von Sandro Luminossow
Eines schönen Tages begab ich mich mit einer Ladung schmutziger Wäsche zum SB-Waschsalon meines Vertrauens. Wäschewaschen ist einerseits ein intimer Vorgang, der manchmal an einem öffentlichen Ort unter Anwesenheit fremder Menschen unangenehm sein kann. Dieses unfreiwillige Entblößen – wenn auch nur eigener getragener Socken und Unterhosen – kaschiert man, indem man sich mit jemand verquatscht, älteren Mitbürgern mit dem Bezahlen hilft, mit dem anwesenden Hundi spielt usw. Andererseits ist es ein langweiliger Vorgang, der viel zu lange dauert, besonders wenn keine Hunde und älteren Menschen da sind und man das Genörgele von nebenan gerade nicht ertragen vermag. Dann scrollt man rauf und runter auf Facebook oder liest eben was. Gefundene Flyer und Werbeprospekte oder mitgebrachte Bücher. Und da sah ich es plötzlich – einen ganzen Stapel des „Einfach Ja!“-Magazins, der „Zeitschrift für Bewusstsein, Kreativität und Heilung“. Oder Flyers und Werbeprospekts in einem, ist nicht wichtig. Optisch mindestens so ansprechend und vielversprechend wie das Grosse Thier, und genau so schien es Lösungen für alle möglichen Probleme zu liefern, vor welchen ein aufgeschlossener, moderner Mensch wie ich heutzutage nur stehen kann.
Eigentlich dürfte es solche „Zeitschriften“ überall ein einer oder anderen Form geben. Man braucht auf Facebook nur „Bewusst in Y“ oder „Bewusstes Leben in Y“ einzugeben, wobei Y eine x-beliebige Stadt ist, und schon kommen einem hilfsbereite sympathische Menschen entgegen, um einem einzureden, man habe bis jetzt nicht so bewusst und deswegen vermutlich nicht so glücklich gelebt. Diese Zeitschrift erscheint aber auch auf Papier in Dresden, spezialisiert sich vornehmlich für Ostdeutschland, lässt dich ältere Ausgaben online kostenlos lesen und kann im Osten Deutschland pauschal für 13€ beliebig viele Printausgaben schicken! So hat das das Thier früher auch gemacht! Da wurde mir klar: das Universum schickte mir ein Zeichen. Erst geht die Waschmaschine kaputt, dann zieht das Waschsalon sogar zwei Häuserblocks näher an mein Haus und ausgerechnet an diesem Tag muss ich hin und hab kein Buch und kein Telefon dabei. Ohne Grund ist das nicht.
Da es in der DIY-Presse üblich ist, einander zu supporten und einander zu rezensieren, damit das Bubble sich noch fester gegen die Außenwelt verdichtet, entschloss ich mich, den Stapel nach bestem Wissen und Gewissen zu studieren.
Man muss Alltagserfahrungen ansprechen, nicht gleich mit Adorno kommen, den man zudem selbst nicht ganz verstanden hat. Und mit den Alltagserfahrungen kann „Einfach Ja!“ sehr gut. Die Ausgabe für Februar-März 2018 heißt: „Krise, Stress, Überarbeitung… Muss das so sein?“ Wenn man spontan dem keine Alternative weiß, spürt man doch ganz deutlich, dass die liebe Arbeit zu einem nicht so lieb ist, und dass der Urlaub nur eine funktionell eingelegte Verschnaufpause ist (wenn überhaupt), und möchte spontan „Ja!“ – genauer gesagt „Nein! So muss es nicht sein!“ brüllen. Doch die deutschen scheinen nicht an eigener Betriebsamkeit zu leiden. Auf der Seite 50 findet sich eine Anzeige für das Buch „Die deutschen und ihre verletzte Identität“ von Gabriele Baring (Europa-Verlag), in der es heißt: „…Die Autorin Gabriele Baring widmet sich schon seit Jahrzehnten als analytisch orientierte systemische Familientherapeutin mit eigener Praxis in Berlin schwerpunktmäßig der transgenerationellen Weitergabe von familiären Traumata und Verhaltensmustern. In ihrer Arbeit kam sie bei tieferem Forschen um die Ursachen aktueller Probleme und Krankheiten ihrer Klienten immer wieder auf Zusammenhänge mit der Familiengeschichte, geprägt durch zwei Weltkriege und Zeiten der Diktatur in Deutschland.
Erst jetzt, nach vielen Jahrzehnten, ist es öffentlich möglich – und auch noch sehr vorsichtig – auch über das Leid von Deutschen zu reden, über noch festhängende kollektive Schuld- und Schamgefühle, über individuelle und kollektive Auswirkungen bis in unsere Zeit. Ein Zeichen dafür, wie viel noch verborgen und ungeheilt im Unbewussten liegt und auf Aufarbeitung durch die sogenannten Kriegskindern und Kriegsenkel oder auch bald -urenkel wartet. Mit ihrem Buch schafft Gabriele Baring Bewusstsein für die vielfältigen kollektiven und individuellen Symptome und Verständnis für die eigenen Vorfahren, dann das ist die Voraussetzung für Heilung im Kleinen wie im Großen, wie sie schreibt: ‚Wenn wir wollen, dass Angst, Krankheit und Depression schwinden, müssen wir dem Schicksal zustimmen. So wie es war, so wie es ist. Wir sollten Familien annehmen. So wie sie waren, so wie sie sind. Unsere Freunde, unsere Gegner, unser Land annehmen. Es ist an der Zeit‘. Dieses Buch ist eine aktualisierte Neuauflage des 2011 unter anderem Titel erschienen Werkes der Autorin – und es ist angesichts der politischen Lage aktueller denn je!“
Was das heißt, weiß ich nicht, aber wenigstens kann man zugeben, dass man leidet. Ich z.B. kann zugeben, dass mich das Studium depressiv und die Lohnarbeit zu einem Alkoholiker gemacht hat, der nur noch mühsam sein Alltag meistern kann, und die Familie ist keine große Hilfe dabei. An den eigenen Vorfahren leide ich in dieser Hinsicht vielleicht doch, hmmm… In diesem Heft finde ich leider nichts dazu, wie man diesen Zustand vernünftig beenden kann. Nur ihm zustimmen will ich nicht. Gut, wenigstens ein Bewusstsein der eigenen Lage ist geschafft, möge das Abenteuer Selbsterkundung weitergehen!
In der Ausgabe für Dezember 2019 / Januar 2020 „Wir sind multidimensionale Wesen! Was bedeutet das eigentlich?“ fachsimpelt ein Damien Wynne auf Seite 14 mit der IT-Abteilung der Redaktion. Ein weit verbreitetes Problem, so scheint es mir auch, wenn die psychische Software sich auf der körperlichen Hardware nicht wohl fühlt: „Wenn im Computer alles funktioniert, können wir sein volles Potential ausschöpfen. Das Sein hat alles Wissen aus all deinen vergangenen Leben, es ist extrem weise. Es hat das Wissen um deine Fähigkeiten, wer du bist, warum du hier auf der Erde bist und was du hier machen und erleben möchtest. Diese Information ist einzigartig, denn wir sind alle anders, jeder hat eigene Talente und Aufgaben. Wenn wir nicht vollen Zugang zu diesem Wissen haben, kann dies auch zu Verwirrungen führen. Um beim Computerbeispiel zu bleiben. Wenn ich mit meiner eigenen Software komme, ist diese nicht immer voll kompatibel mit dem vorhandenen Betriebssystem, als all des Handlungs- und Glaubensmustern meiner Vorfahren. Ich muss in diesem Fall erstmal ein Update machen, Vieren entfernen, Einstellungen an meine Erfordernisse anpassen und manchmal sogar einen kompletten Neustart vornehmen. Sonst lebe ich unbemerkt Teile des Lebens von anderen fort oder wundere mich, warum ich meine Ziele und Ideen nicht richtig verwirklichen kann.“
Wenn der innere Maschinist vor Überforderung anfängt, „doppelte Buchführung“ zu machen, und man Depersonalisationssymptome bekommt, kurzum, wenn „der Geist in Geister dissoziiert“ und man das Gefühl bekommt, es wurde einem eine neue Software eingespielt oder man erkennt seine Nächsten nach einem Neustart nicht mehr, sollte man nicht mit einem ITler, sondern mit einem Facharzt reden. Dazu fehlt vielen Menschen das nötige Bewusstsein. Ein besorgniserregender Zustand! Und je weiter im Heft, desto besorgniserregender!
Auf Seite 20 heißt es gleich: „Hilfe, mein Mann hört Stimmen!“ „Mit diesen Werten bin ich ganz gut durchs Leben gekommen, bis vor rund 20 Jahren mein jetziger Mann in mein Leben trat. Stephan Möritz, der mit Deiner Seele spricht. Da stehe ich nun mit meinen Glaubenssätzen und Gewohnheiten, die mich so gut durchs Leben geleitet haben. Mit meinem Kopf, der alles ganz genau wissen will und alles hinterfragt, was ihm spanisch vorkommt und mit meinem Herzen, das so gerne helfen will. Mir, die sich leidenschaftlich gerne um andere kümmert und so gern gebraucht wird, begegnet dieser Mann. Stephan verbreitet Werte, die da heißen: ‚Du kommst allein, Du gehst allein und keiner liebt Dich‘. Der am Traualtar sagt: ‚Schatz, ob Du da bist oder nicht, ich bin immer gleich glücklich! Denn ich wähle nicht Deine Funktion, sondern Dein Wesen!‘ Also einen Mann, der Stimmen hört und damit auch noch seinen Lebensunterhalt verdient. Zugegebenermaßen noch nicht zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns kennen gelernt haben. Da war er beruflich noch traditionell unterwegs. ‚Auf der Straße Geld verdienen‘ war sein Motto. Nein, nicht so wie Du jetzt denkst! Er war bundesweit als Vertriebsleiter unterwegs. Privat war sein Motto seit frühester Kindheit: ‚Klarheit schaffen!‘ Denn eines hat er für sich selbst stets hinterfragt: ‚Gibt es da noch mehr in diesem Leben als ich bisher kenne und gelernt habe?‘ Ja, Stephan ist nicht wirklich ein netter Mensch. Er will nicht gefallen. Er will nicht helfen. Die einzige Motivation, die ihn antreibt ist, Erkenntnis in seinem Leben zu erlangen. Erkenntnisse, die er seiner Seele schenken kann. In Stephans Wahrnehmung der einzige Antrieb, die einzige Motivation für dieses Leben. Ich selbst habe durch meinen Ehemann gelernt, dass es noch viel mehr gibt, auch wenn ich selbst nicht alles wahrnehmen kann, und: Beim Hören von Stimmen muss man nicht immer zum Arzt, sondern diese können auch sehr nützlich sein!“
Davon abgesehen, dass „Du bist allein“ kein Wert, sondern ebenfalls ein sehr verbreiteter trauriger Zustand ist, sieht dieser Stephan, unter uns, mit seinem eiskalten Blick genau so aus, als würde er sein Geld tatsächlich auf der Straße verdienen, und zwar so, wie man es im ersten Moment gedacht hatte: nicht als „netter Mensch“, der er nicht ist, sondern als Zuhälter. Und so redet er auch, als würde ein Zuhälter seinen Mädels „Lebensaufgaben“ verteilen, manipulativ, von besonderer Liebe, die keine ist, und doch eine sein soll, aber anders, eine Schwingung und Funktion eben. In Wahrheit geht es darum, hineinzufahren, zu vernaschen und zu übernehmen: „Anmerkungen des betroffenen Ehemanns: Nur der Ordnung halber. In den Gesprächen mit den Seelen wurde für mich klar, dass Liebe alles ist. Nur anders als ich dachte. Aus Sicht der Seelen ist Liebe kein Gefühl, sondern ein Schwingungszustand. Der Schwingungszustand(,) der eintritt, wenn meine Seele in mich einfährt um eine Erkenntnis zu „vernaschen“. Um sie in ihren inneren Reichtum zu übernehmen“.
Ich hoffe, für die betroffene Ehefrau ist es noch nicht zu spät, Hilfe zu suchen.
Hoffentlich geht es im Heft für Oktober-November 2017 zur Sache, denn das Thema lautet: „Geld-Wert-Würde“. Der Beitrag „Das Herz des Geldes“ steigt sehr emotional ins Thema ein:
„Es ist unglaublich, was Menschen alles für Geld tun und unterlassen. Sie setzen ihre Gesundheit, Freunde und Freiheit auf Spiel. Andere plagen sich mit Sorgen, Ängsten, Habgier und Neid. Und das alles für Geld“.
Die meisten Menschen gehen Tätigkeiten nach, die ihnen nichts bedeuten, sind öfters für das Erfüllen dieser Tätigkeiten selbst entbehrlich, und das meistens unter Bedingungen, die nicht von ihnen beschlossen wurden. Das alles um stadtnah wohnen zu können und das ihnen vorgesetzten Schund zu kaufen, dieses Überleben wird im Allgemeinen als Leben bezeichnet. Das Lotto-Spielen als beinahe die einzige Möglichkeit, dem chronischen Schlamassel lebend zu entkommen – das muss man sich erst vergegenwärtigen. Dass man um halb sieben Uhr morgens in der Straßenbahn keine breit grinsenden Gesichter sieht, liegt nicht am deutschen Generationentrauma, dass die Nazienkel sich nicht ganz sicher sind, ob die Großeltern alles falsch gemacht hätten.
„Was aber Kirche, Staat und andere Geldexperten bislang nicht geschafft haben, ist eindeutig: Methoden und Wissen zu vermitteln, die den Menschen helfen, eine ausgewogene Einstellung zu Geld und Besitz zu haben. Die Wenigsten sind nämlich im Reinen mit ihren Finanzen. Nicht sehr viele Menschen können von sich behaupten, eine gesunde Beziehung zum Geld zu haben. (…) Emotional am Schlimmsten hat es jene erwischt, die zu wenig oder zu viel davon haben“.
Wenn ich in mich hineingehe (oder hineinfahre, wie Stephan sagt, hehe), muss ich zugeben, dass ich das Leiden derjenigen, die zu wenig haben, eigentlich ganz gut kenne. Das Leiden jener, die zu viel Geld haben, bleibt mir jedoch unvorstellbar. Mit dem Geld umgehen kann ich tatsächlich nicht. So habe ich z.B. zu Hause eine kleine Schachtel, in der ich u.A. zwei Schekel-Münzen aufbewahre, die ich vor Jahren aus Israel mitgebracht habe, damit es „in der Kiste rappelt“ (wie Stephan bestimmt sagen würde) ein wenig vermehren. Nichts passiert. Entweder habe ich zwei gleichgeschlechtliche erwischt, oder sie wollen es nicht in Unfreiheit tun, oder – muss man womöglich auch einsehen – das mit Geld und Juden ist ein Gerücht.
„Was ist aber, wenn Geld nichts für unser Leid kann? Was ist, wenn wir uns eingestehen müssen, dass Geld und Besitz lediglich Emotionen und Gedanken auslösen, die immer schon in uns waren? Wie müssen wir Geld behandeln, wenn wir die Verantwortung für unsere Schattengefühle übernehmen und Geld nicht mehr zum Sündenbock unserer Probleme machen?“
Wie der bekannte russische Kinderhasser und -schriftsteller Daniil Charms einst schrieb: „Alle Menschen lieben das Geld: sie streicheln es, küssen es, drücken es ans Herz, wickeln es in hübsche Fetzchen und wiegen es wie eine Puppe. Manche rahmen sich einen Geldschein ein, hängen ihn an die Wand und verneigen sich davor wir vor einer Ikone. Manche füttern ihr Geld: sie sperren ihm den Mund auf und stecken ihm die besten Bissen hinein. Bei Sommerhitze tragen sie es in den kühlen Keller, und im Winter, bei grimmiger Kälte, werfen sie es in den Ofen, ins Feuer. Manche plaudern sogar mit ihrem Geld oder lesen ihm spannende Bücher oder singen ihm schöne Lieder vor“. Das mit den Schekels in der Schachtel kommt mir im Nachhinein immer dämlicher vor. Vielleicht war das keine gute Idee und ich sollte mich lieber um mein eigenes Liebesleben kümmern? Aber ich glaube, davor muss ich erst mein Finanzleben in Ordnung bringen.
„Geld kann uns dabei unterstützen, innerlich zu wachsen und ein besserer Mensch zu werden. Geld hat tief in sich das Potenzial, uns spirituell zu bereichern und emotional zu inspirieren. Es ist lebendig, dynamisch und strebsam nach Höherem. Genau deshalb strebt der Mensch danach. Mit Geld verbindet uns weitaus mehr, als wir zunächst vermuten würden. Es ist also höchste Zeit, unsere Beziehung zum Geld zu verändern. Die Psyche und Seele des Geldes verstehen. Der Krieg mit dem Geld, den wir schon seit vielen Generationen führen, ist ein Krieg, der nur in unseren Gedanken und unserer Psyche stattfindet. Das Leid ist groß, und damit es erträglicher wird, suchen wir nach Gleichgesinnten, die diesen Krieg mit uns tragen. Sie treffen sich in Gruppen, um Menschen zu manipulieren und Angst zu schüren. Die Gegen-Bewegung von linken Gruppen, die gegen Politiker und Banker hetzen, stiften genauso Unfrieden.Wir müssen aber jetzt den Geld-Krieg der Generationen beenden und lernen, Frieden mit dem Geld und mit uns selbst zu schließen. Wir müssen uns fragen, was uns davon abhält, finanziell glücklich zu sein. Die Antwort ist im Inneren zu finden. Alle Gefühle, Gedanken, Einstellungen und Vorstellungen in uns wirken sich auf das finanzielle Leben aus“. Auch hier, man sieht es, ein seit Generationen im Stillen geführter Krieg, über den niemand reden will.
Im Beitrag „Macht Geld wirklich glücklich?“ beschließt Gwennifer herzensgütig, den Männern und Politikern nicht zu viel abzuverlangen. (Wie Stephan ja sagt: „Du bist allein“). „Ich hatte gerade immer so viel, wie zum Leben gebraucht wurde. Finanziell sorgte ich alleine für meine Kinder. Ich spürte die Wut darüber in mir. Die Wut auf die Männer, die ihren väterlichen Pflichten nicht nachkamen. Die Wut auf die ‚bösen‘ Reichen, die nur auf Kosten der Armen reich sein können. Tiefe Panik umfing mich. Wie sollte es weitergehen? Ich sah kein Vor und kein Zurück“. Während die Lösung ihr die ganze Zeit in der leeren Hand lag: „Hey, eigentlich bin ich mit all dem glücklich, was ich habe!“
In „Lady Money“ versucht ein Dietrich von Oppeln, uns Datingtipps mit dem Reichtum zu geben. Denn Money ist eine Lady und lässt sich nichts vormachen. Hier kann man nicht nach Stephans Methode einfach einfahren, vernaschen und übernehmen, hier helfen nur Charme, Witz, sauberes und selbstsicheres Auftreten und vielleicht Ausdruckstanz. „Lady Money hasst das Gejammere… Lady Money liebt die Leidenschaftlichen und Kreativen mit Geld, die das Geld mit Integrität und Wert lieben und behandeln“. Die Leidenschaftlichen sollen, wie es aussieht, schon das Geld mitbringen und nach Möglichkeit nach Automobilmarken heißen. Na, das habe ich auch so gewusst.
Sogar Einkaufstipps gibt es! Auf Seite 17 wird einem empfohlen, als wäre man eh nicht die ganze Zeit damit beschäftigt, sich den Kapitalerfordernissen anzupassen, sich beim Einkaufen mit den einzelnen Waren zu vergleichen. „Finden Sie die Butter zu teuer oder freuen sich, wenn der Preis gesunken ist? Dann fragen Sie sich, warum Sie es sich nicht wert sind, eine leckere Butter zu kaufen. Oder warum sind die Erzeuger es in Ihren Augen nicht wert, ‚so viel‘ Geld zu bekommen. Finden Sie die Butter zu billig? Dann machen Sie sich offensichtlich bereits Gedanken über Wert und die Würde, die dahinter steht. Leider wissen wir selbst bei den meisten teuren Produkten nicht, ob das Geld, das wir mehr zahlen, auch bei denen ankommt, die dafür am Sonntag um sechs Uhr die Kühe melken. Das zeigt für mich, dass das Thema Wert und Wertschätzung unsere gesamte Gesellschaft betrifft. Und doch können wir immer nur bei uns selbst anfangen“. Warum es nur beim Geldausgeben und nicht beim Geldverdienen so schön funktioniert, wenn man sie eh auf dem Arbeitsmarkt zur Ware macht, ist an dieser Stelle nicht klar. Ein bisschen hilflos, die Tipps, das ist wahr. Auch dafür sollten wir dem Universum danken.
Immer wieder lohnt sich der Blick auf die verwundete deutsche Seele wie auf Seite 22. „Um sich z.B. mit den aus Schlesien vertriebenen Großeltern, die alles verloren haben, verbunden zu fühlen, ahmt der Enkel deren damalige Situation und noch unaufgelösten Gefühle nach. So findet auch er in seinem Leben keine Ruhe, keine Heimat, keine Fülle, hat Gefühle von Wert- und Würdelosigkeit. Er kann Geld nicht halten und gerät dadurch in eine ähnliche Mangelsituation wie damals seine Vorfahren. Oder er hat Angst vor Verlust, ein starkes Absicherungsbedürfnis, obwohl es ihm eigentlich finanziell gut geht“.
Dem Nazienkel ist, fürchte ich, mit den üblichen Haushaltsmitteln nicht mehr zu helfen. Da kann man nur zu einer Art cheat-code greifen – zum kosmischen Gutscheinheft. „Heute schenke ich dir passende Zahlencodes aus dem neuen Buch ‚Spirituelle Materie‘, das Ende Oktober erscheint: Traumata auflösen 7539697123, wirtschaftliche Erfolge erzielen 73927191718197, Verwirklichungsprozess starten 567194179895714 und optimale Wege zu besseren Entscheidungen gehen 793439387714691. Und das alles ohne Scham und ohne Beurteilung von außen 7987663, 49697351.Wir werden bei bester Gesundheit 579 und mit optimalen finanziellen Mitteln 758993738361 ausgestattet, ein langes Leben führen 57585352510, geistig auf der Höhe bleiben 579341776, 34363731 und unseren gesunden Menschenverstand benutzen 79346371, 393736354. Willst du die neuen Zahlencodes auch für dich anwenden? Dann schreibe nur die Zahlenreihen auf ein Blatt Papier und setze dein ‚Danke!‘ darunter. Lege das Stück Papier auf einen Schrank und lasse die Zahlen atmen. Notiere deine neuen Beobachtungen in einem Glückstagebuch. Alles, was schön ist oder funktioniert. So einfach und genial ist es! Bei regelmäßiger Anwendung der neuen Zahlencodes wird sich auch deine Persönlichkeitsstruktur so verändern, dass du Stabilität gewinnst und auf alle Herausforderungen des Lebens spielerisch reagieren kannst“. (S. 49) Ich würde die Codes lieber der Autorin jeden Abend vor dem Schlafengehen per SMS schicken, fände ich persönlicher so.
2015 hat uns alle, auch die Leserschaft des Grossen Thieres ein Thema besonders bewegt – das des Krieges in Syrien und in der Ukraine. Dazu konnte „Einfach Ja!“ im Oktober / November 2015 selbstverständlich nur etwas total positives und bejahendes beitragen: „Mal bin ich in Frieden und dann wieder im totalen Krieg. Der Wechsel zwischen diesen beiden Polen ist sehr intensiv. Was kann ich tun? Samarpan: Wir gehen einfach zwischen Frieden und Krieg hin und her, mit so viel Bewusstheit wie möglich. Das ist alles. Das Leben kümmert sich um alles Weitere. Wenn du in Frieden bist, denke an nichts, genieße einfach den Frieden. Wenn du im Krieg bist, denke an nichts, spüre einfach, wie es ist, im Krieg zu sein. Spüre den Widerstand, spüre alle Gefühle – ohne Urteile. Der Krieg hilft uns, uns zu festigen. Wenn wir in Frieden sind, ist es sehr einfach, sich ‚heilig‘ zu fühlen. Der Krieg macht uns demütig. Gerade wenn wir denken, jetzt hätten wir endlich etwas verstanden, passiert ‚Krieg‘. Das Einzige, was wirklich wichtig ist, ist dass wir beides nicht ernst nehmen, dass wir es nicht persönlich nehmen. Sonst ist nichts nötig“. (S. 3) Über die Bewusstheit als völlige Abschaffung jedes kritischen Gedankens hätte selbst Ernst Jünger nicht schöner schreiben können.
Doch zurück in die Gegenwart, die allesamt aus Information und Schwingungen besteht und beliebig formbar ist. Nur aus irgendeinem Grund sind die Änderungen rein subjektiv und betreffen nur die individuelle Lebensführung. Dennoch stellt man fest, dass es in der Außenwelt seit einiger Zeit noch etwas gibt, dasdie ganze Menschheit betrifft, diese SARS-CoV-2-Pandemie. Dazu geht „Einfach Ja!“ im Dezember 2020 / Januar 2021mit einem einzigen, recht kurzen Artikel ein. Den Truismen der Marke „Spaltungen gab es schon immer, in Politik, Religion usw“ folgt endlich die bitter benötigte Erkenntnis über die Spaltung der menschlichen Gattung. Nein, nicht in Klassen, Rassen oder Geschlechter. „Es gibt keine eine Wahrheit, denn zur Wahrheit wird das, von dem man meint, dass es die Wahrheit ist. Es gibt so viele Wahrheiten, wie es Menschen auf diesem Planeten gibt. Es gibt keine eine Realität, denn zur Realität wird das, von dem man meint, dass es Realität ist. Es gibt so viele Realitäten, wie es Menschen auf diesem Planeten gibt. Die Herausforderung einer zeitgemäßen Spiritualität besteht darin, den gemeinsamen Nenner all dieser Realitäten und Wahrheiten zu finden. Abgrenzung und Spaltung sorgen immer für Diskriminierung. Und diese schürt Wut und Hass. So lange wir uns in einem Kampf ‚gegen etwas‘ befinden, bekämpfen wir uns selbst. Denn alle Menschen haben dasselbe Grundbedürfnis: In Liebe und Frieden, in Gesundheit und Freiheit zu leben“. Danke, Udo Grube, für diese, hmmm, Wahrheit, die es doch nicht geben dürfte und die doch so schwammig geraten ist, dass sie keine praktische Konsequenz nach sich ziehen kann. Der ex-Mann von Gwennifer will für ihre gemeinsamen Kinder nicht sorgen, der Arbeitgeber von Stefanie will ihr nicht mehr zahlen, damit sie sich bessere Butter kauft, die ihrem inneren Wert eher entspricht. Sie haben jeweils ihre Wahrheiten und Realitäten. Es wird unseren Gwennifer und Stefanie nicht anderes übrig bleiben, als Unwürde für Würde, Unlust für Lust und ihre Vereinzelung für Gemeinschaft zu deklarieren und so weiter machen. Sie werden einfach Ja zu dem Ganzen sagen und ansonsten die Fresse halten müssen. Das ist die einzige geheime Lehre, die viel zu offensichtlich ist: „Nichts gefällt dem Bestehenden, als dass Bestehen als solches Sinn sein soll“. (Jetzt darf man Adorno auspacken). Was in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Form der „humanistischen“ Betriebs- bzw. Arbeitspsychologie, Motivationstechnik und „psychiatrischen Führungsstils“ zur Kontrolle der Belegschaften entwickelt wurde, ist den vollen Kreis gegangen und befällt nun die Mittel- und Oberschichten wie Rinderwahnsinn.(1)
Was mir noch an diesem Blatt auffällt, ist die Werbung. Sie ist großartig: von Büchern voller platten Lebensweisheiten und Selbstmitleid der Nazigeneration über Getränkeuntersetzer, ganz wissenschaftlich in Bovis-Einheiten messbar „die die Schwingung deines Getränkes erhöhen“, bis zu seltsam aussehenden doppelseitigen Metalldildos („Die Harmonisierung kann durch die Beamer-Form gelingen, die der Heiligen Geometrie folgt. In über 15 Jahren habe ich davon rund 40.000 Stück verkauft. Mehr erfahren Sie in meinem Katalog“). Ach, was rede ich denn da? Jeder Beitrag, jeder Artikel ist Werbung. Alles, was diese Menschen von einem wollen, ist einem irgendeinen Schund anzudrehen. Und das für viel Geld, was ich für Schund nicht habe. Gut an der Sache: die Hefte sind kostenlos und gut unterhaltsam. Die Donald Duck-Comics auf den Klos meiner Freunde finde ich langsam zu albern und kenne mittlerweile auswendig.
Fußnote:
(1) Vgl. „Die Entstehung der Psychokratie aus dem Selbstwiderspruch der bürgerlichen Gesellschaft“ in: ISF, „Diktatur der Freundlichkeit“, 1984, Freiburg