Wir geben folgenden Aufruf hier wieder:
Gegen das neue Polizeigesetz und
seine WeltUpdate: Das Gesetz wurde grade bis auf nach der Sommerpause verschoben! Kommt dennoch natürlich nach Düsseldorf und werdet aktiv!
Die NRW-Landesregierung plant eine massive Verschärfung des Polizeigesetzes. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause soll sie ohne große Diskussion verabschiedet werden. Das neue Polizeigesetz ermöglicht es, Menschen auch ohne konkreten Verdacht anzuhalten und zu durchsuchen, bis zu einen Monat in Präventivgewahrsam zu nehmen oder mit Hausarrest zu belegen. Die Polizei soll Smartphones hacken dürfen, um Messenger wie WhatsApp mitzulesen – nicht nur von vermeintlich verdächtigen Personen, sondern auch in deren sozialem Umfeld. Zudem wird auch die Videoüberwachung des öffentlichen Raums ausgeweitet.
Der gesellschaftliche Kontext
Auch in vielen anderen Bundesländern sollen die Kompetenzen der Polizei erweitert werden; in Bayern wurde bereits am 25. Mai das härteste Polizeigesetz seit 1945 verabschiedet. Diese Initiativen sind vor dem Hintergrund einer generellen autoritären Entwicklung in Politik und Gesellschaft zu sehen, die sich nicht zuletzt in verschärfter Repression gegen alle äußert, die gegen die bestehenden Verhältnisse rebellieren. Dies zeigte sich etwa in dem brutalen Vorgehen der Polizei, mit dem während des G20-Gipfels in Hamburg – letztlich erfolglos – versucht wurde, jede Äußerung von Widerstand auf den Straßen zu verhindern. Nach dem Gipfel bemüht sich der Staat darum, mit öffentlichen Fahndungsaufrufen, die die Springerpresse bereitwillig verbreitete, dem Verbot einer oppositionellen Internetplattform (linksunten.indymedia.org), exemplarischen Strafen und Hausdurchsuchungen, die bis heute anhalten, diejenigen einzuschüchtern, die sich nach grundsätzlicher Veränderung sehnen.Auch ein anarchistischer Freund aus Nürnberg muss vermutlich demnächst ins Gefängnis. Sein Verbrechen bestand darin, dass er sich gemeinsam mit vielen anderen Schüler*innen und Unterstützer*innen der Abschiebung eines Mitschülers nach Afghanistan widersetzt hat. (Infos zur Solidaritätskampagne für den Genossen: https://ausbruchaufbruch.noblogs.org) Dies sind nur zwei herausgegriffene Beispiele, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen…
Das neue Polizeigesetz soll solcher staatliche Repression erweiterte Möglichkeiten verschaffen. Davon sind wir alle betroffen. Egal ob Fußballultras, Anarchist*innen, Umweltaktivist*innen, radikale Feminist*innen, Hacker*innen oder Graffiti-Zeichner*innen – dieses Gesetz richtet sich letztlich gegen alle, deren Freiheitsbegriffe und Handlungsformen nicht in denen von Lohnsklav*innen aufgehen, die fleißig und angepasst zur Steigerung des Bruttosozialprodukts beitragen.
Umgekehrt bietet dieses Gesetzesvorhaben aber auch einen guten Anlass, dass all diese Milieus sehr unterschiedlicher Menschen endlich einmal die Grenzen ihrer jeweiligen Szenen überwinden, miteinander in Kontakt treten, sich vernetzen und sich zu einem gemeinsamen Widerstand gegen diesen staatlichen Angriff zusammenzufinden, den eine Gruppe von Betroffenen allein sicher nicht wird abwehren können.
Wie kann das Gesetz verhindert werden?
Die bisher geplanten Infoveranstaltungen, lokalen Kundgebungen und die Großdemo in der Landeshauptstadt werden das neue Polizeigesetz wohl kaum stoppen. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit mag dies verdeutlichen: Eines der wenigen größeren Regierungsvorhaben, das in Europa in letzter Zeit durch Widerstände der Bevölkerung verhindert wurde, war die Arbeitsmarktreform „CPE“ in Frankreich 2006. Damals brauchte es drei Monate von Universitäts- und Schulbesetzungen, Straßen- und Schienenblockaden, Riots und Streiks, an denen sich Millionen von Student*innen, Schüler*innen und Arbeiter*innen beteiligten, um die Regierung schließlich zum Einlenken zu zwingen.Deutlich wird an diesem Beispiel nicht nur, dass es nötig ist, Methoden des sozialen Kampfes zu finden, die außerhalb des offiziellen Spektakels der Politik liegen. Vor allem aber konnte die damalige französische Bewegung nur deshalb so kraftvoll werden, weil es ihr um weit mehr ging als nur um die Verhinderung einer einzelnen Reform. Das neue Arbeitsgesetz war damals – zumindest für die radikaleren Teile der Bewegung – in Wahrheit nur ein Anlass, um gegen die Welt der Lohnarbeit, der Herrschaft und der Ware in all ihren Aspekten aufzubegehren. Ohne den Wunsch, ein ganz anderes Leben zu verwirklichen, hätten die Beteiligten niemals den Mut und die Energie aufgebracht, um zumindest diese eine Verschlechterung des bisherigen Lebens zu verhindern.
Nicht nur gegen das Polizeigesetz – gegen alle Autoritäten
Auch uns kann es nicht allein darum gehen, das aktuell geplante Polizeigesetz zu verhindern. Wir wollen nicht den liberalen Rechtsstaat gegen autoritäre Entwicklungen verteidigen, die er aufgrund seiner eigenen Widersprüche hervorbringt. Auch unter liberalen Bedingungen gehört es zu den selbstverständlichen Aufgaben der Polizei, Leute aus ihren Wohnungen zu werfen, wenn sie die Miete nicht bezahlen können, die Besitzlosen daran zu hindern, sich aus den prall gefüllten Warenhäusern die Dinge zu nehmen, die sie zum Leben brauchen oder haben wollen und Menschen in Elend abzuschieben, wenn sie den Aufenthaltsbestimmungen der Obrigkeit nicht entsprechen. Letztendlich besteht die Aufgabe der Polizei einfach darin, die bestehenden Eigentumsverhältnisse und Hierarchien aufrecht zu erhalten. Noch die liberalste Polizei wird ungemütlich, wenn Menschen die kapitalistischen Verhältnisse oder Aspekte derselben bewusst in Frage stellen. Als z.B. kürzlich über Pfingsten in Berlin zehn leerstehende Gebäude und Landelokale besetzt wurden, prügelten die Bereitschaftsbullen des rot-rot-grünen Senats die Besetzer*innen noch am selben Tag wieder heraus. Die Verteidigung des heiligen Eigentums ist auch für diese sich gern sozial und mieter*innenfreundlich gebenden Stadtregierung oberste Pflicht. Das zeigt: Wir brauchen keinen sozialeren Staat und keine liberalere Polizei – wir müssen beide abschaffen!Für eine Welt ohne Staat und Kapital
Sicher wird uns an dieser Stelle von vielen Naivität vorgeworfen: Es gehe leider nicht ohne Polizei, weil der Mensch an sich nun mal aggressiv und egoistisch seien und nur durch Zwang dazu gebracht werden könnten, sich an Regeln zu halten. Sicher, für Menschen, die gezwungen sind, unter den bestehenden Verhältnissen zu leben, mag dies zutreffen: Angesichts der allgemeinen Konkurrenz um Jobs, Wohnungen und Aufstiegschancen auf dem kapitalistischen Markt bleibt dem Individuum oft tatsächlich wenig übrig, als rücksichtslos sein Eigeninteresse zu verfolgen. Und angesichts unserer Vereinzelung, die kaum solidarische Verbindungen übrig gelassen hat, fällt uns häufig tatsächlich nichts anderes ein, als bei Konflikten die Polizei zu rufen.
Wenn aber solche Verhaltensweisen zum unveränderlichen menschlichen Wesen erklärt werden, so ist das nichts anderes als eine Projektion gesellschaftlicher Verhältnisse auf die Natur. Dass diese Sichtweise heute so weit verbreitet ist, macht deutlich, wie sehr es dem Staat gelungen ist, das Wissen über emanzipatorische Bewegungen und rebellischen Gemeinschaften der Vergangenheit auszulöschen und wie sehr er unsere soziale Fantasie verkümmern lassen hat.
Wir halten dennoch an der Hypothese fest, dass eine Gesellschaft ohne Zwang und Ausbeutung möglich und wünschenswert ist. Kämpfen wir dafür, die Wahrheit dieser Hypothese praktisch zu beweisen! Nehmen wir die Protest gegen das neue Polizeigesetz zum Anlass, uns zum Kampf gegen die Welt zu organisieren, die dieses Gesetz hervorgebracht hat und braucht, um ihren verheerenden Lauf auch in Zukunft fortsetzen zu können!Hinein in den antiautoritären und anarchistischen Block auf der Großdemonstration gegen das Polizeigesetz NRW in Düsseldorf am 7.7.! Mehr Infos zu unserem Block folgen noch. Alle Infos zur Demo findet ihr unter: https://www.no-polizeigesetz-nrw.de/ Wir sehen uns unter den schwarzen und roten Fahnen!
Deine Gruppe will unseren Aufruf offiziell unterstützen? Schreib uns eine Mail an: agdo@riseup.net Wir planen eine Unterstützer*innenliste unter den Aufruf zu stellen.
Anarchistische Gruppe Dortmund im Juni 2018