Von den Erscheinungen dieses Sommers hat mich am meisten die 10. Ausgabe des Feingeistmagazins „Trieb“ vom Dresdener Bischofsweg gefreut. Ich wartete darauf immerhin seit 2014, seit der dünnen 9. Ausgabe. Ernsthaft. Über den Späti, dessen Besitzer seine und seiner Kundschaft literarische Produktion abdruckt und wiederum seiner Kundschaft neben Getränken und Knabberzeugs anbietet, bin ich zufällig 2009 bei den sog. „libertären Tagen“ gestolpert. Ich dachte, ich erwähne das besser als meine „ganz persönliche 9/11-Geschichte“ auszupacken.
Während das letzte Heft (bekannt als „trieb 9“) noch eine Danksagung an das Open-Source-Programm Scribus enthält, wird die neue angeblich vom Dresdner Amt für Kultur und Denkmalschutz gefördert. Auch Peter (von Herrschaftsanbetern, die sich für seine Anbeter halten, manchmal auch Petrus genannt) Hacks seinerzeit wollte die vornehmliche Bestimmung des Künstlers darin sehen, dass dieser seine Brötchen im Polieren der Herrschaftsstiefel verdiene. Der Versuchung ist schwer zu entkommen, ich weiß es.
Überhaupt lassen sich am aktuellen Heft gewisse Professionalisierungstendenzen feststellen. „Trieb“ ist dick und teuer geworden, auch schön. Das Fotoshooting mit der hübschen Asiatin soll vermutlich von der Schäbigkeit der Dresdner Neustadt ablenken oder diese sogar betonen – wer weiß das schon. Ist ja Kunst. Außer „unverständlichen Mitteilungen“ in Prosa- und Gedichtform gibt es eine ausführliche ethnologische Studie zu BesucherInnen des Spätshops. Man leidet zwar an der Ausführlichkeit, kann aber das Heft nicht aus der Hand (eigentlich ist es ein Buch) legen. Es folgen erbauliche Schrottpresse und Dokumentation einer Auseinandersetzung mit dem Ordnungsamt, dem Naturfeind eines/r jeden Stätshop- und KneipenbesitzerIn.
Die KünstlerInnen sind bekanntlich wie kleine Hunde, die als erste am Popo des Weltgeistes erschnüffeln, woher der Wind weht. Und diesem Drang, diesem Trieb können sie sich gewissermaßen nicht widersetzen. So haben das zumindest die führenden Literaturwissenschaftler der Antike Kloppstock und Lukacs formuliert, dieser Satz ist seitdem als das Kloppkacs‘sche Axiom bekannt geworden. Der Wahrheitsgehalt des Axioms sowie der Kunst selbst ist seitdem umstritten. Dennoch sind wir immer aus unverständlichen Gründen bereit, ihnen aufs Neue unser Gehör und Glauben zu schenken.
„Trieb“ ist wie immer auf seine durchtriebene Weise chick. Warum nicht öfter so? Weil das Leben „unregelmäßig“ ist? Ja, klar…
Zu bestellen unter… könnt Ihr gar nicht bestellen!
-spf