Hat die No-Border-Bewegung aus 2016 gelernt?

Die Situation von 2015 wird nicht in derselben Form wiederkommen. Aber sehr wohl in irgendeiner anderen Form. Die politische Lage in Ost- und Südosteuropa hat sich geändert; die Regierungen damals waren auf fast selbstschädigende Weise flüchtlingsfeindlich. Aber es ist damals der No-Border-Bewegung auch nicht im Ansatz gelungen, Nutzen aus dem Zusammenbruch des Dublin-Systems zu ziehen. Die Regierungen der osteuropäischen Länder haben in der Tat keinerlei Interesse, die Flüchtlinge dort festzuhalten; aber die sinnvollste Forderung, Niederlassungsfreiheit für registrierte Flüchtlinge, ist damals nicht hörbr gewesen. Es haben damals auch nicht die Flüchtlinge selbst das Wort geführt, sondern die NGOs und die Organisationen der grünen Mittelschicht. Es kann sein, dass eine Selbstorganisation der Flüchtlinge zusammen zu einem besseren Ergebnis kommt. Das Osteuropa von heute ist auch nicht mehr dasselbe Osteuropa wie vor 5 Jahren; es fühlt sein neues Gewicht in der EU. Das Dublin-System kann fallen.

Einige Dinge zu solchen Ansätzen:

The Migrant Caravan I

The Migrant Caravan II

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Die Wende im ukrainischen Krieg

Wir haben nicht viel über den ukrainischen Krieg geschrieben, weil wir nicht über die „eigene, den Durchschnitt übersteigende Expertise zur Geschichte europäischer Kriege, modernem Kriegsgerät und Kriegsführung“ anderer Leute verfügen. Aber wir empfehlen, sich das hier genau anzusehen: es kam grad herum.

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Kupiansk ist ein kriegsentscheidender Eisenbahnknoten, der Nachschub für die russische Front um Osten hängt daran. Was sagt uns das?

Es kann alles sehr schnell gehen. Es wird nicht darum gehen, ob Moskau die Krim behält, sondern Wladiwostok: die Niederlage des russischen Reichs kann der Beginn einer neuen Epoche von Revolutionen sein.

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Würzburg 13.9. Vortr. Organisierung u. Arbeitskampf

Dienstag, 13.9.2022 19.00 Uhr
Organisierung und Arbeitskampf
Vortrag und Diskussion mit Jörg Finkenberger

Der Kern aller Organisierung ist die Belegschaft des Betriebs selbst, und ihr Anfang ist niedrigschwellig: die alltägliche Kooperation der Arbeitenden, ohne die der Betrieb selbst nicht möglich wäre. Darin liegen Möglichkeiten, die noch nicht ausreichend genutzt sind.

Es wird am Anfang viel ums Arbeitsrecht gehen, dann auch um Gewerkschafts-Geschichte aus Deutschland und anderen Ländern. Es gibt ein beiden Bereichen neue Entwicklungen, gute wie auch schlechte. Einige davon sind für eine neue Form von Organisierung und Gegenwehr von unten unerwartet günstig; vor allem über diese wollen wir heute Abend reden.

Denn Organisierung und Arbeitskampf sind nicht Dinge, die man passiv von den zuständigen Stellen entgegennimmt; sondern Dinge, die man selbst tut. Organisierung wird nicht von aussen hereingetragen. Sie lässt sich auch nicht durch ein Politikangebot von oben ersetzen. Und sie erschöpft sich nicht in den dazu vorgesehenen Formen. Organisierung ist die freie und selbstbewusste Teilnahme aller an der gemeinschaftlichen Aktion. Sie ist die einzige Garantie einer künftigen freien Gesellschaft, und einer Zukunft, die noch offen ist.

https://dasgrossethier.noblogs.org/files/2021/01/streik.pdf

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Die nächste Krise XI

Wir hatten geschrieben:

Das wirkliche Problem beginnt erst da, wo die Rezession globalen Charakter annimmt, d.h. die Einkommensausfälle des Auslands auf den eigenen Export zurückschlagen. Sobald die chinesischen Exportdaten ihr Vorzeichen wechseln, ist die Krise offiziell allgemein geworden.

Heute lesen wir:

Die Entwicklung von Chinas Außenhandel hat sich unerwartet verlangsamt.

Peking – Die Ausfuhren legten im August in US-Dollar berechnet nur noch mit einem Plus von 7,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu, wie der chinesische Zoll am Mittwoch in Chinas Hauptstadt Peking berichtete. Experten hatten ein zweistelliges Wachstum erwartet, nachdem die Exporte im Juli noch um 18 Prozent gestiegen waren.

Die Zeichen sind an der Wand. Aber das ist nicht mehr als erst der Anfang der Krise. Sie ist noch gar nicht voll ausgebrochen:

China has reached a point of no return in its battle to contain what could be the biggest property crash the world has ever seen, experts believe, creating a perilous moment for the country’s Communist leadership and the global economy.

Alles, was wir heute sehen, ist erst noch die langsame Eintrübung. Was für ein Gewitter daraus kommt, haben wir noch nicht gesehen.

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Aus gegebenem Anlass

Unsere Broschüre „Selbstverwaltete Betriebe“ findet sich hier.

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Protestbewegung oder Streik?

1
In der „Linkspartei“ und in der Linken aussenherum wird erbittert gestritten um die richtige Art, gegen die steigenden Lebenshaltungskosten zu protestieren. Zwei oder mehr Meinungen scheinen sich da gegenüberzustehen; aber wir haben nicht vor, Kreml-Astrologie zu betreiben. Das Innenleben dieser weitgehend gescheiterten Partei ist auf geradzu byzantinische Weise undurchschaubar. Wir haben aber an ein paar andere Dinge zu erinnern: an ältere Erfahrungen, aus der Protestbewegung von 2004, aus der diese Partei, wie sie heute ist, entstanden ist. Und es waren keine guten Erfahrungen.

Im Westen waren es sozialdemokratisch-gewerkschaftliche Kreise, im Osten linksparteiliche, die die Proteste damals organisiert hatten. Vage hoffte man wahrscheinlich auf eine langanhaltende und tief in der Gesellschaft verankerte Bewegung. Die Westlinken dachten dabei eher an ihre Bündnispolitik aus den 1980ern, die Ostlinken eher an eine Wiederaufnahme der gewaltigen Anti-Treuhand-Proteste der frühen 1990er. Daher auch die Brücke zum Montag als Protesttag.

Und beide waren bis zur Realitätsverleugnung überfordert mit der Sorte Volk, die da zum Teil auftauchte. Man steht auf sehr dünnem Boden, wenn man eine Klassenfrage in der Hand hat und eine Volksbewegung proklamiert. Natürlich werden sehr viele verschiedene Leute da auftauchen, die alle keine Ahnung haben, was sie miteinander gemeinsam haben; die allermeisten werden sprachlos herumstehen, und gewisse organisierte Minderheiten werden das Wort an sich reissen. Das sind die, die einen fertigen Plan haben. Die Nazis gehörten genauso zu diesen wie die MLPD.

In Würzburg passierte die Absonderlichkeit, dass die paar wenigen, die ein an der „Krisis“-Position angelehntes Flugblatt „gegen die Arbeit“ verteilten, aus der Kundgebung entfertn wurden; während der zweite Vorsitzende der örtlichen NPD mit seinen Leuten in Frieden gelassen wurde. Nicht, weil man ihn nicht gekannt hätte, der Mann war nicht zu verwechseln, er hatte ein Paar Springerstiefel auf den Kopf tätowiert und trug keine Haare darüber. Man hatte vorher mehrmals Demonstrationen gegen ihn angemeldet.

Natürlich war das eine strategische Entscheidung. Man muss mir nichts anderes erzählen. Anderswo gab es noch krassere Sachen zu sehen. Aus der Sorte von Linken, die das damals organisiert hatte, ging bald danach die Linkspartei in ihrer heutigen Form hervor; und diese Leute gehörten darin zu dem Wagenknecht-Flügel und sind mit diesem auch einstweilen in der Versenkung verschwunden. Sie werden noch einen Auferstehungstag sehen; aber etwas gutes ist von ihnen nicht zu erwarten, im Gegenteil.

2
Es ist ihnen weder gelungen, eine dauerhafte, selbsttragende Bewegung zu erzeugen, noch ist ihnen gelungen, diese Bewegung in der Hand zu behalten. Aber treten wir noch einen Schritt zurück.

Selbst wenn es ihr gelänge, was ist dann? Kann eine Bewegung, die „in der Hand“ einer bestehenden politischen Partei ist, überhaupt bestehen, und was kann sie zuwege bringen? Eine Bewegung braucht Autonomie, eigenes Selbstbewusstsein, eigene Tätigkeit. Sie wird neue Leute hervorbringen und neue Fragen stellen. Und unsere Linke will gerade das gar nicht.

Unsere Linke ist voll von Leuten, denen die Notwendigkeit einer Veränderung gar nicht eingeht. Diese Leute können den heutigen Zustand der Linken betrachten, ohne dass ihnen die Tränen kommen. Sie haben ihn ja auch verursacht. Jedes drängende Bedürfnis nach einem Neuanfang fehlt ihnen naturgemäss völlig. Es ist in der Tat alles nach ihrem Geschmack und ihrem Bedürfnis eingerichtet, also ist alles bestens.

Wie die ältere Linke, die Wagenknecht-Linke, eine Protestbewegung in den Sand gesetzt hat, haben wir damals gesehen. Will man sich vorstellen, wie die heutige Linke das anfangen wollte? Die satirischste Phantasie würde nicht ausreichen. Die heutige Linke viel paranoider und gleichzeitig unbeliebter als jemals; sie hält alle Gedanken, die auch ausserhalb ihrer eigenen Kaste bekannt sind, für potentiell faschistisch. Sie müsste entweder den grössten Teil der Bevölkerung direkt von ihren Aufzügen ausschliessen; oder sie müsste die Sache so oberflächlich halten, dass ihre Spezialideen gar nicht zur Sprache kommen und zur Debatte gestellt werden.

Es ist vollkommen begreiflich, dass die Sache so erbittert diskutiert wird. Aber das Dilemma wird dadurch nur realer. Wenn die Linke die Sache nicht in die Hand zu nehmen in der Lage ist, werden es ohne Zweifel die Rechten tun, da haben die einen vollkommen recht. Und die anderen umgekehrt, dass eine Hegemonie dieser Linken sich niemals wird halten lassen. Wenn es die Linke von 2004 nicht konnte, wird es diese von heute erst recht nicht können.

3
Niemand hat eine Bewegung „in der Hand“. Es ist sonst keine Bewegung. Bewegungen entstehen, wenn die bestehenden Formen und Organisationen unfähig sind, mit einem drängenden Problem weiterzukommen. Sie werden nicht ins Leben gerufen von diesen Organisationen. Genausowenig kann eine lebendige Bewegung ohne weiteres übernommen werden. Eine Scheinbewegung, die dazu gedacht ist, sich an eine vorher bestehende Kraft passiv anzulehnen, kann allerdings leicht übernommen werden: eine Bewegung ohne innere Debatte, ohne eigenes Selbstbewusstsein.

Der Charakter einer Bewegung wird auch nicht vorrangig durch möglichst disziplinierte Bewegungs-Polizei entschieden, oder durch die richtige Gesinnung die ersten Anmelder. Der Charakter einer Bewegung wird dadurch entschieden, welche Sorte Leute sie anzieht, und welche notwendig im Mittelpunkt stehen. Der Charakter einer Bewegung wird also, unter anderem, entschieden von dem Ausdrucksmittel, oder besser der Kampfform.

Eine Latschdemo, an der alle nur als Bürger unter Bürgern teilnehmen, die ihre Meinung sagen, zieht unpolitische Leute an. Ein offenes Mikrofom zieht Sektierer an. Eine Blockade zieht Aktivisten an, die sich für eine Elite halten. Das ist nicht neu und es ist alles kein Zufall. Und diese Leute geben dann den Ton an. Eine Latschdemo wird auch vom grössten schwarzen Block nicht radikalisiert; und gegen den gewiegten Sektierer am offnen Mikrofon kommt man nur an, wenn man den Stecker in der Hand hat.

Es wird viel über die Lehren von 2004 geredet, aber nie über die merkwürdigste dieser Lehren. In den grossen Belegschaften ist nämlich damals ernsthaft darüber gesprochen worden, gegen die Gesetze in den politischen Streik zu treten. Genau dieselben Gewerkschafter, die die Protest-Demos organisiert haben, sind es gewesen, die das mit viel Mühe verhindert haben.

Ein Streik ist etwas ganz anderes als eine Protestdemonstration. Ein Streik ist nicht die Äusserung einer ansonsten gleichgültigen Meinungen, ein Streik ist eine Tatsache und schafft Tatsachen. Es wäre vollkommen närrisch, z.B. gegen die Inflation zu protestieren; man könnte genausogut gegen die Zeit protestieren. Jede konkretere Forderung, die sich nicht sofort ins Nirgendwo verflüchtigen soll, kann nur Sinn haben im Rahmen einer Politik, die schon im Detail beschrieben ist; das heisst, ihr richtiger Ort ist die parlamentarische Opposition, nicht die Bewegung. Die Art und Weise, wie die Arbeiterklasse gegen die Inflation protestiert, ist dagegen nicht der Appell an den Staat, sondern der Lohnstreik.

Bei einem Streik haben weder Laufpublikum noch Sektierer viel zu melden, und sie finden auch kein so bereitwilliges und leichtgläubiges Publikum; weswegen sie auch gewöhnlich nicht wie Heuschrecken über solche Veranstaltungen herfallen. Bei einem Streik hat man es nicht mit Leuten zu tun, die im Grunde nicht wissen, was sie wollen, sondern diese Leute haben sich schon zu einer bestimmten Entschlossenheit durchgerungen. Die Struktur und die Dynamik der Sache sind ganz anders; die Streikenden und nur diese haben das Heft in der Hand. Weiterlesen

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Die nächste Krise X

Etwas verspätet; diese Sachen sind einige Tage alt.

Der Grundstücksmarkt in den USA zeigt, wie schon einmal beschrieben, den paradoxen Anfang der deflationären Entwicklung. Zur Erinnerung, stetig steigende Grundstückspreise gilt in dieser Gesellschaft als Indikator für steigenden allgemeinen Wohlstand; ihr Sinken bedeutet in der Regel den Beginn der Krise. Die Verkäufe gehen zurück, während die Preise eine Weile weiter steigen; ja, gerade deshalb. Wie im Zeichentrickfilm rennt der Markt noch eine Weile weiter, nachdem er über das Kliff ist.

Higher interest rates are having a brutal effect on the housing market, driving up the cost of home-buying by hundreds of dollars each month and pummeling demand as a result. Existing home sales have plunged nearly 30% from a January high. Meanwhile, home prices are still skyrocketing and making affordability even worse. „We’re witnessing a housing recession in terms of declining home sales and home building; however, it’s not a recession in home prices,“ National Association of Realtors economist Lawrence Yun said Thursday, noting the median existing home price has fallen to $403,800 from a record high in June but is still up nearly 11% from one year ago.

Dass in den USA die Preisbewegung derart verschachtelt aussieht, zeigt, dass die Rezession anders als 2008 ihren Ursprung wahrscheinlich nicht in der amerikanischen Ökonomie hat. In der kapitalistischen Ökonomie Chinas ist die Krise viel weiter fortgeschritten. Interessant die Einschätzung des grössten privaten chinesischen Konzerns:

In a leaked internal memo, Ren Zhengfei told Huawei staff “the chill will be felt by everyone” and the company must focus on profit over cashflow and expansion if it is to survive the next three years, indicating further job cuts and divestments.

“Huawei must reduce any overly optimistic expectations for the future and until 2023 or even 2025, we must make survival the most important guideline, and not only survive but survive with quality.”

In dieser Lage nützen auch Zinssenkungen nicht mehr viel.

Rate cuts by China failed to save regional sharemarkets from losses on Monday as investors were beset by global growth fears and the prospect of more policy tightening before the Jackson Hole gathering of central bankers.

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Der Herr, dein Gott, hat dich erhört

Man mag das glauben oder nicht, aber vor genau einem Jahr schrieb der faschistische, obskurantistische Pseudo-Philosoph Alexand Dugin auf vk.com: „Was mich nicht tötet, tötet jemand anderes„.

Ich hätt‘ beinahe gesagt: „Hättest du geschwiegen, wäre deine Tochter Philosophin geblieben“, aber das geht so nicht ganz auf. Ihr Telegram-Kanal „Platonova“ bleibt aber wundersamerweise noch aktiv und postet schnulzige Lieder über Donezk aus dem Jenseits. Das nenn ich Arbeitsmotivation, danke dafür.

Bin jedenfalls auf Hintergründe gespannt, es wird bereits wild spekuliert, es werden Verbindungen zu den sog. Volksrepubliken in der Ostukraine thematisiert. (Wr erinnern uns, fast niemand der pro-russischen Warlords hat überlebt und das geht nicht immer, wie man sagt, auf das Konto des ukrainischen Geheimdienstes SBU). Warten wir mal ab.

– spf

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Hey Münchener !

Kann jemand demnächst mal rausfinden, wie man den Mathäser mietet?

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Würzburg 6.9.: Vortr. Arbeitergeführte Betriebe

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Würzburg: Vortr. u. Diskussionsreihe Betriebsbesetzung u.a.

So hallo,

in Würzburg wirds demnächst auch ein paar Vortrags- und Diskussionsabende über unser aller Lieblingsthema geben:

Dienstag, 6.9.2022 19.00 Uhr
Mitarbeitergeführte Betriebe

Dienstag, 13.9.2022 19.00 Uhr
Organisierung und Arbeitskampf

Dienstag, 20.9.2022 19.00 Uhr
Betriebsübernahme durch die Belegschaft

Dienstag, 27.9.2022 19.00 Uhr
Eine Gesellschaft ohne Klassen

im FreiRaum in der Maiergasse

Genaueres folgt für die einzelnen Termine.

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Lauwarme hot takes für den heißen Sommer

Na, dafür dass der take so hot war –

Hatte mein anarchistischer Genosse Recht, dass Student*innen unter den Revolutionär*innen konterrevolutionär sind?

– ist der Rest der Abhandlung ziemlich lauwarm. Also, ich wäre dafür, dass dieser Genosse seine Gedanken bei Gelegenheit etwas näher ausführt.

Wenn ihr euch dafür entscheidet, lange genug in der anarchistischen Bewegung zu bleiben, werdet ihr feststellen, dass ein großer Teil davon (wenn nicht der größte Teil) tatsächlich aus Studierenden besteht. Ich spreche nicht über Jugendliche im Allgemeinen, sondern über einen bestimmten Teil der Jugend, der die Möglichkeit hatte, nach der Schule einen Abschluss zu erhalten. Diejenigen der Arbeiter*innenklasse, die direkt nach der Schule arbeiten gegangen sind, nehmen selten teil. Und diese Dynamik ist in ganz Europa weit verbreitet. Die kurze Aufmerksamkeitsspanne ist eine weitere wahre Geschichte der modernen revolutionären Bewegung. Ich denke, das beste Beispiel der letzten Jahre dafür war die sogenannte “Flüchtlingskrise” in Europa. Für einen kurzen Moment schlossen sich viele Menschen aus Unterstützungsgruppen verschiedenen Initiativen an, um den Geflüchteten zu helfen, die in das Land kamen – Hilfe bei Sprachkursen, einfache Kommunikation, der Umgang mit Rassismus. Aber auch Protestaktionen zusammen mit Refugees, zu den Themen staatliche Unterdrückung und ungerechte Migrationspolitik, wurden organisiert. Einige Jahre später sind die meisten, der an dem Kampf beteiligten Menschen, verschwunden, die Situation der Geflüchtetenrechte verschlechtert sich. Einige Migrant*innengruppen protestieren, aber der Protest scheint keinen großen Stellenwert in der Gesellschaft zu haben. Es dauerte vielleicht ein Jahr, bis die Linken und Anarchist*innen von einem anderen Thema, das von einem anderen Thema überholt wurde, eingenommen waren, und es scheint, dass dieses Goldfischverhalten in der revolutionären Bewegung kein Ende findet.

Dass die soziale Zusammensetzung des „sozialrevolutionären Milieus“ sich verändert hat, diskutiert man seit den 60ern, wenn nicht seit dem Ende des 2. Wetkrieges (siehe z.B. die Einführung zu „Der Anarchismus“, hrg. von E. Oberländer, 1972).

Doch langsam beginnt der Kapitalismus Tag für Tag, uns zu töten. Die rebellischen Eigenschaften, die im Bildungssystem nicht zerstört werden konnten, werden durch die Erschöpfung durch die Beschäftigung und den Alltag zerstört. Und ihr werdet feststellen, wie schnell ihr am Ende die unpolitischen Personen geworden seid, auf die ihr damals noch von oben verächtlich herab geblickt hatten. Und die Ironie wird da sein, dass die neue Generation eine Revolution fordert, während ihr keine Zeit dafür habt, weil es wichtigere Dinge gibt.

Oder sie merken, dass eure jugendliche Subkultur der sog. Mehrheitsgesellschaft und ihnen selbst eigentlich nichts anzubieten hat und gehen in irgendwelchen Stiftungen, NGOs, Verlagen, Parteien, Vereinen und anderen staatlichen und nichtstaatlichen Bürokratien auf. Das ist das, was unsere aufständischen AnarchistInnen ohne jegliche Diskussion für einen legitimen Fortgang einer linksradikalen Szenekarriere halten. Man sollte bloß die lustigen und günstigen Wohnmöglichkeiten an den Nachwuchs abtreten:

Viele von Uns konnten nicht in Hausprojekte einziehe, da die dort lebenden über 35-Jährigen, die freien Plätze für ihre Hedo-Freund*innen reservieren. Wenige Leute ziehen aus Hausprojekten aus wenn sie sich eine normale Mietwohnung leisten können, dabei wird ihr Gehalt teilweise von der Bewegung gezahlt (Festanstellungen in linken Veranstaltungsorten, Vereinen, Stiftungen, Zeitungen).

Immerhin ist man bereit, den eigenen Leuten zu verzeihen, wenn sie sich in die Kapitalreproduktion begeben, um für ihre eigene Reproduktion zu sorgen. Wird das auch der Gesellschaft außerhalb der Subkultur verziehen? Oder sieht man darin nur gedankenlose StatistInnen im eigenen „revolutionären Kampf“, weil die Leute auf die leeren Versprechen der linken Subkultur nicht verfallen bzw. sich für andere Subkulturen entscheiden? Wie wär‘s damit, dass ihr aufhört, irgendwelche seltsamen Ideale (die vielmehr subkulturelle Rituale und keine Ideale sind) einer abstrakten Außengesellschaft entgegenzuhalten und stattdessen anfängt, erst mal in/mit der Gesellschaft zu leben? Vielleicht kommt man auf interessantere Gedanken, wenn das revolutionäre Sendungsbewusstsein erst mal verflogen ist, vielleicht sieht man plötzlich mehr.

– spf

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