Aus der Geschichte der Arbeiterbewegung: Linz/Wien

Patriotische ÖsterreicherInnen haben auch was zum Feiern Anfang Oktober.

In Ternitz bei Schoeller-Bleckmann hatte die SPÖ schon am 3. Oktober mit Aktivisten aus ihren Reihen einen „Bewachungsdienst eingerichtet, der über Nacht im Betrieb blieb und dort verköstigt wurde. Es waren etwa 200 Mann, ausgerüstet mit Schlagwaffen: Holz, Stahl, Eisen.

Die Belegschaft auch dieses Werkes hatte längst nicht mehr den großen Willen zum Streik wie noch vor einer Woche. Die Putschlüge hatte zu wirken begonnen und die Drohung, die über allen Arbeitern in der Luft lag.

Trotzdem aber erzwangen sich die Rax-Werke-Arbeiter Einlass in den Betrieb, als die auch vom Grünbacher Bergwerk mit fünf Lastautos ankamen. Es kam zu einer Prügelei, und die sozialistische „Schutzmannschaft“ wehrte such eifrig, um das Eigentum der Privatkapitalisten Schoeller-Bleckmann zu verteidigen, aber die Arbeiter waren in der Überzahl und erzwangen sich den Einlass in den Betrieb und beriefen sofort eine Versammlung ein.

Um 17 Uhr besetzten sie das Wiener Neustädter Telefonamt. Streikleitungen anderer größerer Betriebe im Neukirchner Bezirk hatten die Arbeiter nach Hause geschickt, um ähnliche, den Streik in Verruf bringende Zwischenfälle zu vermeiden.

Um vier Uhr früh marschierten mit Gewehr, aufgepflaztem Bajonett und Stahlhelm augemascherlte 250-Mann-Gendarmerie aus der Mödlinger Gendarmerieschule und eine Abteilung Bereitschaftspolizei aus Wien auf. Sie besetzten mit größter Brutalität das Telefonamt und prügelten die Arbeiter, die sie dort griffen, blutig.

Anscheinend sah man es in Helmer– und Olah-Kreisen gern, wenn es zu Verletzungen der Streikdisziplin kam, denn das setzte die SPÖ in die Lage, den Bürgerkrieg zugunsten des Kapitalismus zu üben. Und man konnte der Bevölkerung zeigen, mit welchen Menschen es man bei Kommunisten zu tun hatte. Und konnte nebenbei die sowjetische Besatzungsmacht zum Eingreifen provozieren.

Hier in Wiener Neustadt griff sie ein, nämlich als die Kommandantur zum Schutz der Arbeiter auftrat, die von der Polizei halbtot geschlagen worden waren.

Und nun hatte man die Propaganda. Sofort ging das über die österreichisch-amerikanischen Sender: „Die sowjetische Besatzungsmacht steckt mit den österreichischen Kommunisten unter einer Decke. Staatsstreich… Putschversuch…“

Hätten die Sowjets nicht eingegriffen, dann hätte man die bleigegossene Schlagzeile bereit gehabt: Sowjets sind uninteresseirt an Arbeiterproblemen. Sowjets verraten Kommunisten. Aber die kamen zu Hilfe, nämlich als dadurch, dass andere Arbeiter ihren geschundenen Kollegen zu Hilfe kamen, eine blutige Schlacht zwischen Demonstranten und Polizei entbrannte; und nur durch einen glücklichen Zufall unterblieb es, dass einer der Polizisten eine Pistole abdrückte. Die Sowjets befahlen Polizei und Gendarmerie, sich sofort in ihre Standorte zurückzuziehen.

Die westlichen Besatzungsmächte protestierten sofort, gaben ihre Proteste weiter an den Vorsitzenden des Aliierten Rates, der über Österreich saß. Sie beschwerten sich darüber, dass die lokale sowjetische Kommandantur österreichische Sicherheitsorgane an der österreichischen Rechtsordnung entsprechenden Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung gehindert habe.

Arbeiter hielten einen Jeep an, in dem ein Rittmeister der Mödlinger Gendarmerie saß. In seinem Fahrzeug fanden sie geladene Gewehre und Kisten voll Munition. Sie waren so erregt, dass sie ihr gefangensetzten und dieses Fundes wegen später der sowjetischen Kommandantur übergaben. Diese ließ ihr jedoch frei, da er ja dem Staat Österreich unterstand.

In Steyr wurde das Rathaus von kriegsmäßig aufgemachter Polizei besetzt und bewacht. Noch einmal hob sich mit Schwung fast die gesamte Arbeiterschaft in Steyr zum Generalstreik, und alle wurden mitgerissen. Aber schon zirkulierten auch hier Flugblätter der sozialistischen Arbeiter- und Angestelltenschaft, in denen es hieß, dass „alle gleichdenkenden Freunde schließlich die Arbeit wieder aufnehmen werden, um gemeinsam einen Weg zu bahnen zu den Arbeiterstätten, falls man uns diesen verlegen will. Wir beginnen Donnerstag früh die Arbeit wieder!“

Am Abend besetzte weithergeholte Gendarmerie aus Wels, Tirol und Voralberg sogar die Fabrik. Die Streikposten wurden des Werks verwiesen, das Streikkomitee total isoliert.

Lautsprecherwagen fuhren durch Steyr: „Am Donnerstag nimmt jeder Österreicher die Arbeit um 7 Uhr früh wieder auf“.

Betriebsräte, Vertrauensleute und Arbeiter, die den Streik aktiv unterstützt hatten, wurden entlassen – 350 Mann.

Aus in Donawitz wurde entlassen. Auch hier wurde am Mittwoch Polizei zusammengezogen, ebenfalls in Kampfausrüstung.

Betriebsmannobmann Petz hielt eine Versammlung ab, und einstimmig wurde neuerlich der Streik beschlossen. Lediglich die Arbeit am Viererofen sollte weitergeführt werden, denn er war erst kürzlich generalüberholt worden.

Um 22.30 Uhr kam ein Polizeimajor zu Petz und sagte; „Herr Petz, kommen Sie bitte hinunter. Wir möchten mit Ihnen noch das Abstellen des Hochofens besprechen“.

Petz ging mit. Er wurde in die Portiersloge geführt und dort von Gendarmen, die ihm scharf geladene Pistolen vor den Bauch hielten, verhaftet.

Petz dachte an die Zeit, da er als Zersetzer der Wehrkraft verhaftet worden war. Auch damals war man so gekommen, heimtückisch und bewaffnet.

Ein zweiter Betriebsrat wurde „mitgenommen“, weil er grad zu Hand war. Ein dritter wurde aus der Adjustlage geholt. Einen holte man aus dem Bett, einen sogar aus dem Krankenhaus. Und es hieß, es würde ihnen der Prozess gemacht wegen „Hochverrats und Sabotage“.

In Meidling hatte Olah- ein SPÖ-Haus ein eine Notkaserne für seine Schlägertruppe verwandelt mit Notbetten und einer Gulaschkanone.

Neben den Olah-Truppen stürzten sich nun auch, mutig geworden und angespornt vom sozialistischen Vorbild, konservative Kräfte auf die Arbeiter.

Der ÖPV-Pressedienst meldete stolz: „150 Studenten, die der ÖPV nahestehen, haben in Kaiser-Ebersdorf einen kommunistischen Verkehrshindernisposten in die Flucht geschlagen. Sie haben in ähnlichen Fällen engen Kontakt mit Arbeitern der SPÖ gehalten. Auch am Schwedenplatz haben ÖPV und SPÖ gemeinsam gewirkt“. Stolzes Lorbeerblatt. Das Vaterland ist gerettet. Die Preise dürfen weiter steigen.

In vielen Orten machte sich nun die ÖPV daran, Schlägergarden zusammenzustellen, wie z.B. in Amstetten, wo Bauernburschen geraten wurde, sich zu bewaffnen und sich im ÖPV-Heim einzufinden. Dort wurde ihnen erklärt, sie hätten sich ab nun als Hilfspolizisten zu betrachten.

Immer weniger Arbeiter und Betriebe brachten unter diesen Umständen die Kraft auf, den Kampf um gerechten Lohn weiterzuführen“.

(Karl Wiesinger, „Der rosarote Straßenterror“, S.170ff, 2011, Wien)

Kürzer und sachlicher zum Thema Oktoberstreik 1950 siehe:

http://www.sozialismus.net/kategorien/259-hauptbeitraege/522-oktoberstreik-1950

http://ooe.kpoe.at/images/oktober.pdf

Dieser Beitrag wurde unter Geschireben veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.