Die „Vergesellschaftungs-Konferenz“ in Berlin

Sehr guter Bericht von der Vergesellschaftungskonferenz und den Fragen, die dort nicht behandelt worden sind:

„Die Akteure der Vergesellschaftung sitzen hier!“ Von da an versäumte es kaum ein Beitrag auf den Erfolg der Initiative

hinzuweisen.

Dass das Thema Enteignung überhaupt wieder Wellen schlagen kann – gerade in einem Land wie Deutschland, in dem im herrschenden politischen Diskurs Enteignung, DDR und Satanismus dasselbe meinen – ist wohl tatsächlich die große Leistung des Referendums von 2021 und der Mobilisierung dafür gewesen. Aber müsste man den Erfolg einer politischen Initiative nicht an dem Ziel messen, das sie zu erreichen vorgibt?

Erstens: Ist dies eine verallgemeinerbare Strategie? Würde dies nicht bedeuten, dass man im Grunde für jeden einzelnen Konzern eine Initiative „VW enteignen“, „ALDI enteignen“ etc. ins Leben rufen und jedes mal die entsprechende Mobilisierungsmasse auf die Straße bringen müsste? Und zweitens: wären bei einer allgemeinen Vergesellschaftung – die, wie es die Journalistin Laura Meschede auf dem Abschlusspanel mit Blick auf die Eigentumsfrage endlich einmal aussprach, nur kommunistisch sein kann – nicht Zweck und Mittel identisch, in dem Sinne, dass eine solche Vergesellschaftung auch nur von der Gesellschaft vorgenommen werden kann und nicht durch den Staat?

Nur allzu sichtbar würde dadurch, dass die ganze politische Rhetorik durchzogen ist von dem Jargon des Event- und Kampagnenmanagments, so als gäbe es zwischen Wahlkampf, Marketing und einer wirklichen sozialen Bewegung keine Unterschiede mehr. Das zeigt sich an Kleinigkeiten, wie etwa dem alljährlichen Gerede vom „heißen Herbst“, einem griffigen Werbeslogan, der keine andere Funktion besitzt als das eigene Klüngel bei Laune zu halten, ebenso wie an der ewig großen Frage: „Wie erreichen wir die Leute?“ An dieser Frage erkennt man immer, dass Aktivist*innen unter sich sind, und dass sie sich in erster Linie als Aktivist*innen betrachten

Ganz frappierend war in dieser Hinsicht das Statement der Ökonomin Elena Hofferberth in dem Panel „Planen gegen die Klimakrise“: „Wir sind doch alle Konsumenten und politische Subjekte“. Offenbar fällt es nicht Wenigen schwer sich selber noch als produktive Arbeiter*innen zu sehen. Daher war es dann auch nicht verwunderlich, dass in Hofferberths vorgestelltem Konzept einer makroökonomischen Koordination, bei der in einer gesamtgesellschaftlichen Planung die Verteilung von Ressourcen und Arbeit entlang von im Vorfeld ausgehandelten ökologischen und sozialen Zielen organisiert werden soll, die Produzent*innen überhaupt nicht vorkamen. Stattdessen sollen Expertengremien übergreifend an einer irgendwie demokratischen Planerstellung mitwirken. Wer sind denn aber die Expert*innen für die Produktionsprozesse der verschiedenen Güter, wenn nicht die Produzent*innen selbst?

So nimmt es denn auch wenig Wunder, dass die Aktivist*in von heute morgen schon – wenn es mit der akademischen Karriere nichts werden sollte – in irgendwelchen Parteigremien oder in Gewerkschafts- oder NGO-Büros sitzt und an eben der Welt mitwirkt, gegen die man einst gekämpft hat. Welche Arbeitgeber hätte man auch sonst? Genau diese prekäre gesellschaftliche Stellung dürfte in vielen Fällen dafür verantwortlich sein, dass so viele Aktivist*innen die Erfahrungen, die sie in ihrem übrigen Lebenszusammenhang machen, ebenso wenig wie ihre dort erworbenen Fähigkeiten kaum in die politische Tätigkeit miteinbeziehen. Dort wo sie Aktivist*innen sind, sind sie nicht Schüler, Studierende oder Berufstätige und dort, wo sie Schüler, Studierende, Berufstätige sind, sind sie nicht politisch

Weil die Menschen aller Gestaltungsmittel beraubt sind, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ihren politischen Willen kundzutun, statt ihn umzusetzen. Dies ist die strukturelle Ohnmacht, die dem politischen Engagement von vornherein eingeschrieben ist und die immer auch ihren Schatten über Initiativen wie DWe wirft. Wir behaupten nicht, dass das von den Akteuren der DWe nicht registriert werden würde; noch würden wir solche Ohnmacht als Verschulden der Akteure betrachten. Doch wird es problematisch, wenn die Selbstkritik ausbleibt und man sich als Erfolg lediglich die gelungene Mobilisierung gutschreibt. Dann liefert man sich dem Verdacht aus, dass man die gängigen Spielregeln akzeptiert hat und Mehrheiten und Medienwirksamkeit wichtiger sind als das eigentliche Ziel.

Nicht wenige beteuerten, dass mit Vergesellschaftung etwas ganz anderes gemeint sei als Verstaatlichung. So sind Statements, wie etwa die von Jonna Klick in dem Panel „Aktuelle Ansätze progressiver Ökonomie im Gespräch zur Demokratisierung von Wirtschaft“, dass mit dem Staat als „ideellem Gesamtkapitalisten“ nichts zu gewinnen sei, durchaus zu begrüßen. Aber wenn nicht – wie bei Klick – ein recht unspezifischer Commons-Ansatz hinter der Staatskritik zu finden war, konnte man sich doch kaum des Verdachts erwehren, dass unter Vergesellschaftung etwas anderes verstanden worden wäre als – die Verstaatlichung. Dabei helfen auch keine Wortspielchen wie sie von Silke van Dyk und Robin Celikates vorgetragen wurden, dass man das Öffentliche und Politische nicht mehr als das Staatliche begreifen dürfe. Ähnlich verwirrend hieß es dann auch auf dem Freitagabendpanel „Demokratische Wirtschaft – eine alternative politische Ökonomie nach der Vergesellschaftung“, dass man den Begriff der Vergesellschaftung nicht auf die Eigentumsfrage einengen dürfe. (Dass dann z.B. auch Platzbesetzungen kurzerhand zu Vergesellschaftungen werden, erlebte man dann wohl auch als Verheißung statt als Problem.)

Offenbar saßen die Akteure der Vergesellschaftung doch nicht auf den Bänken der Hörsäle.

Wir stimmen meistens zu; bemerken allerdings eine Unsicherheit am Schluss des Textes. Dass der Sozialismus keine theoretische Angelegenheit von Intellektuellen sein soll, muss das auch für uns gelten; wir können nicht die Ideen der Rätekommunisten vor uns her tragen als eine weitere fertig ausgearbeitete Parteidoktrin und Erlösungslehre, die dann von der „wirklichen Bewegung“ anzunehmen sein wird. In diese Lage gerät man unfreiwillig, wenn man die rätekommunistischen Ideen mit einem solchen Kongress vergleicht: gemessen an der allgemeinen Technokratie nehmen sie selbst ein blasses und sektiererisches Aussehen an. Das kommt, weil sie ihr wirkliches Leben an einem ganz anderen Ort haben, und in einer ganz anderen Art der Bewegung; sehen wir also zu, dass wir eine solche Bewegung zu sehen bekommen! Wenn die Ideen wahr sind, d.h. ein wirkliches Bedürfnis ausdrücken, werden sie dort nicht erst von aussen hineingetragen werden müssen.

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