19.1. Dresden: Erinnern heißt kämpfen

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Jedes Jahr am 19 Januar gehen Tausende von Menschen in Moskau, in anderen Städten Russlands und vieler anderer Länder auf die Straßen, um an von Neonazis ermordeten Anastasia Baburowa und Stanislaw Markelow zu gedenken. Die Journalistin und der Rechtsanwalt wurden 2009 auf offener Straßen erschossen. Unter dem starken Druck der Öffentlichkeit gelingt es, die Strafverfolgungsorgane dazu zu zwingen, sich der Sache anzunehmen und sie vor Gericht zu bringen. Der spektakuläre Gerichtsprozess, der die Kampforganisation Russischer Nationalisten (BORN) und ihr mörderisches Wirken aufdeckte, endete erst im Sommer 2015. Die Ermordung von Markelow und Baburowa war nicht die letzte Straftat, die von der BORN begangen wurde.

Aus dem Zeitschriftprojekt „Russkij Obras“, das rechte Fußballhools mit rechten Intellektuellen zusammenbringen sollte, entstand irgendwann 2004 die Idee, der legalistischen rechten Bewegung eine Art Kampforhanisation nach dem Vorbild der IRA zu schaffen. Die Gründung einer neuen rechten Partei scheiterte und so beschloss man, sich der Herrschaft auf eine andere Weise anzudienen. Ausschlaggebend waren dafür wohl noch zwei Gerüchte: Erstens, dass die Linke eine „Neue-Linke“-Partei gründen wolle, die Politik für Migranten, Schwule und andere Minderwertige machen würde, dann gehe Russland bekanntlich vor die Hunde. Zweitens, dass es einen expliziten Auftrag seitens des Kremls gäbe, den jemand ausführen müsste. Der Chefideologe Ilja Gorjatschew wittert seine Chance, in die große Politik einzutreten; der fürs „Technische“ zuständige Nikita Tichonow, der wegen Mord an einem Antifaschisten in der Ukraine untergetaucht ist, spekuliert auf Dankbarkeit und Amnestie seitens der russischen Justiz.

Mit zehn Morden ist die BORN längst nicht die größte und nicht die blutrünstigste Nazibande. Davor und danach gab es in dieser Hinsicht Schlimmeres. Zu der für Nazis üblichen Verachtung für das individuelle Leben, das sie bekanntlich immer gerne für die Verteidigung der Gattung anständiger Warehüter und Staatssubjekte (das jeweils Folkloristische ist dieser Gattung immer äußerlich, alle Morde und Branschatzungen geschehen freilich immer ausschließlich aus Notwehr), kommt noch etwas hinzu. Die BORN waren keine üblichen „Sanitäter“ der als Dschungel halluzinierten kapitalen Gesellschaft. Sie waren auch keine typischen „Nationalrevolutionäre“. Von Anfang an wollten sie in die große Politik, sie waren biedere Opportunisten. Ihre Opfer suchten sie nach Bekanntheitsgrad und vermeintlicher Gefährlichkeit fürs Regime. Nur das eine Mal haben sie sich verspekuliert: ihre Forderung, vom Kreml endlich ernst genommen zu werden, wollten sie mit der Rache an Strafrichter Tschuwaschow bekräftigen, der davor einige Mitglieder der Neonazi-Bande „Weiße Wölfe“ hinter Gitter schickte. Erst dann aber sind all diese Morde an Linken und Migranten auf der Agenda des Oberstes Ermittlerkomitees gelandet.

Es hat länger gedauert und erwischt hat man nicht alle. Der letzte war der Chefideologie Gorjatschew, den Serbien nur unter bürokratischem Krächzen extradierte. Als er 2015 im Gerichtssaal das Urteil „Lebesnlänglich“ hört, wird er ohnmächtig. Angesichts der Zustände in den russischen Hochsicherheitsgefängnissen ist es ein grausames Todesurteil und die „Freude oben“ haben an Gorjatschew kein Interesse. An die mächtigen Schutzherren und Förderer, auf die die verurteilten Nazis während des Prozesses öfters angespielt und anscheinend bis zuletzt gehofft hatten, durften weder Ermittler noch die Öffentlichkeit kommen.

Die Ermordeten vom 19. Januar hatten Ideale und kämpften für sie, beide waren in der libertären Bewegung aktiv. Anastasia schrieb u.a. über den von Behörden geförderten rechten Terror auf den russischen Straßen, Stanislaw war den Mächtigen ein Dorn im Auge, weil er sich u.a. mit Kriegsverbrechen des russischen Militärs während der tschetschenischen Kriege befasst hatte.

Gedacht wird es außerdem aller ermordeter AntifaschistInnen und linker AktivistInnen. Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im März 2018, die eine Verlängerung und weitere Vertiefung der Krise der russischen Gesellschaft; Intensivierung nationalistischer, klerikaler und xenophober Rhetorik, der Behördenwillkür, weitere Kriminalisierung sozialer AktivistInnen und Verschärfung des unmenschlichen Migrationsregimes bedeuten, ist dieses Gedenken ein wichtiges Zeichen der Solidarität gegen Ungerechtigkeit. Noch mehr „höhere Werte“ und „geistige Fesseln“ werden schnurstracks zu noch mehr Blut und Elend führen. „Patriotismus ist eben so eine Sache – ohne Blut und Gemetzel wirkt er viel zu unseriös und ist einfach nur lächerlich“, schrieb Stanislaw Markelow 2008, unmittelbar nach der „kleinen glorreichen“ südossetischen Kampagne des Kremls.

Angebliche „Domestizierung“ der rechten Gewalt, die der russische Staat seit dem Ende der 2000er Jahre betreibt, bedeutet kein Abflauten der Gewalt, sondern nur noch, dass neonazistische Schläger verstärkt in Dienst genommen, weiterhin gegen jeglichen gesellschaftlichen Dissens eingesetzt und weitere Todesopfer fordern werden. Rassistische Gewalt auf Russlands Straßen bleibt weiterhin virulent. „Gegen Rassismus kann es keine ‚linke Politik‘ geben, denn dessen Zentrum ist der politische Souverän“. (Joachim Bruhn)

Über diese und ähnliche Dinge werden wir am 19.1.18 um 19 Uhr in Malobedo, Kamenzer Str. 38 in Dresden diskutieren.

Hier ist der Aufruf von ABC Dresden. C u.

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17.1. Bamberg: Refugee Demonstration

FB-Link

12 Uhr ab Erlenweg 4

Against inhumanity! Stop the camp system! Gegen die Unmenschlichkeit! Stoppt das Lager System! We´re refugees – not prisoners!

Demonstration in Bamberg on 17th January at 12 pm.

We are refugees from different countries, that are all facing the same problems, living in the AEO camp in Bamberg. We were searching for protection and a life in peace. But what we are facing is no life at all. The AEO camp in Bamberg is worse than a prison. This is why we stand up – against the inhumanity and harassment of the Bamberg Lager system. On Wednesday 17th January 2018 we are going out and taking our demands on the streets. Our demand is for a life in dignity. We are calling for all inhabitants of the AEO Bamberg, as well as groups and individuals to join us in solidarity for this peaceful demonstration through the town of Bamberg.

We demand:

1) Many of us are here without any German Ausweis, only the white camp card: We need a German Ausweis and the right to work

2) Schooling is a universal right of every child in the world: Our children need to go to school – and we adults also need to study

3) Many of us are denied the basic financial support that is guaranteeed by the German constitution – even young mothers do not get one cent for baby food. We need a basic financial livelihood

4) We stay here for months, some even 24 months: We need transfers! Shut down the Bamberg AEO-Lager! No Lager nowhere!

5) We need proper medical care

6) The constant harassment and inhuman treatment of us refugees needs to stop (by securities, administration and others)

7) The women need their own spaces of privacy and safety

8) No deportations, Dublin or other

9) Stop racism

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Offenbar muss man in Deutschland Bühnen besetzen, um den Linken folgendes einschenken zu können.

Die deutsche Linke hat gar kein Vertrauen an die Kraft der Arbeiterklasse. Weder in Deutschland noch im Iran. Daher werden ihre Kämpfe, Auseinandersetzungen und Aufstände völlig unterschätzt und die Kalkulationen aus dem kapitalistischen Machtsystem ausgehend untergeordnet. Also die angeblichen Akteure der Weltpolitik seien demnach nur imperialistische Mächte und aufsteigende regionalen Mächte. Dabei fällt die Solidarität mit der Arbeiterklasse im Iran zum Opfer. So wird jeder Aufstand, jeder Streik gleich von diesen angeblichen linken Kräften in Deutschland als angeblicher Agent des Imperialismus diffamiert.

Wäre diese unvergleichliche Anführerin der Arbeitenden heute hier: nämlich Rosa Luxemburg! Sie würde eine flammende Rede halten, wie damals gegen den deutschen Chauvinismus von Bernstein oder von Kautsky. Sie würde unversöhnlich gegen das hier geltende Verständnis von Imperialismus polemisieren: Der Feind meines Feindes sei mein Freund! Das ist kein Marxismus, das ist bürgerlicher Pragmatismus. Das ist kein Antiimperialismus, das ist Antiamerikanismus als Ausdruck des deutschen Nationalismus.

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Frage

Trifft es eigentlich zu, dass Feine Sahne Fischfilet zusammen mit Campino von den Toten Hosen an einer Platte mit Arbeiterliedern arbeiten?

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Grosse Koalition

Kleiner Nachgang zu unseren Überlegungen über den Wahlausgang. Die SPD-Führung hat zwar beschlossen, Koalitionsverhandlungen mit der Union aufzunehmen, aber man sollte nicht allzu fest damit rechnen. Gerade eben hat der erste Landesverband, Sachsen-Anhalt, auf einem Parteitag 52 zu 51 Stimmen dagegengestimmt.

Eine Ablehung durch die Partei würde die Partei entweder auf den Weg der britischen oder der griechischen Schwesterpartei schicken, und wird in ganz Europa die weitestgehenden Folgen haben, sogar in Deutschland.

In other news, unser Mitarbeiter Vince O’Brien hat seine kleine Analyse und Kritik der Lage der Sozialdemokratie nunmehr fertig, wer es eilig hat, kann den über die Redaktionsadresse anfordern.

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Zeitleiste Pegida u.a.

Weil das anscheinend bisher übersehen wurde, hier eine kleine Zeitleiste, die man irgendwann mal aus Interesse zusammenrecherchiert hat. Die meisten Sachen hat man ja in der Hektik immer wieder vergessen. Aber die Ergebnisse lassen doch vielleicht den einen oder anderen Schluss zu, was.

Zeitleiste JPEG

Auf was reagieren die rechten Bewegungen eigentlich? Auf was nicht? Könnte ja evtl. helfen, rauszukriegen, was zum Teufel eigentlich los ist. Das Ding ist nicht sehr übersichtlich, und auch nicht sehr vollständig. Wenns vollständiger wäre, wärs weniger übersichtlich. Wenns übersichtlicher wäre, wärs weniger vollständig. Übersichtlicher als die Realität ist es schon noch. – Bei Gelegenhiet führt man das mal über 2016 und 2017 weiter.

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Dobrindt

Von Peter Schmitt

Zur Abwechslung eine Meldung aus Deutschland. Dass die deutsche Parteienlandschaft jahrelang keine überlebensfähige rechtspopulistische oder -extreme Partei hervorbringen konnte, galt den hiesigen Medien stets als großer Grund zur Freude über die politische Erwachsenheit und Stabilität Deutschlands. Vergessen haben sie dabei wohl F.J. Straußens Ausspruch, dass es in Deutschland rechts von der CSU keine “demokratisch legitimierte” Partei geben dürfe – was selbstverständlich nur bedeutet, dass die CSU sich bei Bedarf so rechts wie nötig aufstellen kann. Enter Alexander Dobrindt, bisher vor allem bekannt durch Maut und Vasallentreue zur deutschen Autoindustrie:

“Der CSU-Politiker sieht den Grund für diesen von ihm beschriebenen Widerspruch in der 68er-Bewegung, deren Ideen als ‘geistige Verlängerung des Sozialismus’ bis heute Wirkung hätten. Aber: ‘Linke Ideologien, sozialdemokratischer Etatismus und grüner Verbotismus hatten ihre Zeit. Der neue Islamismus attackiert Europas Freiheitsidee und Selbstverständnis und darf seine Zeit gar nicht erst bekommen.’ Darum formiere sich eine neue Bürgerlichkeit. ‘Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger.’”

Man wird Dobrindt nicht unterstellen wollen, den Begriff der “Konservativen Revolution” vollkommen unbedarft verwendet zu haben. Auch die Vorstellung einer “geistigen Verlängerung des Sozialismus” die mit “Sozialismus, Ökologismus und [via liberaler Einwanderungsregelung] Islamismus” die “christlich-abendländische Leitkultur” zerstört, ist keine ganz neue. Man kann jetzt wie die linke und liberale Presse Dobrindt vorwerfen, die Wähler für dumm verkaufen zu wollen, sich ein bisschen über diesen abgehängten Provinzpolitiker lustig machen oder gar sein “Argumente” “zerlegen”. Man kann aber auch erkennen, dass hier ein führendes Mitglied einer deutschen Regierungspartei und Bundesminister ganz ungeniert an die deutsche alt-right appelliert – die sich um derlei Argumente bekanntlich keinen Deut schert -, dass sich hier – man fühlt sich ein wenig an Trump erinnert – innerhalb einer vorgeblich seriösen Mitte-Rechts-Partei ein rechtspopulistischer Aufbruch ankündigt. Und dass innerhalb dieser vorgeblich seriösen Mitte-Rechts-Partei die gleichen Wahnvorstellungen eines sich bis in die eigene Schwesterpartei erstreckenden linksgrünversifften Establishments bestehen, die man sonst so gerne an die rechte lunatic fringe abschiebt.

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Iran #8 Ein paar random Twitteradressen

Mit allem, was wir letztesmal über die Manipulationsanfälligkeit von Microblogs gesagt haben, wenns um Sachen geht, die man schlecht verifizieren kann, hier doch einmal ein paar Adressen von Twittern, auf denen ab und zu Dinge stehen, die recht konkret sich lesen und deswegen vielleicht nicht heute, aber sicher in den nächsten Tagen verifizierbar sein können.

twitter.com/fuadhud
twitter.com/KafirFajirFasiq
twitter.com/HeshmatAlavi
twitter.com/saeednoory3
twitter.com/behzadmehrani
twitter.com/Raman_Ghavami

Dort liest man folgendes Update:

#Update160- Workers in #Asaluyeh and South Pars/North Dome Gas-Condensate field started their #cross_country_strike this afternoon at 1pm. Other oil and gas companies‘ workers will also join the strike on Saturday.

Oder der neueste Trend: Baiji verbrennen ihre Mitgliedskarten:

Wenn das wahr ist, dann fängt die Sacher erst richtig an.

Update:
Anscheinend findet man Neuigkeiten mit
https://twitter.com/hashtag/MAKTUB_REPORTS

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Iran #7

Russia Today hat einen erstaunlichen Artikel vom ehemaligen DDR-Spion, nachmaligem „Junge Welt“-Autor und Querfrontaktivisten Rainer Rupp.

Bei den Massenkundgebungen der letzten Tage im Dezember 2017 richteten sich die mitgeführten Plakate und die skandierten Slogans ausschließlich gegen die sozialen Kürzungen und einige andere wirtschaftliche Entwicklungen. Vereinzelt zielten Proteste auch direkt auf Präsident Rohani und dessen Sozialabbau. Derartige Demos der Unterschicht gegen soziale Missstände hat es im Lauf der letzten Jahrzehnte im Iran immer wieder mal gegeben. Neu ist diesmal nur, dass gut organisierte kleine Gruppen mit einer offensichtlich ganz anderen politischen Agenda versucht haben, sich an die Spitze dieser Massendemonstrationen zu setzen und diese für ihre Ziele zu instrumentalisieren.

Mit lautstarkem Skandieren von Slogans gegen das iranische Regierungssystem und gegen Teherans starkes Militärengagement gegen die sunnitischen Terrorgruppen im Irak und in Syrien haben diese kleinen Gruppen versucht, der einheimischen und internationalen Öffentlichkeit den Eindruck einer Massenbewegung vorzutäuschen.

Tatsächlich haben sich bereits in den ersten Januartagen 2018 die zuvor in vielen Städten des Landes stattfindenden Massenproteste gegen den Sozialabbau aufgelöst. Allerdings demonstrieren und randalieren kleine und gut organisierte Gruppen lautstark weiter. Zusammen mit ihren westlichen Helfern fertigen sie seither Bilder und Videos, die den Eindruck vermitteln sollen, dass die Massenproteste – jetzt auch gegen die Außenpolitik – nicht nur weitergehen, sondern auch brutal niedergeschlagen werden. …
Dennoch: Eine Farbrevolution oder ein gewalttätiger Umsturz hat im Iran so gut wie keine Erfolgschancen.

Das werden wir ja dann sehen. Aber gut, dass auch das dritte Lager die Karten auf den Tisch gelegt hat, dann herscht ja erstmal soweit Klarheit, wer wo steht.

Stellt sich nur noch diese eine Frage: was haben diese Bolschewiken immer nur solche Angst vor vom imperialistischen Ausland unterstützten Revolutionen?

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Iran #6

Der linksliberalen Presse, hier am Beispiel des Guardian, ist nichts zu dumm:

The street protests across Iran, which were reportedly petering out on Thursday, have been interpreted over the past week in conflicting and dramatic ways to suit the policy agendas, prejudices and stereotypes of competing forces inside and outside the country.

But as a growing number of senior Iranian officials, including the president, Hassan Rouhani, now admit, the principal driving force behind the unrest is no mystery: it’s the economy, stupid, as James Carville used to say. The problem is less about the rule of the mullahs, more about the price of mutton.

Unter Anwendung welchen dubiosen Spezialwissens lässt sich das aus den Parolen des Aufstands ablesen(„Nieder mit dem Diktator“, „Khamenei, verlasse das Land“, „Rouhani, verlasse das Land“, Prinzipalisten, Reformisten, das Spiel ist aus“)?

Man muss natürlich insoweit sogar der Dummheit Recht geben, dass dies keine bürgerliche Bewegung für ein bürgerliches Regime ist, wie sich das die Trump-Leute vielleicht vorstellen. Sondern das ist eine proletarische Revolution, und wir wollen sehen, wie lange Trump noch so tut, als hätte er höchstpersönlich das vollbracht, bevor er so tun wird, als hätte er damit so wenig zu tun wie sonst nur mit Steve Bannon.

Andere interessante Wendung: die Bewegung ist am Einschlafen. France 24 berichtet:

Anti-government unrest in Iran dies down

Woher hat man denn diese Insiderinformation? Hat man es da nicht ein bisschen zu eilig damit? Wie plausibel soll das überhaupt sein? Wer geht auf die Strassen, begeht Hochverrat, riskiert die Todesstrafe und geht dann, ohne die Entscheidungsschlacht zu provozieren, nach Hause? Hier sieht das ein bisschen anders aus:

„This week or next week, the Mullahs will be overthrown.“

Oder hier:

Oil sector workers in the south of Iran joined the nationwide strike this afternoon. In 1979, the strikes in oil sector were one of the main factors which speeded up the fall of Shah regime.

Es ist nicht einfach, solche Sachen schnell zu verifizieren, unter anderem weil die Qualitätspresse wieder einmal besseres zu tun hat, als solchen Meldungen hinterherzugehen; nämlich blitzgescheiten Blödsinn darüber abzulassen.

Hier findet sich angeblich der Aufruf zum Generalstreik in Übersetzung:

Statement der unabhängigen Arbeiter*innenorganisation über die Proteste der Bevölkerung

Die Bevölkerung, die die Unterdrückung, Repression, hohe Preise, Armut und Arbeitslosigkeit satt hat, ist seit vier Tagen in vielen Städten massiv auf der Straße, um in vereinten Reihen diese höllische Situation zu beenden.

Die zentralen Forderungen, die in diesen Generalprotesten der prekarisierten arbeitenden Bevölkerung des Irans im Mittelpunkt stehen, sind zum Beispiel: Bekämpfung der hohen Preise, der Armut und Arbeitslosigkeit. Dies sind die Forderungen, die seit Jahren von Lehrer*innen, Student*innen und Krankenpfleger*innen und vielen anderen Arbeiter*innen gerufen werden. Das Regime und die Machthaber haben es ignoriert und sie haben weiterhin die Bevölkerung ausgebeutet. Was wir heutzutage auf den verschiedenen Straßen verschiedener Städte beobachten, ist die Explosion der Wut der Arbeiter*innen über Korruption der mächtigen Personen des Regimes und die mit dem Regime verbundenen wirtschaftlichen Institutionen in großen Massen einerseits und anderseits die Armut und die dunkle Seite der Armut von Millionen von Menschen bis zu Arbeitslosigkeit von Millionen von Arbeiter*innen und Jugendlichen, Straßenverkäufer*innen, die mit repressiven Maßnahmen aus den Straßen vertrieben werden, und Lastenträger*innen, die an den Grenzen (in kurdischen Gebieten) ermordet werden. Den Arbeiter*innen werden Löhne aufgezwungen, die sehr weit unter der Armutsgrenze liegen und die lohnabhängigen Arbeiter*innen werden mit Gefängnissen und Peitschenhieben unterdrückt, wenn sie ihre Rechte einfordern und Freiheit verlangen.

Diejenigen, die bis gestern jede Art von Protesten der Arbeiter*innen und der nach Gerechtigkeit suchenden Bevölkerung mit Vorwürfen, wie der Gefährdung der Nationalen Sicherheit, mit Justiz und Gefängnissen unterdrückt haben und jetzt in dieser Situation die ausbrechende Wut von Millionen von Iraner*innen und die gerechtfertigten Proteste als manipulativ bezeichnen, müssen realisieren, dass jetzt eine Zeit gekommen ist, in der es nötig ist, grundlegende (humanitäre) Veränderungen durchzusetzen. Keine Repressionskräfte können den Widerstand der Arbeiter*innen und der Bevölkerung für Gerechtigkeit im Iran stoppen. Was für uns klar ist, was wir mit anderen Arbeiter*innen mitschreien werden, ist, dass die Forderungen für Beendigung der Armut durchgesetzt werden müssen.

Jede Art von Repression, Unterdrückung und Gefängnisse müssen abgeschafft werden.

Alle politischen Gefangenen müssen befreit werden. Die Ausbeuter*innen und diejenigen, die uns unterdrücken, egal in welcher Machtposition sie sind, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Die geraubte Kapital der Bevölkerung muss ihnen zurückgegeben werden. Der Mindestlohn von Arbeiter*innen, im staatlichen und privaten Sektor muss sich verfünffachen. Die Machthaber dürfen keine horrenden Gehälter mehr bekommen. Komplette Gewerkschafts- und Vereinsfreiheit, komplette Meinungs- und Pressefreiheit und Parteifreiheit müssen sofort umgesetzt werden.

Es erklärt sich von selbst, dass jede Art die Forderungen der Arbeiter*innen des Irans durch Manipulationsvorwürfe, Repression oder Sabotage der Proteste seitens der Regierung oder der entmachteten Opposition zu ignorieren, zu nichts führen wird. Diesmal sind wir Arbeiter*innen und Bevölkerung des Irans diejenigen, die sich vereinen und solidarisch die Kontinuität der Proteste organisieren werden.

Verband Freier Iranischen Gewerkschaften
Strom- und Metall Gewerkschaft Kermanshah
Gewerkschaft der Maler/ Provinz Alborz
Verein der Arbeiter*innenrechte

Update: Bei Labournet findet man eine Übersicht mit Artikeln.

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Iran #5 Aufruf

Da es, wie sich zeigt, keine permanenten und zuverlässigen Nachricthenquellen über die Ereignisse im Iran gibt, wird hiermit die Leser/innen/schaft gebeten, soviele Erkenntnisse als nur möglich auf weiterzugeben oder im Netz öffentlich zugänglich zu machen. Wer keine Möglichkeit hat, eigenständig im Netz zu veröffentlichen, kann sich an unsere Redaktionsadresse wenden.

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Neue Medien 101

Weil man ja das letzte Mal 2009 bei der iranischen Revolte in unseren Kreisen angefangen hat, Facebook und Twitter zu lesen, und das damals alles noch etwas einfacher war, verkündet das grosse Thier hiermit:

Das Internet, so es das noch gibt, ist tatsächlich, wie es amtlicherseits auch heisst, „Neuland“.

Insbesondere, wenn die guten Leute jetzt anfangen, auf Twitter und Facebook Aufschluss über „die wirkliche Bewegung“ zu suchen, sollte man auf so etwas hinzuweisen.

Medium.com hat einen Beitrag über Fake News, welche man früher Desinformation nannte, als man noch ahnte, dass das weniger mit Free Speech und mehr mit Totalitarismus zu tun hatte.

In dem Text geht es verblüffend viel um Mathematik, um Mining-Techniken, mit denen man Nachrichtenmanipulationen erkennt, und das alles ist schon sehr verdächtig. Das sind normalerweise die Methoden, mit denen man unserem Verhalten nachsteigt. Und Medium.com ist vom Gründer von Twitter gegründet worden. Alles, wie gesagt, sehr verdächtig.

Es wird auch ein wissenschaftlicher Beitrag verlinkt, wie man mathematisch Desinformation auf Microblogs (Facebook funktioniert doch eigtenlich auch als Microblog, oder) auf die Spur kommt. Man muss von Fach sein, um nicht irgendwann aufzuhören, den Text zu lesen.

Problem ist, dass diese Methoden wahrscheinlich die richtigen sind. Was wahr ist, wissen wir nicht. Was geplant falsch ist, können wir jedenfalls wissen. Die Daten dazu haben wir halt nicht. Sie würden aber dem philologischen Misstrauen, das man Quellenkritik nennt, sehr weiterhelfen.

Anschaulichere Beispiele kann man schon auch geben, aber die sind dann halt so blatant wie „Sarah Abdallah“, angeblich „Independent Lebanese geopolitical commentator“, welcher Commentary dann platteste Putin-Propaganda ist. Trotzdem nicht dumm genug, um nicht unter der B-Prominenz der deutschen radikalen Rechten re-tweeted zu werden.

Ob die das dann glauben, bloss weil ein Foto von einer jungen Frau mit rotem Lippenstift und genug russische Propaganda da steht; oder ob die das glauben, weil das, was da steht, in das Bild ihrer kleinen Welt passt; oder ob sie es gar nicht glauben, aber es ihnen grade passt; oder ob es ihnen schlicht Wurst ist, das will jedenfalls ich gar nicht zu genau wissen.

Das Problem, und deswegen bringen wir das überhaupt auf, ist, dass niemand heute sagen kann, wer auf Twitter ein real Human ist, und wer ein Bot, der dir sagt, was du hören willst, um dich zu benutzen. Das muss man unabhängig verifizieren, und das ist an Tagen, an denen sich die Ereignisse überschlagen, nicht einfach.

Im Gegenteil scheint es das Gesetz zu geben, dass dann, wenn viel geschieht, ohnehin wenig geschrieben wird. Und umgekehrt begann der Kairoer Teil der ägyptischen Revolution bekanntlich im Ernst erst, als der Staat das Internet verlangsamte und die Leute notgedrungen auf die Strasse gehen mussten, um zu sehen, was auf der Strasse denn geschah.

Letzten Endes rettet uns auch nicht die beste Quellenkritik. Entweder ist der Ansturm so krass, dass er den Feind verwirrt und überfordert, oder er wird scheitern. Die Desinformation gehört, wie sie auch gedacht war, zu den ideologischen Staatsapparaten.

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