News unterm Radar VIII

Etwa Mitte April hat sich an der Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität in Moskau hat sich eine Initiative gegründet, sie sich einer geplanten Neugründung eines Schulungszentrums, welches den Namen Iwan Iljins tragen und von einem gewissen Alexandr Dugin geleitet werden soll. Es wurde bereits berichtet. Ja, „Putins Lieblingsphilosoph“, ein ausgezeichneter Hegelkenner und bekennender Christ, hatte eine Affäre mit dem historischen Faschismus während seiner Zeit im europäischen Exil. In der „weißen russischen Emigration“ damals allerdings nichts Ungewöhnliches, wie wir Proletarier sagen. (Ich jedenfalls würde von „Gewaltsamer Widerstand gegen das Böse“ nicht abraten, ist eine stabile Antwort auf den dogmatischen Pazifismus Leo Tolstois, aber innbrünstig anempfehlen würde ich es auch nicht). Manchen Leuten an der Fakultät wurde das zu viel des Guten auf ein Mal, sie haben sich zusammengeschlossen und losgezogen – gegen die Faschisierung der Lehre und für Demokratisierung der Strukturen an der Uni. Die Wahl der Mittel war allerdings so skurril, dass es Freunde wie Feinde ein wenig ratlos machte. Den möchte-gern Staatsphilosophen Dugin hat man gleich beim Namen genannt, der unterstellte der Initiative einfallslos, aus der Ukraine gesteuert zu werden. Dafür hat man ihm ein Zitat aus seiner 2010 erschienen Studie über eine „explizit russische“ Heideggerleseweise unter die Philosophennase gehalten, wonach Iljin eigentlich ein im Geiste sehr preußischer, sprich ein un-russischer Depp gewesen sein soll. Schlimmer hat es die sogenannten Kommunisten und andere Redcons im Establishment erwischt: sie finden es richtig, aber dürfen es nicht sagen. Im (medialen) Krieg gegen die Ukraine (und den sog. Westen) wird je nach dem, was für Publikum bearbeitet werden soll, der besagte „Widerstand gegen das Böse“ oder der Großer vaterländische Krieg bemüht, die Rostroten würden die rechtsklerikale Konkurrenz im Staatsapparat schon gerne beseitigen. Sollen Iljin und Dugin Faschos sein, wie sieht es aus mit seinem allseits bekannten Fanboy, der 2009 angeblich aus eigener Tasche einen neuen Grabstein bezahlt und sich um seinen schriftlichen Nachlass gekümmert hatte? In welches Licht stellt das die sog. „militärische Spezialoperation“? Manche prominenten Unterstützer der Kampagne lassen sich nicht mehr so einfach als ukrainische Agenten abstempeln, haben sie sich doch in den letzten zehn Jahren durch die Unterstützung der Donbas-Separatisten hervorgetan; sie drohen nun mit der Staatsanwaltschaft. Die Dumaabgeordneten schicken Anfragen und fordern Aufklärung. Der Dekan Besborodow kann 20000 Unterschriften nicht ignorieren, hält einen Vortrag über Iljin, um Unklarheiten unter Studierenden zu beseitigen, weigert sich aber, zu politischen Ansichten Iljins inhaltlich Stellung zu beziehen. Vor allem aber: wer wird es dem Hauptfanboy Iljins ins Gesicht sagen, dass er vor lauter Antifaschismus mit Vorliebe einen Faschisten zitiert? Alle sind am rudern und springen im dialektischen Dreieck.

Lenin oder Iljin: „Wer ist hier Patriot?“

Kurzum, das Trolling ist so fett, dass es sehr fein wird; bzw. es ist so fein, das es richtig fett wirkt. Was wiederum bedeutet, dass das Trolling sehr gelungen ist. Diese Schlussfolgerung könnte so im Dialektiklehrbuch von irgendeinem Klassiker des Marxismus-Leninismus stehen oder wenigstens in Bertold Brechts „Me-Ti, Buch der Wendungen“. Das Problem mit dem wissenschaftlichen Sozialismus, welches bereits unzähligen Generationen seiner AnhängerInnen das Herz gebrochen und sie in Arbeitslager geführt hatte, ist jedoch, dass man nichts, nicht ein mal seine angebliche Wissenschaftlichkeit leichtsinnig glauben darf. Also bin ich der Sache etwas näher nachgegangen und festgestellt, es ist alles viel trivialer.

Die Initiative kommt zwar aus der Uni, sie wurde aber nicht von sogenannten Redcons gekapert, sondern von den nämlichen Redcons auch ins Leben gerufen. Ja, von der Jugendorganisation der KPRF an der Uni. Genauer gesagt, von der LKSM – ihr wisst schon, der pseudo-unabhängigen Nachfolgerorganisation der WLKSM, sprich der Komsomol, die sich 2011 nach der ausdrücklichen Erlaubnis von Lenins Nichte, Olga Uljanowa, eben in LKSM RF unbenannt hatte. Man merkt, das Trolling ist hier gelebte Tradition, das Organisationsprinzip und die Vorzugswaffe der geistigen Auseinandersetzung in Einem. Die dialektische Betrachtungsweise bringt uns also immer weiter, wir müssen bloß in periodischen Abständen mit dem Blaumannärmel die Freudentränen aus den proletarischen Augen wischen. Weiterlesen

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Mit Linken reden

Es macht sehr unterschiedlich Freude, mit „Linken“ zu reden; je nachdem auch, was für Linke es sind. Je mehr es gewöhnliche Leute sind, oder sich daran erinnern, dass sie es sind, desto fruchtbarer und interessanter ist es; je mehr sie allerdings sich an die „Einsicht“ klammern, die laut Manifest „die Kommunisten“ den übrigen Arbeitern voraus haben, desto mehr wird eine eigenartige Verengung und Verhärtung des Denkens spürbar, die ein Gespräch am Ende so ergiebig macht wie eins mit der Wand.

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Sie halten das für ein Zeichen des Erfolgs, weil es sie standhaft bleiben lässt gegenüber dem Versucher; in diesem Fall gegenüber uns, die wir zweifellos suspekt sind (und zu bleiben hoffen). Was sie übersehen, ist nur die Kleinigkeit, dass dieselbe Erfahrung jeder beliebige andere auch machen wird, der auf den Gedanken kommt, mit ihnen reden zu wollen. Er wird Leute treffen, die von einer fixen Idee völlig eingenommen zu sein scheinen, und mit denen ab einem bestimmten Punkt kein vernünftiges Wort mehr zu reden ist. Er wird sich hüten, ihnen das ins Gesicht zu sagen, sondern er wird seine eigenen Schlüsse ziehen; und genau so kommt die Realität zu Stande, die sie sich abmühen zu begreifen, dass sie unter Leuten, die so „offen“ für „linke Gedanken“ zu sein scheinen wie nie, trotzdem isoliert bleiben.

Es ist die Form „Politik“ selbst, ein Schatten der Form „Staat“, die Linke so hartköpfig macht. Es ist selbst im strengen Sinne keine Klassenfrage; man findet dieses Syndrom deshalb nicht nur unter den „Intellektuellen“, sondern auch unter ausgesprochenen Arbeitersekten. Es ist dort nur nicht fest im Klasseninteresse verankert; es erhält sich im Gegenteil deswegen, weil die eigene Öffentlichkeit und eigene Organisation der Arbeiter schmerzlich als unzureichend empfunden werden. (Sie sind es auch, sonst sähen die Dinge anders aus; aber einen Ersatz gibt es trotzdem nicht, er wird zurückgewiesen werden.)

Denn sie glauben und müssen glauben, dass von ihnen, den „klassenbewussten Kommunisten“, eine Antwort erwartet wird; ein Politikangebot. Sie sind klarsehend genug, um zu sehen, was mit all den „Politikangeboten“ zu Zeit passiert, aber sie ziehen daraus nicht den Schluss, dass dasselbe Schicksal alle „Politikangeboten“ erwartet. Ihnen ist die Alternative klar: dass der Widerstand der Klasse von einer chaotischen, amorphen, unorganisierten Arbeiterschaft ausgehen wird. Diese Aussicht flösst ihnen kein Vertrauen ein, und wir verstehen warum. Auch uns nicht; aber wir wissen, dass immer so war und nie anders sein kann.

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Diese Verhärtung und Verengung lässt sich natürlich nirgends so gut beobachten wie in Diskussionen um die gegenwärtigen Kriege, vor allem den in Ghaza. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis die Partei-Linie zustande gekommen ist; und man sieht ihr die Mühe an, die es kostet, sie aufrechtzuerhalten.

Der Angriff der Hamas am 7.10. ist nicht abstreitbar, und er reisst ein tiefes Loch in die gewohnte Argumentation. Wir reden hier nicht von den Verrückten mit den Gleitschirm-Aufnähern; für die ist der Sachverhalt ganz einfach. Die Sorte von Leuten, von denen wir reden, kann da nicht zustimmen; ihre Tragik besteht gerade darin, keine Begriffe dafür zu haben, wie sie widersprechen können.

Also versucht man z.B. auf den Kontext hinzuweisen, in dem der Angriff stattgefunden hat; die Jahrzehnte der Besatzung, usw. Nur steht dieser Kontext wiederum in einem Kontext, nämlich die arabischen Kriege gegen Israel und spätestens seit 25 Jahren der iranische Einfluss. Also geht man auf den vermeintlichen Ursprung zurück, und das ist „der Imperialismus“. Damit hat man sicheren marxistischen Boden unter den Füssen.

Der Versuch, die Geschichte Israels mehr oder weniger in den Imperialismus einzuordnen, ist allerdings völlig zum Scheitern verurteilt. Wenn Israel eine „Siedlerkolonie“ sein soll wie Algerien, wo ist das Mutterland? Die Algerienfranzosen sind nach dem Sieg der FLN nach Frankreich gegangen. Aber die Algerienfranzosen sind auch nicht als Flüchtlinge vor den Franzosen ins Land gekommen. Die Frage, von wo die Israelis eingewandert sind, führt unweigerlich aufs Dritte Reich; und man wird natürlich auch den Hitlerfaschismus auf den Nenner des Imperialismus bringen wollen.

Die „Antideutschen“ haben es meistens verschmäht, so kleinteilig zu argumentieren. Aber das heisst nicht, dass diese Einwände sich nicht geltend machen; und sie tun es, indem die die Argumentation dessen zerrupfen, der versucht, über die hinwegzugehen.

Das selbe mit der Geschichte der palästinensischen Revolution. Man kann nicht zugeben, dass die Führung der palästinensischen Bewegung ihre Sache ein ums andere Mal in den Sand gesetzt hat, weil sie von der Idee geblendet war, in Palästina dasselbe hinzubekommen wie in Algerien. Erstens sieht man selbst keinen anderen Weg, als sich von dieser Idee blenden zu lassen, zweitens, wo käme man hin, wenn die Führung der Revolution irren könnte und noch dazu so grausam irren könnte.

Diese Führung hat es dahin gebracht, das Erbe der ersten Intifada zu verspielen und die palästinensische Sache dahin zu bringen, dass sie als Kanonenfutter für den Iran taugte. Ein kritisches Wort dazu fällt ihnen nicht ein.

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Noch schlimmer wird es bei den Sachverhalten, die auf die Einmischung des Iran zurückgehen. Die Hand des iranischen Regimes war bei der sogenannten zweiten Initfada schon spürbar. Sie ist es heute noch viel mehr.

Der Angriff vom 7.10. macht vom national palästinensischen Standpunkt aus keinen Sinn. Dass er den Krieg über Ghaza bringen würde, was von vorneherein klar. Er macht nur in dem einen Zusammenhang Sinn, nämlich dass von innerhalb des iranischen Bündnissystems versucht wird, dieses gesamte Bündnissystem in den Krieg hineinzuziehen. Man betrachte als historische Parallele zb den Mukden-Zwischenfall; mit diesem hat eine Fraktion des japanischen Militärs ihr Ziel erreicht, Japan in einen offenen Krieg zu bringen.

Wenn man der eigenen Lehre treu bliebe, müsste man hier konkurrierende Imperialismen sehen. Damit löst sich aber die mühevoll errungene Theorie auf, „den Imperialismus“ als Hauptschuldigen auszumachen; und diese Theorie als einziges erlaubt es, hier das „Hauptfeind„-Argument zu bringen.

Die iranische Kriegspolitik nach aussen entspricht vollkommen der Unterdrückungspolitik gegen die eigene Bevölkerung. Die Aufstände der Arbeiter und Frauen im Iran haben der westlichen Linken unmöglich gemacht, diese Unterdrückungspolitik zu ignorieren. Viel zu deutlich ist der Zusammenhang. Gleich zweimal kann man also nicht zulassen, dass zu dem „Kontext“ des Angriffs der Iran gerechnet wird.

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Was also soll der wackere Streiter tun? Wir beobachten hauptsächlich zwei Verläufe. Sie hängen eng mit der subjektiven Ehrlichkeit zusammen. Die Ehrlichen lassen sich, wie zur Probe, für ein paar Sätze auf die Logik des Gegenstandes ein, ehe sie an die Grenze stossen, wo ihre Parteidoktrin ins Wanken geraten müsste. Man spürt dann, selbst wenn man z.B. auf Twitter sich unterhält, eine Gedankenpause. Ein Moment des Innehaltens, wie wenn jemand sich denkt: aber wohin führt das? Nein, das kann nicht richtig sein. Und darauf folgt dann wieder ein Tweet, wo drinsteht: das ist übrigens nicht richtig, sondern richtig ist das Gegenteil.

Man spürt die Anstrengung, die Gedankenarbeit, die dazugehört, zum vorschriftsmässigen Ergebnis zu kommen. Es ist das, was man „politisches Denken“ nennt: die Gedankenanstrengung, das Denken einzustellen, damit man an dem verabredeten Punkt zum Stehen kommt.

Es gibt auch noch eine andere Sorte. Diese schmeicheln sich vielleicht, die grösseren Denker zu sein, weil sie viel weniger Umstände machen. Sie lassen sich gar nicht, nicht einmal zur Probe, auf die Logik des Gegenstands ein, sondern ersetzen sie von Anfang an mit der Logik ihrer Parteidoktrin. Das erlaubt ihnen, von Anfang an viel selbstsicherer aufzutreten. Nichts bringt sie aus der Ruhe: alles, was sie anficht, ist Teil des „rechten Kulturkampfs“.

Der Vorteil dieser Logik, die völlig wahnsinnig aussieht, ist offenkundig. Man muss sich nicht um innere Kohärenz mehr scheren, um zu definieren, auf welcher Seite man steht; sondern diese Arbeit macht das Selbstgespräch der Gesellschaft schon für einen, es kaut und verdaut die verschiedenen Ideologeme und sortiert sie den einzelnen Parteien zu. Man muss nur die einigermassen wahllos einem zugeworfenen Ideologeme auch noch glauben.

Oder man muss zumindestens so tun, als ob man sie glaubt. Diese sehr bequeme Haltung ermöglicht eine fast schrankenlosen Flexibilität. Sie ermöglicht einem, die widersprechendsten Standpunkte aneinanderzuleimen und an jede, aber wirklich jede Bewegung sich heranzumachen: man hat für alle etwas im wahllosen Angebot, und an nichts muss man wirklich glauben als nur an die eigene revolutionäre Sendung. Der Triumph des revolutionären Willens manifestiert sich im erbärmlichsten Opportunismus, der allen hinterherrennt und keinen einzigen eigenen Gedanken hat.

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Die Reste der „Antideutschen“, wo sie noch bestehen, wollen hier durchaus „Antisemitismus“ sehen und sonst gar nichts. Auch diese machen es sich einfach; sie möchten gerne noch einmal auf demselben Pferd in die Schlacht reiten wie damals von zwanzig Jahren, und sie versuchen, nicht zu bemerken, dass ihnen das Pferd schon längst gestohlen worden ist. Daher die traurige Figur, die sie machen.

Wir halten das für nachgerade irre. Man kann prinzipienfest draufhauen und doch immer nur danebenhauen. Man baut damit nichts auf als einen riesigen und selbst wahnhaften Begriffsapparat, der zuletzt in den Besitz des Staats übergehen wird. Den Staat und seine Kopflanger muss es nicht stören, ob diese „Kritik“ trifft. Uns schon. Ihnen reicht es, zu denunzieren; wir sind darauf angewiesen, zu verstehen.

Wenn man des Gesamtschaden anschaut, sieht man etwas ganz anderes. Wer nicht willens ist, ihn mit kommunistischen, d.h. revolutionären Begriffen zu kritisieren, soll es bleiben lassen; wir haben gesehen, dass solche Leute gut genug sind für Springer, Nius oder für die Antonio-Amadeu-Stiftung. Wir können sie nicht brauchen.

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The Great Misinterpretation

Ergänzend zu er neulich dokumentierten ungewöhnlichen Ansicht empfehlen wir beiden, den unseren und den anderen, diesen Vortrag hier. Er ist nicht 25 Jahre alt, sondern einen Monat. Er hat den Vorzug, quer zu den heute noch üblichen Parteimeinungen zu laufen, was ihn in unseren Augen sehr empfiehlt.

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Über die Parole: Der Hauptfeind steht im eigenen Land

Die Internationale vor 1914 hielt sich für eine Garantin gegen den Weltkrieg. Als der Weltkrieg da war, hielt sie keine drei Tage stand. Die Revolutionäre waren auf sich alleine gestellt. In dieser Lage wurde die Parole „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ aufgebracht, als Zusammenfassung, Abkürzung dessen, wofür der Internationalismus in den Augen der Revolutionäre zu stehen hat.

Wofür die Internationale in den Augen der weniger revolutionären Richtungen stand, wäre eine interessante Frage. Sie war wohl auch eine Art internationaler Clearing-Stelle für die einzelnen sozialistischen Parteien, die mit ihren Heimatstaaten und deren aussenpolitischen Ansprüchen auf bestimmte Weise verwachsen waren. Ihr Anspruch, einen innereuropäischen Krieg notfalls durch Massenbewegungen zu verhindern, gab ihr den Schatten einer gewissen Macht; sie wurde wohl eine Weile als eine Art sozialistischer Völkerbund angesehen, von der bürgerlichen Politik wahrscheinlich sogar als Stabilitätsfaktor in Rechnung gestellt.

Die Idee, für den Internationalismus eine Organisation zu schaffen mit einem eigenen Büro, einem Apparat und politischen Gremien, hat sich offenbar 1914 nicht genug blamiert, und sie ist später noch ausprobiert worden. Vor allem die sogenannte Dritte Internationale hat einen gewissen Einfluss und Fame erreicht; sie hat die Idee auch wohl endgültig diskreditiert. Sie ist berüchtigt für ihre wild sich ändernden Direktiven, aus denen der Revolutionär sehen sollte, welche auswärtige Macht er jetzt zu unterstützen habe; Direktiven, die aus der Berechnung des Apparats und nicht den Bedürfnissen der Massenbewegung hervorgingen, und die die Bewegung desorganisiert und oft genug in die Katastrophe geführt haben.

Die Massenbewegung bringt aus sich keinen solchen Apparat hervor und sie verträgt auch keinen, sie braucht einfache und klare Kriterien, die quasi selbstausführend sind. Berechnungen, die keine Spezialisten erfordern, sondern die jederzeit von allen vorgenommen werden können, deren Ergebnisse leicht mitteilbar und begreifbar sind. Sie müssen einer Bewegung, die über verschiedene kämpfende Staaten verteilt ist, einen getrennten, aber gemeinsamen Weg zeigen, auch wenn diese Bewegung keine zuverlässige Weise der Kommunkation untereinander hat und voneinander völlig getrennt ist.

Das Problem an der Parole „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ ist nur: sie tut die Arbeit nicht, die sie tun soll. Sie ist an sich sehr richtig, aber sie ist nicht zuverlässig ausführbar. Nehmen wir die Ukraine. Was ist die Pflicht des Revolutionärs? Er kann in Versuchung sein, auf eigne Faust Weltpolitik zu treiben, und sich entweder einbilden: die Niederlage des Putinismus ist die Voraussetzung für die Weltrevolution, oder aber die Niederlage der NATO. Wir kennen beide Sorten, und wir fürchten, es führt beides nicht zur Weltrevolution, sondern zum Sieg eines der beiden Blöcke.

Oder aber er erinnert sich an die alte Parole und stellt sich die unausgesprochene Vereinbarung vor Augen, die darin liegt. Und wir halten diese unausgesprochene Vereinbarung für sinnvoll, gut und ausdrücklich für bindend. Also wird er vielleicht überlegen: was treibt eigentlich „mein“ Staat für eine Politik, was für Interessen verfolgt er, und wie trete ich ihm entgegen? Und er wird schon beim ersten Schritt stolpern.

„Der deutsche Imperialismus verfolgt“ dieses oder jenes Ziel. Woher weisst du das denn so genau? Ihm selbst ist das keineswegs von vorneherein so klar. Die „Interessen“ irgendeines Staats stehen ja nicht in irgendeiner Steintafel eingemeisselt, sondern es gibt einen Haufen einander völlig widersprechenden Interessen. Wenn „der ideelle Gesamtkapitalist“ so einfach klar definierte Interessen hätte, denen er einfach mechanisch folgen könnte, dann nähme er gar nicht erst die Form eines derartigen Staatsapparats an.

Was „das Staatsinteresse“ ist, ergibt sich aus dem Machtkampf der einzelnen Zweige des Staatsapparats, die wiederum verbündet sind mit verschiedenen wirtschaftlichen Interessen usw., und dieser Machtkampf wird mit allen Mitteln geführt, unter anderem über die Öffentlichkeit, und der Revolutionär ist nur ein Teil dieser letzteren.

Deutschland z.B. hat historisch zwei Optionen gegenüber Russland, nämlich erstens Osteuropa untereinander aufzuteilen, oder Krieg, und zwar gewöhnlich erst das eine, dann das andere. Die erste der beiden Optionen wird unter dem Handelsnamen „Frieden“ verkauft, es ist Frieden von der Sorte, der zum Krieg führt. Die Zeitdauer, bis man vom einen zum anderen umschwenkt, variiert zwischen 2 und 110 Jahren.

Die Idee, die Ukraine aufzuteilen, gilt heute aus irgendeinem Grund nicht als besonders imperialistisch. Eine solche Aufteilung würde die Vormacht Deutschlands in der EU wahrscheinlich befestigen: die osteuropäischen Staaten müssten sich fester an Deutschland und Frankreich binden. Ist von einer solchen Aufteilung eine „dauerhafte Friedenslösung“ zu erwarten? Nein, sondern sie würde den Boden legen für eine zukünftige direkte Konfrontation.

Die Parole, über die wir reden, bringt hier überhaupt keine Klarheit. Auch ein Apparat, wie die Internationale es war, würde es nicht besser machen: sie käme vielleicht nach gewundenen Überlegungen auf eine Strategie, aber diese Strategie würde nur befolgt, wenn man die Internationale mit dem religiösen Schein der Unfehlbarkeit umgäbe. Zuletzt würde sie genauso unberechenbar, wie die Apparate, die die Interessen der Staaten bestimmen: ihre Direktiven wären Ergebnis ihrer inneren Machtkämpfe.

Die Parole: Der Hauptfeind steht im eigenen Land! wurde von Liebknecht proklamiert in einem Moment der grössten Isolation. Sie war dazu gut, die zuschanden gegangenen Revolutionstheorien der Vorkriegszeit zurückzuweisen. Die deutschen Sozialisten glaubten, die Arbeit des Weltgeistes zu tun, wenn es gegen den Zarismus ging, die französischen, wenn es gegen die Hohenzollern ging; Kropotkin und Plechanow sahen das Deutschen Reich als Agenten des Vordringen des Kapitals nach Russland; jede Macht vertritt real gegen die anderen Mächte das schlimmere, aber man hat sich aller zu erwehren, und man fängt mit der an, die man vor der Nase hat.

Aber viel weiter kommt man damit nicht. Das mächtigere Bild wäre wohl damals schon das Porträt einer Guillotine und zweier gekrönter Köpfe gewesen, des fremden Kaisers und des eignen. Und vermutlich ist auch heute nicht die isolierte, verfolgte, orientierungslose Opposition von 1915 die Parallele, die man zeigen sollte, sondern die bewaffnete von 1917 und 18.

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„Syrianization“

Vor Jahren hat Yasin al-Haj Saleh das Wort „Syrianization of th world“ geprägt. Der syrische Krieg, die Niederschlagung der syrischen Revolution werde dem Verlauf der kommenden Geschichte ihren Stempel aufdrücken. Die Welt hat die syrische Revolution im Stich gelassen, sie hat ihre Niederschlagung hingenommen (die Fassbomben, die Städtebelagerungen, den Artilleriebeschuss, die Aushungerung, das Sarin). Sie hat nicht nur so getan, als ginge es um „innere Angelegenheiten“; nein, sie hat dankbar die Lüge geglaubt von der abwechselns islamistischen oder imperialistischen Verschwörung, die hier niedergeschlagen werden müsste.

Je gewaltsamer die Konterrevolution, desto mehr musste die unplausible Lüge eingehämmert werden. Sie deformiert das Denken. Die stumpfe Wiederholung der Greuel erzeugt eine passive Gewöhnung. Eine Gleichgültigkeit kann aber, egal was die Bürger sich erhofft haben, niemals eintreten. Man konnte nicht einfach tun, als existierte das alles nicht. Wer es ignorieren wollte, musste sich und andere belügen; musste mittun.

Die „Syrianization of the world“ ist der Eintritt in eine Epoche, in der dieses und ähnliches geschehen kann und ständig geschehen wird. Wir erleben es täglich und werden noch mehr erleben.

Diejenigen, die sich damals belogen haben, haben mit dem Finger vage in die Richtung der Gotteskrieger gezeigt: schaut her, es sind also doch alles Islamisten. Sie haben angestrengt so getan, als wäre die syrische Opposition nichts anderes als al Nusra und Daesh. Aber wo die syrische Revolution heute noch nicht von Assads Waffen unterworfen ist, sieht man den Widerstand gegen al Nusrah noch heute, wenn man ihn denn sehen will.

Dieselben, die uns zuerst erzählt haben: die Proteste sind aus dem Westen gesteuert, haben uns danach erzählt: Amerika bezahlt und bewaffnet die FSA. Diese Lüge ist leicht zurückzuverfolgen zu einer gewissen Regionalmacht, die gleichzeitig Marionettenarmeen in Luhansk und Donetsk aufbaute und unmarkierte Uniformierte auf der Krim kommandierte. Aber geglaubt wurde die Lüge dankbar.

Die FSA, die ganz offensichtlich von niemandem bezahlt und bewaffnet worden war, ging sehr bald ruhmlos unter und wurde verdrängt von al Nusrah, die ganz offen von Qatar und der Türkei unterstützt worden ist, und später Daesh. Niemand kümmerte sich um das Geschwätz von gestern, und jetzt hatte man den Vorwand, zu sagen: schaut hin, etc.

Dass es in Syrien überhaupt so weit gekommen ist, dass die Islamisten den Gang der Dinge zumindestens militärisch beherrschten, ist eine Katastrophe. Alle die, denen die Revolution am Herzen liegt, hätten gut daran getan, hinzusehen. Jede heutige Revolution kann in eine ähnliche Richtung gehen; die Islamisten sind eine lokale Variante des Faschismus, aber vergleichbares wird sich überall zusammenfinden. (Ist das ein Argument gegen die Revolution? Man macht Revolutionen nicht aus Lust und Laune, sie geschehen nur da, wo sie unvermeidbar geworden sind, und sie kümmern sich wenig um Argumente. Wer anderes glaubt, soll einmal versuchen, durch Argumente eine herbeizuführen. Ich wüsste auch Argumente z.B. gegen die Schwerkraft. )

Das Zeitalter, in dem wir jetzt leben, ist duch den syrischen Krieg eröffnet worden. Alles, was dort geschehen ist, wird auch anderswo geschehen, der Reihe nach und immer wieder. Und die Bürger als blosse Beobachter sind darauf reduziert, unter den angebotenen Reaktionen diejenige auszuwählen, die am ehesten dem entspricht, was für Menschen sie gerne wären.

Wem von der Belagerung von Ghoutah nichts hören wollte, kann sich heute über die Belagerung von Rafah empört zeigen. Wer al Nusrah für ein Argument gegen die syrische Revolution hielt, kann heute die Schultern zucken, wenn es um den 7.Oktober letzten Jahres geht, und sagen: So sieht Dekolonisierung eben aus. Wer vor zehn Jahren Assad für einen grossen Staatsmann gehalten hat, kann heute Netanyahu für einen Schlächter halten.

Früher warf man der Gegenseite vor, Morde gegeneinander aufzurechnen, heute rechnet man noch nicht einmal mehr auf. Es wird geredet, als ob das alles gar nicht stattfände. (Die Dinge vor zehn Jahren sind sowieso vergessen.)

Künftige Historiker werden einmal an diesem Zeitalter studieren, wie aus niedergeschlagnen Revolutionen die Materie für Weltkriege entsteht. Der Zyklus von 2010 rächt sich. Es hätte alles anders sein können.

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Aus Argentinien: Stellungnahme der ehem. besetzten Betriebe

STATEMENT OF THE GATHERING OF THE WORKERS‘ ECONOMY IN VIEW OF THE MILEI GOVERNMENT’S OFFENSIVE AGAINST COOPERATIVES  IN ARGENTINA

From the Encuentro Economía de los Trabajadores y Trabajadoras (Gathering of the Workers’ Economy), formed by recuperated and self-managed enterprises, worker cooperatives, trade unions and organizations of the social, solidarity and popular economy, we reject and repudiate the statements of Argentina’s presidential spokesman Manuel Adorni, which are full of ideological prejudices and lies about the cooperatives, and announcing measures that, if implemented, would represent one more blow to the daily subsistence capacity of our cooperative workers and the very existence of our organizations. It is worth remembering (something that Adorni ignores or prefers to ignore) that most of our cooperatives are the organized response of our working class to the abuses and failures of the „free market“ that has been imposed through different governments since the implementation of the civil-military dictatorship that the president and his vice president insist on vindicating. Argentina’s cooperatives have generated, via self-management, tens of thousands of jobs where formal employment ceased to exist and where labor precariousness has led to hyper-exploitation. Our cooperatives and self-managed enterprises are the expression of the dignity of the working people that Milei’s government denies with its measures day after day.
Within these infamous statements appears a big lie: that cooperatives are a „fund“ that „Argentine people finance“. This statement shows that, in the first place, Adorni and Milei do not know that a cooperative is, by definition, an autonomous economic organization, an associated collective of people to generate a productive or service activity and, in the case of worker cooperatives, through cooperation among working people. The State does not finance cooperatives, beyond potential subsidies or programs that they might be given; cooperatives live from our work. In the case of the Potenciar Trabajo plans of recent years, they are individual subsidies which, in many cases, are received by cooperative workers, thus complementing their income and contributing to their recovery in the face of the critical economic situation we are going through and which, in no way, is the responsibility of any cooperative or any worker. Milei and Adorni should look beyond the manuals of the Austrian Economics school they consume to find ample economic evidence that underscores the potential of cooperatives as viable and effective economic organizations based on association and solidarity – although it would be much simpler to approach any of Argentina’s cooperative organizations to see it for themselves.
What is notorious in this case is that, once again, the statements of the presidential spokesman are not consistent with the measure actually taken by INAES (Argentina’s public agency overseeing the registration of and policies for cooperatives and social and solidarity economy organizations), which also deserves our most energetic repudiation. Resolutions 878 and 879/2024, voted by the Board of Directors of the agency, suspends more than 11,000 cooperatives under the pretext of lack of documentation or non-compliance with regulations. They justify these resolutions on alleged continued financing in the years after Macri’s administration of cooperatives that had been suspended by a similar provision of, not by chance, the then president of the agency, Marcelo Collomb. Instead of investigating if there are irregularities, which is one of the functions of INAES, or to try to solve the problems of documentation that the cooperatives may have, INAES adopts the „chainsaw“ attitude characteristic of this government and suspends, without prior notice, thousands of cooperatives, most of them worker cooperatives. This aggressive measure should also be explained by INAES – the representatives of cooperativism and mutualism – and their Board of Directors, starting with Ariel Guarco, who is also current president of the International Cooperative Alliance.
Despite Adorni’s statements, this punitive measure is still far from his announcements of March 27 to cancel all cooperatives created from 2020 to 2022 (and to hold a „special review” of those created in 2023), putting a blanket of suspicion on all our cooperative organizations as living at the expense of public funding, when precisely what we demand is more and better public policies for the development of our form of economy which is the best contribution that the working class can make for the welfare of society as a whole. Adorni lies even in the scope of his announcements, and for those measures, totally illegal and illegitimate in our view, that are yet to come.
For all the above mentioned, we demand the public retraction by the presidential spokesman of the lies and fallacies stated in his press conference of March 27th. We reject any advance of the intended measures against worker cooperativism. We demand the restitution of the programs and measures of cooperative promotion and support to the workers of our sector. And, we demand INAES to comply with its function of promotion and control of cooperatives and mutuals without taking punitive measures such as the above-mentioned resolutions, which must be immediately repealed.
We call on all self-managed workers; workers of cooperativism; and workers of the social, solidarity, and popular economy to mobilize to confront these measures. We also demand that the institutions of cooperativism and mutualism that make up the board of INAES explain their position and not be part of the anti-popular offensive of this government and repeal the resolution they have approved. We also call for strengthening the ties between the self-managed working class and the rest of the working class, especially with all trade union organizations and their centrals, to urgently launch a plan of struggle to defeat this project.

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Aussenpolitik

Worüber reden Linke, wenn sie über Aussenpolitik reden? Linke haben ohnehin bekanntlich eine gespaltene Persönlichkeit. Auf der einen Seite ist man Handarbeiter (von den „Geistesarbeitern“ will ich gar nicht reden), Mietshausbewohner, irgendein Hinz und Kunz; auf der anderen Seite hat man „vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus“, wie es im Manifest heisst.

Wir halten es, wenn wir es ehrlich sagen dürfen, eher mit den Linken, insofern sie Hinze und Kunze sind. An der höheren Einsicht haben wir nämlich unsere Zweifel. Die gemeinsame Hinz- und Kunzheit wäre gerade, was sie verbindet, die höhere Einsicht des einen dagegen trennt ihn von jedem anderen. Als Linke sind wir natürlich selbst mit solcher höheren Einsicht geschlagen.

Als Arbeitnehmer z.B. liegt es nahe, sich mit Kollegen zusammenzutun, aber ganz im Inneren fühlt man schmerzlich, dass mit dem Haufen weder der rote Oktober noch der kurze Sommer der Anarchie nachzustellen sein wird; sie haben weder Adorno gelesen, noch bestimmt der VIII. Parteitag der SED ihr Denken und Tun. Der Linke gleich welcher Konfession steht immer neben sich. Soweit er in seinen eignen Schuhen steht, versteht er die Realität, in der er lebt, genausowenig wie ein gewöhnlicher Mensch; soweit er dagegen sich selbst über die Schulter sieht, begreift er alles messerscharf und haargenau, aber leider gefiltert durch die unsinnige Doktrin, der er anhängt. Seine politische Meinung ist nicht Ausdruck seines Klassenwillens, sondern etwas, das er von aussen dazutut. (In einem Traum ist uns offenbart worden, dass die Stelle bei Lenin, wo es heisst, dass die Arbeiter von allein nur ein reformistisches Bewusstsein entwickeln, denselben Stossseufzer hervorruft bei leninistischen wie bei anti-leninistischen Linken.)

Wenn Linke sich sogar auf ihre eigene Lebensrealität unvermeidlich nur in äusserlicher Weise beziehen können (und wir werfen das niemandem vor, es ist nun einmal einfach so), wie sieht es dann erst in der auswärtigen Politik aus, in Realitäten, die sie nur vom Hörensagen kennen?

Wir verlangen keineswegs, dass man das etwa den sogenannten „Fachleuten“ überlässt. Die „Fachleute“ interessieren sich natürlich einen Scheissdreck, ausser für die Interessen, für die sie arbeiten. Das Problem ist ja doch, dass die Linken viel zu sehr diesen Fachleuten ähnlich sind.

Woher dann der Drang, ja der Zwang, zur Aussenpolitik? „Das Proletariat braucht seine eigene Aussenpolitik“, schon klar, aber es braucht noch viel mehr Dinge, die es nicht hat und nicht ohne weiteres haben wird. Warum ist die Aussenpolitik trotzdem das Kennzeichen, an dem die Sekten sich scheiden?

Es ist es gerade aus diesem Grund. Keine davon wird je real Aussenpolitik machen, man hat sogar von dem, was man redet, keine Ahnung und tut alles, damit es so bleibt. Linke reden, wenn sie von Aussenpolitik reden, über sich selbst. Genauer: sie reden darüber, was für Menschen sie sein wollen. In der Weltpolitik haben sich Hunderte Jahre Revolutionsgeschichte sedimentiert; Kriege, Katastrophen, und Perspektiven der Befreiung, die allesamt gescheitert sind, die allesamt nur noch das Reich des Geistes und der Phantasie bevölkern. Zu diesen positioniert man sich. Man definiert sich selbst und den Platz, den man gegenüber dieser Geschichte einzunehmen beansprucht; und man wird auf diesem Feld und nur dort sicher nie gebeten werden, diesen Anspruch auch einzulösen.

Die Aussagen der Linken über die Aussenpolitik sind nicht durch Zufall so weltentrückt und so losgelöst von allen wirklichen Dingen. Der Mangel an Interesse und Neugier ist echt. Diese Aussagen sind gar nicht als Aussagen über andere Leute gemeint; sie sind Selbstauskünfte über die Illusionen, die man über sich selbst hat. Aussenpolitkik, unter Linken, ist Identitätspolitik.

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News unterm Radar VII

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Nach zwei vollen Jahren den dreitägigen russischen Blitzkriegs gegen die Ukraine ist die Situation scheinbar eingefroren in einer sehr unschönen Art und Weise. Wie immer vorab: der grobe Überblick über den Kriegsverlauf kann man sich an tausend anderen Orten verschaffen, es gibt unzählige Menschen, deren überdurchschnittliche Militäranalyse noch etwas überdurchschnittlicher ist als unsere überdurchschnittliche Militäranalyse. Dafür versuchen wir aus diesem blutigen Rosinenbrötchen, das uns der Weltgeist gebacken hat, die Rosinen herauszupicken, die vielleicht auf einige Tendenzen einer möglichen Zukunft weisen könnten. Alte Weiber prophezeiten aus dem Kaffeesatz, Karl Marx – aus dem Dampf der Dampfmaschinen und wir… tun auch unser Bestes.

Zum einen gab es im laufe dieser Woche sehr widersprüchliche und ungenaue Berichte über die Geschehnisse an der russisch-ukrainischen Grenze. Offensichtlich gab es am 14. März und in den folgenden Tagen Vorstoßversuche in die Kursker und Belgoroder Gebiete seitens der mit den ukrainischen Streitkräften affiliierten freiwilligen Verbände. Mit Sicherheit lässt sich momentan nur eins sagen: das waren wohl keine „mehrere Dutzend schwerer Maschinen und an die 2,5 Tausend Mann“, wie es von der russischen Seite hieß, die größtenteils eliminiert worden sind. Für solche vermeintlich epische Schlachten gibt erstaunlich wenig Nachweise. Der Krieg erinnert, man möge uns den Zynismus verzeihen, wie schon einmal erwähnt, an Viktor Pelewins Roman „SNUFF“: ein medienwirksam inszenierte Krieg zwischen dem „himmlischen Byzantinum“ und einem fiktiven Pseudeostaat „Urkaine“ wird sehr aufmerksam von TV-Drohnen verfolgt und in die ganze Welt ausgestrahlt. Gesehen haben wir dagegen recht wenig: eine oder zwei verlorene Maschinen, ein dutzend Tote und Verletzte auf der ukrainischen Seite, dafür darf unser alter bekannter Dennis „White Rex“ von der Russischen Freiwilligencorps gefangengenommene russische Soldaten interviewen.

Aus dem Belgoroder Gebiet wird berichtet:

The escalations marked the second wave of clashes between Russian forces and Ukraine-aligned fighters on the border this week. On Tuesday morning, multiple pro-Kremlin Telegram channels reported that “armed groups” supporting Ukraine had attempted to cross the border into villages in the Belgorod and Kursk regions. Russia’s Defense Ministry later reported, without providing evidence, that Russian troops killed 234 of the attackers. The Freedom of Russia Legion and the Siberian Battalion, another pro-Ukraine group made up of Russian fighters, claimed to have crossed into Russia territory, but journalists from Agentstvo later confirmed that at least one of the videos the groups offered as evidence was actually filmed in Ukraine.

Tuesday’s clashes were followed by more than 60 reported drone attacks in various Russian regions on Tuesday night and Wednesday morning, including six in Belgorod. According to Governor Vyacheslav Gladkov, the drones damaged residential buildings, a gas supply line, and a power line in the region. The Russian state news agency TASS also reported that a drone crashed into the Federal Security Service’s (FSB) headquarters in the Belgorod region, but it later removed the story.

Es steht jedenfalls fest, dass an der Grenze irgendwas passiert. Russland kann seine Behauptungen bislang nicht bestätigen, die Freiwilligencorps und das Legion Freies Russland sind allerdings auch überwiegend eher für ihre mediale, statt reale Kriegsführung bekannt. Was vielleicht seine Berechtigung hat: ein Versuch, die mediale und militärische Aufmerksamkeit weg von der aktuellen Front wegzulenken, wo es z.Z. für die Ukraine nach dem Fall von Awdijiwka nicht besonders gut ausschaut. Russland kommt momentan auf der flachen Ebene nicht sehr schnell voran, sollte sich die Versorgungslage für die Ukraine nicht demnächst ändern, kann Russland im Sommer eine neue Offensive starten. Und zwar mit derselben veralteten Technik und fürchterlichen Verlusten an „menschlichem Material“. Denn Russland kann es sich im Gegensatz noch ein Weilchen zur Ukraine leisten (keine besonders neue Erkenntnis, aber wir werden uns später dessen ökonomische Grundlagen anschauen). Eine weitere Intention war vermutlich, die russische Präsidentschaftswahl nicht so gemütlich aussehen zu lassen. Das ist jedenfalls gelungen. Den Rest erfähren wir hoffentlich bald. Weiterlesen

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Aus dem Netz: Wie ist aktuell das Weltwetter in Syrien?

Zwei Journalistinnen, Anna und Liza, die ein paar Jahre in der Region Rojava verbracht haben, unterhalten sich über den Kampf gegen Islamisten, über die dortigen Selbstverwaltungsstrukturen, darüber, wie die Revolution die Gesellschaft und wie die Gesellschaft die Revolution verändert und das merkwürdige Verhältnis Rojavas mit der Außenwelt.Manches an der Folklore ist Agitprop, manches aber tatsächlich nur Folklore.

Pt.1:

But there are many sort of rosy… very rosy accounts of what’s happening in Rojava that are being produced by sympathetic leftists for a good reason: we need to build more international support for Rojava. But at the same time, I met several international volunteers who went to Rojava to support the movement on the ground – who were rather disappointed by what they saw when they got there because of all those rosy accounts that they had read before they decided to make the trip.

I think we, outside Rojava, have to be realistic about how revolutionary change takes place and at what pace. What you see in Rojava is that a revolution is not a finished event. It’s been more than 10 years since they started building and working on the revolution, and they have not achieved all their goals yet. One example that becomes quite obvious to internationalists who travel to the region is the situation with the communes, the situation with the new political system that’s supposed to function based on the principle of direct democracy. If you go there, you realize that the entire territory under the control of the Autonomous Administration has been administratively subdivided into communes. Every neighborhood has a commune through which residents of that neighborhood are supposed to govern themselves, to make decisions about whatever issues concern their collective affairs. So  formally, those communes have been created. But in reality, it’s very easy to observe that the participation of the people in these communes is rather low or it’s not high enough for these bodies, for these mechanisms to become the main decision-making units as they are supposed to be in theory that the Kurdish movement has developed and has been trying to implement.

But that does not mean that the revolutionary movement has failed, that does not mean that they are not trying hard enough, nor does it mean that they are not genuinely committed to transforming the political system. That just means that inevitably, it takes a very long time to create a culture of popular participation, direct participation in politics that did not exist in Northeast Syria before the revolution, and that does not exist in many places where we are organizing. Try to set up a commune in your neighborhood in New York City and see how many people will show up. First, you need to convince the people that it’s something in their interest and that it’s a more effective form of governance, that their time will be put to good use. Rather than going to vote for someone once a year, you have to commit to attending regular meetings, perhaps every month, that tend to last for hours because everyone wants and is supposed to speak. You have to convince them that this time commitment will pay off. And especially under the circumstances that we are witnessing currently in Northeast Syria, given all the other hardships that people have to deal with daily. I already mentioned that the economic situation is a big factor. People have to get more than one job just to feed their families. You don’t even have time to engage in politics on such an intimate level. Thus, it’s a project in progress. But what’s important is that there has been a lot of education. Education is central to the revolutionary strategy in the region. You have to first and foremost convince people why they should adopt, should engage in these new revolutionary institutions, and this is what the movement has been trying to do. (…)

Because Northeast Syria is a tribal society, the opinion of the sheikh [traditional tribal leader] remains very important even now, even during the revolution. When I give interviews in the Western media and mention something about tribes, let’s say that Arab tribes and sheikhs met with the Autonomous Administration’s representatives, they say, ‘’How? How is that possible?’’ because the tribal system seems to them something so different, so patriarchal, and undemocratic. But working with the tribal system, especially in the Arab regions, is an important part of this revolution. The revolution in Rojava is happening without destroying the actual way people live, how people used to live for centuries. And it is not top down. The way the Western media often sees it, the Autonomous Administration kicked out Assad, then started to implement its ideas, and the people accepted this. But in reality such things don’t work out so neatly because it’s the Middle East. It is the tribes that traditionally decide things. They decide, for example, “We will protect this region. We will protect this front line. We will create this council. We will open the Women’s Association in Raqqa, the ex-capital of Isis.’’ This is something we have to understand. Or to give you another example, when Westerners, when foreigners see women in Raqqa, in these women’s associations, see that they cover their heads, that they wear hijabs, they say, “No, this is not a feminist revolution. This is bad. This is not real feminism, this is not real democracy.’’ But it’s not like that. This is the main problem of Western society, you know — it sees itself as a more progressive society, as more conscious and more developed. But actually, it’s not always true.

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Aus dem Netz: Wer ist und was will die Neue Feindschaft

1. Die Neue Feindschaft ist neu, weil die alte nichts mehr getaugt hat. Aber sie ist ist schon immer dagewesen, und sie wird wie Phoenix auferstehen, auch wenn sie untergegangen zu sein scheint. Gemeint ist natürlich der Schauspieler River Phoenix, der entgegen anderslautenden Gerüchten nicht gestorben ist, sondern eine Tankstelle im Hinterland von Oregon betreibt und darauf wartet, dass die Stunde kommt.

2. Die Neue Feindschaft lehrt euch nur das, was ihr schon wisst, z.B. dass die Soziologie eine Pseudowissenschaft ist, Geld verdienen Klassenverrat, und das, was klingt wie unerträgliche Zipfelklatscherei, auch unerträgliche Zipfelklatscherei ist. Der Unterschied ist nicht, dass sie es ausspricht (das tun mehre), sondern dass sie nie etwas anderes redet.

3. Die Neue Feinschaft schämt sich nicht, Dinge auszusprechen wie, dass der Verrat der „Linken“ an der Revolution beantwortet muss vom Verrat der Linken an der „Linken“. Sie schämt auch nicht, es zu stehlen, wenn andere es ausgeprochen haben.

3a. Die Neue Feindschaft nimmt sich wie Moliere das Gute, wo sie es findet. Sie erhebt keinen Anspruch auf Eigentum an ihren Sätzen, Gedanken und Taten, und sie respektiert auch keines. Jeder kann sich Neue Feindschaft nennen; dafür, dass man ihn dafür hält, muss er selbst sorgen.

4. Die Neue Feindschaft ist ansteckend. Die Neue Feindschaft ist keine Organisation, sondern eine Methode. Oder besser gesagt, sie ist keine Methode, sondern eine Geisteskrankheit.

5. Die Neue Feindschaft geht vom Unwahren aus. Sie sucht und findet es überall und arbeitet sich von dort aus voran. Sie hält alles andere für eine schmutzige Lüge. So löst sie mit leichter Hand alle Rätsel, die für die Fachleute in undurchdringlichen Nebel gehüllt sind.

6. Die Neue Feinschaft ergreift selten Partei, und wenn, dann nur für die Neue Feindschaft. Das liegt nicht an Mangel an Prinzipien, sondern daran, dass die alten Feinschaften nichts mehr taugen. Was eine neue Feindschaft ist, erkennt man daran, dass die Neue Feindschaft eine Partei darin ergreift.

7. Es kommt der Neuen Feindschaft nicht darauf an, sich Freunde zu machen. Im Gegenteil kommt es ihr darauf an, Streit anzufangen. Ihre Sache ist es nicht, sorgfältig abuwägen. Ihre Sache ist es, streitlustige Leute zusammenzubringen; oder genauer gesagt, komplette Verrückte zu finden, denen das Fell juckt. Die Neue Feindschaft weiss, dass anders heute nichts ausgerichtet werden kann.

8. Die Neue Feindschaft kämpft gegen die neumodischen Verrücktheiten, aber nicht etwa, weil sie gegen neumodische Verrücktheiten wäre. Im Gegenteil beansprucht die Neue Feindschaft, die neumodischste aller Verrücktheiten zu sein, und sie wird es nicht zurückweisen, die verrückteste genannt zu werden. Wie alle neumodischen Verrücktheiten war sie schon von jeher da, und tut nur so, als wäre sie es erst seit gestern. Die grösste umfassendste Feindschaft, die an die Stelle der bloss begrenzten Feindschaften von gestern tritt; das letzte Gefecht, der Krieg, der den Krieg abschafft. Die Neue Feindschaft weiss, dass seit Jahrtausenden unter dieser Fahne des hellen Wahnsinns in den Krieg geritten worden ist, und dass jede Revolution gescheitert ist. Sie hört aufmerksam zu, wenn die Sieger rufen: ergebt euch, es ist zu Ende.

9. Die Neue Feindschaft sagt: nein, die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Sie wird noch mindestens eine Runde weitergehen. Ihr habt noch lange nicht gewonnen, auch wenn es so aussieht. Und so lange ihr nicht gewonnen habt, haben wir noch nicht verloren. Also vorwärts, ruft die Neue Feindschaft, alle ins Gefecht, für den blossen Schatten eines Schattens vom Sieg! Es ist ihr vollkommen ernst, und sie geht zuversichtlich davon aus, dass genügende folgen werden (wie immer), aber viel zuwenige, um zu gewinnen (wie immer).

10. Die Neue Feindschaft verspricht Dir T-Shirts, aber Du trägst lieber Jogginghosen.

Fortsetzung folgt

https://t.me/neue_feindschaft/69

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Aus dem Netz: Normalisierung

Einer der grösseren talking point der neueren Zeit ist es, gegen diese oder jene „Normativität“ sich zu wenden, dies oder jenes zu „normalisieren“ oder zu „entstigmatisieren“. Ein paar unsystematische Betrachtungen.

1. Man kann zB den Makel der Obdachlosigkeit auch aufheben, indem man den Obdachlosen zwar kein Obdach verschafft, aber Obdachlosigkeit „normalisiert“. Obdachlosigkeit ist dann kein Makel des Obdachlosen mehr, und vor allem kein Makel der Gesellschaft mehr, die Obdachlosigkeit hervorbringt.

Aus Kreisen der berliner Pseudo-Linken ist neuerdings verlautet, auch Obdachlosigkeit sei „queer“. Aus dem neoliberalen shithole country Kalifornien und in einigen anderen nordamerikanischen Einparteienstaaten hören wir von den erstaunlichsten Zuständen (siehe den Artikel https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2022/06/how-san-francisco-became-failed-city/661199/).

2. Vor längerer Zeit, bei uns unter Schröder, hat man der Sozialdemokratie eine Verdünnung ihres Gleichheitsbegriffs zu dem der Chancengleichheit bescheinigt. Sogar das war bloss Ideologie: es geht um den blossen Anschein von Chancengleichheit. Die blosse Anti-Diskriminierungspolitik begreift nicht den bürgerlichen Idealzustand als den Skandal, sondern die Abweichung vom bürgerlichen Idealzustand. Sie spricht damit den bürgerlichen Idealzustand heilig. So weit, so banal. Wenn es denn so banal bliebe.

3. Die Pseudo-Linke ist offenbar nicht im Stande, das Geschäft der bürgerlichen Kälte und Gleichgültigkeit zu treiben ohne eine gewisse überschiessende Tendenz. Die Rede von der Entstigmatisierung gesellt sich gewöhnlich zu den schön klingenden Phrasen von der Vielfalt und Buntheit, in deren Namen sich gegen irgendeine „Normativität“ gewandt wird.

Eine autoritäre Gesellschaft kann die Normativität nicht loswerden. Sie wird immer einen Masstab hervorbringen, an dem man gemessen werden wird. Es wird nur gelingen, zu verschieben, was in einem bestimmten Zeitpunkt als „normal“ gilt. „Normal“ ist dasjenige Verhalten, das von der Autorität gebilligt wird. Es spricht ja heute niemand davon, etwa die Autorität abzuschaffen.

Die Autorität ist dasjenige, was über die Normalität entscheidet.

4. Die Aufhebung einer Diskriminierung ist immer ein Machtbeweis gewesen, aber nicht immer ein Beweis der Macht des Diskriminierten. Das war in der Vergangenheit anders, als man noch von Herrschaft und Ausbeutung gesprochen hat, aber nichts anderes als die bürgerliche Befreiung (die Aufhebung einer Diskriminierung) erreicht hat.

Unter der heutigen Logik entsteht eine eigenartig geisterhafte Simulation von „Befreiung“. Sie ist mehr von den Bedürfnissen derer geprägt, die über die Normalität entscheiden, als von den Bedürfnissen einer realen unterdrückten Gruppe. Sie besteht auch nicht mehr darin, die tatsächliche Lage von realen Menschen zu verändern, sondern zu verschieben, was gebilligte und was missbilligte Praxis sein soll. Den Inhalt dieser Verschiebung aber scheint das Markt zu diktieren.

5. Noch findet anscheinend diese Simulation von fortdauernder Befreiung seine Abnehmer unter denen, die bereit sind, diese blosse Verschiebung als Befreiung auch zu empfinden. Das Bedürfnis danach ist real. Dem Selbstverständnis dieser Gesellschaft ist der Anspruch auf Befreiung eingeprägt, und allen ihrer Insassen. Ihre Fähigkeit dazu aber scheint sich zu erschöpfen. Die Gesellschaft trifft eine Auswahl, wer eingeladen wird, an der illusorisch gewordenen Befreiung teilzunehmen und wer nicht; davon das nächste Mal.

https://t.me/neue_feindschaft/72

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Aus dem Netz: Sieben Thesen zum Erfolg der AfD

Ein gewisses Lebenszeichen, aus dem Forum der FAU.

Die AfD wird immer stärker und wird Stand jetzt die Landtagswahlen in drei Bundesländer im Herbst gewinnen. Die bisherige Strategie der Bekämpfung ist, allein schon empirisch, gescheitert.
Mit folgenden Thesen möchte ich einen Anstoß geben, die bisherige Strategie zu überdenken, anzupassen und gegebenenfalls zu ändern.
Die Thesen beanspruchen nicht die Wahrheit, sondern sind als Grundlage für eine Diskussion gedacht.

1 Alle Parteien, von Linkspartei bis CDU, bewegen sich in ihrer Praxis in einem begrenzten politischen Rahmen, bilden quasi ein Kartell, das Opposition nicht zulässt. Sämtliche Regierungen der letzten 30 Jahre haben die Politik der Vorgängerregierungen fortgesetzt. Daher war es unmöglich, einen politischen Wechsel per Wahlen herbeizuführen. Die AfD geriert sich als Opposition und Alternative zu diesem Kartell, was ihren Erfolg ausmacht.

2 Die AfD repräsentiert einen Unmut gegen eklatante politische Missstände. Ohne eine politische Antwort auf diese Missstände, kann die AfD nicht eingegrenzt werden. Im Gegenteil, die radikale Rechte wird weiter gestärkt.

3 Wenn sich die außerparlamentarische Linke in einem „antifaschistischen Block“ mit den Regierungsparteien zusammenschließt, wird sie Teil dieses Kartells, zumindest aber als solches wahrgenommen. Damit verbleibt als einzige Opposition gegen die „alternativlose“ Politik die radikale Rechte. Auch dies wird sie weiter stärken.

4 Von der bisherigen Ausgrenzungs- und Marginalisierungsstrategie hat vor allem die AfD profitiert. In anderen Ländern ist Vergleichbares zu beobachten. Auch die aktuelle Intensivierung dieser Strategie wird nicht zum Erfolg führen.

5 Die Ausgrenzungsstrategie führt dagegen zu einer verstärkten Konfrontation nicht nur innerhalb der Gesellschaft, sondern auch innerhalb der Arbeiterklasse. Diese Spaltung muss aber überwunden werden, um wirkliche Änderungen zu ermöglichen.

6 Die Bekämpfung der AfD mit allen Mitteln, inklusive Geheimdienstmethoden und Grundrechtsbeschränkungen, ist ein Fehler. Dadurch können sich Partei und Wähler als Opfer stilisieren. Zudem werden Protestwähler an die Partei gebunden.

7 Die Auseinandersetzung mit der AfD sollte in erster Linie politisch stattfinden, indem a) ihre Positionen als Teil des bürgerlichen Kapitalismus gekennzeichnet werden und b) eine wirklich oppositionelle Alternative von Links angeboten wird.

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