Kritik und Krise: Modelle

Teil IV der Artikelreihe: Materialien II. Die ersten drei Teile finden sich hier I II III

Materialistische Kritik ist bisher betrachtet worden als etwas, über das geschrieben wird; das beschrieben, untersucht, eingefordert, propagiert, in polemischer Weise der Theorie gegenübergestellt worden ist. Materialistische Kritik, kurz gesagt, erscheint hier bloss als Theorie materialistischer Kritik.

Entweder stellt man sich vor, dass von solcher Art literarischer Tätigkeit irgendwann, Tätigkeiten anderer Art, aber von derselben Qualität ausgelöst werden; man stellt sich dann die Kritik als historischen Prozess vor, bei dem man aber immer erst am Anfang steht, ohne dass dieser jemals von der Stelle zu kommen scheint; oder aber man müsste gleich an der Aussicht verzweifeln, auf solche Art jemals der Krise näher zu kommen. Es kommt auf eins hinaus.

Diese Lage ist nicht ohne Gefahr. Die Kritik arbeitet mit theoretischen Mitteln; sie richtet sich an Menschen mit Erfahrung in theoretischen Debatten; wenn sie auf dem Niveau ihres Gegenstands bleiben will, werden ihre Äusserungen selbst schwer verständlich. Sie tritt als eine Schule in Konkurrenz zu den verschiedenen Schulen der Theorie. Sie legt sich einen Vorrat an Voraussetzungen zu, der umständlich erklärt und verteidigt werden will; sie wird zuletzt eine Geheimwissenschaft einiger Eingeweihter.

Sie verliert damit einen Teil ihrer Wirkung. Sie wird zwar nach wie vor unter den Schulen die sein, die am meisten von einem gewissen gewittrigen Nimbus umgeben ist; aber ihre Donner sind auf einen eng umschriebenen Umkreis beschränkt.

Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit genau desjenigen intellektuellen Milieus, gegen dessen Selbsttäuschungen sie gerichtet ist, uns sie läuft immer Gefahr, in diesen steckenzubleiben. Sie bildet ihre Instrumente, ja ihre Sprache an den Angewohnheiten dieses Milieus, ihres nächsten Gegners, aus, und wird daran stumpf für die Welt.

Die Forderung an die linken Intellektuellen, durch Kritik die Krise hervorzurufen, verliert sich im Versuch, diese Forderung zu begründen; sie wirbt nicht mehr darum, Kritik zu treiben, sondern um Zustimmung zu der Forderung, dass Kritik getrieben werden müsse; sie wird selbst gegen ihren Willen zu Theorie, nur zu einer, die ihr eigener Gegenstand ist, und zwar genau in dem Masse, in dem ihr Bemühen um die linken Intellektuellen fruchtlos bleibt.

Oder aber man besinnt sich. Denn diese Fruchtlosigkeit, wenn alles bisherige stimmt, müsste doch anzeigen, dass man sich vertan hat. Ist nicht die Hervorrufung der Krise der einzige Anzeiger der Wahrheit der Kritik? Nun wenn bei den Intellektuellen eine solche Krise auf diese Weise nicht hervorgerufen wird, dann ist vielleicht diese Weise der Kritik nicht wahr. Ist sie einmal wahr gewesen, und unwahr geworden? Sie ist vermutlich immer unvollkommen gewesen und wird es auch immer bleiben, aber es ist doch nötig, nachzudenken.

Man ist selbst keineswegs alleiniger Inhaber der Idee, die wir Kritik und Krise nennen. Nur wird sie nicht immer so gründlich wissenschaftliche aufbereitet, abgeleitet und gerechtfertig; in kurzem, sie wird nicht überall, wo sie besteht, zum Gegenstand einer Theorie der Kritik. Die Idee einer Konstellation von Krise und Kritik ist gar nicht kompliziert, sie ist sehr einfach, so einfach wie der Begriff Wahrheit.

So ist es auch ohne eine Theorie verstehbar, und auch von jeher verstanden und getan worden. Kritik ist, derart allgemein betrachtet, etwas sehr verbreitetes und alltägliches, alle treiben sie ständig; aber sie ist natürlich nicht allemal wahr. Wahr aber wird die Kritik nicht dadurch, dass ihr Status und Verhältnis richtig formuliert und begründet ist; so treibts man nur für die Intellektuellen, damit auch die es verstehen. Sie ist auch nicht wahr durch die gute Absicht. Sie ist wahr dadurch, dass sie den Gegenstand trifft, d.h. durch die Krise.

Nicht jede Kritik legt es natürlich auf dieselbe Art Krise an. Revolutionäre Kritik, kommunistische Kritik, materialistische Kritik bedeuten auch nicht dasselbe. Von dem Vorbild Bruno Bauers z.B. ist es deswegen nicht leicht, sich zu lösen, weil er die heute noch gültige Sprache der revolutionären Kritik eigentlich begründet hat; aber die materialistische Kritik wird nie aufhören zu staunen, wieviel sie davon auf der Seite ihrer Gegner finden wird.

Wenn wir also vorerst bloss Wissenschaft von der Kritik treiben müssen, können wir genausogut damit anfangen, dass wir uns ein paar der bisherigen Modelle von Kritik anschauen. Es gibt nicht wenige, und ihre innere Verwandtschaft ist vielleicht geringer, als man glaubt. Der Charakter der Kritik liegt nicht in der Form der Kritik, darin liegt vielmehr ihre Wirklichkeit; der Charakter liegt in dem Adjektiv, das man davorsetzt.

a) Kritik mit praktischen Mitteln: Würzburger Flüchtlingsprotest 2012

Der Protest von 2012 verdient viel ausführlichere Untersuchung, sowohl darüber, wie er zustandekam, wie er verlief und was für Wirkungen er hatte; als auch insbesondere seine erstaunliche katalytische Kraft und aber seine Begrenzungen. Dass über alle diese Dinge viel weniger gesprochen wird, als sie es verdienen, ist vermutlich eine seiner offensichtlichsten Begrenzungen. Denn die realen und weittragenden Folgen, die er gehabt hat, sind sehr weitgehend wieder unsichtbar geworden und werden unter ganz anderen Formen verhandelt, als die, die der Protest für eine kurze Zeit geschafft hat zur Geltung zu bringen.

Im Winter auf 2012 taten sich einige iranische Flüchtlinge, nach dem Suizid des Mohammed Rahsepar, zusammen und begannen, einen Protest zu planen. Nachdem sie bei denjenigen Linken, die die Betreuung der Flüchtlinge zu ihrer Spezialaufgabe gemacht hatten, keinerlei Entgegenkommen fanden, wandten sie sich über merkwürdige Umwege an ihnen völlig unbekannte, darunter einige unsrer Freundinnen und Freunde. Die Proteste, die auf die Weise begannen und zu einem Hungerstreik eskalierten, waren eine Auflehnung gleichzeitig gegen ihre Lage als blosse Objekte des Asylverfahrens, stumme Empfänger der Caritas der Flüchtlingshilfe, und gleichzeitig eine Bekräftigung ihrer politischen Existenz iranische Opposition, und als Teil der revolutionären Weltbewegung.

Der Protest hatte zum unmittelbaren Gegenstand die einzelnen Asylverfahren, darüberhinaus einige der gesetzlichen Vorschriften, unter denen Flüchtlinge zu leiden hatten (und nach der Wiedereinführung der Residenzpflicht einige Jahre später wieder zu leiden haben); aber natürlich griff er, weil der Staat natürlich nur stückweise nachgab, viel weiter aus und zwang dem liberalen und linken Teil der Öffentlichkeit eine viel grundsätzlichere Entscheidung in der Frage auf.

Der Iran selbst ging wieder aus dem Fokus in dem Masse, wie sich andere Flüchtlinge dem Protest anschlossen; dafür entstand eine um so breitere Bewegung sowohl unter den Flüchtlingen als auch unter der Unterstützern, die sie Landschaft auf längere Zeit veränderte. Aber hier musste sich die Bewegung schon damit abfinden, dass sich ihre Resultate mit Dingen mischten, die sie selbst hart bekämpft hatte. Auf dem Flüchtlingskongress 2013 in München hatten Muhammad Khalali und Arash Dosthossein eine ausgearbeitete sogenannte Non-Citizen-Theorie vorgetragen, die den Flüchtlingsprotest fest und materialistisch an die faktische Staatenlosigkeit, an die Kritik des Staatsverhältnisses selbst band, und darüberhinaus an eine Klasse; alle entwickelten bürgerlichen Staaten haben etwas wie das Investorenvisum, die freie Kapitalbewegung unterliegt ganz anderen Regeln als die internationale Bewirtschaftung des Arbeitsmarkts.

Diese Argumentation war entstanden in der Auseinandersetzung mit der sog. Critical Whiteness. Sie ist einstweilen aber wieder spurlos untergegangen, nie schriftlich festgehalten, bisher auch noch nicht verbreitungsfähig rekonstruiert, und völlig in Vergessenheit geraten, auch aufgrund des teilweisen Erfolgs der Bewegung.

Die Ausdrucksform des Protests verdient eigene Beachtung. Sie hat diese bisher nur in den Schriftsätzen der Verwaltungsrechtssachen über die Zulässigkeit dieser Protestmittel gefunden. Die Flüchtlinge wohnten über monate faktisch in einem Zelt in der Fussgängerzone an wechselnden Orten, gleichzeitig Darstellung und Umkehrung ihrer Existenz ohne jede Privatsphäre in einer Kaserne am Rand der Stadt, ausserhalb der Augen der Welt. Das Protestzelt versammelte um sich eine ganze eigene Öffentlichkeit; es schaffte, den Intrigen der Verwaltung standzuhalten, indem es eine breite Sympathie in der Gesellschaft hervorrief.

Für meine Begriffe ist diese Bewegung die einzige wirkliche zu meinen Lebzeiten stattgehabte Form von materialistischer Kritik. Sie verdient die beiden Teile dieser Bezeichnung völlig. Und es war denen, die sie begonnen haben, auch völlig klar; auch ehe Jochen Bruhn, als er einmal in der Stadt war, ihnen etwas ähnliches gesagt hat.

b) Der Strassburger Skandal 1967

Unter Fans der Situationisten bis heute legendär ist der Prank, den einige ihrer Anhänger abzogen, als sie an der Strassburger Universität die Wahl zur Studentenvertretung gewonnen hatten mit dem Versprechen, die Studentenvertretung aufzulösen. Sie liessen von Mustapha Khayati das Pamphlet „Über das Elend im studentischen Milieu“ schreiben, eine klassische, bis heute gültige und völlig zerstörende Kritik; druckten sie sodann auf Kosten der Studentenvertretung u.a. auf sehr teures Papier, und luden zu einer Feierstunde, auf der sie es verteilten. Mit dieser Provokation zwangen sie die Universität, sie zwangsweise zu exmatrikulieren, und zwar mit der irrsinnigen Begründung der Veruntreuung der Mittel der Studentenvertretung. Damit erreichten sie nicht nur, dass das Pamphlet ungeheure Bekanntheit erreichte, sondern im Grunde auch einen schlagenden Beweis seiner Richtigkeit. Der ganze Vorgang musste als ein ungeheurer Aufruf zu völliger und kompromissloser Zurückweisung der Universität und der studentsichen Realität wirken.

Wieviel Anteil das an der Protestbewegung der Studenten im Jahr darauf hatte, ist im einzelnen umstritten, aber es lässt sich zur Not eine fortlaufende Kette persönlicher Kontinuität bis zur Besetzung der Sorbonne beschreiben, und ein wenn auch lockerer kausaler Zusammenhang zu der Fabrikbesetzungsbewegung. Die pro-situationistische Mythologie schreibt der Sache gerne mirakelhafte Qualitäten zu. Aber situationistische Gruppen haben allerhand solche Streiche seither ausprobiert, manche davon sehr gut, wie z.B. die Weihnachtsmannsache der Leute von King Mob; aber eine Revolution hat man damit nicht wieder ausgelöst, soweit bekannt geworden ist, und das hat vielleicht seinen Grund.

Die Situationisten haben solche Dinge manchmal „Konstruktion von Situationen“ genannt, und viel über solche Dinge nachgedacht. Wo die Grenze zur politischen Manipulation ist, ist nicht allgemein zu sagen. Aber über die Situationisten ist noch viel zu sagen; nach dem Mai, mehr noch nach dem Juni, fiel die Gruppe in völlige Lethargie und Selbstzufriedenheit, wurde darüber handlungsunfähig genau in dem Moment, wo ihre Bewegung anfing zu zerfallen. Debord und Sanguinetti waren die nächsten 3 Jahre damit beschäftigt, sie aufzulösen. Im Grunde ist dieses Versagen noch lehrreicher als das schöne Skandalstück; es stellt die Frage nicht nur nach dem Adressaten, sondern nach dem Subjekt der Kritik, und dem Verhältnis zwischen beidem.

Jörg Finkenberger: Nachträgliches über die Situationisten

c) Bruno Bauers Lehrstuhl

Diese Art Skandalpolitik hat ihre Vorgänger unter der literarischen Linken, bei den Surrealisten und den Dadaisten. Aber man kann als vielleicht ersten Vorgänger Bruno Bauer identifizieren. Das Vorbild sind vermutlich die Ereignisse um das Ende der Professur Fichtes in Jena, aber Bauer legte die Sache bewusst an, oder „konstruierte eine Situation“. Er hatte seine Kritik des Neuen Testaments veröffentlicht und bereitete sich vor, seine Religionskritik als eine Kritik des damaligen preussischen Staats zuzuspitzen. Er provozierte kurz gesagt den Entzug seiner Lehrerlaubnis, und schaffte es dabei, das Ministerium, die Landeskirche und alle theologischen Fakultäten des Landes mit hineinzuziehen. Es ging dabei nicht nur mehr um Theologie, Kirchenpolitik, Wissenschaftspolitik, sondern jedenfalls in den Begriffen der junghegelianischen Schule um das Verhältnis der Gesellschaft zum Staat, und seiner eigenen Absicht nach um eine Art jakobinischer Demokratie. In seiner Schrift „Die gute Sache der Freiheit und meine eigene Angelegenheit“ erklärt er nicht nur, wie das zugehen soll, sondern bestimmt als erster die Begriffe Krise und Kritik so, wie wir sie hier benutzen. Man kann darin auch sehen, in welchen Umrissen er sich die Umwälzung dachte, die er auf diese Weise heraufzubeschwören gedachte, und in welchen Begriffen er das Scheitern der Kritik bewältigte. Nach 1848 nimmt die Kritik einer Gesellschaft, die sich nicht entscheiden will, den zentralen Platz in seinen Schriften ein. Die Demokratie, wie er sie sich dachte, hatte sich geweigert zu entstehen, und seine Seele dadurch retten, dass er sich dem Kommunismus anschliesst, wollte er auch nicht. So ging er zur Kreuzzeitung und wurde zu jemandem, auf den Nietzsche oder Schmitt sich berufen, den Koselleck einfach abgeschrieben hat, und den die Linken verleugnen, damit sie seine Fehler immer neu machen können.

Bruno Bauer: Die gute Sache der Freiheit und meine eigene Angelegenheit (Auszug)

d) Schlegels Begriff von Kritik

Wenn man schon bei den literarischen Wurzeln des Kritikbegriffs ist, muss man auf Fritz Schlegel eingehen. Er hat, ehe von Frühromantik überhaupt einer Sprach, in seinem „Lyceum“, danach weiter im „Athenäum“ eine ganze Reihe sehr fortgeschrittener Begriffe verfolgt, unter anderem den einer Kritik, die in einer Verbesserung und Überbietung besteht. Diesen Begriff hatte er aus seiner Arbeit über die Homerische Frage, wo er die Enstehung der Epen aus einem kollektiven Prozess des Weiterbaus, vermittelt durch die Kritik der einzelnen Rhapsoden vorstellte: eine schöpferische, umschaffende, weiterbauende Kritik, die den Gegensatz von Kunst und Wissenschaft, und die Spaltung der Gesellschaft, überwindet. Die Kritik des Romans, schreibt er, kann nur selbst wieder ein Roman sein, und ähnliche bizarre Paradoxien; aber es ist ihm immer bewusst, dass es sich bei diesen Ideen um Beiträge zur Gründung der Gesellschaft handelt. Der frieie Weiterbau am gemeinsamen Werk, den diese Kritik stiften soll, ist nicht bloss auf die Kunst beschränkt gedacht.

e) Kritik der Spaltung in geistiger und körperlicher Arbeit

Was vorhin über die materialistische Kritik gesagt war, muss auch umgekehrt betrachtet werden. Unter Intellektuellen besteht ja die erste Aufgabe der materialsitischen Kritik wirklich in dem undankbaren Geschäft, ihnen die intellektuellen Flausen wieder auszutreiben, z.B. die Berufskrankheit, sich erst alles vernünftig zu denken, d.h. sich jeden Sinn für die wirkliche Unvernunft abzutrainieren; im Grunde ist das immer noch Idealismus, d.h. der typische Intellektuellenaberglaube, dass bloss weil sie sich primär mit dem Geist auf die Welt beziehen, dann der Geist auch das innere Prinzip dieser Welt sei.

Die Kritik dieses Unsinns ist nicht nur unvollendet, gerade weil Marx soviel Mist darüber geschrieben hat. Der „junge Marx“ ist das ideale Versteck für allerhand linken Idealismus, und Lukacs und der Hegel-Marxismus haben das ganze nocheinmal philosophisch geadelt. Ausserdem wird jeder linke Intellektuelle quasi als Idealist geboren, die Arbeit ist also wirklich niemals beendigt. Jochen Bruhn hat das zu Recht als die erste Aufgabe der materialistischen Kritik bezeichnet, als Selbstkritik der Intellektuellen, ohne die so etwas wie Materialismus gar nicht bestehen kann. Sie ist gleichzeitig eine Kritik der Form Politik, wie sie eine Kritik der Form Theorie ist.

Politik in ihrer klassischen, d.h. durch der Verwüstungen, die sie angerichtet hat, zur ehrwürdigen Tradition geheiligten Form ist z.B. die Idee der Leninisten, dass die Organisation des Proletariats natürlich zustande kommen muss dadurch, dass erst Intellektuelle aus der Bürgerklasse einspringen und diese Organisation, zu der das Proletariat es natürlich nie und nimmer selbst bringen kann, substituieren; ein des Abbe Sieyes würdiges Staatsphilosophem.

Die Altvorderen unserer Schule waren zu Recht erbarmungslos in ihrem Beharren, dass das Geklapper von Theorie und Praxis sich immer und überall auf das von Klasse an sich und für sich reimt, und dass unfehlbar dahinter die Aufgabe der Intellektuellen herausspringt, die Vermittlung zu vollbringen, d.h. den Staat zu gründen. Die Denunziation dieses Irrsinns wird natürlich die Frage gestellt bekommen: wie sonst? Und sie hat sich diese Frage auch zu stellen. Bloss weil vermöge der Partei die Klasse an sich niemals zur Klasse für sich wird, heisst das ja lange nicht, dass sie es wird vermöge der Kritik der Partei.

Diese Stelle kann mit den Mitteln der bloss theoretischen Kritik zwar beschrieben, aber nicht überwunden werden. Die bloss theoretische Kritik hat hier entweder die Waffen zu strecken, oder sich ein historisches Beispiel zu nehmen. Die Situationisten, hatten eine ähnliche Kritik der Spaltung am Start, die sie als gute Schüler des Castoriadis zu einer sogenannten Kritik der Trennungen ausgearbeitet hatten; derjenigen Trennungen nämlich, die dafür sorgen, dass in der Republik des Markts z.B. nicht gesprochen werden kann über die Despotie der Fabrik. Es kann überhaupt nicht mehr über wirkliche Erfahrungen gesprochen werden, und aufgrund wirklicher Erfahrungen gehandelt werden, sondern nur unter der Form der Politik; d.h. vermittelt über die zuständigen Instanzen, z.B. der Gewerkschaft. Das bloss alltägliche, d.h. wirkliche Leben ist unwichtig, d.h. Privatsache, aus der nie etwas folgt.

Die Situationisten hatten einerseits völlig Recht, indem sie die Dinge beim richtigen Namen benannten. Sie hatten aber andererseits völlig Unrecht, indem sie sie nur dem Namen nach kannten. In dem selben Moment, als sie den Laden dichtmachen mussten, machten ganz andere Leute aber ihren Laden erst auf und legten eine wirkliche Kritik des alltäglichen Lebens und eine wirkliche Kritik der Trennungen vor, d.h. eine, die nicht nur eine theoretisch begründete Forderung nach einer solchen ist, sondern die eine wirklich praktische Kritik auch auszulösen im Stande war, nämlich Shulamith Firestone, Katie Sarahcild und die Women’s Liberation Front.

Die blosse Kritik der Form Politik ersetzt nicht die wirkliche Kritik der Gesellschaft, sie ist sogar unvollständig ohne diese. Sie ist nur in einem bestimmten Bereich ihre Voraussetzung, nämlich unter den Intellektuellen. Aber unter diesen tendiert sie dazu, zu einer Frage davon zu werden, was Intellektuelle im Verein mit anderen Intellektuellen tun sollen; d.h. sie tendiert zum Rückfall.

Näheres: Nachträgliches über die Situationisten, Sackgasse der Suversion, Buchbesprechung: Revolutionärer Feminismus

f) Das Einstehen des Lebens für die Wahrheit der Kritik

Namentlich in Bruhns Schriften über die RAF findet sich öfter der Gedanken, dass der Revolutionär mit seinem Leben für die Wahrheit der Revolutionären Kritik einstehe. „So ich dies sage, muss ich aufrührisch sein; wohlhin!“, heisst es bei Thomas Müntzer. Immer daneben findet sich allerdings auch eine skeptische Ambivalenz gegenüber solchem „Existenzialismus“.

Die Wahrheit der Kritik wird natürlich nicht durch die Bereitschaft, sein Leben dafür dranzusetzen, erwiesen. Es haben ja allerhand Leute so etwas getan, ohne dass man bereit wäre, ihrer Sache dafür Recht zu geben. Trotzdem scheint es ein Grundsatz in der Geschichte aller revolutionären Kritik zu sein, dass der Kritiker von der Wahrheit der Kritik sagen wir es allgemein: keinen persönlichen Vorteil für sich erhofft, sondern einen mehr oder weniger grossen Nachteil in Kauf nimmt. Ist das der Kritik innerlich oder äusserlich? Hat das eher mit der Wahrheit zu tun, oder eher mit der Bereitschaft der Leute, einem zuzuhören, wenn man nicht offensichtlich als Anwalt in eigener Sache auftritt?

Beides kann wahr sein. Im Naturzustand, sagt die Spieltheorie, wo es keine judikative Instanz gibt, die jemanden an seiner Willenserklärung festhalten kann, ist die einzige Möglichkeit, glaubwürdige Erklärungen abzugeben, die, dass man für diese Erklärung Nachteile auf sich nimmt, d.h. durch diese Erklärung sich an die Erklärung bindet (costly signalling; siehe dazu Diego Gambetta, Codes of the Underworld.). Die revolutionäre Kritik, könnte man sagen, befindet sich natürlich mit ihrem Gegner im Naturzustand.

Auf der anderen Seite zitieren dann Leute Schmitt und sagen: Der Souverän ist das, was das Opfer des Lebens verlangen kann. Auch das ist ein gültiger Einwand. Zu Ende geführt kann das Problem hier nicht werden. Es wird vermutlich noch viel mehr dazu zu sagen sein. Zu dem Zusammenhang, in dem Bruhns Texte zur RAF stehen, empfehle ich, mit unsern heutigen Augen von Karl-Heinz Roth „Die historische Bedeutung der RAF“ zu lesen. Sind wir mit dem Standpunkt, der dort vertreten wird, im Moment schon fertig? D.h. können wir benennen, was genau daran falsch ist, wo doch einiges daran (womöglich in denselben Sätzen) anscheinend wahr ist?

Karl Heinz Roth: Zur historischen Bedeutung der RAF
Jochen Bruhn: Der Untergang der Roten Armee Fraktion

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Die nächste Krise XXI

Die kommunalen Investmentgesellschaften in China sind der jetzige Sitz der finanziellen Risiken:

So far, they have been no public reports of an LGFV default, but some have had loans extended.

“The LGFVs have become the black hole of the Chinese financial system. They have been used to fill the gap between local government revenue and expenditure,” said Andrew Collier managing director at Orient Capital Research.

“They have little or no profit, and cannot pay back their debt owed,” he said. “I expect many LGFVs to collapse, or to be quietly recapitalized by banks, putting some rural banks and some bondholders at risk of defaults.”

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Die nächste Krise XX

In der Finanzwelt schrillen die Alarmglocken: Sind Gewerbeimmobilien der nächste Dominostein, der auf dem Spielfeld des globalen Kapitalismus kippt? Das werde weithin so gesehen, warnte der Bank-of-America-Analyst Michael Hartnett in einem Kundenmemo. In dem Sektor braue sich »ein perfekter Sturm« zusammen, schwant auch der New Yorker Branchenexpertin Varuna Bhattacharyya. »Es fällt schwer, nicht ein wenig in Panik und Angstzustände zu geraten«, sagte sie der »New York Times«.

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Die nächste Krise IXX

Neues von den chinesischen Bodenpreisen.

That explains why the real fear for Chinese officials isn’t a fall in the amount of land sold, but volatility in the price of land, which would become a financial-stability issue.

The fear would be a 1990s Japan scenario, where land values crashed, walloping lending—and the broader economy—on the way down. That would be a disaster for China’s investment-driven growth model, which depends on steady credit growth.

So last year, when real estate sales slumped, local governments kept land prices stable. First, by reducing the amount of land sold, and second, having LGFVs buy land, they became buyers in prime spots previously favored by real-estate companies. It also helped that cities kept new home prices stable.

It’s hard to believe, but as real estate developers ran away from the land market last year, land prices in 300 cities surveyed by China Real Estate Information Corp. rose 6%.

The motivation is similar to the US Federal Reserve propping up financial assets during the 2008 financial crisis, acting as the “buyer of last resort” when private sector demand fell. In the Fed’s case, it made a profit on the troubled assets it took on—once the market calmed down.

And it’s possible that LGFVs can do the same. Economists are already seeing signs of a China housing market recovery this year.

Die Bodenkrise wird verschoben auf eine Krise der öffentlichen Finanzen. Es ist nicht anders als Europa 2010. Die grosse Kernschmelze bleibt für jetzt aus. Ob das Problem damit ganz auf den nächsten Zyklus verschoben ist, ist nicht gesagt; die industrielle Krise, die dem ganzen zu Grunde liegt, ist nach wie vor da, und Stoff für eine Bankenkrise ist immer noch vorhanden.

Das ist anscheinend das charakteristische an solchen zyklischen Krisen in den späten Phasen der grossen Konjunkturen: dass die Erholung immer problematischer wird, und das Risiko des Rücksturzes in die Krise länger anhält.

Aber die Kommunalbonds haben eine ähnliche Stellung für den Refinanzierungskreislauf des Kapitals, und tragen deswegen dasselbe Systemrisiko:

One of the two main sectors for offshore bond issuance in China – the other being the beleaguered property industry – could see risk spill over to the broader bond market and threaten systemic financial stability in the world’s second-largest economy, analysts said, although missed payments are more likely to be seen beyond the public bond market in the short run.

“An unexpected LGFV bond default as a result of a gap in regional local government (RLGs) support … could lead to contagion in the onshore bond market, with implications for RLGs, financial institutions and [state-owned enterprise],” said analysts led by Martin Petch in a report on Wednesday.

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Wir werden die Fahne wieder aufrichten, auf der steht: Die Freiheit, die Gleichheit oder den Tod!

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Erkenntis und Theorie

Teil III der Artikelreihe Freiburger Materialismus: Materialien I. Die ersten beiden Teile finden sich hier: I II

Die nachfolgenden Punkte sind ein Versuch, einige Grundgedanken der genannten Autoren herauszuholen. Sie sind diejenigen, die mir höchtselbst als die zentralen Punkte erscheinen. Sie umfassen von den Ansätzen des ISF wahrscheinlich vor allem die von Bruhn und die aus den 1990ern. Die Sache ist lediglich eine Vorlage, weder nach Autoren noch nach Thesen hin abschliessend oder vollständig.
jf

Sohn-Rethel

1. Kritik des Intellekts. Die geistigen Formen sind nicht primär, sondern entsprechen den jeweiligen gesellschaftlichen Formen, Erkenntnistheorie ist Gesellschaftstheorie. Er entwickelt das anhand im Grunde einer einzigen dieser Formen, derjenigen des Gelds als Münze und ihrer logischen Entsprechungen. Er schert sich dabei überhaupt nicht um andere Existenzweisen von Geld, die nicht minder logische Entsprechungen haben, und um die Gesetze dieser Formen. Insoweit ist er selbst Gefangener seines relativen Erfolgs, und hier wäre noch Arbeit zu tun. S.R. hängt einer bestimmten Idee der Geschichte an. Was wir Geschichte nennen, ist die materielle Seite des Begriffs, den wir von Gesellschaft haben. Es muss also zwangsläufig auch eine Kritik dieses Bilds von der Geschichte stattfinden.

2. Die Philosophie ist systematisch falschherum, s. Kant. Sie hat in ihrem Kern eine leere Stelle, wo die Gesellschaft ist. Der sog. Idealismus ist in der Philosophie allgemein, die materialistische Opposition steht vor der Schwierigkeit, ihrerseits zu erklären, wie das zugeht. Wenn ihr das nicht gelingt, ist sie verloren. Die Arbeit ist von Marx angefangen, aber keineswegs fertiggebracht. Der Materialismus hat nicht einfach von einer Materie auszugehen, sondern von der Gesellschaft. Von dieser hat S.R. selbst keinen vollständigen Begriff. Die Frage ist vielleicht, ob man einen haben kann. Aber man kann auch nicht keinen haben, denn man hat notwendig einen, wenn auch ohne es zu wissen. Die materialistische Kritik kann keinen Schritt tun, ohne das zu begreifen und eine sinnvolle Folge zu ziehen.

3. Kritik der Intellektuellen. Die Trennung von Hand- und Kopfarbeit ist es, die diesen Irrtum immer neu hervorbringt. Diese Trennung ist einer der Namen der gesellschaftlichen Herrschaft. Das heisst Erkenntniskritik ist Kritik dieser. Der Zugang, den die Intellektuellen zu den Dingen haben, ist ein theoretischer, und ihnen gerinnt alles zu Theorie. Die Theorie wiederum gerinnt in der Praxis zu Herrschaft. Das hat Folgen für die materialistische Kritik. Sie wird ebenso als Theorie enden, es sei denn, sie bewegt sich ausserhalb dieser Konstellation.

4. Die Gesellschaft bedarf einer Synthesis. Ohne diese ist sie keine Gesellschaft, d.h. man kann ohne einen Begriff von Synthesis Gesellschaft nur denken, wenn man gleich von Anfang von den Einzelwesen abstrahiert. S.R. gründet seinen Begriff von Synthesis dabei nicht auf die sogenannte Produktionsweise, sondern auf die Aneignungsweise. Was eine Aneignungsweise ist, ist natürlich bei den vergangenen Gesellschaftsordnungen abhängig davon, was man über diese weiss oder wissen will. Hier ist noch Arbeit zu tun. Für die kapitalistische Produktionsweise ergibt sich, dass sie als erste gleichzeitig ihre eigne Aneignungsweise ist. Die Intransparenz der Aneignungsweise ist es, die der Intransparenz der Gesellschaft für sich selbst zu Grunde liegt.

5. Die Kritik der Trennung von Hand- und Kopfarbeit hat als notwendiges Gegenstück die Idee eines Sozialismus assoziierter Produzenten. Sie verträgt sich nicht gut mit dem Staat, und auch nicht mit der Herrschaft einer sozialistischen Partei. S.R. hatte seine Hoffnung bekanntlich auf den Maoismus und die Kulturrevolution gelegt. Wie aus diesen eine Lösung der Probleme betrieblicher Leitung, über die er viel arbeitet, kommen soll, ist vielleicht wirklich eine Frage der Hoffnung. Eigentlich unterliegt er hier der Art zu denken, die er kritisiert. Eine Lösung auf das betriebliche Problem und das gesellschaftliche Problem muss man hier nicht suchen, aber das Problem ist jedenfalls gestellt.

Alfred Sohn Rethel:
Technische Intelligenz zwischen Kapitalismus und Sozialismus, aus Geistige und körperliche Arbeit Bd. I, S. 469 ff
Science as Anlienated Consciousness, aus Geistige und körperliche Arbeit Bd. II, S. 681 ff.
Das Geld, die bare Münze des Apriori, ebd. 721 ff.
Produktionslogik gegen Aneignungslogik, ebd. S. 833 ff.

Gruppe Internationaler Kommunisten

6. Kritik der Partei und des Staats. Die Parteien des Proletariats haben Anfang des 20. Jahrhunderts allesamt unselbständige Ideen über den Sozialismus, d.h. entweder solche aus vorindustriellen Zeiten, oder direkt kapitalistische Ideen. Zur ersten Sorte gehört der Gildensozialismus, der Proudhonianismus, der Syndikalismus; zur zweiten die sozialdemokratischen und bolschewistischen Ideen darüber, die Wirtschaft von Staats wegen wie einen grossen Konzern zu führen. Sie geraten daher notwendig in einen Gegensatz zur Klasse, sobald diese wirklich in Bewegung gerät. Die Räteform, die in den Revolutionen seit 1905 auftaucht, ist die wirklich der grossen Industrie angemessene Form des Sozialismus. Soweit ein Bedürfnis besteht, die neue Gesellschaft theoretisch vorwegzunehmen, kann das nur auf dieser Grundlage geschehen.

7. Die sogenannte sozialistische Kalkulationsdebatte zeigt die Unmöglichkeit einer rationalen zentralen Planung der Wirtschaft. Die Staatssozialisten wehren sich gegen diese Einsicht; aber sie ist eigentlich eine unausweichliche Folge aus der Kritik der kapitalistischen Ökonomie. So ist von den Staatssozialisten eigentlich nur die kapitalistische Wirtschaft in Russland erst wirklich aufgerichtet worden. Sie haben die Revolution liquidiert, um die Probleme des Kapitalismus zu erben; anstatt dass der Sozialismus auch als deren Lösung aufträte.

8. Transparente Gesellschaftlichkeit, durchsichtig vernünftiges Verhältnis. Der Ursprung dieser Schwierigkeiten liegt gerade darin, dass die Produktions- und Aneignungsweise intransparent ist, d.h. dass die Gesellschaft kein durchsichtig vernünftiges Verhältnis hat. Die gesellschaftlichen Einrichtungen stehen in Unterschied zu der wirklich stattfindenden Gesellschaft, keiner wirtschaftlichen Grösse sieht man ihre gesellschaftliche Herkunft an. Die GIK entwerfen einen groben Gesellschaftsplan, in dem ein solches durchsichtig vernünftiges Verhältnis möglich ist, auf der Grundlage der Leitung der Arbeitenden in allen einzelnen Betrieben.

9. Die bordigistische Kritik dieser Ideen hält das für einen Irrweg. Sowohl die Vermittlung des gesellschaftlichen Prozesses durch Arbeitszeitmengen, als auch die Selbständigkeit der Betriebe gegenüber einander und der Gesellschaft gelten ihr als bürgerliche Formen. Stattdessen verstehen sie unter Kommunismus ein unmittelbares Verhältnis zur Gesellschaft. In literarisch-linken Kreisen ist diese Kritik seit 1969 vorherrschend. Sie beruht eigentlich auf einer Wahnidee, nämlich als gäbe es so etwas wie die Gesellschaft als eine irgendwie verfasste Grösse schon, mit der irgendetwas unmittelbar in Beziehung gesetzt werden könnte. Gesellschaft ist Vermittlung. Gerade das, was diese abstrakten Kommunisten an der GIK schmähen, bietet die einzige denkbare Möglichkeit einer transparenten Vermittlung.

GIK, Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung, 1. A., darin:
Vom Staatskommunismus zurück zur Assoziation von freien und gleichen Produzenten, S. 11 ff.
Der Fortschritt im Stellen der Probleme, S. 26 ff.
Die gesellschaftliche durchschnittliche Produktionszeit als Grundlage der Produktion, S. 44 ff.

Castoriadis
C. gehört nicht in eigner Person zu den Quellen, auf die die ISF sich gewöhnlich bezogen hat. Aber C. steht historisch am Anfang der Linien, die zu den Operaisten und den Situationisten geführt hat, und ich finde bei C. die Gedanken, die die ISF von diesen aufgenommen hat, viel übersichlicher und treffender dargestellt als bei diesen selbst, und um einiges früher, da sie beide ihn geplündert haben. jf

10. C. hat, über die GIK hinausgehend, einen Begriff von Selbsttätigkeit gefasst, der nicht erst in einer utopischen Zukunftsgesellschaft statthat, sondern eine vorfindliche Tatsache ist. Die Selbstbewegung der Gesellschaft ist unzureichend beschrieben, wenn sie einfach als Bewegung des Kapitalis beschrieben ist. Und die Kämpfe der Klassen sind auch nicht glatt ökonomische oder politische Kämpfe, schon gar nicht solche zwischen fest umschriebenen, konstituierten Akteuren. C. zeigt das für die Dynamik der betrieblichen Organisation. Es findet innerhalb der Arbeiterklasse eine informelle Kooperation bereits statt, von der die Betriebswissenschaften und die politische Strategie beide nichts wissen und nichts wissen können. Sie ist die Grundlage sowohl des Funktionierens als auch der Krise der betrieblichen Herrschaft.

11. Die Linien der formellen Organisation des Betriebs, wie das Management sie entwirft, entsprechen den Begriffen der formellen Ökonomie. Sie sind aber notwendig unvollständige Abbilder der wirklichen Organisation des Betriebs. Die informellen Strukturen dagegen sind zwar an der Basis umfassender ausgebildet und bilden den wirklichen Arbeitsprozess ab, aber ihnen fehlt das Moment der Einheit und der Leitung. Der Betrieb ist also durchzogen von zweierlei diskontinuierlichen Logiken, die an und für sich nicht gleichzeitig bestehen können. Alle theoretischen Begriffe von dem ökonomischen Prozess sind von den Prinzipien der formellen Organisation abgeleitet, sie sind also von Grund auf Ideologie.

12. C. sieht um 1958 die kapitalistische Welt eine Form annehmen, die mit den Ideen des älteren Marxismus wenig gemeinsam hat. Die Arbeiterklasse als politische Grösse scheint zu verschwinden, ihre Hereinnahme in die Gesellschaft schein vollendet, eine Klassengesellschaft ohne Klassen scheint zu bestehen. Die Organisationen, die den Klassengegensatz verwaltet haben, scheinen ihres Inhalts entleert, entpolitisiert; eine öffentliche programmatische Alternative zum Kapitalismus besteht nicht mehr; aber die Arbeiterkämpfe seitdem scheinen, wo sie stattfinden, dennoch um so militanter zu werden, je weniger sie ein realistisches Ziel zu haben scheinen. Die Realität der Klassen verschwindet aus der Öffentlichkeit, wird abgedrängt in einen Teilbereich des Privaten, zu den Dingen, die nicht wichtig sind und über die man es nicht der Mühe wert hält zu reden. Bewusstseinsspaltung tritt ein in Bürger einerseits, Arbeitstier andererseits; Teil des Staatssubjekts, und Anhängsel der Maschine.

13. Gesellschaft ist für C., der einen präzisen Begriff von ihr nicht unternimmt zu umreissen, nicht unterscheidbar von Geschichte. Gesellschaft ist ein formeller Begriff, ihre wirkliche Bewegung und Veränderung ist ihre materielle Seite. Was wir über die Gesellschaft wissen, wissen wir aus der vergangnen Gesellschaft; es ist ohne dieses nicht einmal zu sagen, was eine Gesellschaft ist; es ist nichts kontinuierliches an ihr, ausser man betrachtet sie als Geschichte, das heisst als Selbstveränderung. Aber diese Selbstveränderung, identisch mit ihrer Realität, ist doch eine unter einem geheimnisvollen und irrationalen Gesetz. Und selbst dass dies so ist, kann nur erkannt werden, wenn man ihre Geschichte als etwas begreift, was die Gesellschaft dennoch selbst tut, wenn auch in der Weise, dass sie es selbst nicht von sich weiss. Der Begriff einer Gesellschaft, die ihre Geschichte als ihre eigene Tat wüsste, ist eine methodische Voraussetzung jeder Gesellschaftserkenntnis.

Cornelius Castoriadis:
Der Inhalt des Sozialismus, Teil III
The Imaginary Institution of Society, Polity Press 2005, darin 2 iii: Autonomy and Alienation, S. 101 ff.

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Zur Erinnerung an Frauenaufmärsche in Belarus 2020

Lukaschenko ist eine wichtige Stütze des Putinschen Regimes und spielt immer noch eine wichtige Rolle im Angriffskrieg gegen die Ukraine, obwohl er seit einem Jahr eine direkte Beteiligung der belarussischen Streitkräfte erfolgreich verhindert. Er hat wohl noch was zu verlieren.

So wenig zwei Jahre nach der Zerschlagung der Proteste die Diskussionen über die Strategie der Opposition und den Gebrauch bzw. Nicht-Gebrauch der Gewalt verstummen, so wenig hört die belarussische Repressionsmaschinerie auf, Menschenleben zu zermalmen.

Im Sommer 2020 musste Lukaschenko für Ruhe in seinem Land sorgen. Angefangen mit einer fahrlässigen und verablassenden Reaktion auf die Covid-19-Pandemie und die Belange der Gesellschaft in der entstandenen Notsituation und dann etwas später, bei der erneuten Wahlfälschung, fingen die Leute an, sich zu organisieren, regte sich erneut der gesellschaftliche Widerstand gegen das Regime. Was wir von der liberalen Opposition halten, haben wir mal dargelegt, aber die Rolle der Frauen bei den Protesten war nicht zu übersehen und bildet einen eigenen Strang in dieser Geschichte. Eine der Organisatorinen versucht auf pramen.io über die Entstehung, den Verlauf und das Ende der Frauenaufmärsche zu reflektieren:

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Die nächste Krise IIXX

Über die Krise der Kommunalfinanzen in China:

To make ends meet, local governments have entered costlier and murkier corners of the market. More than half of outstanding lgfv bonds are now unrated, the highest share since 2013, according to Michael Chang of cgs-cimb, a broker. Many lgfvs can no longer issue bonds in China’s domestic market or refinance maturing ones. Payouts on bonds exceeded money brought in from new issuances in the final three months of 2022, for the first time in four years. To avoid defaults many are now looking to informal channels of borrowing—often referred to as “hidden debt” because it is difficult for auditors to work out just how much is owed. Interest on these debts is much higher and repayment terms shorter than those in the bond market…

These higher rates have the makings of a crisis. A report by Allen Feng and Logan Wright of Rhodium, a research firm, estimates that 109 local governments out of 319 surveyed are struggling to pay interest on debts, let alone pay down principals. For this group of local authorities, interest accounts for at least 10% of spending, a dangerously high level. In Tianjin, the figure is 30%. The city on China’s prosperous east coast, home to 14m people, is a leading candidate to be the default that kicks off a market panic. Although Tianjin neighbours Beijing, its financial situation is akin to places in far-flung western and south-western provinces. At least 1.7m people have left the city since 2019, a scale of outflows that resembles those from rust-belt provinces. Dismal income from land sales can only cover about 20% of the city’s short-term lgfv liabilities.

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Vorbemerkungen zum Verhältnis von Krise und Kritik

Teil II der Artikelreihe (Teil I hier)

Reinhart Koselleck: Kritik und Krise, Ffm. Suhrkamp 1976, insbes. III.3, S. 132 ff.

Erdmut Wizisla: »Krise und Kritik (1930/31). Walter Benjamin und das Zeitschriftenprojekt«, in: Michael Opitz/Erdmut Wizisla (Hg.): Aber ein Sturm weht vom Paradiese her. Texte zu Walter Benjamin, Leipzig 1992, S. 270-302.

1. Es gibt derzeit keinen marxistischen Begriff von der Krise, es gibt stattdessen eine fast unüberschaubare Menge an Krisentheorien, für jede der marxistischen Schulen eine. Jede davon strebt danach, um der Unverwechselbarkeit willen, ihre Krisentheorie möglichst an einem leicht zu identifizierenden Umstand innerhalb der kapitalistischen Totalität festzumachen. Keine davon kann Anspruch erheben, die Totalität der kapitalistischen Krise darzustellen, auch nicht einen Aspekt davon, denn auch alle zusammen ergäben das noch nicht, abgesehen davon, dass sie sich nicht vertragen.

2. Die einzelnen Umstände der Ökonomie sind miteinander nicht fester verbunden als mit anderen Umständen, die wir nicht ökonomisch nennen würden. Anders gesagt, die Einheit dessen, was wir Ökonomie nennen, besteht nur im Begriff, nicht in der Sache. Keine marxistische Schule kann einen Begriff von der Krise der Totalität erreichen, d.h. einen materialistischen Begriff der Krise.

Anm.: Das ist keinerlei Rechtfertigung dafür, von der ökonomischen Krisentheorie die Hände zu lassen, insbesondere nicht dafür, so zu tun, als gäbe es „bei Marx“ oder in der Realität allerhand Krisen, die alle mehr oder weniger nichts zu sagen haben. Oder als hätten die Krisen „bei Marx“ und die in der Realität nichts miteinander zu tun. Die ökonomischen Begriffe von der Krise sind bei den Marxisten in grosse Unordnung geraten, weil ihr Verhältnis zu den wirklichen Krisen nicht verstanden wird. Man kann aber diesen Satz nur behaupten, wenn man dieses Verhältnis wirklich aufzeigen kann. Natürlich kann man zwar keine der marxschen Begriffe von der Krise idealtypisch rein in freier Wildbahn antreffen, aber wenn man sie in der wirklichen Welt gar nicht mehr wiedererkennen kann, kann mans mit Marx eigentlich ganz bleiben lassen. Man wird sich dann nur vielleicht ziemlich schnell schwer tun mit den allerhand anderen Ideen über die Krise.

3. Die konservative Kritik (z.B. Koselleck) arbeiten mit einem Begriff der Krise, der rein metaphyisch bleiben muss. Sie zeichnet ein Bild der Krise der alten Welt, das z.B. mit der Aufklärung beginnt, aber diese Krise bleibt in ihrem Verlauf entweder rätselhaft, oder bekommt erschlichene Evidenz durch gröbliche Verzeichnung. Sie ist nichtsdestoweniger, oder gerade deswegen, wirkungsmächtig. Und schlimmer, die marxistischen Schulen haben dem bisher nichts auf derselben Ebene entgegenzusetzen gewusst (nehmen wir die Frankfurter aus, deren orthodoxer Marxismus überall verkannt wird). Ihr eigener Begriff der Krise operiert unterhalb des Niveaus der konservativen Schulen. „Nous approchons de l’etat de crise et du siecle des revolutions“: die materialistische Kritik, wenn sie zu einem angemessenen Begriff der Revolutionsgeschichte kommt, würde es mit beiden leicht aufnehmen können.

Anm.: Koselleck ist seinerzeit bekannt geworden mit einer „Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt“, immerhin unter dem Namen „Kritik und Krise“, die auch heute noch einen gewissen Einfluss ausübt. K. ist unehrlich genug, seinen eigenen Standpunkt gar nicht als „Kritik“ zu bezeichnen, anders als Bruno Bauer, von dessen Arbeiten nach 1848 er in vieler Hinsicht abhängig ist. Er schiebt den Begriff „Kritik“ der Gegenseite zu, dem Liberalismus und Radikalismus, und schreibt dieser den Untergang der so schönen absolutistischen Welt zu. Es lohnt sich, festzuhalten, dass es diese Welt nicht gab. Er arbeitet eigentlich Schmitts rechtshistorisches Konstrukt zu einer Kritik der Aufklärung aus. Nur im allerletzten Teil, III. 3., kommt er auf die Sache selbst zu sprechen, nämlich auf die reale Antinomie im Kern des Staats. Er nimmt sich dazu dieselben Stellen von Schmitt, wie es Bruhn getan hat. Es lohnt sich, diesen Teil einmal zu lesen. Die Marxisten arbeiten nach wie vor unterhalb dieses Niveaus. Die konservativen Ideologen sind bis heute keinen Schritt darüber hinausgekommen. Man hat heute die Mittel, sie aufzurollen.

4. Der materialistische Begriff der Krise ist nicht von einem einzelnen Umstand des Systems bestimmt, dem etwa abgeholfen werden könnte, sondern von dem Gesamten einer falsch zusammengesetzten Totalität. Sie hat aber weder aus den ökonomischen Krisen die Krisen irgendeines Teilbereichs abzuleiten, noch hat sie den ökonomischen Begriff der Krise durch einen anderen, vermeintlich weitergehenden metaphysischen zu ersetzen. Die Erscheinungen des „Überbaus“ lassen sich aus der Ökonomie nicht glatt ableiten, aber ebenso aus einander. Die bestehende Gesellschaft hat nicht ein vernünftiges beschreibbares inneres Prinzip. Der Begriff ihrer Gesamtheit selbst lässt sich nirgendwoher ableiten, es sei denn aus dem Gegenbild einer als „durchsichtig vernünftiges Verhältnis“ eingerichteten Gesellschaft.

5. „‚Kritik‘, indem sie dialektisch das ganze Stoffgebiet in eine permanente Krise umdenkt, … löst also fertige Werke in unfertige auf“ (Brecht). Der Materialismus kann die Dinge nicht als gesellschaftliche Züge einer bestehenden, konstiutierten Gesellschaft zu betrachten, sondern als ungesellschaftliche Züge einer noch nicht konstituierten. Er hat es nicht mit einer unwandelbaren, auf feste innere Prinzipe gegründeten Gesellschaft zu tun, sondern mit einer, deren Gründung fehlgeschlagen ist. Die abstrakte Alternative: Zerstörung oder Verbesserung der bestehenden Gesellschaft hat also keine Macht über ihn.

6. An dem Projekt „Krise und Kritik“ von Brecht und Benjamin lässt sich ein grundsätzliches Problem der materialistischen Kritik festmachen. Es hatte sich das stolze Ziel gesetzt, „die Krise auf allen Gebieten der Ideologie…festzustellen oder herbeizuführen.“ Es sollte aber „kein proletarisches Blatt, kein Organ des Proletariats“ sein, sondern eines, in dem „die bürgerliche Intelligenz sich Rechenschaft … gibt“ über ihre Lage in der „kritischen Grundsituation der heutigen Gesellschaft“. Brecht hat sich genauso wie Breton zu Recht dagegen gewehrt, dass die Intellektuellen so tun, als ordnen sie sich der Arbeiterklasse ein oder unter; sondern er forderte, dass sie das, was sie besitzen, eigenständig und aus eigener Nötigung in den Dienst der Revolution stellen. Aber die Nötigung, die aus der Lage der Intellektuellen kommt, ist die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Formen, die Intellektuelle benötigt. Kritik, die daran gebunden ist, wird niemals zur Krise sich radikalisieren.

Anm.: Sohn-Rethel z.B. war ja fasziniert davon, dass Ökonomen wie Schmalenbach die integrierten Stahlwerke für unverträglich mit dem Privatkapitalismus erkannten; was für Schlüsse haben die Ökonomen daraus gezogen? Die Organisation der Produktion, die die Schmalenbachs wünschten, war 1933 möglich geworden. Benjamins interessierte sich für Schmitt auch deswegen, weil dieser ja auch eine Krise aussprach. Da haben wir den Salat; es führt kein Weg dran vorbei, alles nochmal genauer anszuschauen.

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Die nächste Krise XVII

Auch sowas:

Unternehmen in aller Welt haben einer Studie zufolge im vergangenen Jahr länger auf die Bezahlung ihrer Rechnungen gewartet als im Jahr zuvor. Der Kreditversicherer Allianz Trade bewertet das in einer am Freitag vorgelegten Untersuchung als deutlichen Hinweis auf weltweit steigende Insolvenzrisiken. …
Besonders gelitten hat der Studie zufolge die Zahlungsmoral in China, wo sich die Frist innerhalb eines Jahres um zehn auf nunmehr 54 Tage verlängerte.

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Vor 10 Jahren: Munich Refugee Congress

Vor 10 Jahren, im Mürz 2013, fand in München der Refugee Congress statt. Die Ereignisse von damals sind heute anscheinend fast vergessen.
Auf dem Kongress wurden zum ersten Mal die Forderungen der Flüchtlingsprotestbewegung, die 2012 in Würzburg begonnen hatte, in zusammenhängender Form vorgetragen. Diese Forderungen bildeten die Basis dafür, die Bewegung zu verbreitern. Sie sind allerdings nie schriftlich festgehalten worden; die Geschichte dieser Bewegung ist noch nicht geschrieben.

Von dem Kongress gibt es noch die Internetseite, ein Mobilisierungsvideo auf Youtube, und eine Facebookseite. Gerüchten zufolge gab es einen Mitschnitt einiger Vorträge, niemand scheint sicheres zu wissen.

Diese Forderungen, die in ihrer zusammenhängenden Form in einem kleineren Kreis unter dem Namen „Non-Citizen-Theorie“ bekannt waren, lassen sich im Moment nur anhand einiger Fragmente umreissen. Diese Notizen stammen offenkundig aus dem Kreis der deutschen UnterstützerInnen und sind unterschiedlich vollständig.
Es fehlt unserer Erinnerung nach in diesen Notizen der Aspekt, das Flucht und insbesondere das Asylverfahrens-Regime, dem Geflüchtete unterworfen werden, ein Klassenschicksal ist; ein Aspekt, der viel zu selten offen ausgesprochen wird. Die meisten Staaten der westlichen Welt haben irgendeine Regelung für Investorenvisa, auch Deutschland in § 21 AufenthG und den Ausführungsbestimmungen.
Die Weltgesellschaft ist nicht nur in Klassen gespalten, sondern auch in Staaten; und die Ideen des münchener Flüchtlingskongresses rühren tief an die Fragen der materialistischen Kritk des Staats. Gerade deswegen sind sie auch verschüttet worden, und werden zu gegebener Zeit wieder mühsam ausgegraben werden müssen.
Wir dokumentieren hier einige der Fragmente, und verbinden das mit einer öffentlichen Bitte: wer immer noch Material dazu hat, möge es bitte nicht eifersüchtig hüten, sondern in irgendeiner Weise zugänglich machen. Und auch wer Interesse und Ressourcen hat, die Geschichte dieser Bewegung und ihrer Ideen zu recherchieren: vielleicht können wir in dem einen oder anderen Fall weiterhelfen. Und an diejenigen, von denen wir wissen, dass sie an dieser Sache einmal gearbeitet haben: es wird Zeit, die Dinge zu veröffentlichen, die man hat, fertig oder nicht.

Antwort auf Kritiken bezüglich des Refugee Kongresses in München

Es besteht des Weiteren kein Zweifel, dass die Non-Citizen/Citizen-Dichotomie, wie jede andere Kategorie, ein Resultat von Herrschafts- und Unterdrückungsstrukturen ist und auf Diskriminierung und Ungleichheit basiert. Andere Teile der geäußerten Kritiken wiesen darauf hin, dass diese scheinbar neugeschaffene Dichotomie Kategorien eröffne, die den Kampf nur weiter verkomplizieren würden. Aber wie soll es möglich sein, aus Kategorien herauszutreten, die ebenso das Fundament unserer sozialen Realität, wie auch unserer politischen, ökonomischen und kulturellen Positionen und Beziehungen innerhalb der gesellschaftlichen Hierarchien sind? Wie können wir politisch aktiv sein, ohne diese Kategorien zu berücksichtigen? Sicherlich, wir versuchen alle, die bestehenden Kategorien abzuschaffen und müssen dafür die Fundamente abschaffen, auf denen diese Kategorien beruhen. Doch was wir von diesen Arten der Kritik mitbekommen, ist vielmehr eine Wegschau-Mentalität zu den bestehenden Kluften und Kategorien, anstelle des Kampfes gegen die, die sie hervorbringen. Das desaströse ist, dass der Vorschlag, über die bestehenden Kategorien hinauszugehen, zumeist von denen kommt, die sich selbst in den oberen Kategorien befinden. Dies ist jedoch eine arrogante Weise, das Problem auszuradieren, anstatt es zu lösen.
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16.3 Magdeburg und Internet: Kollektivbetriebe

Wir weisen auf folgende Veranstaltung der FAU Magdeburg hin:

Veranstaltungsbeschreibung

Kollektivbetriebe // Rupay Dahm // Rechtsanwalt

Rechtsformen für solidarische Unternehmen Kooperative Unternehmensführung und demokratische Selbstverwaltung in Genossenschaft, GmbH, Verein, GbR. Wo liegen die Vor- und Nachteile?Wie lässt sich demokratische Selbstorganisation und solidarisches Wirtschaften in eine Rechtsform gießen? Welche Vor- und Nachteilehaben die Rechtsformen Genossenschaften, GmbH, Verein, GbR sowie Trägerstrukturen? Welche Rolle spielen die soziale Architektur und ggf. ein Binnenvertrag dabei? Der Workshop gibt einen kurzen Überblick über die Selbstorganisation und mögliche Rechtsformen von Kollektivbetrieben. Im Anschluss gibt es Möglichkeiten für Austausch und Fragen.

Workshops über Rechtsformen und Methoden der Selbstorganisation für Kollektivbetriebe. Er forscht und schreibt darüber, wie mitarbeitergeführte Betriebe in der Praxis funktionieren. Er berät diese in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten(Genossenschafts-, GmbH-Recht, Satzungsgestaltunge etc.) und in Fragender Organisationsentwicklung. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt er Arbeiter:innen und Betriebsräte.

Wann: Donnerstag, 16.03.2023 – 18:30 Uhr
Wo: Mitmischen / Digitalteilname eingeschränkt möglich

Da der Vortrag bei Youtube und Twitch gestreamt wird, ist auch eine digitale Teilnahme aus der Ferne möglich – und zwar über die beiden folgenden Links:
https://www.twitch.tv/fau_magdeburg
https://www.youtube.com/@faumagdeburg

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