Einer der grösseren talking point der neueren Zeit ist es, gegen diese oder jene „Normativität“ sich zu wenden, dies oder jenes zu „normalisieren“ oder zu „entstigmatisieren“. Ein paar unsystematische Betrachtungen.
1. Man kann zB den Makel der Obdachlosigkeit auch aufheben, indem man den Obdachlosen zwar kein Obdach verschafft, aber Obdachlosigkeit „normalisiert“. Obdachlosigkeit ist dann kein Makel des Obdachlosen mehr, und vor allem kein Makel der Gesellschaft mehr, die Obdachlosigkeit hervorbringt.
Aus Kreisen der berliner Pseudo-Linken ist neuerdings verlautet, auch Obdachlosigkeit sei „queer“. Aus dem neoliberalen shithole country Kalifornien und in einigen anderen nordamerikanischen Einparteienstaaten hören wir von den erstaunlichsten Zuständen (siehe den Artikel https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2022/06/how-san-francisco-became-failed-city/661199/).
2. Vor längerer Zeit, bei uns unter Schröder, hat man der Sozialdemokratie eine Verdünnung ihres Gleichheitsbegriffs zu dem der Chancengleichheit bescheinigt. Sogar das war bloss Ideologie: es geht um den blossen Anschein von Chancengleichheit. Die blosse Anti-Diskriminierungspolitik begreift nicht den bürgerlichen Idealzustand als den Skandal, sondern die Abweichung vom bürgerlichen Idealzustand. Sie spricht damit den bürgerlichen Idealzustand heilig. So weit, so banal. Wenn es denn so banal bliebe.
3. Die Pseudo-Linke ist offenbar nicht im Stande, das Geschäft der bürgerlichen Kälte und Gleichgültigkeit zu treiben ohne eine gewisse überschiessende Tendenz. Die Rede von der Entstigmatisierung gesellt sich gewöhnlich zu den schön klingenden Phrasen von der Vielfalt und Buntheit, in deren Namen sich gegen irgendeine „Normativität“ gewandt wird.
Eine autoritäre Gesellschaft kann die Normativität nicht loswerden. Sie wird immer einen Masstab hervorbringen, an dem man gemessen werden wird. Es wird nur gelingen, zu verschieben, was in einem bestimmten Zeitpunkt als „normal“ gilt. „Normal“ ist dasjenige Verhalten, das von der Autorität gebilligt wird. Es spricht ja heute niemand davon, etwa die Autorität abzuschaffen.
Die Autorität ist dasjenige, was über die Normalität entscheidet.
4. Die Aufhebung einer Diskriminierung ist immer ein Machtbeweis gewesen, aber nicht immer ein Beweis der Macht des Diskriminierten. Das war in der Vergangenheit anders, als man noch von Herrschaft und Ausbeutung gesprochen hat, aber nichts anderes als die bürgerliche Befreiung (die Aufhebung einer Diskriminierung) erreicht hat.
Unter der heutigen Logik entsteht eine eigenartig geisterhafte Simulation von „Befreiung“. Sie ist mehr von den Bedürfnissen derer geprägt, die über die Normalität entscheiden, als von den Bedürfnissen einer realen unterdrückten Gruppe. Sie besteht auch nicht mehr darin, die tatsächliche Lage von realen Menschen zu verändern, sondern zu verschieben, was gebilligte und was missbilligte Praxis sein soll. Den Inhalt dieser Verschiebung aber scheint das Markt zu diktieren.
5. Noch findet anscheinend diese Simulation von fortdauernder Befreiung seine Abnehmer unter denen, die bereit sind, diese blosse Verschiebung als Befreiung auch zu empfinden. Das Bedürfnis danach ist real. Dem Selbstverständnis dieser Gesellschaft ist der Anspruch auf Befreiung eingeprägt, und allen ihrer Insassen. Ihre Fähigkeit dazu aber scheint sich zu erschöpfen. Die Gesellschaft trifft eine Auswahl, wer eingeladen wird, an der illusorisch gewordenen Befreiung teilzunehmen und wer nicht; davon das nächste Mal.
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