Von Alexander Amethystow
Kasachstan, das zweitgrößte postsowjetische Land, die stärkste Wirtschaftsmacht in Zentralasien, ist zu Jahresbeginn in die Schlagzeilen der Medien weltweit geraten. Auf die Erhöhung der bisher subventionierten Flüssiggaspreise zum Jahreswechsel reagierten prekäre Teile der Bevölkerung zunächst mit Protesten, die in Straßenblockaden und Streiks übergingen. In einigen Regionen wurden Rohstoffförderung und Metallverarbeitungsindustrie bestreikt, von den Arbeitsniederlegungen waren auch Teile des Transportwesens gelähmt. 12 Städte des Landes wurden gleichzeitig von Protesten ergriffen.
Nachdem der Präsident Qassym-Schomart Toqajew (Tokajew) bereits nach vier Tagen die Preiserhöhung in den von den Protesten betroffenen Region zurückgenommen hatte und am nächsten Tag die Regierung samt Premierminister Asqar Mamin zurücktreten musste, hatte sich die Lage nicht beruhigt. Im Gegenteil, es begannen Überfälle auf Polizei- und Geheimdienstgebäude, Entwaffnungen von Vertreter*innen der Staatsgewalt und Plünderungen. Auch die landesweite Blockade von Internet und teilweise Mobilfunk brachte keine Eindämmung der Proteste. In der ehemaligen Hauptstadt Almaty wurden administrative Gebäude, Büros der Regierungspartei „Nur Otan“ und Redaktionen der Staatsmedien gestürmt und teilweise angezündet. Zeitweilig besetzen die Protestiereden den Flughafen. Kolonnen mit Militärtechnik wurden von Demonstrant*innen gestoppt und zum Umkehren gebracht. Der Protest, ohne gemeinsamen Forderungskatalog, namentlich bekannte Anführer*innen oder nennenswerte beteiligte politische Organisationen, schien den kasachischen Staat an den Rand des Kontrollverlusts zu treiben.
Der in allen bisherigen Krisensituationen übliche Appell an die Autorität des ersten Präsidenten Nursultan Nasarbajew, der erst als Parteichef in der Sowjetrepublik fungierte und später zum Staatsgründer des unabhängigen Kasachstans wurde und das Land bis 2019 regierte, führte diesmal nicht zum von der Staatsspitze gewünschten Ergebnis. Die Protestierenden zerstörten die Denkmäler für „Elbasy“ („Führer der Nation“), so der Titel des noch lebenden Nasarbajew und skandierten „der Alte soll weg“. Ohne zu warten, ob der von selbst diesen Forderungen nachgeht, entband Präsident Tokajew seinen Amtsvorgänger von seinem vorletzten offiziellen Posten: Chef des Sicherheitsrates. Diesen bekleidete Nasarbajew laut Verfassung eigentlich auf Lebenszeit. Den Posten übernimmt Tokajew nun selbst. Seitdem ist der Aufenthaltsort des „Führers der Nation“ – immerhin ein in der Verfassung verankerter offizieller Titel Nasarbajews – unbekannt.
Ein härteres Durchgreifen funktionierte mit dem scheinbar teilweise demoralisierten und sich in der Auflösung befindenden Gewaltapparat mäßig, die Sicherheitskräfte hatten tödliche Verluste zu beklagen. Die Bevölkerung begann sich währenddessen zu spalten – und zwar nicht in Anhänger*innen und Gegner*innen der Regierung. Viel mehr in diejenigen, die die Abwesenheit von Polizei und zurückgelassene Waffen nutzen, um sich Güter anzueignen und diejenigen, die Bürgerwehren gründeten, um ihr Eigentum und das der Nachbarn zu verteidigen. Der Konflikt zwischen der (häufig russischsprachigen) Stadtbevölkerung („Schala-Kasachen“) und kasachischsprachigen jungen Männern vom Land („Mambets“) spitzte sich zu. Während im Industriegebiet im Westen, wo die Proteste begannen, Plünderungen ausblieben, dominierten sie in Almaty bald das Straßenbild.
Der Präsident demonstrierte zuerst Verständnis für die Sorgen des Volkes, sprach dann aber eine verklausulierte Drohung aus, indem er die Jugend ermahnte, an ihre Zukunft zu denken. Schließlich erklärte er die Proteste zu einem Werk von „Verschwörern“ und „im Ausland ausgebildeten Terroristen“. Am 07. Januar 2022 erteilte er einen Schießbefehl. Seitdem sind mehr als 200 Tote (darunter 16 auf der Seite der Sicherheitskräfte) und knapp 10.000 Festnahmen gemeldet worden. Schließlich richtete er einen Hilfegesuch an die Bündnispartner von der „Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“ (OVKS), die umgehend Truppen in das Land schickten. Innerhalb von Tagen war der Aufstand niedergeschlagen.
Kasachstan aus der Sicht des Westens – Eine Diktatur wie Russland, aber nützlich!
In der Berichterstattung der westlichen Medien genoss Kasachstan bisher den Ruf des „Klassenbesten“ unter den postsowjetischen Staaten Zentralasiens. Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan sind auf Geldüberweisungen ihrer Bürger*innen aus dem Ausland angewiesen, wo diese sich als billige Arbeitskräfte verdingen. Turkmenistan hindert umgekehrt Bürger*innen an der Ausreise, um sie in der Rohstoffförderung zu beschäftigen. Im Gegensatz dazu ermöglicht es Kasachstan der Export von Erdöl, Gas, Uran, Kupfer und weiteren Rohstoffe seinen Bewohner*innen bisher einen wesentlich höheren Lebensstandard zu bieten. Das Land zieht Arbeitsmigrant*innen aus dem benachbarten Kirgistan und Usbekistan an, die in der Landwirtschaft oder als Haushaltshilfen beschäftigt werden.
Dass das politische Regime Kasachstans seit der Unabhängigkeit 1991 einen härteren Autoritarismus als Putins Russland darstellt, entgeht eigentlich keiner Beobachter*in. Der Personenkult um den Staatschef mag weniger ausgeprägt sein als in Turkmenistan, die Repressionen weniger blutig als die des aus dem Bürgerkrieg entstandenen Regimes in Tadschikistan, von einer Konkurrenz der politischen Kräfte um die Macht qua Wahlen kann jedoch nicht die Rede sein. Die „Stabilität“ in Kasachstan wird lobend erwähnt, weil im Gegensatz zu Russland oder Belarus im Land ein „gutes Investitionsklima“ herrscht. Der kasachische Staat hindert ausländische Kapitalist*innen nicht an Geschäften mit den eigenen Rohstoffen, sondern lockt sie ins Land. Die Aktien der Tochtergesellschaften der kasachischen Unternehmen sind größtenteils in den Händen ausländischer Konzerne.
Zu den Faktoren, die dem ausländischen Kapital die Geschäfte mit den kasachischen Rohstoffen angenehm gestalten, gehört die drakonische Unterdrückung jeglicher Arbeitskämpfe, vor allem in der Rohstoffförderung. Kasachstan ist bisher der einzige Nachfolgestaat der Sowjetunion, in dem gegen Streiks mit scharfem Schusswaffeneinsatz vorgegangen wurde. In der Industriestadt Schangaösen, in der die aktuellen Proteste begannen, kam es bereits im Dezember 2011 zu Streiks und Unruhen, bei deren Niederschlagung die Sicherheitskräfte scharf geschossen hatten. 16 Menschen starben und Hunderte wurden verletzt. In den darauffolgenden Jahren wurden in der Region dutzende Aktivist*innen, Zeug*innen und deren Familienangehörige entführt, getötet, vergewaltigt, verstümmelt und eingesperrt. 2017 wurde die „Konföderation der unabhängigen Gewerkschaften“ per Gerichtsbeschluss aufgelöst. Die Gründung von unabhängigen Gewerkschaften ist seitdem de facto verboten. Es existieren mancheorts jedoch weiterhin informelle Arbeiter*Innen-Komitees. Gewerkschaftsaktivist*innen werden systematisch bedroht, entführt und wegen krimineller Delikte verurteilt.
All das erregte bei weitem weniger internationale Aufregung, als es Repression gegen Menschenrechtler*innen, Unternehmer*innen und Journalist*innen in Russland oder Belarus tut. Kasachstan ist ein wichtiger Handelspartner der EU, seit 2014 läuft ein erweitertes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen. Auf seinen Status als Atommacht verzichtete die Republik nach der Unabhängigkeit 1991 zugunsten einer politischen und ökonomischen Partnerschaft mit den führenden kapitalistischen Staaten, die Kasachstan auf die Dienste an ihrem Ölbedarf reduzierten. Kasachstan unterstützte den „War on Terror“ mittels der Entsendung von Militärs nach Irak, später machte Nasarbajew deutlich, dass seine militärische Partnerschaft mit Russland nicht die Unterstützung von Putins Ukraine-Politik bedeute.
In Russland galt Nasarbajews Regime als eigenwilliger, jedoch insgesamt stabiler Verbündeter. Kasachstan ist eine der tragenden Säulen der Eurasischen Zollunion und sein ehemaliger Präsident galt als Gegner des antirussischen Nationalismus. Zwar wurden unter ihm alle wichtigsten Posten von Kasachen besetzt, doch der multiethnische Charakter des neuen Staates, indem Kasachen vor 1991 lediglich eine Minderheit waren, stellte er nicht in Frage.
In liberal-oppositionellen Kreisen wurden vor allem die Erfolge der Wirtschaftsreformen des Regimes, dessen Korruption von niemand ernsthaft in Frage gestellt wurde, sowie die „Weltoffenheit“, sprich Öffnung der Märkte, gefeiert. Im Gegensatz zu Russland und Belarus meidet die Staatspropaganda in Kasachstan antiwestliche Rhetorik. So wurde Kasachstan als effizienteres Modell des Autoritarismus mit Aussicht auf sanfte Reformierung gesehen und Nasarbajew als der weitsichtigste Autokrat unter seinen postsowjetischen Amtskollegen.
Soziale Revolte und politische Krise
Die Verdopplung der Flüssiggaspreise zu Jahresbeginn traf vor allem diejenigen, die nicht in der Rohstoffbranche beschäftigt sind. Wer mit einem auf Kredit gekauften Fahrzeug Lebensmittel transportierte und damit seine Hypothekschulden für die Wohnung abbezahlte, verlor durch den Wegfall der staatlichen Subventionen seine Existenzgrundlage. Die Proteste im Industriegebiet am Kaspischen Meer beinhalteten anfänglich vor allem soziale Forderungen an den Staat: eine Senkung des Rentenalters, die Erhöhung des Kindergeldes und der Invalidenrente, die Senkung der Lebensmittelpreise sowie die Senkung der Prozente bei Wohnungshypotheken. Später kamen hierzu, vor allem in anderen Regionen, politische Forderungen nach der Rückkehr zu der „alten Verfassung von 1993“, dem Rückzug von Nasarbajews aus der Politik und dem Sturz über Jahrzehnte aufgebauten Machtgefüges seiner Familie. Während der Staat zunehmend die Kontrolle verlor, richteten sich die Protestierenden mit ihren Forderungen weiter an ihn. Zugleich trafen immer mehr junge Männer aus ländlichen Gebieten in den Städten ein, denen heute die Verantwortung für die gewaltsame Eskalation und Plünderungen zugeschrieben wird. Die Proteste hatten von Anfang an keine koordinierten Strukturen, einige Teilnehmer*innen distanzierten sich von den Plünderungen oder sahen in ihnen Provokationen. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den Demonstrant*innen und „zugezogenen“ Plünderern. Gerüchte darüber, dass die Polizeikräfte absichtlich abgezogen wurden und ihre Waffen abgaben machten die Runde.
Der Prozess des „sanften Machttransfers“, den Nasarbajew 2019 mit seinem Rücktritt vom Präsidentenamt einleitete, scheint aus dem Ruder gelaufen zu sein. Damals war die Aufgabe seines Postens mit der Garantie der Sicherheit von Strafverfolgung für ihn und seinen geschäftstüchtigen Familienangehörigen verbunden. Eigentlich wurden von der Regierung unter dem Technokraten Tokajew wirtschaftliche Liberalisierung (Streichung der Subventionen) und politische Liberalisierung (die bis dahin benannte Chefs der Lokalverwaltung werden nun gewählt) erwartet. Bei den Wahlen sollte es in Zukunft Frauen-, Behinderten- und Jugendquoten geben. Die Märkte sollten weiter dereguliert werden.
Nach dem Ausbruch der Proteste kündigte Tokajew an, die Preise für die wichtigsten Lebensmittel einzufrieren. Er drohte zugleich mit Hinrichtungen und Ausbürgerungen von Teilnehmer*innen der Aufstände. In der Krisensituation griff Tokajew zu bewährten paternalistischen Mitteln. Hatte er sich früher als aufmerksamer Schüler seines Mentors Nasarbajew präsentiert und vor jeder Entscheidung stets auf den Ratschlag des „Anführers der Nation“ verwiesen, spielte er jetzt selbst die Rolle des strengen, aber verständnisvollen „Vaters des Volkes“. Das Gehalt der Beamt*innen ist für Jahre eingefroren worden, die Unternehmer*innen wurden aufgerufen, sich „sozial verantwortlich“ gegenüber den Sorgen der „einfachen Leute“ zu zeigen. Die reichsten Unternehmer*Innen müssen Zahlungen in die staatliche Stiftung zur Milderung der sozialen Not einzahlen.
Als Hauptverantwortlichen der Lage wurde der engste Nasarbajew-Vertraute und ehemalige Geheimdienstchef Karim Massimow samt einigen ehemaligen Stellvertretern verhaftet – ihm wird gezielter Abzug der Sicherheitskräfte während der Plünderungen und sogar die Mitorganisation der Ausschreitungen vorgeworfen. Bald darauf verlor das Unternehmen von Nasarbajews Tochter Darigha einen lukrativen Staatsauftrag, was ihr faktischen Monopol bei der für die Bürger verpflichtenden Verschrottung alter Fahrzeuge sicherte. Zwei Schwiegersöhne, des alten Präsidenten müssten ihre Führungsposten bei halbstaatlichen Unternehmen räumen, weitere Rücktritte der nahen und fernen Verwandten folgen. Dass die Proteste eine vorläufige Schwächung des Nasarbajew-Clans zur Folge hatten, führt bei den ausländischen Expert*innen zu Spekulationen, die Proteste seien von oben initiiert worden. Weil eine „Palastrevolte“ an deren Ende stehen könnte, müsse diese auch ihr Zweck gewesen sein, so die Interpretation. Doch allein der Blick darauf, wie sich Zugeständnisse und Drohungen in den Reden Tokajews abwechselten, verrät, dass die Ängste der Machthaber*innen vor der Situation durchaus real waren.
Intervention der OVKS – kurz, aber bedeutend
Für die ursprünglichen Forderungen nach den Preissenkungen zeigte Tokajew Verständnis, weitere Eskalation erklärte er jedoch zum Werk von „Terroristen“ und „Verschwörern“, hinter der nicht näher benannte ausländische Mächte stehen würden. Näher benannt wurden dagegen die ausländischen Mächte, die er zur Hilfe rief: die Bündnispartner Kasachstans von der OVKS. Die Freunde aus Russland, Belarus, Kirgistan, Tadschikistan und Armenien erklären sich rasch bereit, zu helfen. Dies ist der erste Kampfeinsatz seit der Gründung des Bündnisses 1992. Damit bekommt der Aufstand den Status einer äußeren Aggression. Die Entscheidung, Tokajews Gesuch einer Intervention zu folgen, durfte ausgerechnet der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan verkünden, der 2017 in der Folge von Massenprotesten die Macht übernahm und seitdem aus Moskau als „unsicherer Kantonist“ misstrauisch beäugt wurde. Auch die Interventionsmacht Kirgistan hat mit Sadyr Dschaparow einen Präsidenten, der nach Massenprotesten gegen seinen Vorgänger an die Macht gekommen war. Dass der gemeinsame Einsatz zustande kam, sendet ein klares Signal – das Bündnis ist trotz allen Differenzen konsolidiert und aktionsfähig. Dass ein Bündnisfall laut den Statuten einen Angriff von außen voraussetzt, fällt nicht ins Gewicht. Tokajew sprach erst vom „terroristischen Angriff“, dann, nach der Wiederherstellung des staatlichen Gewaltmonopols, von einem „Umsturzversuch“. Die für die Gewaltanwendung zuständigen staatlichen Organe scheinen heute wieder zu funktionieren und können weiter Repression auch ohne die Unterstützung der Bündnispartner erledigen. Diese haben inzwischen mit dem Abzug begonnen. Tokajew scheint seine Kontrolle über Kasachstan gefestigt zu haben und seine Verbündeten brauchen wegen ihres Einsatzes keine Sanktionen aus dem Westen zu befürchten. Darüber, dass es beim wichtigen Rohstofflieferanten Kasachstan eine stabile Staatsordnung gibt, scheinen ansonsten verfeindete Staaten einig zu sein.
Nach Tokajews Sieg: Schock und Enttäuschung
Während sich Expert*innen für die Pseudowissenschaft „Geopolitik“ in belarussischen und russischen Medien in Spekulationen über die möglichen „Drahtzieher*innen“ aus den USA, der EU, der Türkei oder China verlieren und in Kasachstan fleißig nach den inneren Verbündeten des äußeren Feindes gesucht wird, haben diejenigen, die in den Aufstand anfänglich viel Hoffnung gesetzt haben, eine erneute Enttäuschung zu verkraften.
Enttäuschend für die Fans von Nawalny und Belarus-Protesten: statt fairen Wahlen des Führungspersonals und Forderungen nach den besseren Institutionen und Marktreformen, standen im Kasachstan erst die staatliche Preisregulierung, dann die Iphones und Fernsehgeräte auf den Agenda der Protestierenden.
Linke, die sich weltweit mit den Protesten solidarisierten, haben es nun mit einem bitteren Nachgeschmack zu tun. Daran ist nicht nur die vorläufige Niederlage schuld. Die Revolte enttäuschte die an sie herangetragenen Hoffnungen. Als die Proteste eskalierten standen keine Avantgarde-Partei mit der richtigen Linie, keine selbstorganisierten anarchistische Gemüsegärten auf der Agenda, sondern die direkte und gewaltsame Aneignung von Produkten, nicht jedoch von Produktionsmitteln. Im Westen des Landes waren die Proteste tatsächlich eher von der Aufstellung von Forderungen und Schaffung eigener Ad-hoc-Strukturen geprägt, während in Almaty der Schwerpunkt auf der Konfrontation mit der Staatsgewalt lag. Eine landesweite Vernetzung kam nie zustande. Die Sicherheitskräfte leisteten zwar anfänglich auffällig wenig Gegenwehr, aber von einem Seitenwechsel im Sinne des Widerstands gegen den OVKS-Einmarsch kann keine Rede sein. Zu dem Zeitpunkt der Intervention waren viele bereits durch Plünderungen abgeschreckt. Die Aktivitäten der wenigen organisierten Linken, wie der Mediengruppe „Rote Jurte“ oder der „Sozialistischen Bewegung Kasachstans“, die bei den Demonstrationen auftraten, konnten die Situation nicht nennenswert beeinflussen.
Die insurrektionalistischen Gefährten von kommenden und gehenden Aufständen müssen sich damit auseinandersetzen, wie die Reaktion auf die Plünderungen war und was diese für den Verlauf der Ereignisse bedeutete.
Der spontane Aufstand scheint alle überrascht zu haben: die Regierung, die organisierte Opposition, Russland und den Westen. Er überraschte auch den Großteil der Bevölkerung, die sich ihm nicht aktiv anschloss. Sein Ergebnis ist jedoch nicht einfach eine Machtverschiebung innerhalb der Staatsführung. Die Angst vor weiteren Erhebungen schlägt sich sowohl in den Zugeständnissen als auch in den konspirativen Theorien über „geheime Pläne“ nieder, die jetzt von staatlichen Medien verbreitet werden.