Zur Wahl, VI

Es ist frustrierend, in der linken Presse nach irgendwas gescheitem über den Wahlausgang finden zu wollen. Sogar nach etwas dummem muss man lange suchen.

Dazwischen gibt es dann so ein Zeug. Und so ein Zeug. Nichts, was man sich nicht selbst denken kann, und nichts, was nicht auf spiegel.de auch schon steht.

Die linke Presse, gleich welcher Konfession, ist dann, wenn man sie wirklich braucht, fast völlig nutzlos. 10 Jahre seit der grössten Krise das Kapitalismus seit 1929; 10 Jahre, in denen man wissen musste, dass demnächst etwa solche Dinge anstehen. Hat wirklich niemand eine Ahnung, was zum Teufel in dieser Gesellschaft gerade wirklich vor sich geht? Und hat auch niemand wirklich den Wunsch danach?

Die Linke wird an ihren eigenen Untugenden zugrunde gehen. Und der Mangel an Neugier ist sicher nicht die kleinste. Dass ich jetzt z.B. diese Wahl zum Anlass zu solchen Tiraden nehme, ist vielleicht Zufall. Jeder andere Anlass wäre genauso gut.

Überall werden gefälschte Gewissheiten feilgeboten. Überall gibt es eine Nachfrage nach ihnen. Das ist der sichere Weg in den Untergang.

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Kommende Unruhe

von Jörg Finkenberger
Dieser Text ist vor der Bundestagswahl für die Druckausgabe geschrieben, wird jedoch nicht in der Druckausgabe erscheinen.

1. „In Deutschland rumort es“, liest man im neuen Spiegel (36/2017, S. 30), und dann gehts weiter: „Der Bürger ist labil, in ihm brodelt und rumort es“ usw., irgendein Psychologenverein, der auch Marktforschung anbietet, hat die günstige Gelegenheit genutzt, mit wenig Aufwand von sich reden zu machen, indem er eine Analyse verkauft, die jeder Zeitungleser ohne weiteres nachvollziehen kann: „In den Tiefeninterviews (!!! d. Verf.) kam immer nur (!!! d. Verf.): Flüchtlingskrise, Flüchtlingskrise, Flüchtlingskrise. Was im Wahlkampf so galant ausgespart wird“ etc.; „Deutschland wird wie ein Vexierbild beschrieben: entweder als marodes, verwahrlostes Land oder als sichere Insel des Wohlstands in einem Meer aus Risiken“; dennoch oder gerade deswegen wird Merkel „klar gewinnen, aber es ist trotzdem eher ein halbherziges Bekenntnis“ und was dergleichen mehr ist.

Das sind alles Nullaussagen, dazu hätte man nicht willkürlich ausgewählte 50 Leute monatelang tiefenbefragen müssen, sondern praktisch in jedem Erzeugnis der Qualitätspresse steht genau das selbe; und dazu war es da. Eine unbezahlte Werbeanzeige einer Firma, die Marktforschung betreibt. Der Rest, unverbindliche Sprüche über die schwer einschätzbare Weltlage, und irgendso Psychogeschwätz über Vaterfiguren in der Politik. Alles, was mir ohne weiteres als ein Geschwätz erscheint, das man tausendmal gehört hat, in praktisch allen Zeitungen, aber auch in Einschätzungen von mehr oder weniger linken oder aufgeweckten Zeitgenoss/inn/en, und wo man sich nicht wundern würde, es in der jungle world oder konkret zu lesen: allgemein verständlich, und grundfalsch.

2. Interessieren sich wirklich alle Leute so brennend für diese sogenannte Flüchtlingskrise? Halten das so viele Leute für eine unmittelbare Bedrohung? Oder auch für eine mittelbare, etwa: dass das alles die Nazis stärker macht und das Land destabilisiert? Leute, die so denken, kennt man ja auch. Abgesehen davon, dass das stockdumm ist, woher nimmt man denn die Gewissheit, dass alle Leute sich über nichts anderes noch mehr aufregen als über die paar tausend Syrer im Land? Woher die Gewissheit, anders gefragt, dass nicht auch ganz andere Sachen „rumoren“ können?

Ich würde raten: ein grosser Teil der arbeitenden Schichten dieses Landes hält seit einigen Jahren ganz andere Dinge für bedrohlich als die „Flüchtlingskrise“, und mit gutem Grund. Worauf beruht denn die ganze paradoxe Situation in diesem Land, das in der Tat auf der einen Seite wie eine fast unwirkliche Insel der Stabilität aussieht, aber paradoxerweise auf der anderen Seite wie ein maroder Schrotthaufen? Auf der Kombination von stetig hereinfliessenden Weltmarkterlösen auf der anderen Seite, und dem Preis, der langfristig dafür gezahlt wird, auf der anderen Seite: Lohnstagnation, Weltmarktabhängigkeit, systematische Unterinvestition. Der ganze Haufen hält solange zusammen, wie dieser Preis auch wirklich etwas erkauft.

Die fast beispiellose Ruhe an der verteilungspolitischen Klassenfront (eine andere ist im Moment nicht sichtbar) ist dadurch erkauft, dass die arbeitenden Klassen darauf vertrauen konnten, dass die Steuerleute des Staats und der Industrie aussenwirtschaftliche Überschüsse auch zu organisieren im Stande sind. Und genau hier könnte der Wurm sein. Dieser Gesellschaft ist in den letzten Jahren langsam, aber immer deutlicher vorgeführt worden, dass die Überschüsse des Exports auf systematischem Betrug beruhen, und das das Spiel aufgeflogen ist; dass Politik und Industrie jahrelang wissentlich in eine Sackgasse gesteuert sind, deren Ende das Ende der deutschen Exportüberschüsse sein könnte. Dass also für das Gefühl, man sei systematisch belogen worden und der ganze sogenannte soziale Frieden beruhe auf einer Illusion, eine ganz andere Realität haben könnte als fixe Ideen, wie: die Regierung unterdrücke ausgerechnet Berichte über Ausländerkriminalität.

3. Das heisst aber, es gibt einen potentiellen Unruhefaktor im Land, der nicht identisch ist mit irgendeinem der organisierten „Strömungen“, mit denen es der Staat und seine Sicherheitsagenturen zu tun haben, als da wären die „Rechten“, die ein Zehntel der Gesellschaft (nicht: der Wähler) fest hinter sich haben, die „Linken“, für die das vielleicht auch gilt, und sonstige eher marginale Gruppen, die wir vielleicht einfach zu den „Rechten“ zählen sollten. Und zwar ist dieser Unruhefaktor um Grössenordnungen grösser als eins von diesen. Und praktisch niemand hat ihn auf dem Schirm.

Der Staat z.B. nimmt „Hamburg“ zum Anlass, die Gesetze zu verschärfen, die Polizeieinsätze zu militarisieren, dem Innenminister kommt beim Besuch einer Stasi-Gedenkstätte anscheinend die Idee, man müsse effizientere Geheimkarteien anlegen; aber auf welchen Gegner sind solche Massnahmen denn zugeschnitten? Nicht einmal, man ahnt es, wirklich auf die Leute, die unter „Hamburg“ verstanden werden. Nicht einmal diese wären mit irgendeiner der Massnahmen, die einer Republik möglich sind, auf Dauer ganz von ihrem recht kleinen Tätigkeitsgebiet abgehalten werden können. Die Idee, sich auf diese kleine Szene zu konzentrieren, sie durch Überwachung und abschreckende Urteile einzuschüchtern und zu gängeln, und damit gesellschaftliche Kontrolle aufrechtzuerhalten, ist einer Stasi-Gedenkstätte in der Tat würdig; sie erinnert sogar an die letzten Jahre Honeckers.

Dass „Hamburg“ plötzlich in ganz anderen Begriffen verhandelt wird als die viel bedeutenderen Randale nach Fussballspielen, liegt kaum an „Hamburg“. Dafür ist eigentlich zuwenig passiert, was nicht auch bei Fussballspielen passiert. Der Staat legt aber gerade den Massstab höher: es soll jetzt nicht einfach ein Sicherheits- und Polizeiproblem sein, sondern ein gesellschaftliches; aber dieses soll, und das ist das irre, mit polizeilichen Mitteln angegangen werden. Der Staat und sein Personal stellt sich gesellschaftliche Unruhen als Konflikt fester Strukturen und Akteure vor, deren Kräfteverhältnis bestimmt, wie es ausgeht. Er hält anscheinend auf bizarre Weise die linke Szene für ein handelndes Subjekt, statt für ein Symptom einer gesellschaftlichen Erschütterung; er verwechselt die sich kräuselnde Schaumkrone auf der Welle mit der elementarischen Wucht der Welle selbt. Die Linke, in all ihrer anzunehmenden Dummheit, kennt diesen Unterschied wahrscheinlich besser. Man weiss das, weil sie praktisch nie Anstalten macht, sich selbst als ein handelndes Subjekt zu betrachten.

4. Es wäre nicht prinzipiell unmöglich, ein gesellschaftliches Problem als Sicherheitsproblem darzustellen und zu lösen, wenn es z.B. gelänge, gleichzeitig die Linke in die Zange zu nehmen und eine Lösung für das gesellschaftliche Problem anzubieten. Dann wäre es möglich, eine Neuformierung der kapitalistischen Gesellschaft zu organisieren und den Kampf gegen die radikalen Linke als dessen Notwendige Bedingung hinzustellen, und sie der Gesellschaft auch als Ersatz-Hassobjekt anzubieten. Diese Methode, richtig angewandt, funktioniert unfehlbar, aber nur, wenn sich eine solche Lösung abzeichnet und die Linke irgendwie als Hindernis agiert. Und eine solche Konstellation ist schon denkbar.

Nehmen wir den Revolutionsexperten der heutigen deutschen Konterrevolution, Jürgen Elsässer, den Ex-Kommunisten und heutigen Nationalen. Lange ist ihm zu Auto-Situation nichts gescheites eingefallen; sogar er kann kaum lange durchhalten, das sei Folge eines Handelskrieges der USA gegen Deutschland, denn erstens hat er doch die US-Wahlen jetzt gewonnen, zweitens ist die Sache einfach zu durchsichtig. Jetzt auf einmal dämmert ihm eine Gegenstrategie.

Oppositionelle Betriebsräte bei Daimler-Benz haben die Initiative ergriffen, dem industriefeindlichen Anti-Diesel-Wahnsinn mit einer Großveranstaltung entgegenzutreten – im schwäbischen Herzland der deutschen Autobauer: Am 10. September sprechen der Arbeitnehmervertreter Oliver Hilburger, COMPACT-Chefredakteur Jürgen Elsässer und der AfD-Bundestagskandidat Dirk Spaniel in Ludwigsburg (bei Stuttgart) zum Thema „Rettet unsere Arbeitsplätze – Warum Automobilarbeiter und Autofahrer am 24. September nicht die Autokillerparteien von CDU über SPD und Grüne bis hin zu den Linken wählen können“. Beginn 15 Uhr.

Oliver Hilburger, Ex-Bassist der Nazi-Band „Noie Werte“, der von seinem Arbeitgeber angehalten werden musste, sich öffentlich vom NSU zu distanzieren, ist übrigens zum Betriebsrat gewählt auf der Liste der „Christlichen Gewerkschaft Metall“ CGM, einer arbeitgeberabhängigen Pseudo-Gewerkschaft.

Industriefeindlicher Autowahnsinn, oder wie die konservative Presse es nennt: Deindustrialisierung Deutschlands, damit ist die späte Einsicht von Politik und Industrie gemeint, dass Deutschlands Abhängigkeit vom Export von Verbrennungsmotoren eine Sackgasse sind, die Deutschlands Macht auf den Weltmärkten gefährdet. Es ist auf marktwirtschaftlichem Wege alles andere als garantiert, dass die deutsche Industrie die Verluste beim Auto in anderen Sektoren, bei der Elektromobilität oder irgendetwas, was mit dem asiatischen Markt zusammenpasst, wieder gutmachen kann. Es ist aber sehr wohl garantiert, dass anderenfalls hier so ziemlich alles zusammenbricht.

China und die USA, bevorzugte Exportmärkte, sind beim Elektroauto uneinholbar führend. Ein anderes Massengut, das derartige Massen Wertsubstanz (d.h. Macht über anderer Leute Arbeit) ins Land schaufelt, lässt sich nicht schnell denken. Vor allem eins, das gleichzeitig beim weiteren sogenannten „Strukturwandel“, dem Wandel der Lebens- und Arbeitsbedingungen unter dem späten Kapitalismus, nicht nur einfach eine Ware, sondern Ermöglichungsbedinung dieser Lebensweise und Taktgeber des öffentlichen Lebens ist; d.h. die Nachfrage nach Autos ist Teil der Ursache, und Teil der Folge der neueren Industrie. Dieses mörderische und unsinnige Gerät ist nur unter dieser Ordnung der Dinge unabdingbar, oder überhaupt verständlich. Das sind bekanntlich alles Eckpunkte einer Kritik des Automobilismus.

Es ist also rational, die deutsche Industrieproduktion zeitig zu konvertieren. Wie kommt man darauf, das sei ein neuer Anschlag des Merkel-Regimes, das, nachdem es die Deutschen mit Chemtrails sterilisiert und durch syrische Einwanderer ersetzt, ihnen obendrauf noch die Industrie wegnimmt, und zwar im Bunde mit den Gründen, den Globalisten, und vermutlich auch der Muslimbruderschaft?
Das ist vollkommen wahnsinnig, aber hat Gründe. Denn die neue Formierung des nationalen Kapitals bedarf dringend einer nationalen Anstrengung und Mobilisierung, der Verschweissung völlig konträrer Gruppen für einen neuen Anlauf, der Zurückstellung von Sonderinteressen zugunsten des grossen Ganzen. Sie bedarf also, mit einem Wort, sowohl der industriepolitischen Strategie, als auch des völkischen Dröhnens; die unausbleiblichen Verluste, auf denen die arbeitenden Klassen sitzenbleiben werden, müssen in Hass gegen den Gegner im Handelskrieg umgesetzt werden.

5. Wie würde so etwas aussehen? Kein Umsteuern kann verhindern, dass die Krise des Automobilsektors in den nächsten 5 Jahren zu Kurzarbeit, Betriebsschliessungen, Lohnsenkungen führen wird. Als Gründe wird immer zu hören sein: Absatzrückgänge, wegen der Dieselgeschichte, wegen des Elektroautos in China, wegen der zurückgehenden Nachfrage in den USA. Alles, wie heute allgemein bekannt, Schuld des Managements und der Industriepolitik; alle diese Kürzungs- und Streichungsmassnahmen rächen den enttäuschten Glauben der deutschen Arbeiter an die Geschäftsgrundlage ihres postnazistischen Volksgemeinschaftsstaates.

Deren Ideologie wird im Abwärtszyklus nicht unbedingt zusammenhaltend und produktivitätsfördernd wirken, sondern zu einem bestimmten Teil genau im Gegenteil. Es ist überhaupt nicht schwer, sich massive Gegenwehr vorzustellen. Leute, die gewohnt sind, als den Staat tragende Mitte der Gesellschaft zu gelten, werden mit den kleinlichen Schikanen der Polizei auf ganz andere Weise umgehen als die Politikstudenden, aus denen die Vereine der radikalen Linken überall bestehen.
Wir haben mögliche Szenarien dieser Krise bisher oft unter dem Aspekt der Betriebsbesetzung diskutiert. Diese ist, als direkte massive Konfrontation mit Staat und Eigentümer, an sich eine recht klare Form des Klassenkampfes. Sie setzt innere Demokratie, überregionale Vernetzung und Solidarität sowie eine entwickelte Kritik des Gebrauchswerts ein, d.h. eine Konversion der Produktion. Sie bietet einen Hebel der Radikalisierung und gehört zu dem denkbaren, unverzichtbaren Wegen in den Kommunismus, auf den zu verzichten niemand sich leisten kann.

Man sollte sich nun vergegenwärtigen, dass der Chefideologe des Feindes, der erwähnte Spezialist Elsässer, seinen Weg vom antideutschen Linken zum Nationalen begonnen hat mit, unter anderem, dem Versuch, eine sogenannte „Volksinitiative“ aufzubauen. Von der Gründungsversammlung wird berichtet:

„Die moderne deutsche Autoindustrie etwa hat es nicht verdient, durch US-Heuschrecken ruiniert zu werden“, so Elsässer … Er rät den deutschen Arbeitern zu Betriebsbesetzungen zusammen mit den ebenfalls gefährdeten Unternehmern.

Damals betrachete man die Lage der deutschen Autoindustrie unter dem Aspekt von Schliessung und Streik bei Opel in Bochum, eines defensiven Streiks gegen eine Standortverlagerung.

Ausführlicher wird Elsässer in einer Replik auf Berhard Schmid:

Konkret: Wenn GM bankrott geht, wird Opel auch geschlossen werden – es sei denn, die Arbeiter in Rüsselsheim und Bochum usw. besetzen ihre Werke. Sie werden den Kampf um den Erhalt ihrer Werke hierzulande aber vermutlich nicht gewinnen können, wenn sie gleich aufs sozialistische Ganze gehen und die Überführung der Betriebe „in Arbeiterhand“ fordern. Denn: General Motors hat internationale Verträge und internationales Recht auf seiner Seite, wenn es die deutschen Standorte als Konkursmasse behandelt. Sie dort herauszulösen, erfordert einen Rechtsbruch. Das ist natürlich absolut notwendig – aber könnt Ihr Euch das Geschrei aus den USA und von der US-hörigen Presse hierzulande vorstellen, wenn in Rüsselsheim und Bochum „a la Chavez“ US-Vermögen beschlagnahmt wird?
Das wird ein brutaler Machtkampf, quer durch das ganze Land. Gewonnen werden kann er nur, wenn die Arbeiter eine breite gesellschaftliche Mehrheit für den Erhalt ihrer Werke hinter sich haben, trotz der gegenteiligen Rechtslage. Diese Mehrheit wird nicht mit Maximalforderungen gewonnen werden können. Eher wird das möglich sein, wenn die Kollegen ganz schlicht die Abspaltung von GM und die Neu-Gründung der Adam Opel AG fordern, also einer Firma nach deutschem Recht mit sowohl privater wie staatlicher Kapitalbeteiligung – und einer „goldenen Aktie“ für Gewerkschaft und Betriebsrat. Ist Euch das zuviel Klassenkompromiß? Aber ich gebe zu bedenken: Wir Linken dürfen nicht immer nur Recht haben – wir müssen auch mal Recht bekommen.

Das schreibt, muss man sagen, ein damals noch Linker, der 1994 folgendes geschrieben hatte: „Jede Nation ist nichts anderes als der gelungene Versuch unterschiedlicher Menschen einer Region, über die ursprüngliche Akkumulation von Kapital eine gemeinsame Ökonomie herzustellen.“ (Sieber u.a., Deutsche Demokraten, Göttingen 1994, 74). Das nationale Kapital als Veranstaltung zum Schutz vor dem Weltmarkt. Seine damaligen Mitstreitern ist bis heute nicht aufgegangen, das Mussolini die Dinge recht ähnlich gesehen hat.

6. Die Konstellation hat sich vollkommen verändert: es ist für dem Moment unmöglich, jemandem einzureden, das deutsche Kapital und seine Volksgemeinschaft habe das alles irgendwem anders zu verdanken als sich selbst. Die historische Geschäftsgrundlage für das Bündnis zwischen Arbeitern und Kapital verschwindet, jedenfalls, man muss es dazu sagen, tendenziell und für den Moment. „Unterstützung“ und Vereeinahmung von Arbeiterkämpfen durch nationale Ideologie ist heute weniger zu befürchten als damals.

Die Führung von Politik und Industrie wird ein massives Umstrukturierungsprogramm durchsetzen müssen. Die Belegschaften könnten das dann zum Anlass nehmen, Gegenwehr organisieren, wenn sie von dem allgemeinen Bewusstsein getragen werden, von der Nation und der Führung verraten worden zu sein. Ob die neue rechte Kraft in der Lage ist, das durch ihre geläufigen Propagandafloskeln aufzufangen („Lügenpresse“, „Volksverräter“, „Globalisten“) ist noch erst zu sehen.

Der äusserst konservative Begriff „Deindustrialisierung“ für die Abwicklung des Verbrennungsmotors wird benutzt werden, um den Eindruck zu erwecken, Ökowahn oder Political Correctness und nicht systematischer Betrug und mafiaähnliche Praktiken (und nicht zuletzt das Ende eines Kondratieff-Zyklus) hätten die deutsche Autoindustrie zugrundegerichtet; also den Hass der Arbeiter gegen die Linke zu kanalisieren. Das wird nur zu einem bestimmten Teil gelingen. Die Kräfteverhältnisse von 2015 helfen vielleicht abschätzen, wie weit. Sorgen machen muss man sich nicht wegen der Arbeiter, sondern wegen der Unfähigkeit der Linken.

Die Linke hätte, gerade wenn die nächste Zeit grössere Repression bringt, Aussicht, in diesen Auseinandersetzungen eine Rolle zu spielen; wenn sie denn ihre geistigen Beschränkungen ablegen könnte. Sie wird, da sie sich selbst nicht als tätige Grösse zu begreifen vermag (warum, haben wir in früheren Texten schon erörtert), Gefahr laufen, die Zeit zu verpassen.

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Zur Wahl, V

Zwischenzeitlich sollte man auch folgendes nicht vergessen: sogenannte „Themen“, politische oder gesellschaftliche, ergeben sich nicht einfach aus einer objektiven Lage, sondern entwickeln sich innerhalb dessen, was die gesellschaftliche Autorität zulässt. Die sogenannte „Flüchtlingsdebatte“ hätte sich zu einem gesellschaftlichen Grossthema kaum entwickelt, wenn die sogenannten Eliten aus Politik, Meinungsindustrie und das ganze sonstige Pack hinter der Linie gestanden wären, es gäbe keine Alternative.

Als 1999 die umlagefinanzierte Rente abgeschafft wurde, oder 2003 die Arbeitslosenhilfe, da gab es keine öffentliche Diskussion darüber. Das waren wesentlich umwälzendere Veränderungen als die paar tausend Syrer und Afghanen. Warum gab es damals wohl keine solche Aufregung? Weil niemand von denen, die Autorität über die Debatten haben, etwas dagegen hatte. Professoren, Journalisten, Bischöfe, nicht einmal der DGB hat damals irgendetwas einzuwenden gewusst. Niemand.

Das DISS hat in ein oder zwei kleineren Texten, die sie lustigerweise „Diskursanalysen“ nennen, versucht, zu begründen, dass schon im Herbst 2015 in den Medien das Signal zum Backlash gegeben worden ist. (Das ganze Heft hier.) Unser guter Horst Seehofer hat zu denen gehört, die dasselbe Horn in der „Politik“ geblasen haben. Aber warum eigentlich?

Das Argument, sie fürchteten den Zorn der Wählerschaft, ist zirkulär und führt nirgendwohin. Wo war denn die AfD 2015? Die neue rechte Opposition ist doch erst entfesselt worden, als von Günter Jauch über die FAZ bis Horst Seehofer überall angefangen worden ist, die „Ängste der Leute im Land ernst zu nehmen“, d.h. den tobenden Hass mit vollen Backen anzufachen. Was für wahnwitzige Irre sind diese Leute? Die CDU Sachsen steht vor der Situation, die Macht in ihrem Lehen an einen Haufen zu verlieren, den sie selber mit Mühe über Jahre hochgezogen und gross werden lassen hat.

Die konservative Partei in Deutschland ist zerbrochen nicht vor dem Ansturm einer rechten Konkurrenz alleine, sondern einer rechten Konkurrenz, der sie selbst erst mühsam und geduldig die nötige Luft zum Atmen verschafft hat; und zerbrochen auch, weil sie über genau diese Übung circa noch einmal so viele Wählerstimmen nach der anderen Seite hin verloren hat. Es ist komplett wahnsinnig. Aber Hauptsache ist die Balkanroutewieder geschlossen.

Der ganze Vorgang ist rational sowenig zu beschreiben wie die Haltung der SPD von 1914, oder die SPD jeden Tag seitdem. Die konservativen Eliten haben völlig ohne Not Feuer ans eigene Haus gelegt und sehen nun, verkleidet als Feuerwehrleute, jubelnd zu, wie es langsam bis zu den Grundmauern niederbrennt. Wir befinden uns in Gesellschaft von vollkommen durchgedrehten Irren.

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Zur Wahl, IV

Diesmal: Sachsen. Zum allgemeinen Entsetzen liegt die AfD knapp vor der CDU. Auch hier war das in der letzten Umfrage vor der Wahl noch nicht abgebildet. Dort liegt stattdessen die CDU bei 46%, die AfD bei 18%.

Die CDU liegt hinter dieser Umfrage etwa 20% zurück. Die AfD hat ein um 10% besseres Ergebnis. Die kleineren Parteien, zu denen in Sachsen auch die SPD zählt, haben leicht bessere Werte als in den Umfragen. Eine Gemeinsamkeit zur bayerischen Situation: die Unionsparteien verlieren, und zwar in etwa gleichviel zur „Mitte“ und zur „Rechten“. Man kann es auch anders beschreiben: die bisherige Konstellation der bürgerlichen Parteien löst sich auf. Die CDU in Sachsen, 1999 noch bei nahe 60%, hat sich seitdem etwa halbiert. So sieht es jedenfalls oberflächlich aus.

Vergleicht man die absoluten Stimmenzahlen von 2017 mit denen von 2013, so zeigt sich, dass bei um 7% gestiegener Wahlbeteiligung die CDU ein Drittel ihrer absoluten Stimmen verloren hat. SPD und Linkspartei haben Stimmen in wesentlich geringerem Verhältnis verloren. Die Stimmenverluste summieren sich zusammen mit der höheren Wahlbeteiligung etwa auf die Stimmengewinne von AfD und FDP.

Mit Blick auf die Grössenordnung (etwa 600.000 Mann) könnte man sagen, dass sich die halbe Wählerschaft der CDU Miegels und Biedenkopfs neu formiert hat. Aber ohne Zweifel ist die AfD nicht eine neue CDU neben der CDU, ein entlaufenes Potential, das der CDU wegen der angeblichen Grenzöffnung entglitten wäre und durch eine konsequente Politik wieder unverwandelt zurückzuholen wären.

Wir werden die ganze Angelegenheit wahrscheinlich genauer betrachten müssen, nämlich als Abschnitt zweier benennbarer Entwicklungen: nämlich einerseits das Zerbrechen des Bündnisses von Liberalismus und Konservatismus, andererseits die Demobilisierung der sozialdemokratischen Konstellation. Die Krise der Sozialdemokratie hat sich zu einer gesellschaftlichen Hegemoniekrise entwickelt; und zuletzt werden wir die gegenwärtigen Vorgänge als politische Auseinandersetzung innerhalb der arbeitenden Klassen beschreiben müssen, als Auseinandersetzung zwischen verschiedenen brüchig gewordenen politischen Modellen oder Orientierungen.

Ansonsten wären wir verdammt, bei Analysen wie solchen hängenzubleiben. Es wird sich aber doch etwas mehr dazu sagen lassen, sollte man denken.

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Zur Wahl, III

Zwei Dinge wundern mich:

1. Die in linken Kreisen überall umgehenden Aufforderungen, doch zur Wahl zu gehen; mit der einen oder der anderen Begründung. Die linke Szene tut sich anscheinend schwer, zwei Dinge zu begreifen: a) ihre Personenstärke ist nicht ausreichend, um im geltenden deutschen Wahlrecht irgendeinen Unterschied zu machen, b) keineswegs vergibt sich, wer nicht wählen geht, das Recht, das Ergebnis zu bemängeln; sondern es ist, nach dem Zeugnis der klassischen Demokratietheoretiker, genau umgekehrt: wer seine Stimme gibt, erklärt sein Einverständnis mit dem Verfahren, und mit dem Ergebnis. Aber lassen wir das bei Seite.

2. Auf der anderen Seite finde ich unter radikalen Linken überall ein gründliches Desinteresse daran, was aus den Ergebnissen einer Wahl sich ablesen lässt. Zu den wenigen Dingen, die unsereins an dieser Veranstaltung unter allen Umständen interessieren müssen, gehören unbedingt die Aufschlüsse, die sie uns geben kann. Das Interesse, das völlig irrational der Wahl in der Wahlkampfphase entgegengebracht wird, erlischt ebenso irrational mit dem Wahltag. Im schlimmsten Falle wird es ersetzt durch lähmendes Entsetzen über z.B. das Ergebnis der AfD.

Aber nirgendwo will anscheinend jemand wissen, worum es denn bei der Wahl denen, die gewählt haben, z.B. wirklich gegangen ist. Lässt sich das wirklich mit den reduzierten Schlagworten beschreiben, wie „die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung“? Ich habe auf die letzten Umfragen z.B. in Bayern hingewiesen. Dort zeigen die letzten Umfragen vor der Wahl schon um die 10% für die AfD, während die CSU noch nicht einmal merklich verloren hat. An wen hat die CSU denn nun wirklich verloren? Die Antwort auf diese Frage kann uns doch nicht gleichgültig sein.

Es rumort etwas in dieser Gesellschaft, aber ist es die AfD? Ist ein angeblich verbreiteter Volkszorn über die angeblich stattgefundene „Grenzöffnung“ wirklich das einzige bewegende Element? Fragmentiert sich die Parteienlandschaft wirklich hauptsächlich wegen dieser Frage? Kaum. Also: was, zum Teufel, findet in dieser Gesellschaft gerade statt?

Beobachten wir das ganze also.

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Zur Wahl, II

Weil man ja aus Bayern ist, kommt man nicht umhin, zu bemerken, dass die CSU auf 38,8% kommt (minus 10,5%) und die AfD auf 12,4% (plus 8,1).

Es ist jetzt vielleicht ein bisschen verwirrend, dass die letzte Umfrage vor der Wahl auf interessante Weise anders aussah: CSU 47%, AfD 9%.

Preisfrage: wo sind diese knappen 10% hin? Sie sind jedenfalls nicht einfach zur AfD gegangen. Wohin also?

Wer die richtige Antwort weiss, schreibt sie uns auf eine Postkarte.

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Aus gegebenem Anlass: Zur Wahl Teil I

Ehe man demnächst ein paar konkretere Dinge zu dieser ziemlich surrealen Wahl sagt, vielleicht einmal zuerst eine kleine sehr zutreffende, grundsätzliche und deshalb praktische Erwägung; ein paar Sätze von Wolfgang Pohrt, das man bei Ofenschlot finden kann, mit ein paar ebenso zutreffenden einleitenden Worten desselben.

Es gibt eine gescheite Antwort auf die Frage nach dem »Warum« der »No Border«-Forderung. Gescheit, weil sie ganz unsentimental daherkommt. Die Antwort enthält auch schon den halben, na, Kommunismus-Beweis. Wolfgang Pohrt hat sie formuliert, 1993, unmittelbar nach diesem fürchterlichen Asyl-Kompromiss, »Abschied ohne Tränen« heißt der Text, und er steht in dem Band »Harte Zeiten. Neues vom Dauerzustand« (Edition Tiamat, Berlin 1993, S19f.).
Pohrt? Der alte Misanthrop? Nie um eine Zote verlegen? Genau, der. Entweder so einer sagt es – oder eben keiner.
[Folgt das Zitat von Pohrt:]

Die Leute sehen, wie die Chancen schwinden, daß man selber zu den happy few gehört. Sie ahnen, daß es nicht mehr darum geht, wer verelenden müsse, sondern daß die Alternative alle oder keiner heißt. Sie spüren, daß ihre eigene Sicherheit auf den Prinzipien beruht, deren Aufhebung sie fordern. Deshalb erwarten sie keine Nachgiebigkeit. Zur Entscheidung steht, ob die Verhältnisse den Menschen angepaßt werden müssen, oder ob den bestehenden Verhältnisse die Menschen anzupassen sind, was ihre Verelendung, Vertreibung, Ausweisung bedeutet. Existierte eine Linke, müßte ihre Forderung heißen: Offene Grenzen.
Das würde auf keinen Fall gemütlich. Die Ankommenden werden keine übertrieben netten Menschen sein. Sie bringen nicht Kultur mir, sondern Haß und Hunger. Sie werden diese Gesellschaft vor die Alternative stellen, ob sie sich ändern oder zusammenbrechen will. Aber vor dieser Alternative steht sie sowieso. Nur daß nichts bleibt, wie es ist, ist sicher. Vor der Zukunft haben alle Angst1. Sie wird durch Abschiebungen verstärkt, durch das Elend hinter dem Zaun, nicht durch offene Grenzen. Sie wird gemildert durch die Sicherheit: Was auch kommen mag – niemand wird rausgeschmissen, keiner muß im Elend verrecken, wer er auch sei. Nicht die Anwesenheit der rumänischen Zigeuner, sondern ihre Behandlung macht den Einheimischen Angst, weil sie jeden lehrt, wie es ihm selber ergehen könnte, wenn er nur noch ein bißchen tiefer rutscht. Die Leute würden einem dankbar sein, wenn man sie mit aller Macht zu einer anständigen Behandlung der Zigeuner zwänge. Das gäbe ihnen die Sicherheit, die sie derzeit am meisten entbehren.
Was angesichts der Stimmungslage der Mehrheiten und der Machtverhältnisse wie Utopie klingen mag, ist in Wahrheit Realismus. Umgekehrt ist es die reine Träumerei, was Realpolitiker für kluge Berechnung halten. Sie ignorieren die Bedeutung der Moral. Der amoralische Asylkompromiß beispielsweise hat vermutlich nicht nur Engholm das Genick gebrochen, sondern der ganzen SPD:
Wäre sie bei ihrer alten Linie geblieben – die Leute hätten sie verflucht und respektiert. Am Ende hätte sie vielleicht sogar die Partei gewählt, die in unsicheren Zeiten ein Minimum an Sicherheit bietet. Ein Minimum an Sicherheit bietet einer, wenn Verlaß darauf ist, daß er bestimmte Dinge unter keinen Bedingungen machen wird. Seit dem Asylkompromiß ist allen, die ihn wollten, klar, was sie selber – etwa Sozialhilfeempfänger oder Arbeitslose – von der SPD zu erwarten haben, wenn dies die Lage erfordert. Seither ist diese Partei – und mit ihr die ganze Linke – dort, wo sie 1933 war, als die Nazis alle Funktionäre abräumen konnten ohne jeden Protest aus der Bevölkerung.

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Die Wahl der Qual und der pädagogische Auftrag des Schauspiel Leipzig

von Seepferd

 

Am Abend vor der Bundestagswahl lud das Leipziger Schauspiel zur Lesung des Grundgesetzes ein, natürlich nicht um das angeblich wichtigste juristische Dokument der Bundesrepublik in voller Länge vorzutragen, sondern um einige „Highlights“ ins Gedächtnis zu rufen. Es stimmt wohl, das GG ist nicht unbedingt etwas, was mündige BürgerInnen jeden Abend vor dem Einschlafen lesen, um die Sorgen des täglichen Konkurrenzkampfes abzuschütteln. Dafür könnten sie es ja sich am Samstagabend von zwei Schauspielern vorlesen lassen, was nicht unlogischer ist, als manche andere Freizeitbeschäftigung der Leute.

Die zwei Herren Schauspieler gehen voller Ernst und Stolz dem politisch-pädagogischen Auftrag des Theater nach. Die etwa 15 oder 16 mündige BürgerInnen (mich inklusive), die am Samstagabend dermaßen nichts Besseres zu tun haben, als sich die „Highlights“ des GG zwei Stunden lang vorlesen zu lassen, ertragen die Veranstaltung ziemlich brav und husten selten. Durch Wolken von Zyklon B und Betonstaub zerbombter Städte scheint die List der demokratischen Vernunft zum Deutschen Volke seit 1949 ununterbrochen. Der leidvolle Weg durch die Geschichte war nicht umsonst, dafür wird man sogar belohnt, denn im Flur werden Exemplare des Grundgesetzes verschenkt. Das Ganze ähnelt immer mehr einer Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung.

Nach der Pause schrumpft das Publikum fast um die Hälfte. Das bedeutungsschwer, aber kommentarlos rezitierte GG verliert seinen Reiz. Die schwere Luft im Raum, macht es auch den Vorlesern nicht leicht. Auch meine Konzentration schwindet, dumme Gedanken ersetzen allmählich die Sorge um das allgemeine Wohl. Säße ich hier, hätte ich FreundInnen, statt MitbürgerInnen? Wäre der Abend besser geworden, hätte ich mich z.B. bei Tinder registriert? Wäre die Begegnung mit warenförmigen, aber empirischen Fickpartnern wenigstens unterhaltsamer als diese Begegnung mit dem hobbsschen Allgemeinmenschen deutscher Prägung, dessen Würde zu schützen die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist? Gibt es nicht mehrere Wege, der mit konkreten Waffen ausgestatteten Abstraktion des Staates zu frönen und so die Volksgemeinschaft herauf zu beschwören, die sich nicht im Geringsten widersprechen? Beruft sich LEGIDA auch nicht unter Umständen auf das Widerstandsrecht (Art. 20)? Was nützt mir eigentlich Tinder, denn ich bin anscheinend zu alt, um solche Fürze in mein Gesicht wie „dass der solcherart halbierte Adorno mittlerweile zum Sinnstifter der staatsoffiziösen antifaschistischen Ideologie geworden ist“, witzig zu finden? Woran denke ich bloß? Was mache ich hier überhaupt?

Indes endet aber die Lesung, das Finanzwesen wird „ersparrt“. Leider auch das Deutschland nicht gesungen. Die Sprechpuppen der Staatlichkeit und das Publikum schauen sich kurz fragen an. Aber nein, die Sachen werden gepackt, die Jacken angezogen, kein Diskussionsbedarf, kein Dialog, nothing personal. Diskussion scheint auch nicht vorgesehen worden zu sein, was soll man am GG diskutieren, wenn man keinE ExtremistIn ist? Pflicht erfüllt, ab nach hause. Denn am Sonntag gilt es das Schlimmste zu verhindern. Nein, nicht der Erbärmlichkeit des eigenen Lebens ein Ende zu setzen, sondern sich nicht vorwerfen zu lassen, die AfD säße im Bundestag, weil man nicht wusste, was man denn sonst wählen sollte.

Gern würde ich heute Nacht jemandem aus Erich Mühsam vorlesen: Es ist ein Aberglaube, dass aus Links-Wählern ein Rechtsstaat werden könnte. Die Theorien der Konservativen und der Anarchisten berühren sich in einem wichtigen Punkt. Beide bestreiten, dass man im Staat ein notwendiges Übel zu erkennen habe“. Aber niemand ist da, der darüber lachen könnte.

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Thats the spirit. Könnte man denken.

Following the introduction of trade union legislation which requires a 50% ballot turnout, the need to always act inside the law has been removed from the union’s rule book, he said.

McCluskey said he and other union members might be willing to go to jail and could follow other historic figures by standing by their principles. “The reality is that the law is wrong and it has to be resisted. I dare say if you’d have been interviewing Nelson Mandela or Mahatma Gandhi or the suffragettes you’d be telling them that they were breaking the law.”

Was wird man davon halten? Die Idee klingt gut; aber wenn man weiss, von wem sie kommt, wird man ein bisschen skeptisch. Labours sogenannte hard left, insbesondere die Reste der sogenannten Militant Tendency, sind dafür bekannt, solche Dinge anzukündigen; aber wirklich geschehen tun solche Dinge nicht, und vielleicht auch deswegen. Dafür gibt es auch gute Gründe, die man auch jeweils vorher weiss:

People will not enter any industrial struggle unless they can envision what a victory would look like. The precondition for generalized industrial action to force a change of government economic policy is a widespread belief that an alternative policy is both feasible and available

Leute wie McCluskey sind natürlich keineswegs bereit, die Orientierung ihrer Organisatione auf Staat, Parlament und Partei aufzugeben, eher noch dazu, eine neue Partei zu gründen oder anzudrohen. Wozu also das Getöse?
McCluskey gehört zu genau der Sorte Prominenter „Linker“, d.h. ehemaliger „militants“, die alles dafür getan haben, die Gewerkschaften auf Linie der BDS-Bewegung zu bekommen. In dieser Sache haben sie nicht bloss angekündigt, sondern hier haben sie durchgesetzt. Muss man nicht zu dem Schluss kommen, dass das zusammenhängt? Dass die immer wieder, alle paar Jahre, einander folgenden Ankündigung grandioser Proteste gerade dazu da sind, eine Mobilisierung zu erzeugen, die vor den Karren der BDS-Bewegung gespannt werden kann?
Irgendwann wird man sich das, was man vielleicht Corbynismus nennt, mal ernsthafter ansehen müssen: als eines der beiden Zerfallsprodukte der Sozialdemokratie, die sich jederzeit wieder miteinander zu etwas noch viel toxischerem zusammenfinden könnten.

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Heute 17 Uhr Flughafen Düsseldorf:

http://www.alle-bleiben.info/kommt-zur-kundgebung-gegen-die-abschiebefluge-in-den-kosovo-nach-albanien-serbien-und-afghanistan/

Am 12. und 13. September 2017 sollen neben der Sammelabschiebung nach Afghanistan am Dienstag. auch Abschiebeflüge in die Balkanländer vom Flughafen Düsseldorf stattfinden.Wir rufen dazu auf, sich mit den Betroffenen zu solidarisieren und gegen diese Abschiebungen zu protestieren.

ALLE ROMA BLEIBEN HIER!!!
Protestkundgebung:
Dienstag 12.9.2017 um 17 Uhr – Große Halle – Terminal B – Flughafen Düsseldorf

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The Impossible Revolution: Leseempfehlung

Man muss folgendes vorausschicken, ob man will oder nicht.

It isn’t surprising that the right sees every Syrian refugee as a potential terrorist when the left has spent years opining that the Syrian revolution is run by al-Qaida (or American imperialism, or Zionism). These beasts feed each other. The greatest threats today are rising authoritarianism, whether it calls itself leftist or rightist (or Islamist)…

This is going to get a lot more messy… Yassin argues that democracy “retreats everywhere as soon as it stops progressing anywhere”. He speaks of a progressively “Syrianized” world.

Es geht um Yasin al-Haj Salehs Buch The Impossible Revolution. Making Sense of the Syrian Tragedy, über das eine andere Rezension schreibt:

When earlier this week the UN war crimes prosecutor Carla del Ponte resigned over the Security Council’s inaction, she saw fit to add: „everyone in Syria is bad now“. She said this as the news of the execution of media activist Bassel Khartabil was becoming public, Idlib University was holding free elections, Saraqib and Eastern Ghouta were electing local councils and volunteers from the Syrian Civil Defence were risking lives to rescue victims of the regime’s relentless bombings. For del Ponte and her ilk, these people might as well not exist.

Und nicht nur für diese. Wie hiess es? These beasts feed each other. Die Dynamik der heutigen weltweiten Konterrevolution ist auf seltsame Weise verzahnt geworden mit der der syrischen.

Since the beginning of the Syrian revolution over six years ago, there has been a determined effort to smother it both literally and figuratively.

There is the ceaseless attrition of bullets, bombs, torture, starvation and poison gas; there is the relentless subversion of truth through erasure, distortion, slant and fabrication.

Die Vorherrschaft der verwirrenden Lüge muss, auch wenn es aussichtlos erscheint, auf allen Ebenen konfrontiert werden.

https://www.alaraby.co.uk/english/comment/2017/8/10/yassin-al-haj-salehs-the-impossible-revolution-an-incisive-work

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Szenescheiss: Neuestes aus der Stirnerkritik

Bei Gelegenheit des Buches „Staat oder Revolution“ fiel es der Bahamas ein, in einem Aufwasch mit ihren ehemaligen Genossen abzurechnen. Irgendwie hängt man das an Stirner auf und folgt im Übrigen der recht manischen Stirnerkritik des Hans Günter Helms von 1967, der nicht zufällig eine ebenso wahnsinnige Adorno-Kritik von 1969 folgte.

Neben Finkenberger geht es dann z.B. um Scheit, den man aus irgendwelchen Gründen für einen Existenzialisten hält. Über den heisst es:

Ich persönlich möchte gerne und dabei durchaus demütig eingestehen, aus den (früheren) Schriften von Scheit und Genossen einiges gelernt zu haben. Die Kritik über den Wandel ist ferner über weite Strecken schlichtweg Ausdruck einer gewissen Trauer über den Verlust einer vergangenen gehörigen, wenn auch nicht per se ungetrübten geistigen Nähe.

In der Tat. Ich würde noch etwas weitergehen: Diese Leute haben von Scheit alles gelernt, was sie können, nämlich das gewandte Daherschreiben über Dinge, von denen sie nichts verstehen. Sie hatten allerdings das Unglück, das wenige, was sie davon behalten haben, mit kritischer Theorie zu verwechseln, und so stehen sie heute tatsächlich da, wo Helms 1969 stand. Und verwechseln auch das mit Kritischer Theorie.

Und dieses Selbstmissverständnis ist auch das einzige originelle an der Sache. Muss man wirklich noch mehr dazu sagen?

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