Das Imperium schreckt zurück

Der allseitsbekannte Experte in Sachen Antiimperialismus Jörg Kronauer, dessen Fachkenntnisse wir hier schon mal gewürdigt haben, meldet sich vom geopolitischen Schachbrett zu den Gerüchten von nordkoreanischen Sozialismussklaven, die bislang noch nie ihr geliebtes Land verlassen durften, an der russisch-ukrainischen Front.

„Letztendlich war gar nicht entscheidend, ob Nordkorea wirklich Soldaten entsandt hatte.Die Tatsache, dass dies eine realistische Option war, genügte, die strategischen Kalkulationen des Westens in Frage zu stellen… Dass Europa zum Ziel einer Intervention aus Asien geworden sein könnte, ist historisch neu. Es ist ein weiteres Indiz dafür, dass Ruropas (sic!) Weltherrschaftsträume geplatzt sind – und ein Hinweis darauf, wo sein Abstieg enden könnte, wenn man versuchen sollte, ihn mit Gewalt zu verhindern, statt ihn, soweit möglich, friedlich zu gestalten“. (konkret 12/24)

Auch wenn niemand von den außenstehenden Experten weiß, was gerade Tatsache ist, darf man als Tatsache annehmen, dass diese angeblichen drei, acht oder zwölf Tausend Kims Sklaven sich verdammt gut tarnen können. Man hat sie bis jetzt weder in Donbass noch im Kursker Gebiet in nennenswerter Anzahl gesichtet. Was beide Seiten dagegen bemerkt haben sollten, ist dass Nordkorea das russische Militär mit Unmengen an minderwertiger Munition für Erdöl versorgt. Gute Nachricht: die Geschosse fliegen meistens nicht wie sie sollen; die schlechte: mindestens 40% davon tun dies schon. Und das ist bereits zu viel, wenn Frieden uns ein Anliegen sein soll. Weiterlesen

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Das Imperium schreckt zurück

Dienstag, 10.12. Würzburg: 1336 Tage

Am Dienstag, dem 10. Dezember um 19.00 Uhr gibts den Film „1336 Tage. Höhen, Tiefen, aber immer aufrecht“ im Anno Domini in Würzburg (Nebenzimmer) zu sehen.

Sie haben es geschafft! Sie haben ihre Fabrik übernommen: die Teefabrik vor den Toren Marseilles wird jetzt in Selbstverwaltung betrieben. Seit September 2015 sind die Packungen der Marke „1336“ in den Regalen französischer Supermärkte zu finden.

Nach mehr als drei kämpferischen Jahren, haben die 76 verbleibenden Arbeiter_Innen von Fralib im Mai 2014 den Konflikt mit dem Lebensmittel-Multi Unilever beendet und eine Genossenschaft gegründet: die Scop-ti. Sie übernehmen die Fabrik, die Maschinen und 20 Mio. Euro Startkapital: „Wir haben gegen einen Konzern gekämpft! Nein, keinen Konzern, wir kämpften gegen die Welt. Das Kapital, das ist die Welt heute. Und wenn wir in Gémenos dieser Scheißwelt was Gutes tun können, da bin ich dabei! Ob ich gewinne oder verliere!“

In seinem Film lässt Claude Hirsch die bewegten Geschehnisse Revue passieren, die zu diesem Sieg führten: Fabrikbesetzungen, politischer Druck, Zusammenhalt.

Der Film „1336 Tage“ ist Teil 2 der Fralib-Saga, der erste Teil (hier auf labournet.tv) begleitete die kämpferischen Arbeiter_Innen vom Schließungsbeschluss 2010 bis zum Herbst 2011. Übrigens, die SCOP „Fabrique du Sud“ führt die im Film erwähnte Eisfabrik „Pilpa“ weiter (siehe hier auf labournet.tv).

Artikel zu dem Konflikt finden sich hier auf labournet.de, und die Webseite der Arbeiterproduktivgenossenschaft SCOP-TI hier.

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Dienstag, 10.12. Würzburg: 1336 Tage

News unterm Radar IX

I II III IV V VI VII VIII

Im 1011. Tag des dreitägigen militärischen Vorstoßes der russischen Streitkräfte nach Kyiv passieren interessante Sachen. Halten wir sie kurz unter dem Vorbehalt fest, dass sie über Nacht bereits ganz anders sind. So was ist bekanntlich arg undankbar.

Am 21. November hat Russland die Produktionshallen von „Juschmasch“ in Dnipro mit einer Mittelstreckenrakete des Typs „Oreschnik“ angegriffen. So eine Rakete wird von Russland zum ersten Mal seit 36 Jahren eingesetzt. Der Einsatz hat allerdings weder die gegnerische Seite noch die eigenen Gefolgschaft beeindruckt: so neuartig ist die Rakete nicht, sondern aus den älteren Modellen zusammengebaut, vielmehr sind es die Satellitenbilder der vermeintlichen Schäden von „Juschmasch“, die beide Seiten „enttäuschten“. (Tief beeindruckt war anscheinend nur Scholz). Der chronisch fehlinformierte Putin spricht bereits von „Spaltung in Elementarteilchen“ und davon, dass bereits „der kinetische Einschlag gewaltig wie ein Meteoriteneinschlag“ sei und dass neue Angriffe auf Kyiv erfolgen könnten. Die Warnung ist jedenfalls ernst zu nehmen, immerhin konnte die ukrainische Luftabwehr die „Oreschnik“ nicht abfangen. Wie es im besser verteidigten Kyiv aussehen würde, würde mal lieber gar nicht herausfinden wollen, wird es aber eines Tagen tun müssen. Weiterlesen

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für News unterm Radar IX

Von der Transnationalisierung des Staatsvorfelds

(aus dem Heft #20, das man nun online einsehen kann)

Um an die Kritik des «Anarcho-Liberalismus» (1) anzuschließen, aus der leider nichts geworden ist: solche Leute sind mir früh genug, noch vor fünfzehn oder zwölf Jahren begegnet. Bekanntlich ist die «radikale» Linke überdurchschnittlich anfällig für Freaks, Junkies und Devianten aller Art, aber diesmal waren es meist studierte Leute, die zwar oberflächlich den ganzen linksradikalen Jargon beherrschten, aber nicht wussten, wofür all die mittlerweile auch toten Formeln vom Klassenkampf, Gleichheit und Emanzipation standen; dafür kannten sie sich ganz gut mit dem «Tod des Subjekts», «Performativität» und allerlei «Identitäten» aus. Es wurde z.B. Verneigung vor allen denkbaren, obwohl nicht anwesenden Minoritäten verlangt, umso rücksichts- und respektloser wurde in den eigenen Kreisen herumgetrampelt. Und das Phänomen war nicht nur im ost/westdeutschen Kontext zu beobachten – auch im osteuropäischen. Auch dort gab es früh genug Manipulationen durch Schuldzuweisungen und Verleumdungen, damals noch vage Einübungen in virtue signalling und cancel culture, den Kampf um alle Sorten von Ressourcen bzw. soziales Kapital und Deutungshoheit. Das alles angesichts der gemeinsamen Gegner, die damals schon stark und gefährlich waren: 2012/13 waren die Auseinandersetzungen mit den Nazis oder mit der Behörde zur Extremismusbekämpfung in Russland nicht besonders spaßig. Kurzum, man hat sich früh genug in all den Szene-Spielchen eingeübt, die Jahre später die US-amerikanische BLM-Bewegung zugrunde gerichtet haben. (Mich verblüfft es noch immer, wie bei den «trained marxists» von ihrem «Marxismus» nur der bloße Machtkampf zwischen den ethnischen Gruppen übrigbleibt). Bloß in Osteuropa gab es weder nennenswerte Infrastruktur, um die man hätte kämpfen können, noch irgendeine dauerhafte soziale Bewegung von gesellschaftlicher Relevanz. 2000/2010er waren die Jahre der jugendlichen Subkulturen. Besonders machtgeile oder übergriffige Personen wurden größtenteils rechtzeitig in die Schranken gewiesen, schlimmstenfalls ins Gesicht gefistet und aus allen Zusammenhängen entfernt. Wer sich in anderen Subkulturen herumgetrieben hatte, weiß, dass es allgemein bei Jugendlichen der Brauch ist, subcultural businnes as usual. Klar, hier und da sind Punkclubs, Distros, Squats, freie Räume und Gemeinschaftskassen für z.B. Gefangene entstanden und genauso schnell wieder verschwunden, doch besonders förderlich für die Karrieren angehender BewegungsmanagerInnen waren sie nicht, weil sie nicht einmal in der Nähe zur Staatsideologie stehen (ganz im Gegenteil), weder in Bulgarien, noch in Belarus oder sonst wo. Wozu also der Aufwand und woher kommt das?

Zum Teil ist es ein Kargokult. Ein Wissens- und Kulturtransfer aus dem «Westen», wenn man will. Eine postmarxistische und/oder -anarchistische und post/decoloniale Diskursaufblähung, die zunehmende Verakademisierung der Linken (vor allem nach der Niederlage der Moskauer Proteste 2011/12), schleichende Moralisierung und Verpsychologisierung der Politik. Das, was sich für psychologische Selbstvorsoge für AktivistInnen ausgibt, dient öfters dazu, pseudofachmännisch dem Gegner und sich selbst eine Diagnose zu verpassen, zur Solidarität mit sich und zur Entsolidarisierung mit dem Gegner aufzufordern. Was will man tun? Auch das ist mittlerweile eine Zwischenstufe, die bereits passiert ist. Die Jugendlichen, die von und für TikTok und OnlyFans leben, verhalten sich und sehen gleich aus in Madrid, London, Kyjiv und Astana; andere Subkulturen globalisieren genauso. Die ukrainische Linke ist letztens aus allseitsbekannten Gründen Anfang 2022 aus allen Wolken gefallen, die russische ist z.T. immer noch so, obwohl irgendwo im Exil sitzend… Weiterlesen

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Von der Transnationalisierung des Staatsvorfelds

Über den Nutzen des Staates

1. Der Staat als Befreier ist eine Illusion immer gewesen, die Befreiung in den Staat hinein ist bürgerliche Utopie. Die Notwendigkeit, über den Staat hinaus zu kommen, ist unter den Radikalen auch der Alten Revolution nie ganz vergessen worden. Es hat sich aber kein Weg gefunden, weil die Grundlagen der Gesellschaft nicht angetastet wurden, die des Staats bedarf: das Vaterrecht an der Familie, und das private Eigentum.

Anmerkung. „Wir müssen also auch über den Staat hinaus! – Denn jeder Staat muß freie Menschen als mechanisches Räderwerk behandeln; und das soll er nicht; also soll er aufhören“. Aus diesen Zeilen spricht ehrliche Naivetät. Der Staat behandelt die Menschen als sein Material. Die neueren Bürgerkriege geben einen Aufschluss darüber. Das Entsetzen darüber wird heute kaum angemessen zum Ausdruck gebracht, und wenn, dann in doktrinaler Verzerrung. Gelogen wird heute aber meistens durch Weglassen.

2. Die klassenlose Gesellschaft ist eigentlich im Staat unmöglich, der Staatskommunismus nichts als die vollendete Negation des einzelnen Menschen. Er ist selbst eine auf die Spitze getriebne Form der bürgerlichen Utopie, oder sogar einer älteren, die so alt sein mag wie der Staat selbst.

3. In der Arbeiterbewegung sind wirklich Formen gefunden worden, die über den Staat hinausweisen, und zwar von dem Flügel, der sein Heil nicht mehr vom Staat erwartet.

Anmerkung.
Für die Arbeiterbewegung vor der Sozialdemokratie ist der Schlachtruf der Lyoner Arbeiter von 1831: „Arbeitend leben oder kämpfend sterben!“ genauso relevant wie die Prinzipien der Pioniere von Rochdale 1842. Sie lebt und stirbt auf dem Grat zwischen Umsturz und Selbsthilfe. In dieser der offiziellen Linken völlig unleserlichen Geschichte ist ein genaueres Wissen davon zu finden, was die Gesellschaft ist und wie sie anders werden soll, als in allen theoretischen Arbeiten. Wiederentdeckt werden kann sie nur von ihresgleichen.

4. Die Revolutionen nach 1917 hatten als ihren unmittelbaren Gegenstand den Übergang zum modernen Staat. Dieser Satz bedeutet nichts anderes, als dass alle Revolutionen als Arbeiterrevolutionen gescheitert sind. In keinem Land, in dem dieser Übergang schon vollzogen war, hat es je eine erfolgreiche Revolution dieses Typs gegeben; aber genug Anläufe, dass man die Richtung kennen kann.

5. Spätestens seit 1968 ist die Idee der Befreiung in den Staat hinein bankrott. Keine revolutionäre Partei hat sie je wieder vermocht in den Dienst zu nehmen. Wo es versucht worden ist, ist es zu Zwecken der Konterrevolution versucht worden.

6. Die Frage, wie man über den Staat hinaus kommt, stellt sich heute unmittelbar; nicht wegen der Stärke der revolutionären Idee, sondern wegen ihrer Schwäche und wegen des Fehlens jeder anderen Perspektive.

7. Damit ist der Staat aber noch nicht am Ende. Im Gegenteil führt er ein anderes, zweites Leben. Die Staatenlosigkeit, die Schutzlosigkeit des nackten Lebens, tritt grell dort hervor, wo ein Staat nicht besteht. Weiterlesen

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Über den Nutzen des Staates

Über „Identitätspolitik“

1. Wir benutzen das Wort „Identitätspolitik“ nicht gerne, weil wir nicht genau wissen, was es bedeutet. Das liegt nur zur Hälfte an unserem erschreckenden Mangel an Bildung. Zur anderen Hälfte liegt es daran, dass es niemandem gelungen ist, amtlich zu erklären, was es bedeuten soll; namentlich unter denjenigen, die sich für Identitätspolitik erklären.

„Identitätspolitik“ gehört zu den vielen Wörtern, die im politischen Denken der heutigen Gesellschaft herumflattern, die keine vernünftige Definition kennen, die alles bedeuten können und auch das Gegenteil, und die insgesamt eher zur Verwirrung beitragen als zur Klärung. Es ist vermutlich kein Zufall. Jeder Begriff, den diese Gesellschaft oder ihre Bestandteile zur Selbstbeschreibung verwendet, teilt diese Unklarheit.

Deswegen benutzen wir solche Begriffe nach Möglichkeit nicht. Das materialistische Wörterbuch hat bisher noch jedesmal genauere Begriffe angeboten, für deren Inhalt man sich nicht auf die Ehrlichkeit der Leute verlassen muss, die man mit ihnen bezeichnet. Ob diese materialistischen Begriffe richtig verwendet werden, erkennt man daran, dass sie Wirkung haben, d.h. Klarheit erzeugen, wo vorher keine war; und einen gegebenen Zustand als unhaltbar offenlegen, der vorher ertragen worden ist.

Falls dem Materialismus einmal solche Begriffe ausgehen, und erst dann, wird man ihn als widerlegt ansehen dürfen.

2. Was auch immer „Identitätspolitik“ einmal geheissen hat, in den letzten 10 bis 15 Jahren ist das Wort zu einem Anzeiger für das Denken einer verwalteten Welt geworden. Sie ist heute nirgendwo mehr eine Waffe in den Händen der Unterdrückten, sondern in den Händen derjenigen, die das Recht beanspruchen, zu entscheiden, wer reden darf und wer schweigen muss.

Niemand unter den Unterdrückten hat diese Macht. Wer ist denn unter den Unterdrückten ihre authentische Stimme? Sie werden ja nicht alle zufällig genau das gleiche denken. Es werden aber nicht alle gleichermassen gehört, sondern nur diejenigen, deren Stimmen Gehör verschafft wird. Von wem? Von denen, die diese Macht haben.

Nehmen wir die Palästinenser. Spricht die PFLP und ihr Umfeld, Samidoun usw., ingesamt der völkische Flügel der palästinensischen Linken für diese? Oder sind es eher Leute wie z.B. Hamza Howeidy? Diese Frage ist für einen Materialisten absurd, weil er nie auf den Gedanken käme, ihnen eine und nur eine Stimme zuzurechnen. Selbstverständlich gibt es verschiedene politische Linien in der palästinensischen Politik, und sie sind auf den Tod verfeindet wie überall sonst.

Für wen also ist dieser Gedanke nicht absurd, sondern sogar selbstverständlich? Für diejenigen, die beanspruchen, in ihrem Namen zu handeln, und die sich deshalb eine Vollmacht ausstellen lassen müssen. Sie müssen sich natürlich diejenigen heraussuchen, die bereit sind, ihnen diese Vollmacht zu erteilen. Die anderen sind natürlich Verrätesr, „tokens“, keine „echten“ Palästinenser, weil sie nicht denken und reden wie „echte“ Palästinenser.

Und das heisst nichts anderes als: man gesteht den Unterdrückten eine und genau eine Weise zu, was sie zu denken und wovon sie zu reden haben. Halten sie sich daran, werden sie immerhin gehört. Halten sie sich nicht daran, werden sie ignoriert. Es bedarf dazu gar keiner ausdrücklichen Entscheidung oder überhaupt einer aktiven Handlung, sie existieren einfach nicht, und was sie sagen, kommt nicht in Betracht.

Im Grunde geschieht hier, wenn auch nur auf der Ebene der Illusion, dasselbe, was imperiale Politik tut: für ein unterworfenes Gemeinwesen wird eine genehme Führung eingesetzt.

3. Tut „Identitätspolitik“ heute irgendwo etwas anderes? Gelegentlich müssen „Identitätsgruppen“ erst definiert werden, aber welche anerkannt werden, der Grad ihrer relativen Unterdrückung im Vergleich untereinander, und wer für sie spricht, das alles wird nicht von Unterdrückten entschieden, sondern von denen, die die Macht dazu haben. (1) Die Ausübung dieser Macht ist nichts anderes ist als eine Einmischung in die Willensbildung der Unterdrückten, und ihr Ziel ist jedesmal das gleiche, nämlich eine genehme Führung zu installieren.

Der Nutzen für die interpretierende und verwaltende Klasse ist gross. Er sichert ihnen ihre Legitimation, nämlich die Fortdauer ihres Anspruchs, jedes Übel der Gesellschaft und die Weise seiner Abhilfe bestimmen zu können.

Für die Gesellschaft insgesamt und für die gesellschaftliche Bewegung läuft die Fortdauer dieses Zustands darauf hinaus, den unterdrückten Klassen jede Möglichkeit der Selbstbestimmung zu nehmen. Alle ihre Belange werden bisher von den interpretierenden Klassen verwaltet, d.h, bewirtschaftet. Die interpretierende Klasse hat an einer Veränderung nicht das geringste Interesse. Je weniger sie in der Lage ist, die Probleme auch nur zu verwalten, desto aggressiver muss sie reagieren auch nur auf den Versuch, sie ihnen aus den Händen zu nehmen.

Was also in jedem Falle in Grund und Boden verwaltet werden muss, ist jede Art des nicht vorschriftsmässigen Denkens unter den Unterdrückten.

„Identitätspolitik“ ist heute die Form, in der die verwaltete Welt gegen unvorhergesehene Gedanken vorgeht. Sie ist daher beliebt bei den verwaltenden Klassen und denen, die es gerne wären, bis hinunter zu den Bewegungsbürokraten und den Ein-Mann-Zentralkomittees, d.h. den „linken“ Intellektuellen.

Sie haben die Welt gern übersichtlich. Was wahr und was falsch ist, ist ihnen im Kern egal, so wie es dem Verwaltungsvollzug von je her gleichgültig gewesen ist.

Alle zusammen wachen sie über die am weitesten vorgeschobene Befestigung des Feinds, das vorschriftsmässige Denken. Diese Befestigung muss und wird umgangen werden, erst dann werden andere Dinge möglich sein.

Anmerkungen

1
Sie streiten es natürlich ab. Sie werden sagen: nein, im Gegenteil jede unterdrückte Gruppe entscheidet über die Umstände ihres Kampfes selbst, und was eine unterdrückte Gruppe ist, weiss nur die unterdrückte Gruppe selbst. Diese Sätze sind völlig zutreffend, indem sie den historischen Prozess, beschreiben, der bekanntlich in Abwesenheit eines Schiedsrichters abläuft. Dass sie es aber nicht so meinen, zeigt sich, wenn man sie bittet, diese Sätze auf den Zionismus anzuwenden.

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Über „Identitätspolitik“

„Brenn“ Vorauflage

Das Magazin für aufrührerische Dichtung „B’renn“ hat seine Vorauflage zur ersten Ausgabe herausgebracht. Sie wird an Interessierte verschickt mit der Gelegenheit, Kommentare anzubringen, die in der endgültigen Auflage mit abgedruckt werden sollen.

Interessierte melden sich über die üblichen toten Briefkästen oder über das Thier.

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für „Brenn“ Vorauflage

Aufruf: Zeitschrift für aufrührerische Dichtung

Aus dem letzten Heft:

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Aufruf: Zeitschrift für aufrührerische Dichtung

Too bad, no magic, I’m afraid you’re really tragic

Ein anderes ÄUßERST wichtiges Thema, welches praktisch direkt nach den Befindlichkeiten der bereitwillig zum Staatsvorfeld degradierten ostdeutschen radikalen Linken nach den thüringischen und sächsischen Landtagswahlen kommt, ist ein aufgetauchtes Diskussionspapier der britischen Anarchisten zum Thema Szenevereinnahmung durch den sog. Queeraktivismus.

The turf war zone / the new offence

Shit wigs and steroids

Vor allem der Name „The new offence“ hat etwas unwiderstehlich sympathisches in sich. Wir haben uns schon gefragt, was aus dem Pamphlet gegen den Anarcho-Liberalismus aus dem Jahr 2018 geworden ist. Nun, hier ist es offensichtlich, das Argumentationsniveau ist erwartbar niedrig: wir sind die Arbeiterklasse und ihr seid wahlweise cocks in frocks oder soft cunts aus den Großstadtbüros. Es ist unbestreitbar billig, wenigstens bei der Bezeichnung der Opponent*Innen hätte man sich festlegen können. Wie auch immer, that‘s the spirit right now. Fühlt sich jemand berufen, es besser zu machen, macht es bitte, es ist längst Zeit!

spf

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Too bad, no magic, I’m afraid you’re really tragic

Jan Wacław Machajskis „Sozialismus und Intelligenz“

Droogs, meine Wenigkeit ist immer noch der Meinung, dass unsereiner besser und klüger über Jan Wacław Machajski (1866-1926) reden und schreiben können, dass er vor allem besseres verdient hätte als solche, jeglicher Kritik am Antiintellektualismus spottende „Nachrufe“ wie bei der „konkret“. Vielleicht tun wir das mal bei Gelegenheit. Lasst euch aber auch von Wikipedia keinen Scheiß erzählen, ein Anarchist war er nicht, er kam aus der Josef Pilsudskis Polnischen Sozialistischen Partei.

Die einzig diskutable Scherbentheorie m.E. wäre eine, die einen marxistischen Antimarxismus, einen anarchistischen Antiannarchismus und einen intellektuellen Antiintellektualismus zusammenführt. Kann sein, dass uns Machajski unter Umständen dahin verhelfen könnte. Nicht, dass ich an dieser Stelle zu pol-pot‘scher old ultraviolence gegen bücherlesende und brillentragende Menschen, aber… es finden sich in der Anarcho-Bibliothek die beiden 2008 übersetzen Kapitel aus „Der geistige Arbeiter“.

https://anarchistischebibliothek.org/library/jan-waclaw-machajski-sozialismus-und-intelligenz

Und nun, droogs, noch eine Kleinigkeit. Für meine Begriffe fehlt uns allen, um etwas glücklicher zu werden, der II. Teil von „Der geistige Arbeiter“ – eben der Teil mit marxologischer Kritik an staatskapitalistischen Auffassungen von Rodbertus und Marx selbst; auf den ersten Teil über die Evolution der deutschen (und ein bisschen der polnischen) Sozialdemokratie und die erste Abteilung des dritten Teils, wo es explizit um die russischen Sozialdemokraten (in erster Linie Plechanow – für Lenin war es damals noch zu früh, aber auch der Kropotkinkreis bekommt sein Fett weg, keine Sorge) geht, kann man m.E. heute getrost verzichten. Vielleicht würde es das Gesamtwerk Machajskis seines wichtigen Hintergrundes berauben: der damalige Streit zwischen allen möglichen revolutionären Richtungen ging darum, ob in Russland der Sozialismus ohne eine umfassende vorhergehende kapitalistische Modernisierung überhaupt gelingen kann. Plechanow sagt das, Kropotkin sagte dies, Machajski war der Meinung, dass sie auf die jeweils unterschiedliche Weise dasselbe sagten: Nein, kann nicht, aber nur wir kennen den besseren Weg (nur für uns, versteht sich). So viel sei an dieser Stelle verraten. Aber ist es wichtig, droogs, will das jemand lesen?

Also, die Hälfte des Jobs ist erledigt. Wer kann und traut sich, die andere, weit schwierigere, weil marxologische Hälfte anzugehen?

-spf

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Jan Wacław Machajskis „Sozialismus und Intelligenz“

Würzburg 10.9.: Clemens Schimmele

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Würzburg 10.9.: Clemens Schimmele

Eine Anmerkung zum Begriff des Ekels

[Hmm, ein etwas in Vergessenheit gefallenes Artikelchen aus dem Heft#11, 2016. Da die Anlässe dazu immer noch gegebn sind, wird es hier nachgeschmissen in der Hoffnung, das der Autor nichts dagegen hat. Enjoy. – das GT]

von David Ricard

„Donald Trump, der skurrile Liebling der Hardcore-Republikaner, könnte mit seinen ekligen Parolen locker bei Pegida mitmarschieren.“

— Jörg Quoos, Berliner Morgenpost, 25.10.2105

„Die Bürger würden ein strengeres Vorgehen indes befürworten: ’Es ist eklig, wenn die Straßen voll von Zigarettenstummeln sind‘, beschwert sich die 18-jährige Katharina Rüderbei einer LN-Umfrage in Lübeck.“

— ln-online.de, 7.10.2015

„Sie sind eklig zu bespielen, ein unangenehmer Gegner. Es wird ein Kampfspiel werden.“

— liga3-online.de, 23.10.2015

Völlig verschiedene Szenen. Einmal rümpft sich Jörg Quoos über Donald Trump die Nase und gibt zu verstehen, dass seine Parolen so eklig seien das er bei Pegida sich einreihen könnte.* Eine 18-jährige beschwert sich über weggeworfene Zigarettenstummel auf der Straße, sie empfindet diese als eklig. Ein Fußballspieler rechtfertigt einen harten Zweikampf, nennt ihn eklig. Völlig beliebige Situationen, die nur eint den Ekel vor etwas zu empfinden.

Was ist denn überhaupt eklig? Oder besser: Was kann überhaupt Ekel hervorrufen? Scheinbar kann der Ekel an beliebig vielen Objekten erfahren werden. Man findet Neonazis so eklig wie man als Kind Gemüse eklig fand. Es fällt auf, dass den Ekel immer noch etwas anderes stillschweigend begleitet. Die Sache, die ein Ekel erzeugt, muss auch gebändigt werden. Der Fußballspieler weiß, wenn er sagt, dass es eklig wird, dass er durch den Schiedsrichter bestraft zu werden droht. Wenn sich die Frau über weggeworfene Zigarettenreste beschwert, fordert sie gleichzeitig höhere Bußgeldstrafen. Und wenn Jörg Quoos die Parolen eines Donald Trump eklig findet und ihn der Pegida-Bewegung zuordnet, dann weiß er, dass Pegida nicht restlos gesellschaftlichen Rückhalt genießt und möchte Trump diskreditieren.

Eine Sache eklig zu nennen, fordert also auch nach Strafe oder Züchtigung. Doch wer soll die Strafe eigentlich durchsetzen? Es ist auffällig, dass dabei gar keine Institution, so sinnfrei es ist, explizit angerufen wird. Trump soll der Mund verboten, auch sollen härtere Strafen gegen ’Umweltverschmutzer‘ gefunden werden. Weiterlesen

Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Eine Anmerkung zum Begriff des Ekels