Die nächsten Dinge

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Wir haben die letzten Wochen uns mit Einschätzungen zurückgehalten, es ist der verehrten Leser/innenschaft also erspart geblieben, uns „told you so“ krähen zu hören. Dass die russische Partei innerhalb der deutschen Linken jetzt, wie man hört, in Verlegenheiten gerät, nehmen wir zur Kenntnis.

Ich selbst hoffe, dass die Denkprozesse da schnell gehen; es gibt einige unter den Linken, die diesem Unsinn aufgesessen waren, und die dennoch wichtige Arbeit leisten, ich wünsche ihnen nichts schlimmes. Ich hoffe sehr, ihr Weltbild ist nicht zu sehr auf ihre aussenpolitische Dummheit aufgebaut, und sie sind in der Lage, sich schnell zu einem besseren durchzuringen. Sie seien erinnert, dass Verzeihung Einsicht voraussetzt; und dass die Öffentlichkeit ihnen in Zukunft vielleicht genausosehr trauen wird wie etwa Egon Krenz.

Die militärische Lage ist nicht gut zu überblicken, erwartungsgemäss ist die Luftwaffe und die Elektronik das anfälligste; ob aber Russland in der Lage ist, die Entscheidung so herbeizuführen, hängt auch noch an anderen Dingen. Die Ukrainer scheinen Kampfgeist genug zu haben; wenn es gelingt, die Entscheidung hinauszuschieben, kann Russland verlieren. Putin und auch Lukaschenko spielen dieses Spiel jetzt um ihre eigenen Köpfe.

Ein längerer Verteidigungskrieg wird notwendig mit revolutionären Methoden geführt werden. Aber ohne auswärtige Unterstützung ist er aussichtslos. Wird also der Westen sich herbeilassen, seine nur lauwarme Haltung aufzugeben? Immerhin hat ja der Selbstherrscher aller Reußen gegen Einmischungen nukleare Vergeltung angedroht. Aber wenn über Polen durch den Wald Waffen und Freiwillige ins Land sickern, wird er nicht gut die halbe Welt dafür anzünden wollen. Und Polen hat, Parteipolitik hin oder her, nationales Interesse daran.

In diesen Tagen entscheidet sich, ob der Westen und sein Liberalismus noch Leben in sich hat; die Frage ist ja vor einiger Zeit hier gestellt worden. Nachdem momentan alles pro-ukrainisch zu sein scheint, könnte man es so meinen. Aber wird der Liberalismus in der Lage sein, diese Auseinandersetzung zu führen und zu gewinnen? Wir haben gerade eine Auswertung der Corona-Jahre in der Pipeline; und die legt nahe, dass der liberale Konsens löchrig wird, und bald zu Recht eine ganz andere Opposition zu spüren bekommen wird als die pro-russische Partei, die er jetzt vielleicht mit leichter Hand an den Rand drücken mag. Viel Freude wird er mit diesem Sieg nicht haben; es werden ganz andere Stimmen sich hörbar machen, und uns interessieren diese brennend.

Die allgemeine blau-gelbe Verbrüderung ist gerade soviel wert wie alle anderen guten Sachen, von denen der Liberalismus immerfort redet; hier hilft kein Maulspitzen, hier muss gepfiffen sein! Der Westen spielt hier nämlich selbst um seinen Kopf.

Die letzte Runde Krieg in der Ukraine war wie eine kommunizierende Röhre verbunden mit dem Krieg in Syrien; diese Runde hier hat ihr Gegenstück ganz anderswo. Seit 2015 sind die Spannungen zwischen China und dem Rest der Welt auf ein unerträgliches Mass gestiegen, und es ist seitdem diskutiert worden, ob die Krim ein Präzendenzfall für Taiwan sein wird. Die Hälfte der Weltproduktion an den fortgeschrittensten Microchips ist dort. Wir haben letztes Jahr festgestellt, dass die chinesische Krise dieses Jahr zu erwarten ist; Auswege sind nur Implosion des Parteiregimes, oder Aggressionskrieg nach aussen.

Niemand hat recht Lust, den Krieg um Taiwan direkt auf Taiwan zu führen; es ist auch diesesmal die Ukraine wieder der Testfall. China und Russland haben ihr Bündnis rechtzeitig vor Beginn des Kriegs vertieft; das in Europa bald unverkäufliche Erdgas geht nach China, um das demnächst unerreichbare Erdgas aus Qatar zu ersetzen. Die jetzige Konfrontation ist nur das Vorspiel zu einem Krieg im südchinesischen Meer. Wenn der Westen morgen bereit ist, Kiew aufzugeben, wird er übermorgen fragen: warum mourir pour Taipeh? Das ist der Anfang vom Ende des Westens, und der Westen weiss es. Aber kann er gemäss diesen Wissen handeln, und was wird er tun?

Der Versuch, Russland mit Zugeständnissen von dem chinesischen Bündnis abzubringen, ist gescheitert. Die gesamte Idee, der Westen habe diesen Versuch nicht ernst gemeint, ist lachhaftt. Warum sollte der Westen gleichzeitig Russland und China sich zum Feind machen wollen? Diese Dummheiten sind jetzt unmöglich. Putin hat, wie nicht nur Wagenknecht jetzt einräumen muss, andere Ziele gehabt, als man sich dachte. Er will nicht Herrscher einer anerkannten, aber untergeordneten Regionalmacht sein. Er hat andere Ambitionen, und er ist nicht umsonst der Kopf der weltweiten militärischen Konterrevolution. Sein ganzes System kann koexistieren weder mit dem Liberalismus, noch der Revolution. Wer von beiden es beseitigen kann, wird gewinnen.

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