Wer gedenkt der Gabriele Rathjen?

Heute vor zwei Jahren beging ein Mensch, dessen Weltbild im Wesentlichen von Verschwörungsmythen, blankem Rassismus und paranoidalem Verfolgungswahn bestimmt war, eine ungeheuerliche Tat. Am Abend suchte er im hessischen Hanau eine hauptsächlich von migrantischen Leuten frequentierte Bar, eine Shisha-Bar und ein Kiosk auf und erschoss neun, verletzte schwer zwei und leicht weitere drei von ihnen. Anschließend konnte er nach Hause zurückkehren, wo er seine alte bettlägerige Mutter und sich selbst erschoss.

Die Aufarbeitung der Geschehnisse lässt auf sich warten. Den Angehörigen der Opfer und den Überlebenden stellten sich die Fragen, die immer noch nicht beantwortet wurden. Von der Nichterreichbarkeit des polizeilichen Notrufs über das Verhalten der Polizei unmittelbar nach der Tat und während der Ermittlungen bis zur Frage, wie ein durch sein wahnhaftes Verhalten und rassistische Äußerungen aufgefallener Mensch legal eine Waffe hat besitzen können usw usf.

Unter anderen Elementen seiner extrem toxischen Ideologie finden sich auch Versatzstücke der Incel-Ideologie, des rechten Antifeminismus. Der Täter hatte ein Problem mit Frauen im Allgemeinen und mit seiner Mutter im Besonderen. Die er auch erschoss. Aber sieh an, man ist uneinig, ob ein „ausformulierter Frauenhass“ da war oder nicht. Ich kann es absolut nachvollziehen, dass die Angehörigen der neun migrantischen Opfer des Anschlags den Namen Rathjen neben den Namen ihrer Nächsten nicht sehen wollen. Aber der Linken scheint dieser Mord i.d.R. offensichtlich nicht der Rede wert zu sein. Man redet sogar nicht nur vom Rassismus, sondern, wie z.B. der Zusammenschluss von Solidaritätsnetzwerk, Frauen*kollektiv und der Internationalen Jugend, auch von der weltweiten Reaktion und Faschismus. Dass die Verachtung der Schwachen und Misogynie zum Kernbestand der „alten“ sowie der „neuen“ rechten Ideologien gehören, dürfte ein Allgemeinplatz sein. Aus welchen bündnispolitischen Gründen stellt man diese fundamentale Erkenntniss hinten an? Ist das der intersekzionale Konsens der deutschen Mittelschichtslinken mit akademischem Hintergrund?

Foto: Belltower News z.B. brachte am 20.2.2020 das Kunststück fertig, die ermordete Mutter zu erwähnen und weiterhin von „neun Opfern“ zu schreiben.

 

Das VL in Halle gedenkt auf diese Weise auch. Es hat ja nix mit nix zu tun.

Die Linke will wahrscheinlich schon von der Gesellschaft, die sie angeblich vertritt, ernst genommen werden. Sonst würde sie, vermute ich mal, sich nicht so viel Mühe mit ihren Kampagnen, Umzügen, Flyern und allen möglichen anderen Veranstaltungen machen. Sie will ernst genommen werden, wenn sie bei der nächsten tragischen Gelegenheit „Keine mehr!“ rufen wird.

Oder man gesteht sich und anderen ein, dass der proklamierte Feminismus wohl keiner ist, wenn ein Femizidopfer verschwiegen wird.

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