Die nächste Krise XXIII

Die Krise des chinesischen Grundstücksmarkts setzt sich wie angekündigt als Krise der chinesischen Kommunalfinanzen fort:

According to S&P rating, the direct debt of local governments has exceeded 120% of their revenue. The tactic that this has resulted in is local government financing vehicles (LGFV). The ground reality of such a debt financing tool is that the government is borrowing money from citizens on WeChat in amounts as low as 10,000 yuan in order to get around the fact that banks will not lend to them anymore.

Und auch deren Fortsetzung als Krise der chinesischen Staatsfinanzen schreitet voran:

“How Beijing responds to the first city or province to default on publicly traded bonds or other obligations will determine the scale of the market contagion that will result,” he said.

Die Krise tritt im Anlagegüter-Markt zwar zuerst zutage, aber sie trifft in Wahrheit den ganzen kapitalistischen Kreislauf. Schliesslich äussert sie sich offen als Preisverfall:

Prices are stagnating or falling in China despite the fact that the People’s Bank of China (PBOC) has been cutting interest rates and pumping cash into the financial system to bolster the economy, and despite the removal of strict Covid control measures late last year.

Die Bodenpreise im Westen haben ebenfalls nachgegeben und werden dies noch weiter tun; dazu ein anderes Mal. Interessanter ist ein anderer Markt, der nahezu unerschütterlich aussah, nämlcih „Tech“. Die nach Marktkapitalisierung grössten Unternehmen der Welt sind im Grunde nichts als aus der Form gelaufene Werbeagenturen; man sollte nie glauben, dass solche Zustände auch unter der bestehenden Wirtschaftsordnung „normal“ sein oder werden können. Diese Zustände sind definitv Material der kommenden Krise.Interessante Neuigkeiten:

Investors’ reaction to Amazon’s earnings calls into question whether the recent gains are sustainable. It shows that if the growth outlook worsens, stocks can fall—even in the face of cost cutting. … Valuations relative to growth remain elevated. Big Tech stocks are trading at 20 times to 70 times 2023 earnings while growing at single-digit rates—not a good combination for future returns. … Eventually investors have to face another reality: There are downsides to laying off staff and reducing expenditures. When a company slashes its sales force, it limits the ability to generate future revenue.

Die Revenue, die hier fliesst, kommt aus dem Anzeigenmarkt. Es gibt unterschiedliche Beispiele für eine scharfe Abnahme. Neuerdings ist diese auch bei Google und Facebook angekommen. Sie kann dort ungeheure Folgen haben.

Die Krise wird ans Licht bringen, in wie vieler Hinsicht die gegenwärtige Ordnung der Dinge auf Sand gebaut ist.

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Aus der Geschichte der Arbeiterbewegung: Fürth b. Nürnberg

Man glaubt es nicht, aber auch das Rentnerparadies Fürth, das bereits zum unfassbaren 19. Mal die sicherste bayrische Großstadt geworden ist, hat seine unruhige Geschichte. Sie ist allerdings so, dass es klar wird, warum Fürth (und nicht nur) so ist wie es ist. Die unruhige Geschichte ist wiederum jener Irrsinn, den die Menschen miteinander treiben, wenn sie sonstwohin wollen, Hauptsache raus aus dem Zeug, in dem sie sich gerade vorfinden. Die Geschichte setzt sich, kurz gesagt, aus den Geschichten unruhiger Menschen zusammen, woraus den sonst?

Am 14. Juli 1789 geschah der Bastillesturm. Zur Hunderjahrfeier dieses Ereignisses veranstalteten die Franzosen 1889 eine großartige Weltausstellung. In der Erwägung, dass man stets das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden soll, verlegte auch die sozialistische Internationale ihren fälligen Kongress nach Paris. Ein großer Teil dieser Tagungen wurde damals mit den Streitigkeiten um die Zulassung der Anarchisten ausgefüllt. Die parlamentarischen Sozialisten wollten Abstand halten von den Anhängern der direkten Aktion und der Propaganda der Tat. Man schloss diese aus, aber die Anarchisten ließen sich das nicht gefallen, fielen über die sozialdemokratischen Kongressteilnehmer her und verprügelten sie so, dass sie die Flucht ergriffen. Auch er, erzählte mir Martin Segitz, der Delegierte von Fürth, habe einige Hiebe abbekommen. Grillenberger von Nürnberg sei einer der wenigen gewesen, die sich zur Wehr gesetzt hatten. Aus diesem Kongress wurde der Beschluss gefasst, den 1. Mai als den Tag des internationalen Proletariats zu feiern. (…)

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Aus dem Amerikanischen

Und da heisst es immer, die deutsche Debatte würde nirgendwo rezipiert. Folgende Bleiwüste treibt uns Altgedienten die Tränen des Neids in die Augen; „so bunt haben wirs nie getrieben“ (Schiller, Räuber, IV,5). Das hier ist locker noch unlesbarer als alles, was unsre Schule je hervorgebracht hat.

Bemerkenswert sind die empörten Antworten darauf, die genau das ausdrücken. Vielleicht ist das ja ein genialer neuer Live-Hack, mit dem man Reichweite generiert? Freuen Sie sich also auf „Staat und Revolution“ in 250 unformatierten Textkacheln!

Wer an einer Rückübersetzung dieses Textes ins Antideutsche mithelfen will, melde sich bitte bei uns! Es winken tolle Preise, z.B. ein lebendiger Allosaurus.

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Buchbesprechung: Rona Duwe

Rona Duwe:
Mutterwut – Muttermut,
Fundamente und Anstoss für die Revolte der Mütter,
2021 (Selbstverlag)

Dieses Buch unserer akademisierten und auf eifersüchtige Sekten verteilten Linken zu empfehlen, ist keine einfache Aufgabe. Die heutige Linke hat, sehr zu ihrem Schaden, eine „instinktive Abzirkelung“ gegen diese Art Literatur. Sie zeigt damit, dass sie sehr wohl den Hauptpunkt daran versteht: sie ist nicht gemeint. Sie ist nicht angesprochen. Angesprochen sind Leute, die, wie man es gewöhnlich nennt, „mitten im Leben stehen“; arbeitende Leute, denen in der Regel niemand zuhört und deren Belange nicht zählen. Die Botschaft aber, die es diesen Leuten bringt, ist Donner. Die Linke ist den Donner heute nicht mehr gewohnt. Sie tut gut daran, zuzuhören und zu lernen.

Unsere Gesellschaft hat sehr subtile Mechanismen, mit denen sie reguliert, welche Stimmen gehört werden und welche nicht; welche Anliegen wichtig sind und welche nicht. Diese Mechanismen funktionieren über die meiste Zeit, aber zu gewissen Zeiten brechen sie zusammen. Ein Buch, das im Selbstverlag erscheint, sendet den Gebildeten das Signal: hier ist vorsortiert, und zwar in die Kategorie belanglos. Ein Buch, das sich an Mütter richtet, sendet ebenfalls das Signal: belanglos. Diese Mechanismen sind Verlängerungen der Herrschaft. Solange sie funktionieren, halten sie effizient die Unteren unten, und die Ausgeschlossenen draussen.

Es gibt aber Zeiten, in denen die Verhältnisse wanken. Wer Veränderung will, tut gut, dran, auf die Zeichen zu achten. Es gibt Zeiten, wo sich Gewitter zusammenbrauen. Unsre ist eine davon. Wer Ohren hat, das ist unser Vorschlag, tut gut dran, zu hören.

1.
Ich kann nicht beurteilen, ob die Corona-Zeit den endgültigen Ausschlag gegeben hat, dass Rona Duwe ihr Buch geschrieben hat. Ich selbst habe über diese Zeit geschrieben: „Man weiss jetzt ganz genau, was die Belange der Frauen und der Kinder in dieser Gesellschaft zählen. Im Grunde sind 50 Jahre Frauenbewegung für die Katz gewesen. Was ihnen zugestanden worden ist, ist entweder symbolisch oder jederzeit widerruflich. Will man sich noch Illusionen machen?“, und ich kenne keinen, der mir widersprochen hätte. Was für Schlüsse sind daraus gezogen worden?

Und: „wo ist nicht überall zu spüren, dass die Freiheit und Gleichheit, die versprochen war, nur auf Widerruf und nur zu Bedingungen der Männer gewährt worden ist? … Die Antwort ist zu suchen eingebettet in den Alltag, in den Dingen, über die man nicht spricht, weil sie nicht als wichtig gelten. Es gibt gar kein spezialisiertes Wissen, das das heute dort heraussuchen kann. Alles spezialisierte Wissen kann immer nur die wirkliche Erfahrung zu ersetzen versuchen durch synthetisches, aus dem Verstand gewonnenes Wissen. Was gebraucht wird, ist dagegen massenhaftes Bewusstsein, und dessen Lebenselement ist die freie Erörterung aller der Dinge, die alle für sich selbst schon wissen und über die man nicht spricht.“

Ich habe über den Castoriadis geschrieben, mit Bezug auf dessen Forderung: „„Die revolutionäre Bewegung sollte als das erscheinen, was sie wirklich ist: eine umfassende Bewegung, die sich mit allem befasst, was Menschen in der Gesellschaft tun und erleiden, und vor allem mit ihrem täglichen Leben“, S. 306. … In der Gesellschaft der Männer ist immer so getan worden, als ob die Grundtatsachen dieser Gesellschaft nicht „wirklich wichtig sind“. …. Das gesellschaftliche Bewusstsein hat Simulationscharakter, seit es die Herrschaft der Männer gibt.“

Alles, was ich zu alledem gehört habe, war einverstandenes Kopfnicken. Rona Duwes Buch ist nicht so widerstandslos hingenommen worden. Aber auch nicht so folgenlos. Das kommt, weil selbst unsre aufrührerischsten Texte sich immer noch in einem zulässigen, weil harmlosen Rahmen bewegen. Wenn zwei das gleiche tun, ist es noch lange nicht das selbe; wie im Mittelalter macht es einen Unterschied, ob man die Sache einer toten Sprache sagt, wo sie niemand versteht, oder ob man geht und den gefährlichen Klassen predigt. Ich selbst habe zwar meistens das erster getan, aber empfehle unbedingt letzteres; es ist viel nützlicher. Der Beweis ist der, dass man nur für letzteres auf dem Scheiterhaufen landet.

2.
Rona Duwe besitzt den historischen Sinn, der unserer heutigen Linken völlig abgeht, dass sie gleich nach dem Abschnitt über die neueste Zeit, die von Corona, „eine Ferne der Vergangenheit und eine der Zukunft“ (Jean Paul) blendet. Wo kommt das alles her, und wie sähe eine Gesellschaft aus, in der Mütter und ihre Belange nicht an den Rand der Gesellschaft, sondern in ihrem Zentrum stünden? Und unsre Gecken von linken Studenten werden sich darüber natürlich mokieren, weil sie in ihrem Leben nichts biedereres kennen als Mütter. Das kommt, weil ihr Erfahrungshorizont über ihre eignen mommy issues nicht hinausgewachsen ist. Diese Unreife unsrer Studenten ist unvermeidlich; dass die Linke heute von diesen dominiert wird, wäre dagegen (vielleicht) vermeidlich gewesen.

Unsere Gesellschaft ist patriarchal, in einem ganz merkwürdigen Sinn; nicht (mehr) in dem konzentrierten Sinn, dass das Gesetz die Herrschaft der Männer noch ausdrücklich festschriebe, sondern in einem diffusen Sinn. Dieser Sinn ist unter dem Aspekt des herrschenden Liberalismus fast nicht greifbar, weil der herrschende Liberalismus diese diffuse Gestalt des Patriarchats selbst ist. Der Trick besteht darin, dass, was als selbstverständliche Freiheit, Persönlichkeit, Subjektivität allgemein anerkannt ist, nach dem Mass der Männer gebildet ist; dass selbst der (bisher noch) vorherrschende Zweig des Feminismus ein andres Ziel nicht mehr kennt, als die sogenannte Gleichstellung, das heisst die Angleichung der Stellung der Frauen an die der Männer.

Solche Gleichstellung wird natürlich eine Gleichstellung zu den Bedingungen der Männer sein, d.h. die Frauen werden gezwungen sein, von allem an sich zu abzusehen, was darein nicht passt; aber weil die so verstandene Idee der Gleichstellung ihnen als der realistischste Ausweg aus ihrer Misere erscheint, werden sie, so gut sie können, alles tun, um wenigstens diese eingeschränkte Perspektive zu erhalten.

Damit ist der andere Weg, dass nämlich die Gesellschaft ganz und gar umgekrempelt werden muss, zuerst einmal abgeschnitten. Der Feminismus der letzten zwanzig Jahre ist in dieser Lage ebenso gefangen gewesen wie die Linke der letzten zwanzig Jahre insgesamt. Der Weg war ein Irrweg, in beiden Fällen. Not tut, neu anzufangen; und die Anfänge dazu sind gemacht.

3.
Die Linke versteht heute eines nicht mehr, und muss es wieder lernen, was unser aller Lehrer Marx gut gewusst hat. Wir sind ja bekanntlich orthodoxe Marxisten, gerade so, wie unser aller Lehrer Bakunin uns gesagt hat, dass wir sein sollen.

Und zwar: der Umsturz der herrschenden Ordnung ist mit ihrer Unwahrheit verbunden, die Unwahrheit wiederum mit ihrer Geschichte. Beides, das Bewusstsein der Wahrheit und den historischen Sinn, hat die revolutionäre Bewegung besessen, als sie noch eine Bedrohung war.

„Der Umsturz des Mutterrechts war die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts. Der Mann ergriff das Steuer auch im Hause, die Frau wurde entwürdigt, geknechtet, Sklavin seiner Lust und bloßes Werkzeug der Kinderzeugung. Diese erniedrigte Stellung der Frau …ist allmählich beschönigt und verheuchelt, auch stellenweise in mildere Form gekleidet worden; beseitigt ist sie keineswegs. … Marx setzt hinzu: „Die moderne Familie enthält im Keim nicht nur Sklaverei (servitus), sondern auch Leibeigenschaft, da sie von vornherein Beziehung hat auf Dienste für Ackerbau. Sie enthält in Miniatur alle die Gegensätze in sich, die sich später breit entwickeln in der Gesellschaft und in ihrem Staat.“ “ (Engels, Ursprung der Familie. MEW 21, 61)

Wer sich so eine Einsicht austreiben lässt, muss uns nichts mehr von Materialismus erzählen.

Dass Marx und Engels aus der explosiven Wahrheit, die hier ausgeprochen worden ist, nicht entfernt ausreichende Schlüsse gezogen haben; dass die Marxisten sie wie jedes wahre Wort, das Marx gesprochen hat, später verleugnet haben, das muss uns hier nicht kümmern. Die Marxisten haben es damit bezahlt, dass sie in den 1970ern in den unausweichlichen Debatten mit der 2. Frauenbewegung jedesmal Unrecht gehabt haben. Wir wollen nicht der Asche folgen, sondern der Flamme, und wir werden die Flamme dort aufsuchen, wo sie sich zeigt.

4.
Die Lage der Frauen ist für die Ordnung dieser Gesellschaft grundlegend; ihre ganze Ordnung beruht auf ihr. Ob diese Ordnung bestehen kann, hängt davon ab, dass das niemals ganz zu Bewusstsein kommt. Und diese Lage der Frauen kommt ganz alleine daher, dass diese es sind, die die Kinder gebären; und die mit diesem Kindern auf eine elementare Weise danach verbunden sind.

Es war gerade diese von den Alten viel besungene Mutterliebe, die den Schlüssel für die Ausbeutung der Frauen gibt. In der alten Gesellschaft, unter dem direkten, ausgesprochenen Patriarchat ist es das Recht des Vaters an den Kindern, das ihm die faktische Macht über die Mutter gibt, selbst wo die Mutter als freie Person rechtlich noch gefasst ist. Unter der modernen, liberalen Form tut die abstrakte Gleichheit dieselbe Arbeit: es ist ja jedes Menschen freie Wahl, ob er affektiv an jemanden gebunden ist, dass er ihn nicht alleine lassen kann.

Über derartige Privatangelegenheiten lohnt es sich kaum zu reden, ausser dass eine derart verfasste Gesellschaft schon an ihrer Wurzel derart unmenschlich, barbarisch, grausam, kalt sein muss, dass ihn ihr alles, buchstäblich alles andere an Scheusslichkeiten nicht nur möglich, sondern unvermeidlich ist.

Im Geschlechterverhältnis liegt der Ursprung aller Herrschaft und Ausbeutung, und es besteht keine Hoffnung auf ihre Abschaffung, wenn sie nicht in diesem Ursprung aufgesucht werden. Die Befreiung der Frauen ist also die notwendige erste Bedingung der allgemeinen Befreiung; nicht, wie die Marxisten jetzt eineinhalb Jahrhunderte gepredigt haben, ihre letzte Frucht.

Insgesamt also nichts, was wir nicht wussten, ausser dass wir nicht darüber zu reden pflegen. Mutterschaft, gerade weil sie in der Tat die Gesellschaft zusammenhält, zieht eine ganz ungewöhnliche Sorte Verachtung auf sich. Selbst der sentimentale Kitsch der Konservativen drückt nichts anderes aus als Verachtung. Dass das Verhältnis der meisten zu ihren Eltern unheilbar zerstört ist, tut ein übriges; wie kann es auch anders sein? Aber auch darüber wird nicht geredet, und worüber geschwiegen wird, das gärt im Verborgnen um so schlimmer.

Vom Begriff des Menschen ist seine Bedürftigkeit, und seine Sorge um andere wie abgespalten; einen solchen verkümmerten Begriff vom Menschen, der nicht einmal eine Abstraktion ist, muss eine solche Gesellschaft allerdings unbedingt haben. Ohne einen solchen reduzierten Begriff vom Menschen sind Dinge wie Privateigentum und Staat nicht nur Ärgernisse, sondern schlechterdings Gewalttaten an der Gesellschaft.

5.
Die konservative Lüge über die Mutterschaft aber, ganz genauso wie ihre neuesten liberalen Ebenbilder, hat natürlich die Funktion, genau diese Abspaltung zu vollziehen, als natürlich erscheinen zu lassen, das heisst die Lüge wahr zu machen. Die unterschiedlichen Fraktionen des Patriarchats treffen in diesem Punkt zusammen; so dass ihre Lügen sich gegenseitig stützen. Jede Fraktion spricht nur die eine Hälfte der Lüge aus, so dass jede Wahrheit, wenn sie bloss teilweise gesagt wird, von der anderen Fraktion angeeignet werden kann.

Auch dieses Verfahren funktioniert immer eine ganze Weile, ehe es nicht mehr funktioniert. Es muss also natürlich unter den modernsten, d.h. idiotischsten Angehörigen unsrer Gesellschaft versucht werden, jemanden wie Rona Duwe zu einer Konservativen umzulügen.

Dieses Völkchen kennt einen revolutionären Gedanken nicht, und wenn er sie beim Kragen hätte. Rona Duwe hat im Gegenteil den sozialrevolutionären Nerv am Feminismus auf eine Weise getroffen, wie niemand in diesem Land seit 30 Jahren. Glaubt nicht mir! Glaubt euren Augen, lest sie selbst.

Und denkt euch, zu wem ihr Buch spricht. Wem es aus dem Herzen spricht. Wem es zum Bewusstsein ihrer Lage hilft, wem die historische Würde wiedergibt der zu Unrecht beleidigten, geknechteten, niedergetrampelten, und dann berechnet die Summe jedes einzelnen Unrechts, und schätzt ab, was los ist, wenn der Zahltag kommt.

Das sind Leute, mit denen man sich nicht anlegt, wenn man alle seine Tassen im Schrank hat. Und wenn man darüberhinaus ein sogenannter Linker ist, sind das Leute, denen man seine Solidarität schuldet.

6.
Rona Duwe gehört zu einer neuen Welle des Feminismus; wenn man sich auf die offizielle Zählung verlässt, müsste es die vierte sein, und wie jede Welle, die der Zählung wert ist, ist diese zunächst einmal reines Teufelswerk. Jede dieser Wellen, ja die Frauenbewegung im Ganzen versündigt sich gegen den ganzen Geist dieser Gesellschaftsordnung, und jedenfalls gegen einige ihrer geheiligten Lebenslügen.

Und eine der Lebenslügen jedenfalls der liberalen Hälfte dieser Gesellschaft ist die „Inklusivität“. Diese ist ein Unterfall der allgemein neuerdings ausgebrochenen „Buntheit, Vielfalt und Weltoffenheit“, mit denen das Bürgertum heute seine langweilige, engherzige und parasitäre Existenz beschönigt. Es geht, grob gesagt, hier um zwei Dinge.

Erstens darum, die Spuren der geschlechtlichenn Ausbeutung zu verwischen; es soll nur die Rede sein von der freien Entfaltung, und zwar der freien Entfaltung derjenigen Abstraktion, zu der man die Menschen heruntergebracht hat. Diese Gesellschaftsordnung ist nicht in der Lage, ihr Versprechen einzulösen, dass sie auf nichts anderes als Freiheit und Gleichheit aufgebaut ist; sie muss daher ihre Zuflucht nehmen zur Lüge, und zur Gewalt. Daher der Hass: es geht um nichts anderes als darum, ob diese Gesellschaft und die spezifische Art, wie ihre „Freiheit“ aussieht, irgendetwas taugt oder aber der reine Betrug sind. Sie taugt aber nichts. Es muss deswegen eine neue her.

Und zweitens darum, damit zu zeigen, nicht nur dass man ein guter Mensch ist, sondern ein besserer Mensch als andere. Auf diese Weise haben immer die Staatsklassen und die, die es werden wollten, ihre Existenz und ihre Herrschaftsrechte begründet; was wir heute sehen, ist nur die moderne Form. Dieses Spiel beginnt man schon zu durchschauen, aber das „fortschrittliche“ Bürgertum, das es spielt, hat zu viel gesetzt, um es bald zu unterlassen. Es wird mit dem Spiel untergehen; vielleicht erst mit dieser Gesellschaftsordnung.

Wer die Sache der Frauen so kräftig vertritt wie Rona Duwe, hat jedenfalls die Pflicht, mit diesen Dummheiten in Konflikt zu geraten. Wer glaubt, dass diese liberale Hälfte unserer Gesellschaft urplötzlich jede Spur der Scheinheiligkeit und Heuchelei abgelegt hat, die unserer Gesellschaft ansonsten ihr charakteristisches Aussehen verleihen, der soll es ruhig glauben, an solchen ist nicht viel verloren. Aber natürlich ist dieser Gesellschaft die Sache der Transsexuellen im Kern so egal wie die aller anderen. Diese Sache eignet sich einstweilen hervorragend dazu, die Rechtfertigung abzugeben für die derzeitige Verfolgung der Frauenbewegung.

Wir, die sich zur LBGT-Bewegung zu zählen haben, haben an dieser Hetzjagd, wie sie z.B. letztes Jahr gegen Marie Vollbrecht geführt wurde, nicht nur keinerlei Interesse; sondern wir sehen die Gefahr. Die Absurditäten, zu denen sich diese Gesellschaft versteigt, während sie versucht, die unabweislichen Forderungen der 4. Frauenbewegung zu ignorieren, werden auch auf uns zurückfallen. Der beste Teil der Linken hat es schon begriffen; aber nur wenige hatten gleich den Instinkt, denen zu Hilfe zu kommen, die in diesem Kampf in der ersten Front stehen.

Rona Duwe lässt keinerlei Zweifel daran, dass sie jedem sein Leben gönnt, wie er es will; aber ebensowenig daran, dass die Grenzen der Frauen unverletzlich sind. Und sie verweigert rundheraus, dass die Frauenbewegung für anderer Leute Probleme zuständig ist, als die der Frauen, also z.B. für unsere. Und Recht hat sie. Zuständig ist die LGBT-Bewegung selbst.

Sind ihre Ideen „transfeindlich“? Sie sind definitiv feindlich gegen die extremistischen Ideen und Praktiken der heutigen „queeren“ Aktivisten-Szene. Nun, das sind wir auch. Anscheinend noch mehr Empörung erzuegt es, dass sie keinen Spass versteht, was die Sexualisierung von Kindern angeht. Auch dabei findet sie meine volle Billigung, und die Schwierigkeiten, die ihr deswegen gemacht werden, sollten Anlass zu einer breiteren Solidarität sein.

Man soll mir ruhig aufgebauschte und aus dem Kontext gerissene Zitate unter die Nase halten. Die Debatte hat ein Mass der Bitterkeit erreicht, wo man das bei jeder Seite leicht kann. Ewig wird man sich nicht hinter Worten verstecken können, einmal wird man die Tatsachen sehen müssen. Auch innerhalb der LGBT-Bewegung wird man sich daran zu gewöhnen haben, dass die Lösung des Konflikts, und der Schlüssel zu einer Besserung der Lage, auf dem Boden des radikalen Feminismus, und im Bündnis mit diesem zu finden ist, und nirgendwo sonst.

7.
Diese Auskunft wird wohl denen unter unseren Freundinnen und Freunden nicht reichen, die nach wie vor auf die verbrauchte Sache des Queerfeminismus schwören. Aber, wenn ich fragen darf, was habt ihr denn anzubieten? Umgekehrt: in einer Gesellschaft, die nach den Prinzipien eingerichtet wäre, wie Rona Duwe sie beschreibt, was würde euch (und uns) fehlen, könnt ihr es benennen? Umgekehrt beginnen wir zu begreifen, was wir und ihr von euren Prinzipien zu erwarten haben, und es scheint mir, dass es euch allmählich so wenig behagt wie uns.

Ich selbst werde dem Queerfeminismus der 1990er nicht sein subversives Potential absprechen. Dazu kenne ich ihn zu gut und habe zuviele seiner Illusionen geteilt. Ob die Bewegung, die sich heute so nennt, noch subversives Potential hat, will ich selbst auch gar nicht beurteilen. Ich sehe es zwar nicht mehr; aber was heisst das. Wenn es da ist, soll es sich beweisen! Und zwar ist dieser Beweis damit zu führen, dass man in der Lage ist, produktiv mit der Herausforderung umzugehen, die Rona Duwe ihnen entgegenwirft.

Seid ihr mehr als eine abgelebte politische Kraft, die nur heute noch einstweilen am Leben gehalten wird von dem Bündnis mit der Staatsmacht, das ihr eingegangen seid? Seid ihr in der Lage, ihr etwas entgegenzusetzen ausser euren dümmlichen Kundgebungen? Habt ihr Gründe, habt ihr Ideen von der Sorte, die ansteckend sind? Habt ihr, mit einem Wort, noch Subversion in euch? Wenn aber nicht, dann hat eurer Bewegung die Stunde geschlagen.

8.
Ich will noch ein paar Bemerkungen loswerden im Hinblick auf die jetzige Theorie und Praxis der Linken. Lasst mich, ihrer grossen Würde halber, mit der Theorie anfangen. Es ist beides am Arsch, und wer das nicht weiss, weiss nicht viel. Ich würde das als das einzige Kriterium aufstellen, wer zur Linken gehört und wer nicht. Wer das tiefe Gefühl des Ungenügens kennt, wem schmerzhaft klar ist, wie sehr wir unterhalb des Niveaus der Verhältnisse arbeiten, wer das Bedürfnis nach einem Neuansatz fühlt, wie man Zahnschmerzen fühlt, nämlich als erstes beim Aufwachen und als letztes vor dem Einschlafen: gehört zur Linken. Wer der Ansicht ist, dass doch alles super ist: nicht.

Oder noch nicht; es kann ja noch werden! Dieses Gefühl, namentlich das zahnschmerzartige, stellt sich in der Regel erst nach ein paar Jahren Zugehörigkeit ein. Zuerst kommt die Einsicht, dass man es nur mit Bekloppten zu tun hat. Dann kommt die Einsicht, dass alle anderen das auch wissen. Dann zählt man 1 und 1 zusammen und stellt fest, dass man offensichtlich von den anderen Bekloppten sich nicht unterscheidet. Dann verlässt man die Linke entweder, oder man wird zäh und bleibt. Die Linke ist deswegen heute vor allem eine Bewegung der unbedarften Jugend und einiger weniger grimmiger hartgebackner Alter, die entweder zynisch oder opportunistisch geworden sind. Ich bin abgeschweift.

Zurück zur „Theorie“. Die Marxologen wissen allerhand zu sagen über unsre Gesellschaft „ihrem Begriffe nach“. Namentlich finden sie, dass alle gesellschaftlichen Begriff sozusagen auf dem Kopf stehen. Man sehe z.B. bei Reichelt, Logische Struktur des Kapitalbegriffes bei Marx, wie oft da das Wort Verkehrung oder Verdoppelung vorkommt. Warum diese Gesellschaft diese verrückte Beschaffenheit hat, wissen sie nicht. Es ist auf dem Untersuchungsgang des „Kapital“ auch nicht aufzufinden. Marx hätte Abhilfe schaffen können, aber hat es nicht getan; der historische und logische Grund dieser Verrückheiten ist nichts anderes als das Patriarchat, der Unterbau für die Gesellschaft der Ware und des Staats.

Dass dem Castoriadis hätte geholfen werden können, haben wir schon angedeutet; der hatte sich gefragt, worin sich die Fähigkeit dieser Gesellschaft gründet, von den wichtigen Dingen gerade nicht zu reden, oder vielmehr ihre Unfähigkeit, von den Dingen, die sie unmittelbar betreffen, zu reden. Sie gründet in dem Interesse der Männer, selbst der proletarisierten. Dasselbe gilt für die Situationisten, die die Revolution des alltäglichen Lebens zwar ausrufen, aber nicht führen konnten. Sie waren die falschen Leute dazu und hatten die falschen Ideale.

Es haben deswegen alle Revolutionen immer bei den Frauen ihren Ausgang genommen, und sind nur solange siegreich gewesen, bis die Frauen aus der ersten Reihe wieder verdrängt worden sind.

Es wird einiges neu zu justieren sein, namentlich bei unseren Freunden des Aufstands und der Unmittelbarkeit, aber sie dürfen sich trösten; ihre gesellschaftlichen Begriffe werden nur vom Kopf auf die Füsse gestellt, die alten Prophezeiungen bleiben trotzdem wahr.

9.
Und nun zur Praxis. Mir ist zu Ohren gekommen, dass einige Leute seit Jahren ergebnislos einen Frauenstreik zum 8. März planen. Auch dieses Vorhaben hat meine volle Zustimmung. Aber wie wollt ihr das denn machen, ohne von der Materie offen zu reden, für die ein Frauenstreik steht?

Ich behaupte, dass unter „eurem Feminismus“ über diese Dinge gar nicht mehr gesprochen werden kann. Und ihr hattet jetzt ausreichend Zeit, das Gegenteil zu beweisen. Ihr werden sagen, dass ich darüber nicht viel zu reden habe, weil ich ein Mann bin; aber erstens sehe ich nicht ein, warum über den Feminismus nicht gesagt werden soll, was über den ganzen Rest der Linken gesagt werden muss, dass sie nämlich beide heute keine Zähne haben, dass sie sich keine Feinde machen und deswegen keine Freunde, dass sie derzeit in den Händen derer sind, die von den Unterdrückten zwar reden, aber ihr Leid benutzen, um das Privileg der studierten Mittellklassen abzustützen.

Die studierte Mittelklasse, wenn sie so vorgeht, soll von mir aus zur Hölle gehen; die Zeit, wo wir uns euch fügen, ist vorbei. Diese Klasse soll ihre Rolle in der Bewegung haben, aber nicht in der Führung. Und mittlerweile sind jedenfalls genug Frauen aufgetreten, und genugsam wütende, die euren Alleinvertretungsanspruch wackeln lassen. Ihr werden mit den alten Tricks nicht mehr durchkommen. Irgendwann werdet ihr euch distanzieren müssen von den Leuten, die vor Rona Duwes Auftritten demonstrieren, vor Marie Vollbrechts und übrigens meinen eignen; und sobald ihr niemandem mehr habt, dem ihr noch etwas vormachen könnt, werdet ihr gründlich nachdenken müssen. Warum also nicht gleich jetzt?

Was eure eigne Agitation betrifft, sehe bei euch immer und immer wieder dasselbe: es werden einige allgemeine Redensarten aussen an das volle queerfeministische Programm drangeklebt. Das wird nicht reichen. Sicher, ihr könnt immer sagen: ja, aber dieses und jenes fordern wir doch auch! Nur glaubt es euch niemand, weil ihr überdeutlich das Signal sendet: wir fordern das nur notgedrungen, uns interessieren eigentlich ganz andere Dinge.

Schon eure Flyer, mitsamt dem Sternchen und dem ganzen Buchstabensalat, sagen allen, wessen Interessen ihr höher ansetzt. Ich weiss, ihr sagt, dass es einen Gegensatz der Interessen gar nicht gibt. Interessanter Standpunkt! Was also hindert euch dann z.B. daran, Rona Duwe zum nächsten 8. März als Rednerin einzuladen? Oder aber es gibt diesen Gegensatz doch, und dann seid ihr für einen Frauenstreik auf der falschen Seite, und andere werden kommen, die euch das Geschäft aus der Hand nehmen.

Nein, den Gegensatz gibt es, und es wird Gegensätze geben, solange die Welt steht, und das richtige ist, offen darüber zu reden. Und selbstverständlich wird ein Frauenstreik ohne die Ideen, für die heute unter anderem Rona Duwe steht, nicht gehen, und ihr wisst das.

10
Das war die Einleitung. Einen Hauptteil, in dem ich eine Übersicht über den weiteren Inhalt des Buches gebe, braucht es nicht. Man soll es selbst lesen. Es ist gut für die Augen: es gewöhnt sie an andere Literatur als die unsrer Seminarmarxisten.

Unsere Zeit ist eine Zeit der Klärung, und die derzeitige Debatte über das Geschlechterverhältnis ist nicht ihr schlechtester Teil. Man sieht, wer wo steht und wer aus welchem Holz gemacht ist. Es ist ein überraschendes Bild, das sich bietet.

Die Deutungshoheit über das Geschlechterverhältnis ist heute die Grundlage für jede gesellschaftliche Hegemonie. Um so besser, dass der radikale Feminismus zurückgekehrt ist. Ohne ihn haben gibt es keine Hoffnung auf Veränderung.

Diese Gesellschaftsordnung hat vor allem zu fürchten, dass das vergessne wieder in Erinnerung kommt. In der Tat, wie die Situationisten 1967 ausriefen, „es werden wieder andere Zeiten kommen!“

Jörg Finkenberger

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Lesenswert: „Wo stehen wir?“

Lesenswertes Papier auf anarchismus.de:

Zum Verständnis des gesellschaftlichen Kontexts, in dem die gegenwärtigen Aufbaubemühungen eines klassenkämpferischen Anarchismus stattfinden, ist der von der US-amerikanischen Feministin Nancy Fraser geprägte Begriff des „progressiven Neoliberalismus“ gut geeignet. Fraser versteht darunter eine Politik, die einerseits das klassische neoliberale Programm der Privatisierung öffentlichen Eigentums, der Deregulierung von Arbeitsverhältnissen und der Umverteilung von unten nach oben vorantreibt, es andererseits aber versteht, sich ein „progressives“, auf „Diversität“ und „Gleichberechtigung“ bedachtes Image zu geben. …
In Deutschland wurde der progressive Neoliberalismus zum ersten Mal mit der rotgrünen Schröder- Regierung hegemonial, die Hartz-4 einführte und einen der ausgeprägtesten Billiglohnsektoren Europas schuf, zugleich aber zum „Aufstand der Anständigen“ gegen rechts aufrief, sich zum Multikulturalismus bekannte und sich die Gleichberechtigung der Geschlechter auf die Fahnen schrieb….
Auf der anderen Seite wurde in Teilen der linksradikalen Szene materialistische Kritik immer mehr durch moralistische Kritik ersetzt, wodurch sie sich dem Diskurs des progressiven Neoliberalismus von Rotgrün angenähert haben. Sie sind letztlich zu wenig mehr als Anhängseln der ideologischen Staatsapparate geworden, die viele Projekte der Herrschenden der letzten Jahre faktisch unterstützt und sich dabei nur ein wenig radikaler gebärdet haben….
Eine verrückte Situation – aber wahrscheinlich ist es gerade diese Konstellation, die den jüngsten Aufschwung des klassenkämpferischen Anarchismus begünstigt hat. Im Zuge der Pandemie und des Ukraine-Kriegs hat sich allgemein das Gefühl verbreitet, dass die Welt, wie wir sie kennen, äußerst zerbrechlich geworden ist und mit jeder neuen Krise näher an den Abgrund rückt. Die derzeitige Teuerung stellt den größten Angriff auf unsere Lebensbedingungen seit Jahren dar und könnte dabei nur ein Vorgeschmack auf künftige Verarmung sein. Breiter Widerstand von unten wäre da notwendiger denn ja, aber zugleich haben wir eine vom Liberalismus durchdrungene radikale Linke, die weniger denn je in der Lage scheint, dafür Impulse zu geben. …
Die Freiheit der Rede ist keine Szeneangelegenheit. Sie ist eine Grundvoraussetzung jedes Kampfes um Befreiung. Soziale Bewegungen der unterdrückten Klasse brauchen unbedingt Orte, an denen es möglich ist, sich ungehindert über politische Interessen und Perspektiven zu verständigen, wo Widersprüche produktiv ausgetragen und auch einmal scheinbar „dumme Fragen“ gestellt werden dürfen, wo Leute nicht verurteilt werden, weil sie ein ungeschliffenes Vokabular verwenden. Wo all dies nicht möglich ist, entsteht ein Klima der Einschüchterung und des Konformismus und das ist Gift für jede emanzipatorische Bewegung.

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Auch 25.4. Jena: Vortrag

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25.4. Berlin: Kundgebung LAG Gorillas

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„Wir nannten uns Territorialverteidigung bevor es in die Mode gekommen ist“

Falls sich jemand inzwischen an die mediale Berichterstattung gewöhnt hat, es wird ja das Wetter scön, das eigene Leben muss ja auch noch weiter gehen usw., für den Fall gibt es einen kurzen hübschen Film über eine antiautoritäre TRO-Gruppe aus der Region Charkiv. Erscheckt nicht ob der Sprache, englische Untertitel sind da. Es gibt viel Interessantes zu hören – über die Funktionsweise, die Zusammenarbeit mit den regulären Militäreinheiten, über die Geschichte der Gruppe, die in die Zeit der Selbstverteidigungskräfte des Euro-Maidans reicht.

Unterstützt Solidatiry Collectives bei Gelegenheit.

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Zur Diskussion über die Grundlagen des Freiburger Materialismus

Dieser Text war ursprünglich zur Einleitung einer Broschürenfassung gedacht; wir dokumentieren hier der Vollständigkeit halber.

Freiburger Materialismus, manchmal aus Marxismus-Mystizismus, ist unter linken Intellektuellen die akzeptierte Spottbezeichnung für die im Umkreis des ISF vertretene Sorte der kritischen Theorie. Niemand weiss aber, was das ist, vielleicht noch nicht einmal die ISF so ganz genau. Trotzdem fällt es einem dann üblicherweise ganz genau wieder ein: eine Sorte anti-philosophischer Philosophie, auf der einen Seite wie bessessen von den abstraktesten Fragen der Logik, die sie auf der anderen Seite in die unmöglichsten Paradoxien zu steigern liebt; und die dann ernsthaft behauptet, aus diesen Paradoxien bestehe die historische Realität.

Unter wohlmeinenden Leuten werden solche Dinge natürlich nicht vertreten. Der Materialismus der wohlmeinenden Leute ist da besonnener. Kopfschüttelnd bemerken sie, dass die Freiburger anzunehmen scheinen, die Wirklichkeit gehe gar nicht glatt auf in den theoretischen Begriffen, die man sich von der Wirklichkeit macht. Die Altvorderen des Freiburger Materialismus scheinen sich dafür nicht einmal zu geschämt zu haben, sondern sie haben zum Überfluss noch allerhand Invektiven gegen sogenannte Theorie, Theoretiker und die linken Intellektuellen insgesamt dazugetan.

Alle linken Theoretiker konkurrieren fleissig darum, mit welcher ihrer Theorien, mit welcher neuen Marx-Lektüre oder welchem Seminar-Marxismus man die kapitalistische Gesellschaft am besten verstehen liesse; da kann man doch unmöglich so überspannt sein, zu behaupten, dass man die kapitalistische Gesellschaft überhaupt nicht verstehen könne, und dass auch der Versuch strafbar sei dadurch, dass man dann unweigerlich nichts als Theorie produziere.

So etwas nennt man in gebildeter Gesellschaft „Materialismus“ höchstens mit Anführungszeichen. Unter Materialismus können sie sich eigentlich nur denken den von ihnen allen gemeinsam verachteten platten Ökonomismus, den sie alle gemeinsam wochentags dennoch betreiben; der ihnen aber auseinanderfallen würde ohne den ideologischem Kram, den sie sich sonntags je nach Konfession dazu denken, wahlweise Lukacsianismus, Marcusianismus, oder irgendein anderer Hegel-Marxismus, alles miteinander schlimmer philosophischer, d.h. anti-materialistischer Unsinn. Der aber hat einen unbestreitbaren volkspädagogischen Nutzen: das ganze Theoretisieren hält die jungen Leute frühzeitig dazu an, erst einmal gründlich die miteinander nicht zusammenpassenden Ideen in ihren Köpfen zu sortieren. Statt dem könnten sie sonst etwa loszulaufen und schauen, warum sie denn solche Ideen haben, und ob die entsprechenden gesellschaftlichen Einrichtungen vielleicht am Ende genausowenig zusammenpassen. Sie könnten die falschen Ideen als objektiv, die objektiven Ideen als falsch begreifen, anstatt allen Leuten ihre patentiert richtigen Ideen aufschwätzen zu wollen; kurz, praktische Kritik treiben statt Sektierertum.

Nun könnte einem das fürchterlich egal sein, was die linken Theoretiker denken, es ist auch zu ihrem Leidwesen den meisten völlig egal. Aber zu unserem Leidwesen sind gerade diese linken Theoretiker so erstaunliche Abziehbilder des philosophischen Idealismus, so täuschend ähnliche Hegel-Karikaturen; und sie würden das, wenn man es ihnen sagte, als Kompliment empfinden, ausser dass sie nach aussen natürlich entrüstet tun müssen. Aber auf sie trifft immer noch alles zu, was Walter Benjamin in den „Thesen über die Geschichte“ geschrieben hat; das ist der Jammer an der Sache. Sie taugen eigentlich nur als Gegenstände der materialistischen Kritik. Und so, auch wenn man sie ignorieren möchte, drängen sie sich eigentlich geradezu auf, als beinah notwendiger Gegenstand der Kritik.

Das Geschäft des Materialismus ist im letzten halben Jahrhundert unter diesen Leuten jedenfalls nirgendwo getrieben worden. Sehen wir uns also einmal nach den Grundlagen des so genannten Freiburger Materialismus um, einfach auf den Verdacht hin, dass man dort vielleicht dazumal Recht gehabt haben könnte. Vielleicht finden wir auch eine Antwort auf die Frage, die in linken Kreisen sich alle stellen und die niemand ernsthaft auszusprechen wagt: Was ist eigentlich Materialismus?

Veröffentlicht unter freiburger materialismus, Geschireben | Kommentare deaktiviert für Zur Diskussion über die Grundlagen des Freiburger Materialismus

Der Geist von Stonewall

„Eine junge Frau kletterte auf die Bühne. „Das waren so Typen in meinem Viertel in Queens.“ Ihre Stimme war selbst mit dem Mikrofon kaum zu vernehmen. „Sie haben mich und meine Freundin immer angepöbelt. Eines Abends kamen sie hinter mir her. Ich war alleine. Sie haben mich auf den Parkplatz hinter der Eisenwarenhandlung gezerrt und vergewaltigt…“

Die Tränen liefen mir übers Gesicht. Der Mann neben mit legte mit die Hand über die Schulter. Auch seine Augen waren voller Tränen. …Als sie von der Bühne stieg, dachte ich: Das ist wirklicher Mut. Den Alptraum nicht nur überleben, sondern anschliessend etwas damit anzufangen. Es geht darum, den Mut zu haben, mit anderen darüber zu reden. Es geht darum, sich zu organisieren, um die Verhältnisse zu ändern.

Und plötzlich war ich meines eigenen Schweigens so überdrüssig, dass auch ich reden musste. Es war nicht so, dass es etwas Bestimmtes gab, was ich unbedingt sagen wollte. … ich hatte Angst, dass ich, wenn ich diesen Moment verstreichen liess, vielleicht nie wieder mutig genug sein würde, es zu versuchen.

Ich ging näher an die Bühne heran, war kurz davor, meine Stimme zu finden. Die Frau, die die Versammlung leitete, sah mich an. „Willst du etwas sagen?“ Ich nickte; ich war ganz benommen vor Angst. „Komm hoch, Bruder“, ermutigte sie mich.

Meine Beine schafften es kaum, mich auf die Bühne zu tragen. Ich blickte in die Hunderte von Gesichtern, die mich anstarrten. „Ich bin kein schwuler Mann.“ Meine Stimme in den Verstärkern erschreckte mich. „Ich bin eine Butch, eine KV. Ein Mannweib. Ich weiss nicht, ob die Leute, die uns so hassen, uns immer noch so nennen. Aber diese Bezeichnung hat meine Jugend bestimmt.“ Alle wurden sehr still, während ich sprach, und ich wusste, dass sie mir zuhörten. Ich sah eine Femme, ungefähr in meinem Alter, die am Rand der Menge stand. Sie nickte, als würde sie mich kennen. Ihre Augen waren voller Erinnerungen.
„Ich weiss, was es heisst, verletzt zu werden“, sagte ich. „Aber ich habe nicht viel Erfahrung darin, darüber zu reden. Und ich weiss, was es heisst, sich zu wehren, aber ich weiss es hauptsächlich für mich allein. Es ist hart, so zu kämpfen, weil ich meistens in der Minderheit bin und meistens verliere.“ Eine ältere Tunte am Rand der Menge schwenkte in schweigendem Zeugnis langsam die Hand über dem Kopf.

„Kundgebungen wie diese hier sehe ich mir meistens von der anderen Strassenseite aus an. Ein Teil von mir fühlt sich euch zwar verbunden, aber ich weiss nicht, ob ich mich euch anschliessen darf. Es gibt so viele von uns, und wir wollen nicht ausgeschlossen sein. Wer werden verhaftet und verprügelt. Wir sterben auf den Strassen. Wir brauchen euch – aber ihr braucht uns auch.

Ich weiss nicht, was wir tun müssen, um die Welt wirklich zu ändern. Aber können wir uns nicht zusammenschliessen und versuchen, es rauszukriegen? Könnte das Wir nicht grösser sein? Gibt es nicht einen Weg, wie wir einander bei unseren Kämpfen unterstützen können, damit wir nicht immer alleine sind?…“… Als ich der Frau das Mikrofon zurückgab, legte sie den Arm um mich. „Gut gemacht, Schwester“, flüsterte sie mir ins Ohr. So hatte mich noch nie jemand genannt.“
(Leslie Feinberg, Stone Butch Blues, Träume in den erwachenden Morgen. Krug & Schadenberg, Berlin 1996)

1
Diese Dinge klingen heute wie eine Legende aus einem vergangenen Jahrhundert. Es handelt sich um eine Szene aus dem Buch „Stone Butch Blues“, die beschriebenen Ereignisse sind um den Stonewall-Aufstand herum geschehen. In der heute sogenannten „queeren“ Szene wäre so etwas nicht mehr möglich. Wer heute so redete, über andere oder über sich selbst, müsste die Beine in die Hand nehmen. Aber genau diese freie, fliessende Rede über sich hat die freie, ungezwungene Solidarität möglich gemacht.

Frei und ungewzungen, diese Wörter wären das letzte, was einem über die heutige Szene einfällt. Eine solche Szene wird im entscheidenden Moment die Solidarität nicht aufbringen, sich wieder zusammenzufinden. Die wenigen Errungenschaften von 50 Jahren werden im Ernstfall nahezu widerstandslos abgeräumt werden.

Was die Bewegung einmal stark gemacht hat, ist ihr ausgetrieben. Sie hat einmal von Dingen gesprochen, die überall verstanden worden sind. Von eigenen Erfahrungen, die in der Machtlosigkeit der Vereinzelung gemacht worden sind; aber so, dass jeder sich darin wiedererkennen konnte. Das war die geheime Quelle ihrer Macht: ihre subversive Kraft.

Was ist geschehen, dass die Dinge so versteinert sind?

Wer dort redete, war eine Frau, und lebte als Mann. Und sie sprach ausdrücklich als Frau und Transmann, würden wir heute sagen, zu Frauen und zu Männern. Es gibt eine Gemeinschaft im Unterschied, die ist die Grundlage der Solidarität. Und heute gibt es solche, die es als einen Fortschritt feiern, dass diese Gemeinschaft nicht mehr ohne weiteres ausgesprochen werden kann.

Nun, diesen „Fortschritt“ und seine Grundlagen werden wir uns wohl genauer anschauen.

2
Generationen wachsen heran, denen man einredet, sie seien freier, klüger, fortschrittlicher als die vorherigen; während jede Evidenz nahelegt, dass das Leben heute schlechter ist als vor zwanzig Jahren; die Gesellschaft als ganzes dümmer und verhetzter; und die Nischen, in denen sich freies Denken entfalten konnte, immer mehr ausgelöscht werden.

Unsere Gesellschaft, like the monster that it is, weiss nichts besseres, als diese Entwicklung zu feiern. Generationen sind herangewachsen, die namentlich in sexuellen Dingen sprachloser sind als die vor ihnen; weil sie für sich selbst, ihre Bedürfnisse und Wünsche nur in einer völlig verdinglichten, ja lasst es uns sagen: entfremdeten Sprache reden können, einfach weil eine andere Sprache ihnen nicht zur Verfügung steht – und die einzige Alternative und gleichzeitig Matrize ist die Sprache der Pornographie, die brutale Sprache einer Gesellschaft, vor der man flüchtet, oder von der man verschlungen wird.

Es ist unmöglich, hier nicht das Zeichen der historischen Lage zu sehen: das Feststecken in einem immer enger zugezogenen Schraubstock. In welche Richtung also der „Fortschritt“ geht, ist schnell ermittelt. Als wir aufgewachsen sind, war es auch nicht gut. Auch damals standen Mädchen unter dem Druck, Dinge als normal zu akzeptieren, die auf ihre Ausbeutung und Erniedrigung hinausliefen.

Damals ging es um Dinge wie, ob man Analsex mitmachen muss. Heute geht es um Würgen beim Sex, das heute anscheinend Mainstream geworden ist. Was für ein schöner Fortschritt! Ein Zeitalter, das so etwas normalisiert, soll seine Klappe halten.

3
Das Leiden ist echt. Aber das Leiden weist nicht von alleine den Weg zur Veränderung. Wie soll es begriffen werden? Die Leidenden können es nur selbst. Aber alle Begriffe sind den Leidenden schon vorab aus der Hand gerissen, mit denen sie ihr Leiden deuten könnten; und jemand anderes kann es nicht für sie tun.

Die Sprache der Geschlechtsidentät ist diejenige, die die Gesellschaft ihnen zur Verfügung stellt; und sie wird so bereitwillig angenommen wird, weil sie der Erfahrung entspricht, dass man von jeher zum Objekt gemacht ist, dass man nur als Resultat und nie als Urheber von Handlungen in Betracht gekommen ist.

Respekt hat diese Gesellschaft nicht für den wirklichen lebendigen Menschen. Caritas haben wir nur für die, die bereit sind, von sich wie von einem Ding zu reden; einem Bündel fester Eigenschaften, und nicht unter dem Aspekt von Selbsttätigkeit oder gar Veränderung.

Diese Gesellschaftsordnung strebt danach, die Menschen zu Dingen zu reduzieren und zu Anhängseln von Dingen; und diese vollziehen diesen Zwang an sich selbst; man hat es einmal gewusst und wieder vergessen, oder vielmehr man hat es nie so genau wissen wollen. (1)

Denn es ist ja wirklich wahr: die Selbstdeutung eines Menschen ist einerseits, das seine ganze Existenz durchdringt, jede Faser, und man kann nichts von einem Menschen ohne Bezug zu ihr verstehen, nichts hat ohne sie einen Sinn. Aber ebenso ist auch wahr, dass sie ein blosser privater Gedanke ist, sie ist damit auf eine bestimmte Weise nichtig, jedenfalls hat sie einen anderen nichts anzugehen und verplichtet einen anderen auch zu nichts.

Ein Mensch ist nicht ein Ding mit einem festen Bündel von Eigenschaften, als deren Summe er gedacht werden kann. Jeder Mensch „ist“ etwas anderes als das, was die Welt in ihm sieht. Und gleichzeitig und genausogut „ist“ er keineswegs das, was er seiner eignen Selbstdeutung gemäss wäre.

Das „wahre Ich“, das ist die betrügerische Ware, die die Psychosekten und die Esoteriker verkaufen. Die „Identität“, von der die Rede ist und die gelebt, affirmiert, und zuletzt ins Gesetz gegossen werden soll, das ist die Anpassung ans Versteinerte.

4
Allem Gerede zum Trotz hat das ganze heute überhaupt nichts mehr mit sogenannter „postmoderner Identitätspolitik“ zu tun. Dass man die Postmoderne einmal in Schutz nehmen würde! Aber über Verstorbne soll man nur das Gute sagen.

Und die Postmoderne ist in der Tat von uns gegangen, vor etwa zehn Jahren, und der beste Beweis dafür ist, dass niemand sie vermisst hat seitdem. Es hat nicht einmal jemand bemerkt. Vivek Chibber hat mehr Recht behalten, als er geahnt hat. Was danach gekommen ist, wird unverständlich bleiben, wenn man nicht als erstes begreift: es ist nicht mehr die Postmoderne, so sehr es sich in die Worte der Postmoderne verkleidet hat.

Denn niemand argumentiert heute mehr postmodern. Die Postmodernen haben, was immer man über sie denken denken mag, jedenfalls nie behauptet, Identität wäre etwas, dass ein Mensch irgendwann einmal einfach vorfindet, und woraus mechanisch alle die Dinge folgen, die er dann zu wollen und zu verlangen hat. Selbst die Postmodernen hätten sich eher die Zunge abgebissen, als so etwas zu sagen.

Nicht, dass wir die Postmoderne jetzt übertrieben zu rühmen haben: sie hat entscheindend mitgeholfen, alle diese Fragen in einen undurchdringlichen Nebel zu hüllen. Die Postmoderne war seinerzeit die bevorzugte Form, die der anti-materialistische Affekt in der Philosophie angenommen hat. Als ihre Ideen gescheitert waren, irgendwann um 2011, musste eine neue Form her; und sie fand sich, wie man sieht, in dem stumpfesten und aggressivsten Positivismus. Die Postmoderne sieht nur im Vergleich gut aus, weil sie immerhin die Erfahrung der Neuen Sozialen Bewegungen nicht ganz verraten hatte.

Denn wer man ist, und was man ist, das ist immer eine politische Frage gewesen; eine Setzung, sozusagen; etwas, wodurch man seinen Bezug zur Gesellschaft sich selbst und anderen klar zu machen versucht. Nichts anderes heisst Identitätspolitk. Man versteht das Wort nur heute nicht mehr.

Identität ist eine politische und keine schlicht faktische Sache, sie ist Ergebnis einer Selbstdeutung, einer Position gegenüber der Gesellschaft, und sie ist ebensosehr Ergebnis der Perspektiven, die die Gesellschaft einem bietet, wie derer, die sie einem verweigert.

Je weniger diese Gesellschaft begriffen wird als etwas, das grundsätzlich verändert werden kann, desto verhärteter wird um die Perspektiven gestritten; und desto versteinerter erscheint das, was als Identität errichtet werden muss. Uns geht es aber darum, dass andere Perspektiven geschaffen werden.

5
Die Menschen machen ihre Geschichte selbst, wenn auch nicht aus freien Stücken; sehen wir uns also ein paar politische und sexualpolitische Kräfte an, unter deren Auspizien sie diese machen.

Jeder kennt heute diese Sorte von „queerem“ Aktivismus, der gleichzeitig begriffsstutzig und aggressiv auftritt. Es war beim genauen Hinschauen immer sichtbar, dass diese Aktivistenschicht weder repräsentativ für die LGBT-Bewegung ist, noch untereinander homogen. Es sind Leute, die aus sehr verschiedenen Gründen handeln.

Auf der einen Seite haben wir ganz gewöhnliche Pseudolinke. Unter diesem Wort verstehen wir diejenigen, die sich angewöhnt haben, anderen Leuten den Mund zu verbieten im Namen der Banchteiligten und Unterdrückten; wobei die Pointe natürlich die ist, dass immer sie selbst entscheiden, wer die Benachteiligten und Unterdrückten sind. Es handelt sich hier um Leute, die beschlossen haben, ihren eigenen gesellschaftlichen Status zu verteidigen; auch wenn es ihnen selbst nicht klar ist. Sie selbst sehen sich einfach als gute Menschen; in Wirklichkeit sind sie bezahlte Kräfte der Menschenverwaltung, oder wollen es werden, und ihre Moral ist in der Tat Klassenbewusstsein. Nur eben das der Staatsklasse.

Dazu gehören solche, die mit einer gefälschten Moral hantieren, die anderen Leuten den Mund verbieten, sogenannte „Offene Briefe“ schreiben usw. Hierhin gehört insbesondere die Partei der „Grünen“ und das, was aus der SPD nach Schröder geworden ist. Diese Leute haben keine anderen sexualpolitischen Ideen als die, die ihnen vorgeschrieben werden. Ihr geistiger Referenzrahmen ist eng begrenzt aus das, was die bürgerliche Gesellschaft über sich selbst wissen kann.

Als nächstes haben wir Leute, deren Ideen früher einmal Esoterik genannt worden wären. Seit Esoterik und Pseudowissenschaft allgemein in Verruf geraten sind, wollen sie natürlich nichts mehr damit zu tun haben; aber das heisst nicht, dass sie ihre Ideen geändert hätten. Traditionell findet man solche Leute überall, aber vor allem im grünen Milieu. Hierhin gehören die, die von angebornen Geschlechterseelen reden, von männlichen und weiblichen Gehirnen usw. Früher hätten diese Leute Tarotkarten gelegt oder auf dem Einhorn-Sommercamp über ihr früheres Leben als Einhorn oder Meerjungfrau berichtet (Pro-Tip: Delphin TV auf Youtube). Die Autoren unserer grossartigen linken Enthüllungsliteratur haben natürlich viel über diese Szene herausbekommen, aber erstaunlicherweise fehlen ihnen die Worte immer dann, wenn solche verrückten Ideen im Gewand des Fortschritts und der Inklusion daherkommen.

Drittens aber haben wir eine bestimmte Sorte von gerissenen und skrupellosen Privilegierten, die herausgefunden haben, dass sie sich unter dem Namen der „Queerness“ und der „Transgression“ vor gesellschaftlicher Missbilligung schützen können, indem sie sich hinter anderer Leute Leiden verstecken.

Hierzu gehören die Sexwörk-is-Wörk-Fraktion und der Rest der Prostitutionslobby. Hierzu gehören ganz sicher auch die, die der Meinung sind, ihren von Meth und Chemsex beherrschten Lebensstil als „schwule Kultur“ verkaufen zu müssen. Dazu gehören ausserdem die, die finden, dass ihre „kinks“, das heisst ihre Erotisierung von Gewalt, sie zu einer benachteiligten Gruppe machen und dass sie sie deswegen öffentlich zelebrieren sollen. Sie tragen alle nicht weniger als Pornhub zur Brutalisierung der öffentlichen Bilds von der Sexualität bei. Das ist das finstere Erbe einer „sexuellen Revolution“, die ausser Enthemmung (repressive Entsublimierung nannte es Marcuse) nichts hervorgebracht hat, und die vor allem den Männern zugute gekommen ist.

Das sind drei sehr verschiedene Tendenzen. Sie sind aufs Geratewohl herausgegriffen. Man könnte genausogut andere auswählen; aber weniger erstaunlich wird es dadurch nicht: wie zum Teufel vertragen die sich, wie kann es sein, dass sie eine gesellschaftliche Koalition bilden, was hält eine so abstruse Allianz zusammen?

6
Schauen wir zurück in die 2010er, aus der diese Auseinandersetzungen stammen. Die Lage war damals schon nicht besonders gut, aber es gab noch die Aussicht, eine ernsthafte Debatte zu führen. Dass damals ein Band wie „Beissreflexe“ schon nötig, aber noch möglich war, legt von beidem Zeugnis ab. Wie dieser Band aufgenommen worden ist, sagt auch einiges: sowohl was die Szenen betrifft, die man um die öffentlichen Vorstellungen des Buchs erleben konnte, als auch die Reaktion des grössten Teils des Publikums.

Der Streit schien ja immerhin auf eine recht überschaubare Szene beschränkt zu bleiben, und wer konnte, hielt sich von ihm fern. Immerhin schien eine Debatte in Gang gekommen zu sein, und man konnte einigermassen beruhigt sein, es hatten sich ja die erprobten Fachleute schon an die Sache gemacht. Und fünf Jahre später war alles völlig aus der Hand geraten.

Was war geschehen? Bis dahin waren an der Debatte von den drei oben genannten Tendenzen zwei noch gar nicht beteiligt. Ende des Jahrzehnts änderte sich das. In anderen Ländern der westlichen Welt war das zum Teil früher geschehen. In Deutschland übernahme Grüne und SPD gegen Ende des Jahrzehnts erst die Ideen, die heute zusammengefasst unter dem Namen „Selbstbestimmungsgesetz“ diskutiert werden.

Diese Übernahme geschah nach innen ohne grosse Diskussion, und wäre in den Zeiten vor Schröder so nicht möglich gewesen. Die innere Leere dieser politischen Organisationen ist noch nie eindrucksvoller gezeigt worden. Diese Parteien haben in Wirklichkeit keine Ahnung, was sie da vertreten, und auch kein Bedürfnis danach, eine zu bekommen; sie wollen einen billiges Merkzeichen, mit dem sie sich gegen die Konservativen abgrenzen können, von denen sie sich ansonsten kaum noch unterscheiden.

Aber eine Partei wie die Grünen ist nicht einfach ein Teil der öffentlichen Debatte wie jede andere Gruppe auch, die Partei der Grünen vertritt auch nicht die gesellschaftliche Bewegung gegen den Staat, sondern sie vertritt umgekehrt die Staatsmacht gegen die gesellschaftliche Bewegung. Die Aufnahme des „Selbstbestimmungsgesetzes“ ins Programm der Grünen war eine massive Intervention, und sie brachte die Debatte vollends zum Kentern: indem sie eine einfache Scheinlösung versprachen, schneiden sie die notwendige, aber schwierige Auseinandersetzung ab.

Das Gesetz soll es Leuten erlauben, ihren Personenstand und Geschlechtseintrag zu ändern. Auf diese Reform werden natürlich ungeheure Hoffnungen projiziert, und es wird natürlich für den Fall, dass es nicht so wie gedacht funktioniert, ein ungeheures Kofliktpotential angelegt.

Es sieht den Grünen ähnlich, dass es nicht sie sind, die die Versprechungen erfüllen sollen, die sie machen. Erfüllen soll diese Versprechungen die Gesellschaft. Und wenn die Gesellschaft dazu nicht bereit ist? Dann muss sie dazu gebracht werden.

Unsere „gebildeten“ Kreise sind offenbar zu allerhand Dingen bereit, wenn es darum geht, der Bevölkerung beizubringen, was sie richtigerweise zu denken hat. Sie sind aber offenbar nicht imstande, zu verstehen, wann es genug ist. Die öffentliche Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz hat gespenstische Züge angenommen. Und sie hat die hat die letzten Reste der notwendigen Debatte in der LGBT-Bewegung zerstört und unmöglich gemacht.

Man hat sich daran gewöhnt, abweichende Stimmen als Feinde zu identifizieren; die Bewegung gerät deswegen in die Gewalt derjenigen, die dieses Spiel am besten und skrupellostesten zu spielen verstehen. Wo vor 5 Jahren noch immerhin eine szene-interne Debatte möglich war, gibt heute eine Koalition aus den aggressivsten, den gleichgültigsten und den dümmsten den Ton an. Die politischen Optionen der Bewegung verengen sich dadurch. Sie gerät immer mehr in die Abhängigkeit von genau diesen Leuten, die ihre schlimmsten Feinde sein müssten: Leute, die sie belügen, manipulieren und als politische Schwungmasse für ihre eignen Zwecke betrachten, und als sonst nichts.

7
Selbstverständlich sehen die jüngeren in der LGBT-Szene die Falle nicht. Man sieht solche Fallen erst, wenn man in genug davon getappt ist. Niemand ist leichter zu manipulieren als verängstigte junge Menschen, die nicht wissen, ob sie einen Platz haben auf dieser Welt. Niemand ist leichter aufzuhetzen. Und genau das ist das, was geschieht.

Das Versprechen gesellschaftlicher Akzeptanz wird nicht gehalten werden. Es ist voraussehbar, es ist ein Ding der Unmöglichkeit. Sie ist auf Lügen gebaut. Man wird dafür auf die Frauenbewegung als die Schuldige zeigen. Sie ist es nicht. Sie ist nur die Überbringerin der schlechten Nachricht; die einzigen, die den Mut dazu hatten.

Die Pseudolinke spielt ein gefährliches und durch und durch böses Spiel. Es ist um so gefährlicher, als sie im Besitz der Staatsmacht ist. Sie verspricht leidenden Menschen Dinge, die niemand halten kann. Sie betrügt sie um die Einsicht in ihre eigene Lage. Sie macht es ihnen unmöglich, ihren eigenen Weg zu finden, weil sie ihnen einen Weg vorspiegelt, den es nicht gibt.

Die Scheinheiligkeit dieser Gesellschaft hat Ausmasse erreicht, die bis vor kurzem undenkbar waren. Der vorläufige Gipfel der Heuchelei war im letzten Jahr erreicht: in „gebildeter“ Gesellschaft kann nicht mehr ausgesprochen werden, dass Geschlecht binär, universal und unveränderlich ist. Das alles, wie es sich für diese grundverlogene Bande gehört, im Namen derjenigen, die an ihrer Geschlechtlichkeit leiden!

Und denen man damit die einzigen rationalen Begriffe wegnimmt, die sie haben könnten, um trotzdem ihren Weg zu finden. Die man damit sehenden Auges in eine Wahnwelt stürzt. Diese Wahnwelt aber ist keine andere als die Wahnwelt der bürgerlichen Gesellschaft selbst, die sich einbildet, den Menschen als Naturwesen hinter sich gelassen zu haben.

Diese Gesellschaftsordnung ist reif zum Umsturz, der Umsturz kann gar nicht schnell genug kommen; denn wozu wird eine Gesellschaft, die zu so etwas fähig ist, nicht noch alles fähig sein?

8
Das enthebt uns nicht der Notwendigkeit, uns selbst einige schmerzhafte Fragen zu stellen. Unsere Bewegung ist hat zu oft den leichteren Weg genommen. Der Weg muss neu gefunden werden.

„To care for the people on the edge of the night“: lange ist das her. Aber es ist immer noch gültig, und nötiger als je. „Love dares you to change our way of caring about us“….

Heute gibt es solche, die „LGB ohne das T“ fordern. Auch diese gehen den einfacheren Weg. Es wäre ein gefährlicher Unsinn. Wir gehören zueinander, sind durch kommunizierende Röhren miteinander verbunden. Aber wie sind wir dahin gekommen, wo wir heute sind?

An den Verwüstungen, die angerichtet sind, ist unsere Bewegung nicht unschuldig. Sie wird ihren Weg erst mühsam wieder finden müssen. Man hat sich, weil es einfacher war, in eine Gesellschaft eingereiht, die Sexualität nur nach der Weise des Privateigentums aufzufassen imstande ist; als Frage der individuellen Freiheit, und die nicht in der Lage ist, ihr gesellschaftliches Wesen zu begreifen. Als ob dieses gesellschaftliche Wesen damit gebannt wäre, anstatt sich auf andere Weise geltend zu machen.

Neulich konnte man Martin Dannecker im Gespräch mit Tessa Ganserer im Deutschlandfunk hören. Es war ernüchternd. Dannecker war früher einmal subversiv. Er schien mir immer einer von denen zu sein, die etwas von dem geheimen Wunsch wissen, der alle verbindet. Vielleicht habe ich mich getäuscht; oder vielleicht hat er irgendwann seinen Frieden gemacht. Der Dannecker, der hier zu hören war, wusste nur noch etwas von denjenigen Wünschen, die uns vereinzeln.

Den Schwulen und Lesben hat diese Gesellschaft vor Zeiten ein Angebot von der Sorte gemacht, das man nicht ablehnen kann: die Hereinnahme in die bürgerliche Gesellschaft, die volle rechtliche Gleichstellung mit dem hergebrachten Geschlechter-Elend, aber um den Preis, dass sie nicht mehr durch ihre blosse Existenz auf dessen Unwahrheit hinzuweisen. Damit ist der Präzedenzfall etabliert: die Gesellschaft, die gutherzige, weist allen einen Ort an; wenn sie bereit sind, den Preis dafür zu zahlen; nämlich das Zugeständnis, dass ihnen dieser Ort zukommt kraft einer versteinerten Identität, einer dinglichen Eigenschaft.

So wird denen, die sich schwertun, sich einzufügen, die Subversion ausgetrieben. Die Wurzel des Leiden an der Gesellschaft verschwindet unter ebenso platter wie aufdringlicher Propaganda. Die Grundlage der Solidarität, dass man sich nämlich im anderen wiedererkennt, wird zerstört. Aber wir können doch nicht anders: wenn wir euch sehen, erkennen wir uns selbst. Wir waren nicht viel anders.

Haben wir noch den Willen, dieser Gesellschaft die Wahrheit ins Gesicht zu schreien, dass sie eine wahnsinnige Bestie ist? Haben wir uns den reinen und strengen Geist des Negativen austreiben lassen, der als einziger nicht lügt und sich nicht belügen lässt? Wie sollen wir dann den Leidenden die Treue halten? Haben wir mit der Heuchelei unseren Frieden gemacht? Haben wir das heilige Wort „nein“ verlernt auszusprechen?

Ein 16jähriges Mädchen, das sich die Brüste abnehmen lassen will, weil es den Gedanken nicht erträgt, als Frau aufzuwachsen, ist ein 16jähriges Mädchen, das an dieser Gesellschaft scheitert. Und alles, was dieser Gesellschaft, diesem Monster, dazu einfällt, ist „Weltoffenheit“, „Buntheit“ und „Vielfalt“. (2)

Die einzigen, die alle diese Fragen stellen, sind heute gerade die überall verhassten neuen Feministinnen. Gerade weil sie sich mit aller Welt anzulegen hatten, gerade weil sie an keiner bestehenden Macht Rückhalt hatten, gerade weil sie sich selbst mit Mühe überzeugen mussten, ihren eignen Sinnen mehr zu trauen als einer irre gewordnen bürgerlichen Welt; gerade weil sie von ihrem eigenen Verstand einen nicht vorschriftsmässigen Gebrauch zu machen gezwungen waren, hat diese Bewegung für unser Zeitalter getan, was sie Studentenbewegung für 1968 getan hat, „sie hat den glatten Übergang zur total verwalteten Welt unterbrochen“ (Adorno an Marcuse 6.8.1969).

Das, meine Lieben, sind eure einzigen Freundinnen auf der Welt. Ihr mögt es glauben oder nicht. Ihr hasst sie heute, weil sie euch widersprechen. Sie tun recht daran. Wen man ernst nimmt, dem widerspricht man.

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1. Es gibt eine Sorte von Leuten, die gern mit kritischer Theorie hantieren oder besser sich schmückt, und die aber solche Dinge immer dann vergisst, wenn man sie braucht. Die Sorte von Linken ist wertlos.

2. Und selbst unter den Linken gibt es solche, die das alles für o.k. halten, weil das „die jungen Leute“ so wollen, die es halt auch nicht anders kennen. Das soll man aber beileibe nicht „Opportunismus“ nennen! Sondern wahrscheinlich „Verblendungszusammenhang“.

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Das antiimperialistische Weltbild

Manche Dinge ändern sich anscheinend nie; oder aber, was zu ändern war, ist gar nicht verstanden worden. Wieder einmal tun sich die alten bekannten Gräben aus, nicht immer da, wo man sie vermutet hat; auch das ist ein Zeichen, dass sie Sache nicht so glatt logisch liegt, wie sich beide Seiten das gerne dächten.

„Das Proletariat braucht eine eigene Aussenpolitik“, sagt man uns; ja, aber erstens braucht das Proletariat einen Haufen Dinge, die es nicht hat, und zweitens ist niemand von uns „das Proletariat“. Über die Aussenpolitik streitet sich indessen die Linke, wie immer, fruchtlos, aber mit grosser Hingabe; und dieser Umstand selbst, so selbstverständlich er allen zu sein scheint, ist für uns erklärungsbedürftig.

Natürlich haben wir unseren Standpunkt, wir vertreten ihn, wo wir es für nötig halten, mit Härte. Aber wie wir in diese Lage überhaupt kommen, wird dadurch nicht klarer. Wir haben dieses Spiel schon oft genug gespielt, vielleicht ist es einmal Zeit, dass man versucht, es zu begreifen. Ob sich dadurch etwas ändert? Wahrscheinlich nicht. Aber vielleicht doch.

1
Fangen wir an einem anscheinend willkürlich gewählten Punkt an, beim antiimperialistischen Weltbild der 1980er. Was ich darunter verstehen möchte, wird sich natürlich als eine willkürliche Abstraktion kritisieren lassen.

Ich verstehe darunter hauptsächlich nicht die DKP, und auch nicht mehr die damals schon in Auflösung begriffene maoistische Bewegung. Bei diesen ist ihr Antiimperialismus erstens immer eine Nebensache zu ihren proklamierten Hauptsachen gewesen; ausserdem war er in mehrerlei Hinsicht zweifelhaft. Ihre jeweiligen Vaterländer-der-Werktätigen sind des Imperialismus mindestens ebenso verdächtig; und jedes war mit den USA irgendwann gegen das andere verbündet.

Diejenigen, die sich und ihre Politik damals antiimperialistisch nannten, antiimperialistisch sans phrase, dachten etwas anderes dabei. Auch etwas anderes, scheint mir, als die, die sich heute so nennen wollen. Denn sie nahmen eine ganz eigenartige Position ein, die ihnen niemand seither nachzutun im Stande war; und auch das hat Gründe.

Antiimperialismus war nicht einfach eine Meinung, es war eine Weltanschauung, und sie verlangte einem einiges ab, intellektuell, affektiv und ethisch. Es mag überraschend klingen, so etwas von einem Antideutschen zu hören, aber das sollte es nicht. Die Wurzeln unserer Bewegung liegen gar nicht so weit von dort, und die Probleme, die alle diese Dinge machen, durchziehen die ganze Linke, sogar die antideutsche Strömung bis heute.

Intellektuell gesehen läuft es auf den Versuch hinaus, alle Herrschaftsverhältnisse der Weltgesellschaft als eine Einheit betrachten zu wollen. Die Frage ist nicht, ob man das darf, soll oder will. Sondern es ist in der Tat, ganz neutral betrachtet, die Voraussetzung dafür, einen Begriff von der Weltgesellschaft überhaupt haben zu können, und von dem, was man die Totalität nennt. Dass der heutigen Linken dieses Bedürfnis nicht mehr so dringend ist, ist ein genaues Mass ihrer Anspruchslosigkeit und Harmlosigkeit.

Es ist auch ebenso objektiv die Voraussetzung dafür, eine revolutionäre Subjektivität (eine „politische Identität“, wie man es damals nannte) denken zu können. Die (gedachte) Einheit der bestehenden Ordnung ermöglicht, die Auflehnung überhaupt als Einheit denken zu können; nämlich als eine Auflehnung, die nicht in Vereinzelung endet als ein zerfasertes Bündel vereinzelter Individuen, die am Ende vielleicht gar nichts miteinander gemeinsam haben.

Revolutionäre Sujektivität einerseits, ein Begriff des weltumspannenden Verhältnisses andererseits stützen und bedingen sich gegenseitig; der Feind wird auch nur zur Einheit, weil er uns allen überall als derselbe entgegentritt. Aber auch beides zusammen reicht nocht nicht aus; sondern diese Einheit erfordert grosse Anstrengung, sie erfordert ein widerständiges Leben; ein Leben, in dem der Aspekt dieses weltumfassenden Kampfes immer präsent ist.

In alle dem ist eine grosse Wahrheit; allein dass der Versuch gemacht worden ist, nötigt Respekt ab. Er ist ehrenwert und anspruchsvoll. Aber, und das ist mein Einwand, es musste scheitern. Ich halte hier wie sonst auch nichts davon, sich auf den billigen Einwand zu verlegen, und sich die meistens blamable Realität hinter diesem Anspruch zum Gegenstand der Kritik zu nehmen (so Autonomie Studis/Bolschewiki: „Mit den überlieferten Vorstellungen radikal brechen!, Freiburg 1989).

2
Es läuft darauf hinaus, die Totalität zu denken. Diese Totalität ist aber ein in sich gegliedertes, vermitteltes Ganzes. Also bedarf doch dazu der Glieder der Vermittlung. Wie z.B. sollen diese gedacht werden? Der Arbeiter, der seine Frau schlägt: ist es ein Unterdrücker oder ein Unterdrückter? Das ist ein noch recht einfaches Beispiel, aber Saddam Hussein, ein Hitlerverehrer, der einen Teil der Bevölkerung mit Giftgas angreift; aber „objektiv“ ja gegen die US-Dominanz steht. Was nun?

Die Verrenkungen des Gehirns, die man hier angestellt hat, sind beachtlich; aber sie mussten ja gemacht werden. Auch die autonome Antifa der 1980er hat ja z.B. NPD-Parteitage angegriffen, während sie sich dachte, dass die NPD ein Glied in der Kette des weltweiten Imperialismus sei. Die NPD und der Imperialismus wären beide erstaunt gewesen, das zu hören; aber war es einfach ein Irrtum, eine Halluzination? Nein, war es nicht. Es war ein Versuch, etwas zu begreifen und zu beschreiben, wofür wir keinen einfachen Begriff haben können.

Man übersetze Imperialismus mit Herrschaft, und dann wird es verständlich, aber fatal unterbestimmt; natürlich wendet man sich gegen jede Herrschaft, aber in welcher Reihenfolge? Das Gefühl, dass einige schlimmer, oder dringender, sind als andere, ist allgemein. Aber welche? Und noch schlimmer: das Gefühl, dass es der Herrschaft gelingen könnte, die Grundlage von Opposition überhaupt zu zerstören, auch das Gefühl ist allgemein. Aber welcher Herrschaft?

Das Elend ist das, dass es an diesen Stellen, die ich fast Verzweigungen nennen möchte, keine objektiven Kriterien gibt und geben kann, nach denen man seinen Weg nimmt. Sondern es ist ab einem bestimmten Punkt zufällig. Die Ergebnisse, zu denen so gelangt wird, sind falsch; und ich rechne ausdrücklich diejenigen hinzu, zu denen wir selbst gelangt sind. Und zwar ist das unvermeidlich, solange man auf dieser Spur denkt, oder gezwungen ist, auf dieser Spur zu denken.

Im Grunde war der Antiimperialismus der 1980er selbst vielleicht nur eine letzte Anstrengung, der Niederlage der 1968er Neuen Linken zu entkommen, und die Nah-Erwartung einer Veränderung noch einmal in die Zukunft zu verlängern. Die Krise und Kritik dieses Weltbilds hat ihre Wurzeln selbst noch in den 1980ern, noch ehe der Staatssozialismus fällt; dessen Sturz ja eine eigenartige Wirkung gehabt hat gerade auf die Linke, die ihm weniger nahestand.

Die ersten Symptome sind die Anstrengung, dem Mangel an theoretischem Begriff abzuhelfen; die Autonomen gelten als theoriefeindlich, aber dennoch wurde angefangen, zu lesen, vielleicht etwas zu unterschiedslos; kritische Theorie, aber auch Poststrukturalismus; alles, was versprochen hat, die Antinomieen aufzulösen oder zumindest fassbarer zu machen.

Diese Szene reicht von den Autonomen bis zum Umfeld der RZ. Und in dieser antiimperialistischen Szene der 1980er liegen, soweit ich es weiss, schon die Wurzeln die Spaltungen, die in den 1990ern und mehr noch nach 2000 spektakulär ausgetragen werden. Sie haben ihre Materie in den Widersprüchen dieses letzten grossen Versuchs, die Konstellation von 1968 zu verlängern.

3
Man kann heute noch Spuren dieser Geschichte besichtigen. Markus Mohr hat vor einigen Monaten neuerlich eine Abrechnung mit dem Text „Gerd Albartus ist tot“ von 1991 verfasst, mit dem eine Gruppe der RZ ihre Distanzierung von der bisherigen Politik der RZ begründet hatte. Er nimmt das zum Anlass für eine Polemik gegen die „Hallischen Jahrbücher“, das neue Organ einiger akademischer Antideutscher, insbesondere gegen Vukadinović und Gerber. Er wirft ihnen z.B. vor, allzu billig einen Bogen vom Antiimperialismus der 1980er zur „postkolonialen Theorie“ zu spannen. Da muss ich zustimmen; es ist allzu billig.

Aber er hat eigentlich doch etwas ganz anderes auf dem Herzen; er sieht eine Linie, die bei der „Selbstabwicklungsstrategie des „bewaffneten Kampfes”“ ihren Anfang nimmt. Über Wolfgang Pohrt und (ungenannt) Jochen Bruhn zieht sich diese Linie bis zu einigen ihrer Schüler.

Diese Linie reicht aber jedenfalls noch weiter, als er sagen möchte. Jochen Bruhns eigene Schriften über den bewaffneten Kampf zeigen eine Tendenz, die jedenfalls diesen unter seinen Schülern völlig fremd zu sein scheinen. „Trotzdem schlug es nirgendwo mehr „’68“, als dort, wo die RAF war, als könne in ihr die revolutionäre Illusion, aufs Äußerste nur konzentriert, die Drehtür zur revolutionären Wirklichkeit werden: Ein Funke kann einen Steppenbrand entfachen – in dem genauen Sinne, als könne die Haftbarkeit des Körpers für den Gedanken schon dessen Wahrheit verbürgen“…

Nur Markus Mohr kann es fertig bringen, in einem Aufwaschen gegen die „Hallischen Jahrbücher“ und gegen den RZ-Text „Gerd Albartus ist tot“ von 1991 zu polemisieren, als hätten diese etwas miteinander zu schaffen; und das im selben Ton, in dem der RZ-Text „Wenn die Nacht am Tiefsten ist, ist der Tag am Nächsten“ polemisiert hat gegen den anderen RZ-Text „Das Ende unserer Politik“. Das liegt daran, dass nur Markus Mohr die historische Linie noch sieht. Ich rate, ihn ernst zu nehmen; Recht geben kann ich ihm nicht.

Man kann alle diese Dinge nicht so leicht abtun. Das antiimperialistische Weltbild, und sein Scheitern, beides wirft seinen Schatten, und beides kann nicht einfach hintergangen werden. Von den Schriften Jochen Bruhns über den bewaffneten Kampf, den Staat und den Antisemitismus; über die Neubestimmung, die der Begriff des „Gegensouveräns“ bei den Antideutschen nach 2001 genommen hat; die Arbeiten Manfred Dahlmanns und Gerhart Scheits darüber, wie man sich das Verhältnis von Kapital und Souveränität denken muss; alles das sind Arbeiten an genau derselben Frage, an der der alteAntiimperialismus zerbrochen ist und notwendig zerbrechen musste: wie muss man sich die Totalität dieser Weltgesellschaft denken, das Verhältnis von Herrschaft und Ausbeutung, und welches Verhältnis ist souverän.

4.
Denen, die sich nach 2000 noch Antiimperialisten nennen, liegen solche Untersuchungen in der Regel fern. Sie erkennen in ihnen nicht ihre eigene Frage, oder vielleicht fürchten sie sich davor, sich diese Frage zu deutlich zu stellen. Was aus den Antideutschen geworden ist, war auch nicht gut geeignet, diese Furcht zu zerstreuen.

Aber vielleicht haben sich die Zeiten seither genügend geändert, dass ein neuer Anlauf gemacht werden kann. Insbesondere sind die beiden Lager, die durch die Spaltung um 2000 entstanden waren, mittlerweile selbst derart zerklüftet, dass es auch gar nicht mehr anders geht.

In einer länger zurückliegenden Polemik über den syrischen Krieg ist mir aufgefallen, dass die Parteinahme für die eine oder andere Fraktion, und in Verlängerung: die Parteinahme für oder gegen die eine oder andere Macht, eine ganz eigenartige Funktion zu haben scheint. Diese Sorte von Aussenpolitik scheint mir eine Verkleidung zu sein, in der sich eine Vorstellung über den plausibelsten Gang der Revolution einhüllt. Und zwar sind diese Vorstellungen naturgemäss völlig unentwickelt, aber sie sind vor allem auch uneingestanden.

In Frage stand dabei die Einschätzung des arabischen und des kurdischen Aspekts. Die arabische Revolution in Syrien hat keine eigene zentrale Leitung hervorgebracht, die kurdische dagegen stand von Anfang an unter der Leitung einer Partei, die nicht daran denken wird, diese Leitung aus der Hand zu geben. Die Revolution steckt in beiden Fällen in der Patsche. Man biegt sich diesen Zustand zurecht, indem man sich die Fraktion heraussucht, die einen selbst besser ins revolutionstheoretische Vorurteil passt. Von der anderen Fraktion streitet man rundweg ab, dass es sie überhaupt gibt; es wird eine blosse Anhäufung von Strauchdieben daraus. So funktioniert die Ehtnisierung solcher Geschichten; und indem man diese Loyalität, die auf Selbstbetrug beruht, auf die vermeintlichen Schutzmächte der beiden Lager überträgt.

In Wahrheit sind natürlich alle Parteien, die die Revolution usurpieren und ausplündern, Strauchdiebe, und ebenso ihre wirklichen oder vermeintlichen Schutzmächte; aber genau diese Einsicht ist so trostlos, dass man unmöglich dabei stehen bleiben kann.

Ich gehe so weit, zu behaupten, dass jeder eine solche implizite Revolutionstheorie im Kopf trägt. Sie unterscheiden sich natürlich in der Art der Veränderung, die gewollt wird; dass der jetzige Weltzustand sich gar nicht ändern soll, wird regelmässig von niemandem vertreten werden. Gehen wir jetzt davon aus, dass es eine bestimmbare Gruppe von Leuten gibt, die wir „Linke“ nennen wollen und die eine staaten- und klassenlose Gesellschaft anstreben. Die Existenz einer solchen Gruppe, oder die Gemeinsamkeit dieser Vorstellung, sind zunächst gar nicht beweisbar. Was aber bewiesen werden kann, sind die Widersprüche, die sich dabei auftun werden.

Diese Widersprüche lassen sich hübsch darstellen, indem man bei der Frage des Staats den Anfang nimmt. Sie werden sich schnell ins Irrsinnige verzweigen. Jochen Bruhn hat sehr schön gezeigt, dass diese Widersprüche im Gegenstand liegen; man kann sie nicht vermeiden, indem man sich einfach Mühe gibt, richtig zu denken.

In gewisser Weise wiederholt sich hier das selbe Problem: es gibt keinen objektiv richtigen Weg zur Veränderung. Auch die Defensive muss als Teil dieses Wegs betrachtet werden. In denselben Fallstricken fängt sich das Denken: ist es richtig, Partei gegen den Westen oder gegen Russland zu ergreifen? Dahinter steht unausgesprochen und uneingestanden die Vorstellung: von welchem Ergebnis her, aus welcher gesellschaftlichen Bewegung, von welcher weltpolitischen Lage aus liesse sich eine Veränderung am ehesten erreichen?

Das ganze wird noch elender dadurch, dass die Vorstellungen von der Veränderung gewöhnlich mitleiderregend beschränkt sind. Russland ist schwulenfeindlich, aber die Renten werden pünklich gezahlt. Die ukrainische Unabhängigkeit kann ein Hebel gegen die Herrschaft der postsowjetischen Mafia sein, aber die Ukraine wird Operationsgebiet für deutsches Kapital wie Polen und Ungarn.

Was man bereit ist, in Kauf zu nehmen, hängt ganz offensichtlich von Vermutungen über die weiteren Möglichkeiten ab. Und alle diese Perspektiven laufen irgendwann auf ein Riff. Im Grunde weiss niemand weiter. Und ganz genau das ist der Punkt.

5
Nur, damit wir uns verstehen. Ich glaube nicht an die richtige Revolutionstheorie. Es gibt tendenziell soviele Revolutionstheorieen, wie es Sekten gibt, oder sogar wie es Linke gibt, wenn nicht mehr. Es wird gegen die Konfusion gar nichts helfen, sich zusammenzusetzen und eine neue zu entwerfen. Die Revolution ist nicht theoretisierbar, oder anders gesagt, wenn mans versucht, kommt nichts anderes raus als Theorie.

Aber die Konfusion ist ja doch grösser als absolut nötig, weil die Revolutionstheorien, die alle in den Köpfen haben, ihnen allen noch nicht einmal bewusst sind. Es ist nicht besser geworden dadurch, dass über die Perspektiven der Veränderung nach 1989 überhaupt nicht mehr offen geredet wird, und wenn, dann nur noch von den verrücktesten Sekten.

Es war vorher ganz offensichtlich auch schon schlimm; eine der unausgesprochenen Voraussetzungen im Denken der Linken scheint ja doch etwas mit der Sowjetunion zu tun gehabt zu haben.

„Die Sowjetunion war nie ein historischer Anker auf dem Weg zur klassenlosen Gesellschaft, sie war immer ein gewaltiges Hindernis. Und auf der anderen Seite ist genau deswegen eigentlich nicht das Weiterbestehen des DKP-Umfelds inkonsequent und irrational, sondern dass alle die anderen linken Gruppen und Strömungen eingegangen sind, als ob sie und nicht die DKP Aktien am „Land der verwirrenden Lüge“ gehabt hätten.“

„Ihr sagt, der Bankrott des Realsozialismus falle euch auf die Füße, obwohl ihr meilenweit davon entfernt wart. Dazu können wir nur feststellen: wem die Trümmer auf die Füße fallen, der muß sehr dicht dran gewesen sein. Was die von euch ängstlich beschworene revolutionäre Perspektive in den europäischen Metropolenländern angeht, so können wir diesen Bankrott nur begrüßen.“ (RZ Rhein-Main, „Wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am Nächsten“)

Ganz offensichtlich ist das nie bewältigt worden. Das aber ist die erste Voraussetzung dafür, dass man weiterredet.

Vielleicht ist die Lage günstig für neue Einsichten: in einer Zeit, die man vielleicht in der Erinnerung die gewittrigen Monate vor den grossen Unruhen nennen wird. Die Linke ist ratlos, und immerhin die Ratlosigkeit hat sie miteinandern gemeinsam. Immerhin, mehr als seit langem! Kein schlechter Ausgangspunkt für einen neuen Anfang.

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Die nächste Krise XXII

Interessant und plausibel:

BEIJING : China’s largest banks will see near-term revenue and margin pressures on a persisting property sector downturn, higher costs and a worsening global macro outlook, analysts said, clouding growth prospects for the world’s second-largest economy.

Some of the challenges the lenders face were evident last week when five of the country’s largest state-owned banks reported annual results.

And while the banks‘ capital cushions are at comfortable levels currently, those could be impacted if asset quality worsens in the property sector or the economic recovery stutters. Their recent stock price growth could also be stunted.

The lending rates are even lower than deposit rates, pressuring lenders‘ NIMs, they said.

„Measures to stabilise the property market will reduce risk of contagion to the banking system, if these measures ultimately restore homebuyers‘ confidence and prop up property sales,“ said Zhu. „That said, banks will bear additional credit risks in the short term as they increase financing for the property sector.“

„Measures to stabilise the property market will reduce risk of contagion to the banking system, if these measures ultimately restore homebuyers‘ confidence and prop up property sales,“ said Zhu. „That said, banks will bear additional credit risks in the short term as they increase financing for the property sector.“

„If“! Wenn die Massnahmen zur Stützung der Grundstückspreise nicht nur der Schönung der Bilanzen dienen, sondern auch die Nachfrage stützen. Was sie kaum können werden. Ein sehr düstres „if“. Wenn der Analyst recht hat, ist eine grössere Bankenkrise nur eine Frage der Zeit.

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