alles zu dem Wort „Volk“ haben einfallen lassen. Sie hat aber anscheinend nie begriffen, warum das so ist: weil nämlich „Volk“ der zentrale Begriff aller modernen Staatlichkeit ist, und gleichzeitig niemand sagen kann, was das „Volk“ ist.
5 http://zusammenkaempfen.bplaced.net/2019/08/16-08-veranstaltung/
6 http://oaphalle.blogsport.eu/die-autoritaere-linke-in-magdeburg/
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