Krise und Kritik. Versuch über Bruhn

Von Jörg Finkenberger
Aus Heft 19

Die Untersuchung des „Kapital“ setzt eine Unterscheidung voraus. Es gibt das „Kapital“ zweimal, einerseits das irdische Buch, das anscheinend ein Buch wie jedes andere ist, aber andererseits das himmlische, welches letztere bei den Ideen wohnt und unveränderlich und unfehlbar ist. Wir haben es hier mit dem ersteren zu tun, das letztere haben wir denen zu überlassen, die es „rekonstruieren“ wollen.

Das wirkliche „Kapital“ ist technisch gesehen unfertig und von Engels aus dem Nachlass zusammengestellt. Ob Engels treulos oder aus Unverstand für irgendwelche Mängel verantwortlich ist, ist Gegenstand der Wissenschaft vom himmlischen „Kapital“, hat uns also im strengen Sinne nichts anzugehen. Wir wollen aber anfügen, dass wir aus der heiligen Geschichte namentlich der schiitischen Sekten Beispiele kennen, die diese auf Erden sonst nicht begründbare Vermutung stützen können. Der Befund der veröffentlichten Manuskripte in der MEGA-Edition stützt sie jedenfalls nicht.

a. Das „Kapital“ soll nach manchen noch allerhand enthalten haben, insbesondere Bücher über den auswärtigen Handel, Staat und Weltmarkt. Das verdankt sich einer Notiz aus einem Brief von Marx aus einer Zeit, ehe das „Kapital“ konzipiert war. Diese Nachricht ist sehr nützlich, um das Fehlen jeder Ahnung von Weltmarkt oder Staat in der marxistischen Schule zu begründen, aber es ist in dem wirklichen „Kapital“ nicht zu ersehen, wie diese Bücher Wirklichkeit hätten werden können, ausser als selbständige Schriften ausserhalb des Werkzusammenhangs. Denn die Materie ist im „Kapital“ schon verhandelt, aber nie im Zusammenhang, sondern verteilt an den verschiednen Orten. Sie im Zusammenhang zu erörtern, hiesse das ganze Ding nocheinmal, aber von einem anderen Ausgangspunkt aus schreiben. Das ist normalerweise ein Kennzeichen eines selbständigen Werks. Diese Phantombücher gehören also wohl dem Reich des himmlischen „Kapital“ an.

Das wirkliche „Kapital“ endet in dem Kapitel über die Klassen. Dieses Kapitel ist nach derselben Art wie die vorherigen als Skizze angesetzt. In den erhaltenen Manuskripten über den Plan und Inhalt findet sich dieses Kapitel noch erwähnt, ein weiteres nicht mehr. Es ist auch mit diesem Kapitel gezeigt, wie der Aufbau der bürgerlichen Gesellschaft, von dem Anfang aus gesehen, stattfindet. Es ist eine so gute oder so schlechte Art, das Buch aufzuhören, wie jede andere auch. Das wirkliche „Kapital“ ist also nur technisch unfertig. Es hätte nicht sinnvoll weitergeführt werden können, ohne den Untersuchungsgegenstand zu wechseln.

b. Das „Kapital“ endet auf eine Weise, dass seine Voraussetzungen gerade nicht bewiesen, sondern widerlegt werden. Der Hegel-Marxismus muss sich das „Kapital“ so vorstellen wie eine Art materialistischen Hegel, d.h. Hegel, von den allergröbsten Einwänden befreit. Der Anfang, d.h. der Ansatz, ist zunächst einmal durch nichts begründbar. Er schwebt in der Luft, bis das Ende ihm zu Hilfe kommt und ihm beweist, dass er von jeher guten Boden unter seinen Füssen hatte. Damit ist es erreicht, dass der menschliche Geist sich wie Münchhausen selbst an seinem Zopfe aus dem Schlamm gezogen hat. Diese Idee ist unmaterialistisch, d.h. sie gehört genau zu dem, was zu Recht gegen Hegel eingewandt worden ist. Sie gehört also allenfalls dem „Kapital“ des Ideenhimmel an, aber nicht demjenigen, das hienieden auf Erden bekannt ist.

Das „Kapital“ endet bei einer Gesellschaft, in der die Idee, auf die der Anfang gegründet ist, eine Hypothese wie jede andere ist; in der sich zeigt, dass der Mehrwert, statt aus der Arbeit, genausogut auch einfach aus dem Profitaufschlag auf den Kostpreis zustandekommen kann, ja mehr noch wirklich zustandekommt. Spätestens bei der Herstellung der Durchschnittsprofitrate wird das, womit Marx anfängt, völlig unsichtbar, und spätestens seit der Debatte um das sogenannte „Transformationsproblem“ muss das den Marxisten klar sein.

Diese Debatte ist bekanntlich ausgegangen wie das Hornberger Schiessen. Der Ökonom Samuelson hat völlig Recht: die marxistische Ökonomie kann diese „Transformation“ nur so zuwege bringen, dass sie zuerst die Werte hinschreibt, sie dann mit dem Radiergummi ausradiert, und die Preise darüberschreibt. Ökonomen wie Sraffa haben daraus den völlig korrekten Schluss gezogen, dass man marxistische Ökonomie am besten treibt, indem man aufhört, marxistische Ökonomie zu treiben. Einige wenige Standhafte versuchen immer noch, eine Lösung für das Transformationsproblem zu finden, indem sie den „Algorithmus“, den Marx gegeben hat, verbessern. Aber der Algorithmus, den Marx gegeben hat, ist tatsächlich der, den Samuelson beschrieben hat: er radiert die Wertgrössen aus und schreibt Preisgrössen hin. Eine bessere Lösung für das Problem besteht nicht, weil das Problem nicht besteht, jedenfalls nicht für Marx.

Das Problem, das da gelöst werden soll, ist nämlich vom Gegenstand der Untersuchung schon gelöst, und zwar auf genau diese Weise. Die Kapitalien, soweit sie sich am Markt halten können, sind (idealerweise) Freie und Gleiche, d.h. solche, die eine gleiche Profitrate tragen. Die Spur ihrer naturbürtigen Ungleichheit, der verschiednen Bewegung menschlicher Arbeit, ist darin ausgelöscht, und mit ihr jede Spur, die die Begriffe des Bd. I hinterlassen haben könnten. Wenn es anders wäre, d.h. wenn in den Preisen die Wertverhältnisse sichtbar wären, dann wäre Bd. III daran gescheitert, die wirkliche Gesellschaft zu beschreiben.

Das „Kapital“ holt seine Voraussetzungen auf gar keine Weise ein, es besteht sogar darin, zu zeigen, warum das nicht möglich ist. Diese Voraussetzungen kann man also, im Rahmen einer Wissenschaft von der Ökonomie, glauben oder auch nicht. Sobald diese Wissenschaft sich von dem Begriff eines Werts, der auf Arbeitszeit gründet, abwandte, ist alles, was im „Kapital“ steht, grundsätzlich für sie ohne Belang.

Das wäre auf keine Weise anders, wenn Marx das irdische „Kapital“ seinem Urbild im Himmel mehr angenähert hätte. Denn es ist kein wissenschaftlicher Beweis für diese Voraussetzungen denkbar, ausser wenn alles, was in Bd. III steht, falsch ist. Wir müssen also annehmen, dass das himmlische „Kapital“ entweder nur aus Bd. I besteht, denn den Bd. II hat bekanntlich niemand je gelesen, oder genauer aus den ersten hundert Seiten; dann würde es aber genausowenig funktionieren. Oder wir müssen annehmen, dass es in Wahrheit viel umfassender ist, weit über den Bereich der Ökonomie hinausgreift, so dass deren Grundbegriff, der gesellschaftliche Reichtum, sich auflöst in einen allgemeinen Begriff von gesellschaftlicher Herrschaft; dann ist das „Kapital“ nur das Prolegomenon zu einer kritischen Theorie der Gesellschaft, und zwar einer, die alle bisherige Geschichte in sich enthält. Aber das überschreitet m.E. den ursprünglichen Werkplan.

c. Wie ist es denn dann um die geistesgeschichtliche Stellung des „Kapital“ bestellt, wenn es so dürftig endet? Es sieht verdächtig so aus wie einfach irgendein Buch. Erweist sich nicht die Wahrheit seiner Anfangsgründe in irgendeiner Weise aus dem Gang der Darstellung? Es zeigt sich doch, dass in Bd. III tatsächlich gelingt, eine Gesellschaft darzustellen, die so aussieht wie die jetzige. Namentlich die Krisen, durch die hindurch der Fortschritt des Kapital sich wirklich vollzieht; sie sind doch in ihrem letzten Grund nur durch das „Kapital“ verständlich? Weiterlesen

Veröffentlicht unter freiburger materialismus, Geschireben | Ein Kommentar

Situationist in sieben Tagen

[Erschienen im Heft #1 etwa 2011 oder 2012, wer weiß das schon, und an dieser Stelle der Ordnung und der Richtigkeit halber veröffentlicht. Und weil der Rinderwahnsinn, der i.d.R. junge, angehende Intellektuelle befällt, nach wie vor grassiert. – euer GT]

Gefunden in der New Yorker Internetzeitschrift „Shoe Polish Week“ unter http://library.nothingness.org/articles/all/en/dis-play/274. Der anonyme Autor bezeichnet sich als „the most profiled author/artist/revolutionary the world has ever seen“, was zweifellos stimmt, liest man seinen Besinnungsaufsatz „Drifting with the Situationist International“ (ebd.).

von N.N.


1. Lerne unbedingt Französisch. Kein Situationist, der etwas auf sich hält, würde auch nur im Traum daran denken, das nicht zu können.

2. Drücke dich stets so geheimnisvoll wie irgend möglich aus. Nimm’ ein Lexikon, such’ dir jede Menge hochtrabende wissenschaftliche Begriffe heraus und benutze sie reichlich. Zum Beispiel ist es schlecht zu sagen : „Die Verhältnisse sind mies.“ So geht’s viel besser : „Der konstitutive Mechanismus der Kultur hat sich zur Verdinglichung aller menschlicher Handlungen gesteigert und zur Versteinerung des Lebens, wodurch die Weitergabe der Erfahrung von Generation zu Generation nach dem Muster des Warentausches verformt wird, d. h. eine Verdinglichung ist eingetreten, die danach strebt, die Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft unaufhebbar zu machen.“

3. Insbesondere die Begriffe „Langeweile“ (etwa so : „Es gibt absolut nichts, was sie nicht tun würden, um die Langeweile zu vergrößern“), „Elend“ (z. B. das Elend der Studenten, der Universität und der Künste), dazu „Leidenschaft“ und „der Gebrauch der Lüste“ sind unverzichtbare Geräte im Werkzeugkasten des angehenden Situationisten; ihr freizügiger Gebrauch wird dein Image in der situationistischen Gemeinde nachhaltig stärken.

4. Beziehe dich im Gespräch ständig auf den Dadaismus und auf die Surrealisten. Obwohl das fast schon ein Jahrhundert her ist, sprich das Thema so oft wie möglich an, auch wenn es noch so unpassend sein mag.

5. Greife „die Universität“ und „den Kunstbetrieb“ so oft wie möglich energisch an (Ausdrücke wie „der Abfallhaufen“ oder „der Gully der Kunst“ kommen besonders gut). Schließ dich der renommiertesten Clique an und achte darauf, dass dein Freundeskreis zu mindestens neun Zehnteln aus Künstlern besteht.

6. Kultiviere deine Einbildung und deine Selbstgefälligkeit bis an die Grenze des Größenwahns. Rechne Dir die spontanen Aufstände in den entlegensten Weltwinkeln als deinen Verdienst zu und verhöhne alle, die dir widersprechen oder nicht mit dir übereinstimmen.

7. Leute zu denunzieren und auszuschließen ist immer gut. Achte darauf, daß deine Clique so exklusiv und klein wie möglich bleibt, aber betrachte es als Selbstverständlichkeit, dass alle Welt mit deiner Arbeit bestens vertraut ist, selbst wenn es in Wahrheit nicht mehr als eine Handvoll Leute sind.

8. Entwendung/Détournement : Nimm eine Schere, schneide dir einen Comic aus der Zeitung („Bigbeatland” aus der Jungle World ist bestens, zur Not geht auch „Strizz“ aus der FAZ oder „Touché“ aus der taz) und schreibe was anderes in die Sprechblasen. Spare dabei nicht mit situationistischem Vokabular. Was ein Spaß!

9. Übe dich in der marxistischen Umkehrtechnik. Das ist eine bombensichere Methode, die Leute mit der Nase darauf zu stoßen, daß du ein Situationist bist oder begierig darauf, einer zu werden. Sag’: „Die Irrationalität des Spektakels spektakularisiert die Ratio“, oder, noch besser, sag’ : „Die getrennte Produktion ist die Produktion der Trennung.“

10. Beschwöre so oft wie möglich „die Klasse“ und die Fabrik. Schrecke vor keiner Arbeitertümlerei zurück, aber tu’ dich unter keinen Umständen wirklich mit Proleten zusammen (einige für Situationisten akzeptable Jobs sind Student, Lehrer, Professor, Künstler).

11. Vermeide um jeden Preis solch ätzend proletarische Accesoires wie die allerneueste Baseballkappe à la Michael Moore, Che Guevara-Shirts, Garfield- oder Snoopyposter oder Underdog-Zigaretten wie HB, Reval oder Rothhändle.

Nachbemerkung des Übersetzers: Wenn Du nach sieben Tagen noch immer nicht als Situationist auftrumpfen kannst, dann lese die Zeitschrift „Kosmoprolet“ der „Freunde der klassenlosen Gesellschaft“ aus Berlin oder lieber gleich das Buch „Situationistische Revolutionstheorie“ von Biene Baumeister Zwi Negator (Schmetterling–Verlag : Stuttgart 2006), um Dir erklären zu lassen, warum es sich beim dröhnenden Schweigen der Debord & Co. zur Shoa um „Ignoranz“, „Ausblendung“ und „Verdrängung“ gehandelt haben soll, also um „eine sonst so genaue Wahrnehmung, die an dieser Stelle ausfällt“ (Bd. 1, S. 219), und keinesfalls um genaue Absicht. Dann wirst Du auf jeder Party der Held sein. Denn die Linken mögen „Defizite“ über alles auf der Welt, da machen die Situationisten keine Ausnahme. Das löst die Zunge. Urteile dagegen öden sie an.
Joachim Bruhn

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Situationist in sieben Tagen

News unterm Radar III

Die News sollten auf eindringliche Bitten der werktätigen Massen hin nicht so „esoterisch“ ausfallen, wie letztes Mal. Es sind schon Dinge, die einem/r Interessenten beinahe von selbst ins Gesicht springen.

Ein Jahr Krieg Russlands gegen die Ukraine, ein Jahr militärische Aggression, die der ukrainischen Gesellschaft unvorstellbare Schäden und Leid zufügt; ein Krieg, der genozidale Züge aufweist und man muss richtig blind sein, um nach einem Jahr dafür noch irgendeine geopolitische, wirtschaftspoltitische oder – richtig zynisch – humanitär-menschenrechtliche Begründung zu suchen. Jeder einzelne Tag und jede einzelne Nacht davon ist zuviel. Viele Prognosen, auch unsere eigenen haben sich öfters als falsch erwiesen, die Wende im Krieg war da, doch ist noch lange nicht vorbei. Stattdessen reden dieselben Experten, die den Krieg noch letzten Herbst beendet sehen wollten, genauso selbstverständlich von „2023/24 oder so um den Dreh“. Vielleicht argumentieren sie alle nicht von einem proletarisch-wissenschaftlichen Standpunkt aus und deswegen sind ihre Expertisen gar nicht so hervorragend und den Durchschnitt übersteigend, wie es das Proletariat gerne bräuchte. Die Ausdauer der russländischen Wirtschaft und der unverrückbar apathische Zustand der russländischen Gesellschaft, die wirklich alles mit sich machen lässt, haben, ganz ehrlich, auch uns überrascht.

Wie auch immer gibt es Menschen, unter Anderem viele Linke, die mit Regime Putin verhandeln wollen – offensichtlich über die Köpfe der UkrainerInnen. Diese sollen sich nicht so anstellen, wenn die großen Nationen mal wieder miteinander schnacken wollen, es geht um unser aller Wohl.

Also, bei der Linkspertei Leipzig hieß es anlässlich des Jahrestages des russischen Krieges am 24. Februar z.B. so: „Verhandlungen statt Panzer“ –

Die Ukraine hat das Recht auf Selbstverteidigung gegen den Angriff Russlands. Aber mehr Waffenlieferungen werden nicht zu einem Ende des Krieges führen – das geht nur mit Verhandlungen und Diplomatie. Stattdessen steigt die Gefahr, dass der Krieg eskaliert und sich weiter hinzieht: Mit immer mehr Toten und mit immer mehr Verwüstung. Ein langer Krieg verbraucht viel Material. Das ist gut für die Rüstungsindustrie. Für die Menschen bedeutet das: unendliches Leid. Wenn auch der größte Panzer der Welt nicht zum Sieg der Ukraine führt, was wird als Nächstes gefordert? Kampfjets? Soldat*innen? Wir sagen: Raus aus der Eskalation! Mehr Waffen schaffen keinen Frieden. Stattdessen müssen die Kriegsparteien zu Verhandlungen gedrängt werden.

Und ich denke, überall sonst in Land haben sie ungefähr das Gleiche gefordert, weil ihr Klientel das so fordern würde. Oder – es wird angenommen, dass es so fordern würde.

Auf der (verregneten) Straße, zumindest in Leipzig, saß es anders aus:

In welche argumentative Sackgasse sich die Linke mit ihrem (hier besser beschrieben durch Kolumnist David Gray) seltsamen Pazifismus mittlerweile manövriert hat, kann man mit einem Bild vom heutigen Abend illustrieren.

50 Menschen sind aktuell dabei, zur linken Kundgebung am Leuschnerplatz anzutreten. Die gesamte Leipziger Linkenszene lässt heute diese Partei mit ihrem Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann und der Videoansprache Gregor Gysis allein im Regen stehen. Stattdessen sind die Freunde um Anette H. und ihre noch etwa 10 Menschen umfassende Initiative „Leipzig steht auf“ gekommen, um sich anzuschließen. Das ist offenbar sogar der Linkspartei zu viel Querfront, Anette H. (eine umtriebige Protagonistin der hiesigen Schwurblerszene – Anm. GT) muss wieder einpacken.

* * *

Auch Putins Rede vor der Föderalversammlung am 23.2., ehrlich gesagt, eine einzige Enttäuschung. Eine ganz schlechte Standup-Comedy. Von von einigen dad jokes über „Pädophilie als Lebensnorm“ und einen „gender-neutralen Gott“ abgesehen, ging es ganz ohne seine üblichen Iljin-Zitate zum selben ökonomischen Programm, mit dem er bereits seit 20 Jahren die russländische Wirtschaft von der oil needle herunterholen und ihr das Laufen auf eigenen Beinen bis zur fast vollständigen Autarkie wieder beibringen möchte. Während seines Auftritts beschossen russländische Streitkräfte die Stadt Cherson.

Besorgniserregend ist natürlich seine Ankündigung, den Vertrag über Measures for the Further Reduction and Limitation of Strategic Offensive Arms von 2010, auch SNW-III oder New START genannt, vorübergehend auszusetzen. Egal, wie sonst China und Indien gerade zum Krieg stehen, die Vorstellung, dass Drohungen mit Atomwaffen jetzt wieder als „normal“ auf die Tagesordnung kommen, dürfte sie auch nicht begeistern. Weiterlesen

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für News unterm Radar III

Die Krise der Klimabewegung

Aus Heft „19“

1
Jede Generation muss ihre eigene Erfahrung mit den Grünen machen. Und die Ereignisse von Lützerath, so vorhersehbar sie waren, werden unter der Klima-Bewegung dieselbe Verbitterung erzeugen wie entsprechende Erfahrungen früher. Die Grünen bleiben sich immer gleich. Wir erinnern uns noch an den Minister Trittin, der eine Energiewende versprochen hat, die durch moderne Erdgaskraftwerke mit billigem russischem Gas eingeleitet werden sollte. Das ist zwanzig Jahre her, billiges Gas aus Russland und die Hartz-Reformen waren der Kern der rot-grünen Politik. Diese Energiepolitik fliegt ihnen jetzt um die Ohren; und deswegen muss Lützerath geopfert werden. Die Versprechen, die heute gebrochen werden, sind dieselben Versprechen, die damals gebrochen wurden; es reisst nie ab, und es wird nie anders.(1)

Es ist aber nicht nur eine Krise der Grünen, sondern auch eine Krise der Klimabewegung. Die Klima-Bewegung ist, wie der meiste neuere Aktivismus, in einer ernsthaften Sackgasse. Und das liegt nicht etwa daran, dass sie zu radikal aufträte. Alle ihre politische Mobilisierung ist im Gegenteil völlig auf den bestehenden Staat ausgerichtet, und auf die Vorherrschaft von Parteien wie der SPD und der Grünen.

Das gilt sogar für die vermeintlch radikalsten von ihnen, die „Letzte Generation“. Der Verfassungsschutzpräsident Haldenwang hat völlig recht: „Also, anders kann man eigentlich gar nicht ausdrücken, wie sehr man dieses System eigentlich respektiert, wenn man die Funktionsträger zum Handeln auffordert.“

Die strategische Sackgasse besteht natürlich darin, dass man mit der jahrelangen Agitation z.B. den Grund für einen Wahlsieg der Grünen legt, nur damit die Grünen einen dann betrügen. Man kann sich dann vorstellen, dass als nächstes die Linkspartei an der Reihe ist, aber weder hat diese noch Aussicht auf irgendeinen Sieg, noch wird sie jemals anders handeln. Die Linkspartei bewirbt sich heftig auf dieses Erbe; sie benimmt sich in vieler Hinsicht heute nicht anders, als wäre sie eine Bundesarbeitsgemeinschaft der Grünen. Je mehr sie sich an die Bewegung heranwirft, desto glaubhafter macht sie den bevorstehenden Verrat.

Es ist genau dieselbe Situation wie bei dem berliner Wohnungsvolksentscheid; auch dort hat man, vielleicht ohne es zu wollen, zum Wahlsieg der „linken“ Parteien beigetragen, weil man sich ausrechnet, diese zur Umsetzung der Entscheidung zwingen zu können. Nichts dergleichen wird passieren.

Es steht natürlich ganz ausser Frage, dass den „linken“ Parteien diese betrügerische Politik nichts nützen wird. Sie werden in der Tat weniger gewählt werden und irgendwann ihre Macht an die konservative Rechte verlieren. Aus der Sicht der Bewegung ist mit dem einen so wenig gewonnen wie mit dem anderen; ausser, sie fallen auf den Trick herein, sich an der „politischen Neuaufstellung“ nach der Wahl zu beteiligen. So etwas wird sich für einzelne verdiente Kader vielleicht prächtig lohnen, aber die Bewegung selbst wird auch dort wieder betrogen werden.

Also, was ist der Plan? Die Frage geht vor allem an diejenige Organisation, die in beiden Agitationen führend beteiligt ist, nämlich die Interventionistische Linke. Und diese Frage wird bereits gestellt, und sie wird den Niedergang dieser Organisation sehr beschleunigen.

2
Uns empört nicht die vermeintliche Radikalität der Klimabewegung. Uns empört ihre skandalöse Bescheidenheit. Oder sollen wir vielleicht sagen Beschränktheit? Ihre Kritik ist zum Haareausraufen eindimensional.

Nehmen wir ein Beispiel. Es gibt vom Beginn des Automobilzeitalters her eine Tradition einer radikalen und populären Kritik des Automobilismus. „Das Auto als höchstes Gut eines entfremdeten Lebens und untrennbar davon als Hauptprodukt des kapitalistischen Marktes steht im Mittelpunkt derselben globalen Propaganda“; das Auto als Ware ist es gewesen, das in den 1950ern ein neues kapitalistisches Zeitalter ermöglicht hat. Um die Ruinen dieses Zeitalters handelt es sich.

Das Auto steht wie keine andere Ware für genau die Sorte von Wohlstand und Freiheit, die dieses Zeitalter versprochen hat; und es verwirklicht sich von Anfang an als Knechtschaft und Abhängigkeit. Das Auto hat die neuere Veränderung der Siedlungsgeographie ermöglicht und gleichzeitig erzwungen; die Trennung von Funktionen, weit abgelegene Gewerbezonen, öde und menschenfeindliche Altorte, und vereinsamte Wohnviertel. Das Auto hat eine ungeheure Zunahme des Verkehrs erzwungen, so dass der Arbeitstag sich um die Stunde Fahrzeit oder Stau verlängert; für die meisten ist ohne das Auto nichts lebensnotwendiges mehr in Reichweite.

Wo ist die Kritik dieser Gesellschaft, die diese ungeheure Beraubung und Verarmung noch sehen kann? Und diese Verarmung hinterlässt ihre Spuren sehr deutlich in jedem einzelnen Leben, und in dem, was man mangels eines anderen Wortes das öffentliche Leben dieser Gesellschaft nennen muss. Eine solche Kritik ist aber nur zu haben als eine umfassende Kritik dieser Gesellschaft. Sie hätte es nicht mit einem einfach abgrenzbaren Problem zu tun; aber sie käme auch nicht auf den Gedanken, das Auto als einen schädlichen Luxus zu betrachten, den eine aufgeklärte Staatskunst den unwissenden Massen aus der Hand zu winden hätte.

Sie müsste sich stattdessen auf die Sprache der Sehnsüchte und Träume derer verstehen, die um das versprochene Glück betrogen worden sind. Sie müsste sich mit dieser Gesellschaftsordnung anlegen und vor allen Dingen mit der aufgeklärten Staatskunst, die uns ja in diese Lage überhaupt erst gebracht hat. Und sie müsste aufhören, die betrügerische Sprache des Verzichts zu sprechen, von dem jeder weiss, dass es die Sprache derer ist, die sich diesen Verzicht leisten können; ja von ihm profitieren.

Die Rettung ist nicht davon zu erwarten, dass die arbeitenden Klassen auf irgendetwas verzichten, sondern davon, dass sie die Welt in Besitz nehmen. Wir reden nicht vom 9-Euro-Ticket, wir reden von der sozialen Revolution. Wir reden nicht von einem Sozialismus, den sich die besseren Kreise als eine Diktatur über die Bedürfnisse vorstellen; wir reden von der Befreiung der arbeitenden Klassen. Weiterlesen

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Die Krise der Klimabewegung

Heft #19 ist da

Nun denn, droogs, das neue Heft ist da und ist bereits im Versand. In gewohnter Optik und mit den Themen, die man erwarten kann: feministischer Selbstschutz, Klimabewegung, Theorie und Praxis, russländische Gesellschaft im Krieg, soziale Revolution und die Arbeitszeitrechnung. Alles wichtig und unabgingbar, wichtig und unabgingbar wie „the old Ludvig van“, droogs.

Bestellungen, Rückmeldungen und finanzielle Zuwendungen an die bereits bekannten toten Briefkästen

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Heft #19 ist da

Würzburg, 23.02. in der Kellerperle

Die Weltcommune. Übergänge in eine klassenlose Gesellschaft, 18:30

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Würzburg, 23.02. in der Kellerperle

Solidarität mit der besetzten Fabrik Bio.Me in Thessaloníki

Das hier kam grad rein:

Solidarität mit der besetzten Fabrik Bio.Me in Thessaloníki
Aufruf des AKU – Wiesbaden und der Bio.Me – Kolleg*innen vom Februar 2023

Erneut müssen wir euch leider mitteilen, dass die seit 2011 besetzte und seit 2013 selbstverwaltet produzierende Seifenfabrik Bio.Me in Thessaloníki in höchster Gefahr ist. Justiz und Kapital haben das Grundstück, auf dem sich die Fabrik befindet, klammheimlich an eine Investmentfondsgesellschaft verkauft.
Wir, die Bio.Me – Arbeiter*innen, erklären, dass wir weiter in der Fabrik produzieren werden, auch wenn Staat und Kapital uns die Sondereinsatzkräfte der Polizei auf den Hals hetzen. Wir werden uns einer Räumung widersetzen. Weil dieser Ort unser Leben ist und weil wir diesen Ort auch euch verdanken. Das sind wir den zehntausenden solidarischen Menschen schuldig, mit denen wir im Laufe der Jahre zusammengekommen sind. Weil ihr in unsere Fabrik gekommen seid. Weil ihr unsere Arbeit durch den Erwerb der Bio.Me – Produkte gewürdigt habt. Weil ihr in Demonstrationen an unserer Seite wart. Weil ihr Konzerte und Feste in der besetzten Fabrik gefeiert habt. Weil ihr Schulter an Schulter mit uns den Einsatzkräften der Polizei gegenüber gestanden habt.
Die einzige Fabrik in Griechenland, die ohne Chef*in arbeitet; die einzige Fabrik, in der alle gleich bezahlt werden; die einzige Fabrik, die von Kapitalist*innen befreit und der Gesellschaft zurückgegeben wurde, ist akut in Gefahr. Und die Einzigen, die helfen können, seid ihr. In den vergangenen 10 Jahren Selbstverwaltung haben wir den Kampf gegen alle möglichen Gegner aufgenommen. Wir wurden von den Sondereinheiten der Polizei angegriffen. Das Öffentliche Elektrizitätsunternehmen DEI hat die Stromversorgung gekappt. Die Justiz betreibt die Zwangsversteigerung unserer Fabrik. Doch wir haben Widerstand geleistet und den Angriffen widerstanden. Das werden wir auch jetzt tun. Doch egal wie entschlossen wir sind, unsere wahre Stärke seid ihr, die diese Zeilen lesen. Wir haben nur wenig Zeit, ihr Vorhaben zu blockieren. Und das werden wir tun. Jede Aktion zählt: Jede Diskussion über Bio.Me, jedes Plakat, jeder Slogan an der Wand, jeder Autokorso, jedes Solikonzert, jeder Protestzug, jede kleine oder große Versammlung in Griechenland und Europa. Jeder Beitrag in den Medien. Jede Solidaritätsadresse von gewerkschaftlichen Strukturen und jede Unterschrift. All diese Aktionen führen zu einem großen Fluss von Menschen, die auf die Straße gehen und protestieren. Die Gesetze des Kapitals sind mächtig. Entschlossene Menschen können diese Gesetze aushebeln.
Solidarität mit Bio.Me!

Und vielleicht noch den Werbeblock dazu:

AKU – Wiesbaden und das Café Klatsch Kollektiv vertreiben Produkte von Bio.Me:

Soli – Seifen zu 3,- Euro,
Bio.Me – T-Shirts, s, m, l, xl, xxl, zu 13,-
Spülmittel, 500 ml zu 3,50

Im Café Klatsch an der Theke, jeden Dienstag im AKU, Rüdesheimer Str.19, 20 Uhr

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Solidarität mit der besetzten Fabrik Bio.Me in Thessaloníki

Aus gegebenem Anlass

Weil es in den Wochen vor der nürnberger Diskussionsveranstaltung grad die Runde macht. Wer sich fragt, was Jörg Finkenberger über bisexuelle Männer wirklich gesagt hat, findet es hier.

Das erzeugte oft eine seltsame Assymetrie: die Bisexuellen waren öfter die, die eher an grossartigen Ideen hingen als die Schwulen. Das kommt, weil es für uns ein Abenteuer war, für die Schwulen ihr normales Leben. Das gab unseren Vorstellungen von dem, was wir da taten, zweierlei: erstens einen gewissen Überschwang, aber andererseits auch eine Realitätsferne. Uns nervte auch der Mief, den es in der schwulen Szene gab; wir redeten uns auch leicht, wir waren im Grunde nicht auf sie angewiesen. Umgekehrt betrachtete man uns Gestaltwandler mit völlig berechtigtem Misstrauen; wir konnten, und die meisten würden auch irgendwann, ein normales Leben führen, da lassen sich leicht grosse Reden schwingen.

Und so weiter. Also mit anderen Worten: übelste Hetze.

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Aus gegebenem Anlass

Der ca ira-Verlag bittet um Ihre Mithilfe

Wir geben das hier einmal weiter:

Als hätten uns die allgemeinen Entwicklungen innerhalb der sogenannten Verlags- und Buchbranche im vergangenen Jahr – Umsatzeinbrüche von bis zu 50% im Buchhandel seit dem Februar 2022, bei gleichzeitigem enormen Anstieg der Druck- und Produktionskosten von mindestens 30% in Folge der gestiegenen Papier- und Energiekosten und das alles zusätzlich zur allgemeinen Inflation – finanziell nicht schon genug zugesetzt, erreichte uns im November dann die Schreckensmeldung, die die Bilanz eines schlechten Jahres vollends desaströs werden ließ: Unsere Auslieferung, die sozialistische Verlagsauslieferung GmbH (sova), die als Zwischenhändler die Bestellung der Geschäftskunden besorgt und für die Präsenz im regulären Buchhandel unabdingbar ist, musste überraschenderweise Insolvenz anmelden.

Zu allem Überfluss betrifft die Zahlungsunfähigkeit der sova nun ausgerechnet das Herbstgeschäft 2022, also genau jene Monate, die zu unseren umsatzstärksten gehörten, weil wir mit Das Kapital, sans phrase Nr. 20, Lichtlein für die Toten und Mit Marx gleich vier Neuerscheinungen auf einen Schlag hatten, die zudem auch im Buchhandel erstaunlich gut nachgefragt waren und für uns das Ruder in einem umsatzschwachen Jahr noch einmal herumreißen hätten können.

Was ihr tun könnt, um uns zu helfen:

1) Spenden auf unser Postbankkonto
Jeder Betrag, wirklich jeder, hilft uns, seien es zwei-, drei-, vier- oder gar fünfstellige Summen. Sie sind uns alle recht!

Inhaber: Institut für Sozialkritik Freiburg (ISF) e.V.
IBAN: DE94 6601 0075 0226 0457 56
BIC: PBNK DEFF
Verwendungszweck: »Spende, Vor- und Nachname«

2) Anpassung oder Erhöhung des Mitgliedsbetrags
Ihr steht mittlerweile in Lohn und Brot und könnt ein paar Euro mehr im Monat entbehren? Erhöht euren Dauerauftrag vom reduzierten Mindestbeitrag von 15 € für Schüler, Studenten und Erwerbslose auf den regulären Beitrag von 20€ für Erwerbstätige, 30€ für Fördermitglieder oder einen höheren Betrag eurer Wahl.

3) Neuwerbung von Vereinsmitgliedern
Ihr kennt Leute im Freundes- und Bekanntenkreis, die sich zwar für unsere Arbeit interessieren, aber noch kein Mitglied sind oder ihre Mitgliedschaft pausieren mussten? Sprecht sie an und erinnert sie an die Möglichkeit der Mitgliedschaft. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, um Mitglied im Institut für Sozialkritik zu werden.

4) Buchbestellungen über unseren Webshop
Helft uns, die Zahlungseinbußen aus dem Buchhandel abzufedern und bestellt als Privatkunden fleißig Bücher von unserer Backlist über unseren Webshop. Privatkunden werden so zügig wie gewohnt von unserem Büro in Freiburg bedient.

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Der ca ira-Verlag bittet um Ihre Mithilfe

Das Grosse Thier bittet um Mithilfe

Liebe zukünftige Thier-Autorinnen und -en,

wie ihr alle wisst, findet Mitte des Monats der Kongress der Strömung „Revolutionärer Bruch“ statt. Wir wollen totgeschlagen sein, wenn wir wissen, was das überhaupt ist, ausser dass es sich um einen momentan heiss gehandelten Auswuchs des studentischen Sektenwesens handelt. Und hier wird es für uns auf einmal interessant.

Die niedere, aber notwendige Kunst der Satire ist in der Linken in Verfall geraten. Dem kann und muss abgeholfen werden. Und der Kongress und seine Vorbereitung versprechen Premium-Content. Eine Debatte unter Pseudo-Linken, in der Sätze fallen wie dieser, ist Gold wert:

Die wesentliche Differenz, die zwischen uns und den Autor*innen des Aufrufs steht, ist unsere Ab­lehnung eines traditionellen Verständnisses der Linken, das diese im wesentlichen als revolutio­när-antikapitalistisch interpretiert und bruchlos an die Traditionen der Arbeiter*innenbewegung anschließt. Auch wir verstehen uns als revolutio­när und antikapitalistisch und setzten uns auch in die Tradition der Arbeiter*innenbe­wegung.

Das waren die Leute, die gegen unsern Vortrag in Leipzig aufgetreten sind. Kein Wunder:

Wir halten die Arbeiter*innenklasse für eine marginalisierte Gruppe unter anderen, der kein besonderer Vor­rang zukommt. Wie für jede marginalisierte Gruppe ergeben sich auch für die Arbeiter*in­nenklasse spezifische Strategien der politischen Arbeit, aus denen sich verschiedene Forderun­gen radikaler gesellschaftlicher Veränderung ab­leiten lassen. Aus den Konflikten der Arbeiter*in­nenklasse allein lässt sich beispielsweise die Überwindung des Hetero-monogamen-Komple­xes aber nicht denken. Diese Forderung ent­springt anderen gesellschaftlichen Konflikten, die sich zwar mit dem Klassenkampf über­schneiden, mit diesem aber weder identisch sind noch sich aus diesem ableiten lassen.

Übersetzt heisst das: was wir machen, hat zwar mit dem Klassenkampf nichts zu tun, aber wir werden trotzdem so tun als ob („überschneiden“); weil wir das Prestige der Unterdrückten brauchen. Was für decouvrierende Ausführungen muss nicht ein Kongress von mehreren rivalisierenden Gruppen dieser Art bieten! Und das alles in der verschwurbeltsten Sprache, die man sich nur wünschen kann. Man sollte es transkribieren und szenisch aufführen.

Es kann eigentlich nur grossartig werden. Anmeldung zum Kongress hier, Zuschriften zum Abdruck an die bekannten toten Briefkästen.

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Das Grosse Thier bittet um Mithilfe

31.1. Nürnberg Diskussion: Genderdebatte

Weil die Ankündigung noch nirgendwo verlinkbar zu finden ist, hier auf altmodisch analoge Weise:

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für 31.1. Nürnberg Diskussion: Genderdebatte

Die „Pseudo-Linke“ in Leipzig (1)

Ob sich die Aufregung um die Vorgänge vom 11.12. in Leipzig mittlerweile etwas gelegt hat, wissen wir nicht und glauben es auch nicht; der Tag hat das Potential, die Linke noch eine ganze Weile zu beschäftigen, und wir gehen nach dem bisherigen Stand davon aus, dass die Linke den Schuss diesmal gehört hat. Die Zustände, die wir beschreiben, bedrohen die freie Erörterung unsrer Angelegenheiten, das heisst sie bedrohen die Linke an ihrer Wurzel. Und die Linke hat, wie uns scheint, die Lage erkannt und wird beginnen, sich zu verteidigen.

Einstweilen reichen wir für die, dies noch nicht gefunden haben, ein paar Sachen nach: erstens den Mitschnitt des Vortrags und der Diskussionsbeiträge (nachgesprochen).

Zweitens ein den Tag vorher erschienenes Gespräch über dasselbe Thema beim Podcast Nordwestpassage.

Drittens den Bericht der Veranstalter über die Angriffe auf das Publikum.

Viertens ein Bericht im Kulturteil der Welt über die Vorgänge, der gut recherchiert ist, aber dem man die Agenda anmerkt, nach der er gearbeitet ist.

Für die vielen Zuschriften danken wir. Die Solidarität wissen wir zu schätzen, und die Angebote zur Diskussion werden wir nicht ausschlagen. Es geht hier aber gar nicht um uns und unser wertes Empfinden, sondern um die Geschäfte der Linken; und die Diskussion erledigen wir lieber in der Öffentlichkeit statt im kleinen Kreis unter alten Feinden. Man kann den Vortrag buchen; man kann sogar zu dem Referenten noch einen anderen Standpunkt auf die Bühne setzen, zum Beispiel seinen eignen. Was das erforderliche Sicherheitskonzept betrifft, wissen wir seit Leipzig etwas, was wir vorher nicht wussten.

Die Wahrscheinlichkeit von tätlichen Angriffen, vor allem gegen Frauen, ist hoch. Man soll das nicht als Grund zum Wegducken nehmen, sondern damit offensiv umgehen: man muss die Lage auf der Strasse geregelt kriegen, aus eignen Kräften oder mit der Hilfe der Behörden, uns ist das egal. Letztlich werden diesen Leuten ihre Grenzen gezeigt werden müssen, eher wird es nicht anders.

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Die „Pseudo-Linke“ in Leipzig (1)