Notizen zu „Great Again“ – Vortrag von M. Klaue und U. Krug in Halle

Den folgenden Beitrag erhielten wir von einem Zuhörer der Vortragsveranstaltung vom Juni diesen Jahres. Es erscheint uns hilfreich, ihn zu veröffentlichen, um zu einer Diskussion über den auf Veranstaltungen dieser Art regelmässig vorgetragenen Unsinn beizutragen, und zwar jenseits des Miieus, das solche Vorträge regelmässig besucht und in den anschliessenden rituellen Diskussionen den Unsinn rituell bestätigt. Von diesem ist offenbar nicht mehr zu erwarten, aus eigener Kraft aus seiner Spirale des grösser werdenden Unsinns auszubrechen.

Die AG Antifa lädt zum Vortrag “Great Again – Antiamerikanismus im Zeitalter Donald Trumps” – und heraus kommt ein Medley aus neokonservativer Leugnung des Klimawandels, Forderungen nach härterem Grenzschutz und linksnationalistisch angehauchten Überlegungen zur Wirtschaftspolitik. So durcheinander die Themenauswahl, so unsortiert auch diese Anmerkungen. Also hinein! (Kursiv gesetzt sind sinngemäß von Krug und Klaue übernommene Passagen.)

– Eine kurze Anmerkung zum Argumentationsstil: Diese rein assoziativen Argumentationen scheinen mir immer nicht sehr überzeugend. Aus dem Gleichklang vom Klimaleugner mit dem Holocaustleugner kann man kaum herauslesen, dass der Klimawandel in Deutschland den Holocaust als große Menschheitskatastrophe abgelöst hat. Und dass es vor dem Klima (im Sinne von Wetter und so) den Begriff des Betriebsklimas gab, der heutzutage allerdings verschwunden sei, ist keine so deepe Erkenntnis, wie Magnus Klaue zu meinen scheint. Das ist doch alles etwas zu nah dran an der eigenartigen Sprachmagie der Postmodernen.

– Überhaupt, der Klimawandel. Anscheinend alles deutsche Ideologie, auch wenn man das so deutlich dann doch nicht sagen möchte. Stattdessen ganz ergebnisoffene Nachfragen, Anmerkungen: dass das Klima ein überaus komplexes System sei, dass es niemals statisch gewesen sei, dass ein menschlicher Einfluss wirklich eindeutig nie nachgewiesen werden könne. Dass man außerdem ja gar nicht wissen könne, ob der Klimawandel, so er denn überhaupt existiert und so er denn überhaupt menschengemacht sei, wirklich zur großen Katastrophe führen werde. Und so, nachdem man den realen Klimawandel aus der Gleichung gestrichen hat, bleibt der Klimaschutz als deutsche Ideologie: der Hinweis auf den Klimawandel soll eben nicht nur den Holocaust vergessen machen, er soll auch den islamischen Terrorismus als größte Menschheitsgefahr relativieren, überhaupt: Klimaschutz und Islamismus gleichen sich in ihrer Verachtung für das einzelne Leben.

– Zur Kernthese des Abends, wie sie im Ankündigungstext schon, nun ja, angekündigt wurde: die Verteidigung der “Grenzen, die einen Raum möglichst angst- und gewaltfreien gesellschaftlichen Verkehrs sichern und definieren”. Grenzen und deren Kontrolle, soweit wird man mitgehen können, sind ein Bestandteil staatlicher Souveränität. Deren Grundprinzip ist – zumindest in ihrer bürgerlichen Variante – der Schutz aller ihrer Bürger. 2015 allerdings, also mit der Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge, habe Angela Merkel dieses Grundprinzip bürgerlicher Nationalstaatlichkeit tendenziell aufgehoben; sie habe damit die Sicherheit ihrer Bürger in Gefahr gebracht (!) und, so möchte man ein wenig überspitzen, die Sache der Barbarei ein Stück vorangetrieben. Spannend an dieser Argumentation: die Flüchtlingsbewegung nach Europa ist a priori eine Gefahr für die europäischen Bürger, überhaupt kommt die Gefahr von außen – sofern der Staat seine Grenzen nicht ordentlich schützt. Und: die staatliche Setzung, nach der das Leben der Staatsbürger wichtiger ist als das Leben von Nichtstaatsbürgern, wird umstandslos übernommen. Nur so kann eine – weitgehend schwammige, hypothetische – Gefahr für die Sicherheit innerhalb der europäischen Grenzen als Begründung herhalten, außerhalb tausende ersaufen zu lassen – ganz konkret und für jeden sichtbar. Aber schlussendlich ist das schon alles irgendwie OK, schließlich kommt ein ordentlicher Grenzschutz auch den Flüchtlingen zugute; die relative Freundlichkeit, die ihnen in den USA entgegenschlägt beruht schließlich darauf, dass sie nach nationalem Interesse selektiert wurden.

– Welch abgrundtiefe Versäumnisse in der Staatskritik, die sich da auftun. Die teilweise Verteidigung bürgerlicher Staatlichkeit war einst gegen jene gerichtet, die keinen Unterschied mehr erkennen wollten zur nationalsozialistischen Barbarei. Vernachlässigt wurde dabei von vielen die Frage nach dem Zusammenhang von (bürgerlicher) Staatlichkeit und nationalsozialistischem Unstaat, zwischen Normalzustand und Ausnahemzustand. Der Ausnahmezustand wurde aus dem bürgerlichen Staat hinausverlagert, erst durch die Exkommunikation Deutschlands aus der bürgerlichen Gesellschaft, dann durch denVerweis auf den Islam – in dem ja bekanntlich die Dialektik der Aufklärung immer schon suspendiert sei. Nur so können Sätze zustande kommen, wie der, dass der Zweite Weltkrieg nicht von “Nation und Grenzen”, sondern vom “paranoiden Antisemitismus” ausgelöst worden sei – ohne zu fragen, ob vielleicht “Nation und Grenzen” irgendetwas mit diesem “paranoiden Antisemitismus” zum tun haben könnten. Und nur so kann man ignorieren, dass an Europas Außengrenzen tagtäglich der Ausnahmezustand herrscht, dass die Illusion des Normalzustands innerhalb der Grenzen geradezu darauf basiert. Und auch diese neue Floskel, der Nationalsozialismus sei antinational gewesen. Die Logik scheint einwandfrei: wenn Grundprinzip von Staatlichkeit ist, all seine Bürger zu schützen, dann war der Nationalsozialismus kein Staat, denn er hat ja einen bedeutenden Teil seiner Bürger entrechtet,verfolgt, ermordet. Nur: der Staat beschützt natürlich nie alle seine Bürger. Und: der Staat kann grundlegend selbst definieren, wer seine Staatsbürger sind. Es ist wie mit der Rechtsstaatlichkeit: es ist durchaus ehrenwert und im Zweifelsfall durchaus angenehm, dass der Staat sich selbst gewisse Regeln auferlegt und verspricht, sich an diese zu halten. Nur: wenn er das nicht mehr möchte, wer sollte ihn daran hindern. Vielleicht sollte man sich mal wieder mit Themen wie dem Gewaltmonopol und ähnlichem beschäftigen.

– Der Fairness halber sei angemerkt: Klaue und Krug haben überhaupt nichts gegen alle Flüchtlinge. Sie bevorzugen nur diejenigen, die sich aus freier Entscheidung, aus einem vernünftigen Entschluss auf ein schöneres Leben auf den Weg gemacht haben; das also, was der Volksmund gehässig als Wirtschaftsflüchtlinge abwertet. Wen sie nicht mögen, sind vor allem islamische Flüchtlinge, weil die sich immer so als Opfer gerieren. Interessant ist: die beiden übernehmen unbesehen die Aufteilung des deutschen Mainstreamdiskurses in egoistische “Wirtschaftsflüchtlinge” bzw. “Vernunftmigranten” und von den Verhältnissen getriebene, quasi willenlose Kriegs- und politische Flüchtlinge. Dass auch der Beschluss, aus einem Kriegsland bzw. vor politischer Verfolgung zu fliehen, zum Teil eine bewusste Entscheidung für ein besseres Leben ist, kommt ihnen ebensowenig in den Sinn, wie ihnen der “stumme Zwang” der auch wirtschaftlichen Verhältnisse noch ein Begriff zu sein scheint.

– Die Strömung, die jahrelang die neoliberale “Reformagenda” zum Umerziehungsprogramm gegen den Staatsfetischismus umgelogen hat, entdeckt jetzt plötzlich das arme, abgehängte (weiße) Proletariat wieder – und zwar dort, wo alle Pauschalisierungen zutreffen, die Antideutsche jahrelang über Proletariat und soziale Proteste getroffen haben: bei Trump und Brexit. Da hat man tatsächlich mal politische Strömungen, die nationalistisch, protektionistisch und antisemitisch gegen den “Globalismus” vorgehen, die die (Wieder-)Eingliederung des Proletariats in die kapitalistische Verwertung über den Nationalstaat vorantreiben wollen und im Gegenzug das Kapital in die Pflicht nehmen wollen, wieder produktiv zu sein, und zwar in seinem “Heimatland”. Und bei Krug wird das ganze zum unterstützenswerten Widerstand gegen die “Emanzipation des Kapitals vom Proletariat”, bei Klaue gerät Trumps “ökonomischer Pragmatismus” gar zum “Residuum des Fortschritts”. Da hilft es nicht viel, dass Krug tatsächlich die ökonomische Vorherrschaft Deutschlands in der EU ganz gut beschreiben kann, wenn dann als Widerstand dagegen der nationalistische Protektionismus hochgehalten wird. Aber: wenn das deutsche Austeritätsregime fällt, dann wegen Trump.

– Das ganze ist im Übrigen geprägt von etwas, was man eigentlich wirklich nur noch als Eurozentrismus bezeichnen kann (oder Westozentrismus? Gibts dafür schon ein Wort, was ich nicht kenne?). Teilweise ganz offen, in der Verteidigung unserer kleinen Inseln der Glückseligkeit, in denen – nochmal – “Grenzen […] einen Raum möglichst angst- und gewaltfreien gesellschaftlichen Verkehrs sichern und definieren”, der zu verteidigen ist gegen die weniger glückseligen da draußen, die vielleicht auch angst- und gewaltfreien gesellschaftlichen Verkehr genießen wollen. Etwas subtiler kommt das ganze in der Kritik an der “Klimaschutzideologie” zum Vorschein. Wer Klimaschutz und Islamismus in ihrer Verachtung fürs einzelne Leben gleichsetzt muss ignorieren, dass der Klimawandel bereits jetzt massenweise “einzelne Leben” zerstört. Und wer die Frage stellt, ob der Klimawandel wirklich je zur großen Katastrophe führt, schließt die Augen davor, dass in weiten Teilen der Welt die große Katastrophe in Form von Trockenheit und Überflutung schon längst da ist. Aber eben nicht in Europa, zumindest nicht für Berliner Zeitschriftenredakteure.

– Die ganze Übung hieß ja nun “Great Again – Antiamerikanismus im Zeitalter Donald Trumps”. Und ja, der schlechte alte Antiamerikanismus hassfreut sich natürlich ohne Ende über Donald Trump, findet seine ganzen Ressentiments in dieser einen Person bestätigt. Da ist ein kulturloser, grober Medienheini, der aufs Weltklima scheißt, solange er seine Kohleindustrie behalten kann; rassistisch ist er auch noch, und wirtschaftlich predigt er einen rücksichtslosen nationalen Egoismus – America first eben. Und ja, die Deutschen fühlen sich gerade moralisch besser, als die großen Umweltschützer, die großen Flüchtlingsretter, die Verteidiger des freien Welthandels gegen den nationalen Protektionismus. Das alles erfordert eine grundlegende Kritik, die vermutlich bei der Verlogenheit der ganzen Geschichte anfangen könnte – die große Autonation Deutschland, mitten in einer EU von Absatzmärkten und Flüchtlingspuffern sitzend, erklärt dem Rest der Welt Umweltschutz und Flüchtlingshilfe. Was das alles nicht erfordert, sind Ideologiekritiker, die in schlecht postmoderner Manier die Verlogenheit der einen Seite erkennen und sich trotzig auf die andere Seite zurückziehen; die also all das, was Donald Trump von den Deutschen so verlogen vorgeworfen wird, jetzt einfach umdeuten ins positive: nationale Abschottung als “Residuum des Fortschritts”, “Grenzen retten Leben”, Ablehnung des Klimaschutzes als Bewahrung menschlicher Handlungsfähigkeit.

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