Gegendarstellung: Das Hit Piece gegen Osten Sacken

Wir werden seit neuerem öfter gefragt, wie unsere Position zu den syrischen Ereignissenn mit dieser älteren Einschätzung zusammenpasst, in der genau das Gegenteil drinsteht.

Gar nicht passt sie zusammen, natürlich. So schlau sind wir ja selbst. Warum lassen wir dann 5 Jahre lang da stehen, was

ein Redakteur des Thier, von dem wir uns mittlerweile getrennt haben,

geschrieben hatte?

Es gibt Zeiten, in denen man es für sinnvoll halten kann, wenn sich unverträgliche Positionen aneinander reiben. Solange sie beide sich aus ähnlichen Gedanken begründen, kann das nur nützen.

Man kann an all diesen Entwicklungen der syrischen Farce und überhaupt der ganzen arabischen Frühlingsfarce eigentlich nur sehen, dass alle Illusionen der alten Welt nichts taugen. Sich in Konflikte dieser Welt einzumischen, ohne eine eigene, befreundete oder wenigstens unterstützenswerte Bodentruppe zu besitzen, ist dabei Unsinn. Tut man es dennoch, so ist man immer auf zentrifugale oder zentripedale Kräfte der alten Welt angewiesen…

Dabei wäre so einfach machbar, wenn es nur nicht so schwer zu denken wäre: Kommunismus. Die Strömung, die den Osten-Sacken bekannt gemacht hat, sie war bei allen Fehlern entschieden kommunistisch, bis sie frustriert ihr Heil im Unsinn suchte, mit dem man die Politiker vielleicht besser alleine ließe. Über die Produktion wurde – wie zur Bewahrheitung der Fetischkritik jener Tage – einfach geschwiegen. Die jugendlichen Ideale flohen allerhöchstens noch in eine Art Kunstliebhaberei. Dabei könnte die Aneignung der Produktion, in den reichen Staaten begonnen, bekanntlich leicht exportiert werden und je stärker die kommunistischen Kräfte hier, desto leichter ließe sich sogar so etwas wie vernünftige Außenpolitik denken. Dies im Kopf kann man vielleicht auch wieder dazu übergehen, die politischen Verwirrungen wenigstens darzustellen. Dabei muss man die jeweiligen Seiten zu ihrem Recht kommen lassen, da eine abstrakte Distanz zum Geschehen – „Wir sind gegen alle Seiten des Konflikts“ – sicher nicht weiterführt, so unmittelbar plausibel diese Abstraktion im gegenwärtigen Weltunsinn auch ist. Man muss vielmehr die konkreten Konfliktlinien kennen, um irgendwann wirklich, dass heißt jenseits der gegenwärtigen staatlichen und nichtstaatlichen Akteure, Einfluss nehmen zu können. Die Frage der Verfügung über die Produktionsmittel, die aus immanenten Betrachtungen des Weltbürgerkrieges momentan herausfallen, wird dann wesentlich werden.

Da steht viel drin, dem wir zustimmen müssen. Aber trägt die Begründung den ganzen Text? Sehen wir sie uns einmal an. In einem ersten Teil nimmt sich der Autor die militärischen Allianzen des syrischen Kriegs vor. Wir würden ihm das schenken. Unterstellen wir einfach, der Einfachheit halber, dass die Tatsachen zutreffen, die er behauptet. Was für Schlüsse zieht er daraus im zweiten Teil?

Bei aller Unübersichtlichkeit der unzähligen Rebellenverbände und ihrer wechselnden Bündnisse ist es nun wahrlich kein Geheimnis, dass seine Freie Syrische Armee im Zweifel zusammen mit sunnitischen Islamisten aller Fraktionen gegen Assad kämpft. Die FSA-Verbände sind dabei selbst nur ein loses Bündnis, gegründet 2011 von einigen desertierenden Generälen der syrischen Armee. Viel mehr, als dass sie moderat seien, hört man über ihre Ziele nie. Politisch werden sie wohl am ehesten vom Syrian National Council vertreten, einer international erstaunlicherweise anerkannten, heute völlig bedeutungslosen Körperschaft, in der die Muslimbrüder schon schnell die Mehrheit stellten.

„Man“ hört natürlich dann „nie“ viel über die Ziele von Leuten, wenn man diese Leute vorsichtshalber gar nicht zur Kenntnis nimmt. Und das geschieht wiederum am leichtesten, wenn sie einem nicht ins Konzept passen. Und dieses Konzept ist, behaupten wir, im wesentlichen von einer bestimmten Idee bestimmt, wie eine Revolution auszusehen hat, damit sie eine richtige Revolution ist.

Was Syrien angeht, übersieht Osten-Sacken eine Front, die ihm gefallen müsste, wenn er nicht gegen die PKK bzw. in diesem Fall die PYD wäre, die sich nicht in die Rebellion gegen Assad einfügen wollte und 2011 einen Waffenstillstand mit dem Regime ausgehandelt hat. Doch die einzigen wirklich moderaten Rebellen sind eben diese Truppen der PYD

Diese Ansicht ist nicht aus dem wirklichen Geschehen gewonnen. Denn „Bei aller Unübersichtlichkeit der unzähligen Rebellenverbände und ihrer wechselnden Bündnisse ist“ auch das hier „nun wahrlich kein Geheimnis“:

In September 2013, the entire 11th Division of the FSA, based in Raqqa, joined the smaller, but better-armed Nusra branch, to better resist ISIS. When a rebel coalition led by this “Nusra”, stuffed with FSA ranks, briefly liberated Raqqa from ISIS in January 2014, they removed the black flags which ISIS had placed on the spires of Christian churches. In April 2014, this Raqqa Revolutionaries Brigade re-emerged from “Nusra”, and became the main FSA ally of the Kurdish People’s Protection Units (YPG) defending Kobani against ISIS.

Man sollte den ganzen Beitrag lesen. Ich fange gar nicht einmal an, ihn zusammenzufassen. Es ist eine viel detailliertere Analyse, deren Autor Michel Karadjis sich merkwürdigerweise nicht beklagt, „man“ habe „nie“ gehört, was die Leute von der FSA wollten. Und natürlich ist seine Position heftig umstritten; aber sie ist schlüssig und belegt, das heisst sie ist möglich. Und das reicht hier für meinen Punkt völlig aus.

Denn die Sache ist damit lange nicht so einfach, wie unser ungenannte Autor sie darstellt. Warum aber tut er es dann? Offenbar aus anderen Gründen, als er sagt; zum Beispiel, und ich finde, das ist überdeutlich, aus Gründen der „Revolutionstheorie“, wie man das nennt. Vor zehn Jahren war das vielleicht alles spekulativ. Heute haben sich die Standpunkte schon soweit auseinander entwickelt, dass sie sich nicht mehr vertragen können. Morgen werden sich auch welche damit herumzuschlagen haben, die zehn Jahre so getan haben, als stellte sich die Frage der Revolution gar nicht. Wir wollen gar nicht wissen, auf welche Ideen die erst kommen.

Der ungenannte Autor ging in seiner Ungenanntheit übrigens so weit, dass er sein Stück partout ohne Angabe eines Verfassernamens dort stehen haben wollte; selbst eines Pseudonyme wollte er nicht hergeben. So musste es natürlich aussehen, als stünde hinter dem hit piece gegen Osten-Sacken das Thier insgesamt. Das äusserste, zu dem er sich schliessliche entschliessen konnte, war eine Verlinkung des Textes zu der Seite seines eigenen Magazins. Warum hat man sich das gefallen lassen? Fehlplaziertes Vertrauen.

Innerhalb der „Strömung, die den Osten-Sacken bekannt gemacht hat“, war ein solcher Angriff auf diesen bis dahin unerhört. Osten-Sackens Arbeit ist nun zwar in der Tat nicht situationistisch. Aber wir haben wenig Grund, uns über ihn zu beklagen. Um so mehr steht er natürlich denen im Weg, die den Islam zu einer Weltgefahr aufgeblasen wissen wollen. Jeder weiss, wie wir dazu stehen. Der ungenannte Autor, der seither begonnen hat, seine alte Freundschaft zu Thomas Maul zu öffentlicher Zusammenarbeit auszubauen, hat das gut zu nutzen verstanden.

Man könnte solche 5 Jahre alten Intrigen ganz gut auf sich beruhen lassen. Aber andererseits muss man es nicht. Eine Ahnung sagt uns, dass es am besten sein wird, das hier gerade jetzt zu machen. Eine blosse Ahnung, nichts weiter!

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