Berlin, 28.08. – Einführungsvortrag zur Arbeitszeitrechnung

Die Initiative Demokratische Arbeiszeitrechnung lädt am 28. August 19 Uhr zu einem Vortrag in Café Wostok, Weitlingstraße 97, ein.

Einführungsvortrag in Lichtenberg

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Gut gealterte Nimms (I)

Zeitschrift „Sozialismus“ vom 10.6.2019

Mächtigster Gegner des Projektes Ostsee Pipeline sind jedoch die USA. Bei Nord Stream 2 sieht man die Drohungen der Trump-Administration mit Sorge. Diese will das derzeit preislich weniger attraktive US-Flüssiggas mit aller Macht in den europäischen Markt hinein- und Russland hinausdrücken. »Wenn man es genau betrachtet, ist Deutschland ein Gefangener Russlands«, beschwerte sich der US-Präsident Donald Trump zuletzt beim NATO-Gipfel. Auch der US-Kongress folgt weitgehend der Bewertung ihres Präsidenten.

Russland ist auf eine Entspannung und weltwirtschaftliche Kooperation angewiesen, vor allem um seine Rohstoffbasis (Energie) als Potenzial zur Entwicklung einsetzen zu können.

In diesem Abschnitt haben sich zwei unterschiedlich gut gealterte Nimms versteckt. Findet ihr sie?

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Die nächste Krise IX

Vorerst hängt der ganze bestehende Zustand an dem chinesischen Grundstücksmarkt. Das wird erst anders, wenn andere Krisentendenzen ihn überholt haben. Sehen wir uns also Neuigkeiten vom chinesischen Grundstücksmarkt an.

Und es sind vor allem schlechte Neuigkeiten. Stellt sich heraus, nicht nur ist der Immobilienboom in China zu Ende, er hinterlässt auch Überkapazitäten, die ausreichen, die Branche völlig zu ruinieren.

“Empty homes represent a large potential supply. When expectations for the housing market turn sour, a large chunk of empty homes will be put onto the market and could weigh further on the downward pressure on home prices.”

Eine

“ticking time bomb.”

Wie soll man also die folgenden Andeutungen aus der Branche verstehen, wie das Problem zu lösen sei:

China’s property market, accounting for about a quarter of the economy, has been trapped in a capital crisis since the summer of 2020, leading some cash-strapped developers to default on their debts and struggle to complete projects. Wary buyer sentiment has also chilled new investment by developers.

„Everyone except state-owned enterprises is in survival mode,“ said a senior official at a Shenzhen-based developer, speaking on condition of anonymity.

„We’re all waiting for a recovery and trying to speed up sales and reduce costs and buy less land. But at the end of the day, sales depend on the end users.“

Cash-strapped real estate firms have suffered from tight credit conditions since 2020 after regulators issued tough guidelines on new borrowing by developers, concerned about their spiralling debt.

„The main supply-side policies have not yet been relaxed, which are likely to be eased after the 20th CPC national congress,“ said a developer, declining to be named.

Also. Die Nachfrage reicht nicht mehr aus. Zusätzlich hatte die Regierung vor 2 Jahren, um den Markt zu mässigen und genau eine solche Krise zu verhindern, neue Regeln bei der Kreditvergabe gesetzt. Diese hindern natürlich, bestimmungsgemäss, die Fortführung des Schwindelunternehmens, immer mehr Geld auf immer weniger Gewinn auszuleihen. Was ist die Lösung? Fort mit den neuen Regeln!

Das verrückte ist, man hält es garnicht für unmöglich. Wenn in der Tat Xi sich auf dem nächsten Parteitag durchsetzt, was gar nicht mehr gesagt ist, dann fällt irgendwann die Entscheidung, wie mit der Krise umgehen. Der Staat kann versuchen, die Gesetze der Krise ausser Kraft zu setzen. Er kann das Schwindelunternehmen aber nur retten nach der alten Weise, die im 20. Jahrhundert ausprobiert worden ist: durch eine gigantische Anleihe auf den Raubkrieg.

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Neues von der Pseudo-Linken (IV)

Teil I Teil II Teil III

Eine kurze Unterbrechung für eine möglicherweise gute Nachricht. Wir hatten vorlängst geschrieben:

Jeder lacht über die Riesenmaschine der IL-Organisation, die Heerscharen von Leuten mit der Planung und Durchführung von Aktionen beschäftigt, nicht damit eine Arbeit getan ist, sondern damit man in die Nachrichten kommt und der Eindruck erweckt wird, dass man Arbeit tut. Damit zieht man Leute an, die man für den Betrieb der Riesenmaschine braucht. Wieviele Gruppen funktionieren nach demselben Prinzip?

Wir hatten damals keinerlei Hoffnung, dass solche Gedanken auch innerhalb dieser Organisation gedacht wurden. Aber:

Viele von uns glauben, dass die Strukturen und ihre (un)gewollte politische Bestimmung, die wir selbst mit aufgebaut haben, heute zu einem Problem für die notwendige Neubestimmung linksradikaler Politik, für die Neubestimmung unversöhnlicher, antagonistischer Existenz in dieser Welt geworden sind. Wie weit diese Selbstbeharrung inzwischen reicht, war auch unter uns umstritten, auch die Beiträge in den Diskussionen sind da unterschiedlich in ihrem Pessimismus über die Zukunftsfähigkeit der iL. Als Vorbereitende waren wir uns allerdings einig darin, dass die oben angesprochenen Problematiken nicht nur die iL angehen, sondern die radikale Linke insgesamt

Solche und ähnliche Dinge sind auf einer Tagung im Juli 2021 in Berlin diskutiert worden, und sind in einem Reader zur Tagung nachlesbar. Das ist an und für sich eine gute Nachricht; auch wenn man äusserst misstrauisch sein sollte, wie weit und wohin solche teilweise Einsichten führen werden. Und in der Bewegungs-Linken ist alles das, was hier kritisiert wird, noch quicklebendig und kregel; wie gut kommentieren sich folgende beiden Sachen, eines aus dem Reader, das andere aus der Realität:

Der Ungehorsam ist inzwischen ritualisiert. Bei unseren Aktionen bucht man inzwischen ein Rundum-Sorglos-Paket wie einen Abenteuerurlaub, von der Busfahrt bis zur Essensversorgung während der Blockade, alles ist perfekt organisiert. Daneben gibt es noch Skillsharing-Angebote, um sich »Kompetenzen« anzueignen und beispielsweise auf Social-Media zu »verwerten«. Kurz vor dem vorgesehenen Ende der Aktion heißt es dann: Die Blockade ist nun beendet, der Bus fährt gleich zurück. Den Rahmen dafür stellt ein linkes Regelwerk mit Aktionskonsens, für den auch die iL steht. Bestes Beispiel dafür ist Ende Gelände.

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Wo sind die Antideutschen, wenn man sie einmal braucht?

Hätte sich vor 10 Jahren die „Zeit“, die Hauspostille des gebildeten und selbstzufriednen Bürgertums, solch eine Diskurs-Gaunerei wagen können auch nur zu versuchen:

Antisemitismus und Antigenderismus sind verwandte Ideologien

Die „Zeit“, die früher sich mit Händen und Füssen gewehrt hat, Antisemitismus zu erkennen, wenn nicht ganz klar eine Hakenkreuz-Armbinde zu sehen war: die „Zeit“ und ihr Milieu haben sich erst spät und nur aus Staatsräson dazu herbeigelassen, Antisemitismus auch in der sog. „Israelkritik“ gelten zu lassen.

Aus dieser späten Kapitulation erwächste ihnen unverhoffter Nutzen: völlig schamlos lassen sich „Antisemitismus“ und „Holocaust“ jetzt als Argumente für die eigne Vortrefflichkeit einsetzen; umso leichthändiger, als man tief im Inneren ohnehin nie begriffen hat, was an ihrer früher so geliebten „Israelkritik“ antisemitisch gewesen sein soll.

Früher, vor zwanzig Jahren oder noch vor 10, hätte es Leute auf der Linken gegeben, die der „Zeit“ und ihrem Milieu ihre Lügen um die Ohren gehauen hätten. Diese Leute haben sich damals nicht vor solchen Gegnern gefürchtet. Die meisten davon gibt es ja noch; was sagen die dazu?

Fühlt sich da vielleicht einmal der eine oder andere herausgefordert? Begreift man, was auf dem Spiel steht? Der Gegner aus zwanzig, dreissig Jahren Kampf ist dabei, sich die Ergebnisse eurer Arbeit anzueignen, vielleicht wirds ja wieder einmal Zeit, aufs Pferd zu steigen, meine Guten?

Die Zeiten, wo es einfach war, sind ja nun eh vorbei und kommen nicht wieder! Und es ist vielleicht besser so, die Antideutschen waren denkfaul und selbstzufrieden geworden; diese Bewegung hat 2012 einen ganz anderen Menschenschlag angezogen als 2002, und gerade keinen besseren. Vielleicht ändert sich das ja auch einmal wieder?

Bei der Debatte um Vollbrecht geht es … um eine der zentralen politischen Dynamiken der Gegenwart: einen Kulturkampf von Rechts gegen Vielfalt und Gleichberechtigung, dessen Argumente mit altbekannten Denkfiguren arbeiten.

Die gebildeten Bürger in Deutschland und die, die es werden wollen, haben noch nie Hemmungen gehabt, sogar noch den Holocaust in Beschlag zu nehmen, um ihre jeweiligen Ideen durchzusetzen. Wir erinnern uns z.B. an 1999. Es hat damals wenig Gegenwehr gegeben, aber sie ist nicht ganz folgenlos geblieben. Was ist heute? Scheut man die Anstrengung, scheut man auf einmal das klare Wort? Wie weit musste es kommen, dass wir uns die Zeit der Antideutschen zurückwünschen?

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Aus dem Szenehamsterbau

Faszinierend, mit was für Vorwürfen jemand beworfen wird, wer sich kritisch über das aktuell eines der Lieblingsthemen der „radikaln Linken“ äußert – über das der Transsexualität. Sofort wird jede Kritik von Gatekeepern, die das Thema berufs- und erwerbsmäßig beackern und es sebstverständlich nicht aus den Händen lassen wollen, und/oder von Leuten, die die Solidarität mit Betroffenen missverstehen, mit zweierlei Arguemneten gekontert: Erstens, der Gegenstand der Kritik dermaßen vielfältig und dermaßen subjektiver Natur, dass darüber überhaupt zu sprechen, völlig sinnlos ist; zweitens, man sei einfach transphob.

Erinnert mich an unsägliche Debatten, die die Szene vor acht oder sieben Jahren geführt hat. Da gab es nämlich auch „den“ Islam gar nicht und man wurde sofort für „islamophob“ erklärt, das angeblich Nichtexistierende angesprochen hatte. Man könnte meinen, das sind dieselben Leute, wir werden es niemals erfahren. Die Fragen entschieden sich derweil irgendwo anders, außerhalb linker Workshopbubble  – und das werden sie dieses Mal auch.

– spf

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Die nächste Krise IIX

Die Innenministerin (SPD) warnt vor Protesten wegen Preissteigerung und Energieknappheit:

„Natürlich besteht die Gefahr, dass diejenigen, die schon in der Coronazeit ihre Verachtung gegen die Demokratie herausgebrüllt haben und dabei oftmals Seite an Seite mit Rechtsextremisten unterwegs waren, die stark steigenden Preise als neues Mobilisierungsthema zu missbrauchen versuchen“, so die SPD-Politikerin damals zum Handelsblatt.

Warnt die Innenministerin vor „Rechtsextremisten“ oder vor denen, die „oftmals Seite an Seite mit Rechtsextremisten unterwegs waren“?

„Demokratiefeinde warten nur darauf, Krisen zu missbrauchen, um Untergangsfantasien, Angst und Verunsicherung zu verbreiten.“ Derzeit suchten solche Kreise nach neuen Themen mit Mobilisierungspotenzial. „Was schon Rechtsextremisten und unterschiedliche andere Szenen bei den Corona-Protesten verbunden hat, bleibt der gemeinsame Nenner: die Verachtung für die Demokratie und der Versuch, das Vertrauen in unseren Staat zu erschüttern“, sagte sie. Faeser betonte zugleich, die Polizei im Bund mit den Ländern sei „auf das mögliche neue Protestgeschehen vorbereitet“.

Leute wie ich sehen solche Dinge seit mehr als 20 Jahren an. Seit der „Friedensbewegung“ von 2002 und in den Anti-Hartz-Bewegungen nach 2003 sehen wir eine konstante Nazi-Präsenz in sozialen Bewegungen. Die Linke, und namentlich die SPD-nahe Linke, hat sich nie besonders dabei hervorgetan, gegen sie vorzugehen. Sondern genau ihre Halbheiten und Lauheiten haben die Tür immer wieder aufgemacht.

Man kann Rechte nicht mit Verboten von linken Belangen fernhalten. Man kann sie nur dann von linken Belangen fernhalten, wenn man diese Belange selbst in die Hand nimmt und sie entschieden vertritt. Das ist die Rechnung, wie sie innerhalb der Bewegung aufgemacht werden muss.

Aber die Innenministerin redet natürlich von ausserhalb der Bewegung: sie will gar keine Proteste. Sie arbeitet vor: Proteste sollen delegimitiert werden. Sie sollen einfach Gegenstand polizeilicher Aktion sein, am besten unter dem Gejubel der „Zivilgesellschaft“.

Ist unsre „Zivilgesellschaft“ dumm genug, anzubeissen? Es kommt vielleicht drauf an, wie die Proteste aussehen. Erinnert sich jemand an die wilden Streiks von 1969? Für 1969 hatte es einen Tarifabschluss gegeben, der hinter der Inflation zurückblieb; mit Absicht, man nannte das „konzertierte Aktion“. Irgendwelche Parallelen?

Nichts würde die trüben Machenschaften sowohl der „Corona“-Szene als auch der Regierung schneller und gründlicher auseinandertreiben, nichts würde die völlig vergiftete Luft gründlicher reinigen, als ein paar überraschende Streiks. Wird Nancy Faeser wirklich Waffengewalt gegen streikende Arbeiter einsetzen wollen? Werden die „Guten“ im Land laut dabei applaudieren? Werden unsre Antifaschisten die Probe bestehen, die ihnen da zugemutet wird?

Ich bin nicht optimistisch. Der Regierung traut man eh alles zu. Und von dem, was wir heute „Linke“ nennen, werden wir im Zweifel so etwas zu hören bekommen:

 

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Das Streikrecht

Das hier ist etwas spät, es blieb wie vieles liegen. Es ist eine neue Entwicklung eingetreten, die zwar vorhersehbar war und vorhergesehen wurde, die aber trotzdem in ihren Folgen, vor allem in den kommenden Monaten, noch nicht überschaut werden kann.

Nach der bisher vorherrschenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Ausübung des Streikrechts eng beschränkt. Es war zu erwarten, dass diese Rechtsprechung sich ändert. Wir hatten z.B. geschrieben:

Das Recht der EU, ob EMRK oder ESC, enthalten keine Grundlage für viele der problematischsten Grundbegriffe des deutschen Arbeitsrechts. Das An­fordernis der sozialen Mächtigkeit, die Bindung des Streikrechts an dauer­hafte Vereinigungen, der Grundsatze der Tarifeinheit, die Kampfparität fin­den hier keine Stütze. Es ist nicht klar, wie lange das BAG diese Grundsät­ze aufrechterhalten kann; und auch nicht, auf welchem Weg der langsame Rückzug verlaufen wird. Die langsame Aufweichung dieser Rechtsprechung zeichnet sich schon ab.

Diese Entwicklung wird weder automatisch noch glatt verlaufen, und sie wird auch nicht unaufhaltsam sein. Sie wird nur so schnell vor sich gehen, wie die jetzige Praxis des Arbeitskampfs von neueren Kampfformen überholt wird.

In den letzten Monaten hat einiges neue angefangen. Die Streiks bei den Lieferdiensten, vor allem Gorillaz Berlin, sind von Ad-hoc-Koalitionen getragen und organisiert. Keine bestehende und verfasste Gewerkschaft hat den Arbeitskampf dort auf eigne Faust initiiert; auch übrigens nicht die FAU Berlin, auch wenn diese als einzige Gewerkschaft in dem Laden tatsächlich vertreten war. Die Initiative ging wohl, soweit man es von aussen sagen kann, nicht von einer satzungsmässig dafür gegründeten Organisation aus. Wir wollen uns übrigens nicht des sog. Spontaneismus bezichtigen lassen; wir behaupten gar nicht, dass er quasi vom Himmel fiel und ohne mühsame Vorbereitung und Unterstützung gelungen ist. Aber diese Vorbereitung und Unterstützung ging, so haben wir es gehört, in Kreisen vor sich, die man nicht ohne weiteres zu den üblichen Verdächtigen gerechnet hätte. Jede wirklich neue Bewegung scheint sich so zu verhalten, dass sie von überraschenden Allianzen ihren Ausgang nimmt. Vielleicht kann jede neue Bewegung sogar erst entstehen, wenn sie die bestehenden Allianzen überschreitet.

Zurück zum Arbeitsrecht, es gibt seit März ein Urteil des ArbG Berlin über die Kündigungen, die wegen dieses wilden Streiks ausgesprochen worden sind (ArbG Berlin, U. v. 07.03.2022, Az. 19 Ca 10127/21). Gross gefeiert wurden folgende Sätze:

21.1.2.3. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Streikrecht nicht kodifiziert ist und somit auch die propagierte Notwendigkeit, dass ein Streik gewerkschaftlich organisiert sein muss, keine gesetzliche Grundlage hat. Dementsprechend vertritt die Literatur (Däubler/Heuschmidt, Arbeitskampfrecht, Seite 172 Randnummer 51) auch die Auffassung, dass das ganze Spektrum von Handlungsmöglichkeiten, die Artikel 28 EU-GRC eröffnet, jeder Gewerkschaft, aber auch jeder gemeinsam handelnden Arbeitnehmergruppe zustehe. Artikel 28 EU-GRC schütze daher auch den nicht gewerkschaftlichen „wilden“ Streik. Entsprechende Bedenken wurden auch in der Tagespresse geäußert (Tagesspiegel vom 02.10.2021, Seite 8).

Mithin ist es keineswegs gesichertes Recht, dass ein Aufruf zu einem sogenannten wilden Streik einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten darstellt. Die Frage, ob die Teilnahme hieran einen Kündigungsgrund darstellt, stellt sich somit heute grundlegend anders als vor dem Inkrafttreten der Europäischen Grundrechtecharter (vergleiche zur früheren Rechtslage Lorenz, AiB 1998, 655).“

Das ist noch kein obergerichtliches Urteil; und noch weniger ist es ein Grundsatzurteil über das Streikrecht als solches. Das BAG wird das letzte Wort sprechen; und es wird sich neue Kriterien ausdenken müssen, wie das Streikrecht dann doch beschränkt sein soll. Auch der Gesetzgeber wird sich ohne Zweifel etwas dummes und unpraktikables einfallen lassen. Das Urteil des ArbG Berlin ist aber insoweit eine reale Sache, als es nach EU-Recht nicht anders hat gefällt werden können; und einstweilen kann „jede gemeinsam handelnde Arbeitnehmergruppe“ so argumentieren.

Ob es in den Betrieben dieses Landes noch genug organisatorische Kerne von „gemeinsam handelnden Arbeitnehmergruppen“ gibt, wird sich in diesem Winter vielleicht zeigen. Nach unsrer Erfahrung sind diese Kerne zwar vor langer Zeit zerfallen, aber es können sich überraschend schnell wieder neue zusammenfinden. Nachdem die organisierte Linke entweder zusammengebrochen, oder zum Gegner übergelaufen ist, werden diese als einzige es sein, die überhaupt noch eine Zukunft haben können. Und wir gestehen, dass wir das für eine beträchtliche Verbesserung halten würden.

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Die nächste Krise VII

Wir haben behauptet, die kommende Krise a) gehe von China aus und b) im Kern von der Industrie. Wie passt dann das hier über die neuen Zahlen aus China:?

Die Ausfuhren seien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 18 Prozent geklettert, teilte der Zoll mit. Das ist der bislang steilste Anstieg in diesem Jahr. Im Juni betrug das Plus 17,9 Prozent.

Die chinesischen Exporte steigen, das ist zunächst gut für China. Aber die Importe steigen nicht im selben Mass, und sie steigen weniger als die ca. 3%, die für Ökonomien wie China als die Null-Linie angenommen werden müssen (Inflation und Bevölkerungsentwicklung):

Auf eine weiterhin schwächelnde Binnennachfrage verweisen die Juli-Daten zu den Einfuhren. So stiegen die Importe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,3 Prozent und verfehlten die Prognose von 3,7 Prozent deutlich. Im Juni betrug das Import-Plus ein Prozent.

Das ist aber nur der Anfang des Problems:

Darunter leiden auch deutsche Exporteure. Die Importe Chinas aus Deutschland fielen um 6,7 Prozent. Hingegen stiegen die chinesischen Exporte nach Deutschland um 17,6 Prozent. Ähnlich ist der Trend im Handel mit Europa. Chinas Ausfuhren in die Europäische Union stiegen sogar um 23,2 Prozent, während die Einfuhren aus der Gemeinschaft um 7,4 Prozent zurückgingen.

Das wirkliche Problem beginnt erst da, wo die Rezession globalen Charakter annimmt, d.h. die Einkommensausfälle des Auslands auf den eigenen Export zurückschlagen. Sobald die chinesischen Exportdaten ihr Vorzeichen wechseln, ist die Krise offiziell allgemein geworden.

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A man of people, me / My people never be free

Eine kleine subkulturelle Anekdote aus Nordirland, aus den Dörfern wo Anfang 90er noch offensichtlic die IRA das Gewaltmonopol inne hatte. Man muss sich gar nicht um orientalistische Exotik bemühen, das alles ist ganz gut immer noch mitten in Europa vorstelabar und praktizierbar. Just sayin‘.

Wir sollten uns die Geschichte der IRA usw näher naschauen, aber ich pfelge ja Sachen zu versprechen, die ich dann mal gerne vergesse.  Nach Alternativen zu „defund the police“ könnt ihr euch ja selbst umschauen, Herrgottnochmal!

‚Shitkicker’, a frantic song with a noisy riff inspired by the playing style of Silverfish guitarist Andrew ‚Fuzz‘ Duprey, tells the tale of a musician friend who lived in a Republican area of Belfast. ‚It was basically run by a paramilitary organisation‘, explains Andy. ‚The thing about paramilitaries in Nothern Ireland that we found strange growing up – on both sides – was the little foot soldiers who got involved. They thought they had carte blanche to do what they wanted under the umbrella of this political organisation. If you pissed off a kid, they‘d go, ‚I‘ll tell my da, and my da will get you done.‘ They were empty threats half the time, but if you knew they were connected, you‘d keep your mouth shut. It was just part of growing up.

‚Our friend told us this story about him and his friend were into psychobilly and had bleached-blonde quiffs‘, he adds. ‚He was approached by sine people representing a paramilitary organisation and they said some old ladies had been complaining about his haircut. ‚It upsets them, so get rid of it,‘ they told him. ‚We brand it antisocial behavior.‘ It could get you beaten up – or worse. They didn’t get their hair cut. Later, someone had got into his house and written a message on his mirror in lipstick: This is warning number one, next we‘re back, we‘ll bring the gun. That‘s when he started growing his hair out‘.

Simon Young „So much for the 30 years plan. Therapy? The authorized biography“, 2020

– spf

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Die nächste Krise VI

Es steht geschireben Kapital Bd. 2, MEW 2, 409 f.:

Es scheint also, daß die kapitalistische Produktion vom guten oder bösen Willen unabhängige Bedingungen einschließt, die jene relative Prosperität der Arbeiterklasse nur momentan zulassen, und zwar immer nur als Sturmvogel einer Krise.

Und natürlich wird gerade darüber gestritten, ob die Rezession überhaupt da ist:

The employment picture over the past six months is behaving nothing like an economy in a downturn.

In der Tat, die Arbeitslosigkeit ist in den USA unter 3,5%. Für die Arbeiterklasse sind das 3,5% zu viel; für die kapitalistische Produktionsweise unerträglich wenig. Vollbeschäftigung hat im kapitalistischen Konjunkturzyklus dieselbe Rolle wie Marktsättigung, sie markiert den Beginn des Umschlags in die Krise. Man nennt sie dann „tight job market„, etwas, das die Ausdehnung der Produktion unmöglich macht und ihre Kontraktion einleitet. Und die Zinsentscheidung der Zentralbank ratifiziert diese Lage nur, sie erschafft sie nicht.

The Federal Reserve is trying to ease pressures on a historically tight jobs situation and its rapid wage gains in an effort to control inflation running at its highest level in more than 40 years.

“Today’s print, coming in much stronger than anticipated, complicates the job of a Federal Reserve that seeks to engineer a more temperate employment environment, in keeping with its attempts to moderate current levels of inflation,” … “The question though now is how much longer (and higher) will rates have to go before inflation can be brought under control?”

Die Ökonomie „is behaving nothing like an economy in a downturn“? „This Isn’t Your Usual Economic Slowdown“, aber heisst das, dass es gar nicht so dramatisch wird? „Keine gewöhnliche Rezession“ kann auch etwas ganz anderes heissen.

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Die nächste Krise V

Die chinesische Immobilienkonjunktur spielt natürlich nicht nur eine Rolle im Finanzsystem. Die stangnierende Bautätigkeit erzeugt Rückwirkungen in der industriellen Produktion.

The property sector accounts for at least a third of Chinese steel demand. …
China’s steel industry is in “sharp contraction on all fronts,”

Die Rolle von Grund und Boden im Konjunkturzyklus ist komplexer als die aller anderen Anlage- und Gebrauchsgüter; in ihr fliessen die verschiedensten Tendenzen der Krise zusammen und erzeugen wieder Wirkungen. Für den Seminarmarxismus, der die Krise nur „ihrem Begriffe nach“ kennt, ist er deswegen schwer zu fassen.

Was bedeutet die chinesische Stahlkrise? China ist einer der grössten Stahlerzeuger der Welt; entweder die westliche Industrie nimmt den Stahl ab, oder das chinesische Militär. Das wird über den weiteren Verlauf der Krise und des ganzen Jahrhunderts entscheiden.

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