„Verzicht und Opfer, wirtschaftlich wie menschlich“

– spf

Während es noch bei manchen als umstritten gilt, wie gefährlich dieses Virus ist, können wir feststellen, dass vom Virus wenigstens eine große Gefahr für Umwelt und Gesundheit ausgeht: es frisst anscheinend mehrere Löcher in menschliche Ärsche. Anders ist diese Klopapierbegeisterung nicht zu erklären. Sie hat nichts mit Panik oder Herdeverhalten der Konsumenten zu tun. Von wegen „Sicherheitsgefühl“! Die Menschen leiden, es steht ihnen in die Gesichter geschrieben. Gestern Abend z.B. (04.04.) trendete im deutschen twitter-Segment #grundgesetz neben #schwanz. Vollkommen verständlich: beim aktiv betriebenen Grundrechte- und Demokratieabbau bei seit Tagen ausbleibenden Chemitrails hält man sich gerne an etwas fest. Ich kenne das aus der nordkasachischen Steppe: da nimmt man, wenn man kurz vor die Tür muss, ein Kännchen mit Wasser und zwei lange Stöcke mit. Den einen Stock rammt man in die Erde und hält sich fest, falls vom Semsker Atomtestgelände eine Stoßwelle kommt, mit dem anderen schlägt man auf die umherschleichenden Wölfe ein. Und das Kännchen ihr wisst schon selbst wozu. Nun erzählt mir mehr über entgleitende Kontrolle über das eigene Leben oder eco anxiety.

Das nur nebenbei. Aber das sind unsere Mitungeheuer, wir werden mit einander viel zu tun haben, wenn diese de facto Ausgangssperren wieder aufgehoben worden sind. Solange aber sehen wir diesem staatsinduziertem Katastrophenspektakel zu, und versuchen uns zu beruhigen, indem wir unsere Klopapiervorräte begutachten und nervös an unseren Genitalien herumzupfen. Vielleicht trendet #schwanz eh jeden Abend in Deutschland, ich weiß es nicht, hab keinen twitter-Account. Eine ernsthafte psychoanalytische Auseinandersetzung mit diesem Thema vermisse ich aber immer noch. Waren etwa alle Freud-Lesekreise umsonst?

Bildschirmfoto vom 2020-04-04 22-32-21

Ein gewisser Vince O‘Brian vor vielen Jahren geschrieben, dass das sogenannte „Zuhause“ nur eine Gefängniszelle bleibt, wenn die Straßen draußen nicht uns gehören. Wer fleißig gearbeitet und sich gut betragen hat, darf an der Zellenwand einen Fernseher anbringen, um sich die Zeit bis zur nächsten Schicht besser vertreiben zu können. Die Stunde der Autokraten ist gekommen. Bayern schielt nach Österreich, Sachsen schielt nach Bayern, alle schauen hoffnungsvoll zu Orban nach Ungarn. Und ich wette, die kommende Krise wird Brasilien, dem „Russland der südlichen Hemispäre“, und Russland, diesem „Brasilien der nördlichen Halbkugel“, einen ordentlichen Schaden zufügen. Währenddessen schickt Moskau medienwirksam fast völlig nutzloses militär-medizinisches Zeug nach Italien, so, als stünde nicht das eigene Hinterland längst in Flammen. Ich habe gehört, sie vertrauen darauf, dass akustische Schwingungen bei einem Kirchenglockenspiel nicht nur böse Geister vertreiben, sondern alle Krankheitserreger abtöten. Auch in der Ukraine könnte die Krise Selenskyj das Genick brechen, der Innenminister Awakow freut sich schon. Das politische Spiel wird also weiter gespielt. Aber mal ernsthaft, wie wollen die Herrschaften da wieder raus?

Was noch getrendet hat in den letzten Tagen, zumindest bei der Linken, sind Forderungen. Forderungen sind so‘ne Sache. Wer was zu lachen braucht, wird hier fündig. Die Leute verfassen schon mal provisorisch Forderungen, je kleiner die Sekte, desto größer und ernst gemeinter die Forderungen. Offensichtlich glauben diese Leute seit Bucharin, dass das, was man den kriegsführenden Staatskapitalismus bezeichnen könnte, nicht umhin kann, als magisch-dialektisch in seinen eigenen Gegensatz umzuschlagen. (1) Kann einfach nicht anders, warum denn auch? Wie man sich auf die Schulter klopft, dass die ehemals linken Forderungen jetzt angeblich „durch die Parlamente gepeitscht“ werden, als hätte man selbst nicht nur was damit zu tun, sondern auch noch was davon, und vergisst dabei nicht, die chinesische KP für die schnell gebauten Krankenhäuser zu loben.

Na, wenn das so ist, dann formuliere ich auch „Forderungen“:

1) Lasst die Kommunikation nicht abbrechen. Es wird eine Zeit danach geben. Die Vorbereitung erfordert Technik, Infrastruktur. Vielleicht weniger Skype oder Zoom, aber Jitsi, Mumble oder sogar Jabber. Es gab sogar versuche, Stadtteilversammlungen virtuell abzuhalten. Das Mittel ist zwar sehr exklusiv, weil es die Alten und die Armen von vorn herein ausschließt, wie damit umgehen, weiß ich nicht. Aber so könnt ihr eure Freud-Lesekreise wenigstens fortsetzen.

Dazu gibt es ein paar Gedanken und Anweisungen:

https://inforiot.de/corona-radikale-kritik-jetzt-raus-aus-der-angststarre/

https://www.systemli.org/de/2020/03/15/solidarische-infrastruktur.html

https://pads.ccc.de/jitsiliste

Oder das hier, ist auch ein Anfang: https://www.krisengespraeche.de/

2) Macht euch Gedanken, wie unter gegebenen Bedingungen Öffentlichkeit hergestellt bzw. politische Aktion möglich sein kann. Es sei denn man gibt sich damit zufrieden, sich gegenseitig auf Facebook ideologiekritisch zu bemitleiden und mit vorgesetzten epidemiologischen Studien Stochastik zu üben. Ach ja, Petitionen an die Parlamente blühen z.Z. richtig auf.

In Flensburg z.B. wollten letztens ein paar Menschen das neue Polizeiaufgabengesetzt nicht unkommentiert hinnehmen.

In Minsk versuchen StudentInnen, einen Streik anzuzetteln, weil die Unileitung den Betrieb nicht einstellen will. Auf die hässlichen Masken, kann man tatsächlich irgendwas malen, süße Tierchen z.B.

In Berlin besetzte man medienwirksam leer stehende Wohnungen.

China, genau dort, wo die ganze Scheiße nicht zuletzt dank der chinesischen Regierung angefangen hatte, kloppten sich Arbeiter mit der Polizei.

In Halberstadt, Sachsen-Anhalt, wehren sich Asylsuchende gegen miese Unterbringungsbedingungen.

Niedrige Löhne, miese Arbeitsbedingungen, überteuerte Mieten, Umweltverschmutzung, staatliche Elendsverwaltung, Repressalien und Gewalt gegen Frauen machen indes keine Pause. Wie die angry workers schreiben: „Even in order to keep basic production running, connections between productive units have to be re-forged. The longer the Corona crisis will last, the more the financial links between productive units will come under strain. The liquidity and debt problems of one company might endanger the production in a whole sector. A drastic drop in the value of a national currency and exchange rate might endanger supply. Here we will see that the ‘critique of money and the commodity form’ is not an intellectual exercise, but a material necessity“.

Für die Versammlungsfreiheit in der Öffentlichkeit, wider den Versammlungszwang auf der Arbeit!

1) „Es ist vollkommen klar, dass die nächste Epoche die Epoche der Diktatur des Proletariats sein muss, die formal Ähnlichkeit mit der Epoche der Diktatur der Bourgeoisie haben wird, d.h. der umgestülpte Staatskapitalismus, seine dialektische Umkehrung in seinen eigenen Gegensatz sein wird“. Nikolai Bucharin, „Ökonomik der Transformationsperiode“, 1919

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