Die Frauen und die Revolution

Unsre Zeitgenossen kennen keine Revolutionen mehr, deswegen wundern sie sich darüber, dass im Iran eine „Revolution der Frauen“ sich anzubahnen scheint. So etwas, meinen sie, ist nie dagewesen. Sie haben vermutlich auch die letzten 13 Jahre unter einem Stein gelebt. Wir erlauben uns, aus einem älteren Text zu zitieren:

Mit dem Streik der Frauen in Vyborg, Petersburg hatte am 8. März 1917 die zweite russische Revolution angefangen. Nun kann man von der russischen Revolution ehrlich gesagt halten, was man will. Wir halten es da mit Kropotkin, der bekanntlich meinte, die Bolschewiken hätten ein für alle Mal gezeigt, wie man eine Revolution nicht macht. Vor allem haben aber die Bolschewiken die Revolution ja nicht „gemacht“; sie waren nur von allen denen, die der Reihe nach an die Macht kamen, die ersten, die skurpellos waren, alles ausser sich kaputtzumachen. Sie haben die Revolution für sich ausgebeutet. Die Geschichte der Revolutionen hat aber noch nicht aufgehört! Nur die Zeit, wo man die Bolschewiken als Vorbild betrachtet hat, die hat allerdings aufgehört. Und man weiss heute, wie man sich vor ihnen hütet.

Überall, wo eine Gesellschaft schon in allen Fugen knirscht, und wo jeder schwören könnte, dass es nicht mehr so weitergehen kann, überall da geht es doch immer noch eine Weile weiter. Irgendwelche Leute kriegen es anscheinend hin, mit dem weniger gewordenen Lohn, mit den längeren Arbeitszeiten, bei leerer gewordenen Läden doch noch eine Weile zu haushalten; alles zusammenzuhalten, und irgendwie das Überleben organisiert zu bekommen. Unsere Geschichtsschreibung weiss recht wenig über diese merkwürdigen Menschen. Normalerweise kommen sie in ihr nicht vor. Bücher werden über andere Sachen geschrieben. Was sind das denn für Menschen?

Das sind, wie es scheint, die Frauen. Und ab und zu geschieht es, dass ihnen der Geduldsfaden reisst. Dass sie vor der Situation stehen, dass es wirklich nicht mehr weitergehen kann. Auch nicht mit der Art von Selbstverleugnung und Aufopferung, die man ohne zu fragen bei den Frauen seit jeher einfach voraussetzt. Das sind die Situationen, wo die Revolutionen anfangen. Scheinbar aus dem Nichts! Fragt die Geschichtsschreibung. Bis gerade war alles in schönster Ordnung! Irgendwie ging alles noch. Am nächsten Tag Aufstand. Unbegreiflich!

Alle Revolutionen haben bei den Frauen angefangen, weil alle Gesellschaften von den Frauen zusammengehalten werden. Der Moment, wo die Frauen aus öffentlichen Bewegung herausgedrängt werden, ist der Moment, wo sich die neuen Herren festsetzen. Das war in Russland nach 1917 so, das war neuerdings in Ägypten so, nach 2011.

Jede neue Herrschaft beginnt mit dem Terror gegen die Bewegung der Öffentlichkeit, und als erstes gegen die Frauen. Ohne die Frauen an der Spitze sind die unteren Klassen wehrlos: das ist die Lehre aus 200 Jahren Revolutionsgeschichte. Das Leben besteht immer noch aus wenig mehr als aus Arbeit. Keine Gesellschaft ist in den Stand gekommen, frei über den Reichtum zu verfügen, den sie produziert. Die Herrschaft der Männer über die Frauen, das ist der Grundstein der allgemeinen Knechtschaft. Die Befreiung der Frauen ist die erste Voraussetzung für jede Verbesserung der Lage.

Das sollte man nicht erst erklären müssen. Es ist einfach und ohne weiteres zu begreifen. Aber die Sache der Frauen ist immer als eine Nebensache betrachtet worden statt als der Beginn der Hauptsache. Das ist eine der Taktiken der Männerherrschaft.

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