Aus dem Netz: If We Burn

https://www.currentaffairs.org/2023/10/why-havent-the-protest-movements-of-our-time-succeeded Vincent Bevins, If We Burn, 2023.
Oha, noch ein Buch über die Bewegungen der 2010er! Es gibt mittlerweile eine ganze Literaturgattung darüber. „Hinterland“ neulich gehörte dazu. „Burning Country“ von Leila Shami und Robin Yasan-Kasib gehört dazu, über Syrien, ebenso wie „Bread, Freedom, Social Justice“ von Alexander und Bassiouny. Auf ganz seltsame Weise gehören dazu auch „Continuity and Rupture“ von Moufawad-Paul (der in einer Art eschatologischem Maoismus seine Zuflucht vor dem „Movementismus“ seiner Jugend gefunden hat) oder, ganz anders, Winlow und Halls „Death of the Left“.

Alle diese Bewegungen haben gemeinsam, mehr oder minder gescheitert zu sein; unterlegen entweder unter Fassbomben und Panzern, oder von den bestehenden Mächten übernommen, erstickt, unkenntlich gemacht. Das letztere ist der Fall im Westen.

In keinem Falle haben sie eine organisierte Form hervorgebracht, die in der Lage gewesen wäre, zentrale Forderungen aufzustellen und diese in geordneter Weise umzusetzen, wie man sich ehedem wohl einen politischen Prozess vorzustellen pflegte. Dazu brachte jede von Anfang an viel zu radikale Tendenzen hervor.

Eine weitere erstaunliche Gemeinsamkeit scheint nach Bevins‘ Meinung, wenn ich ihn beim Überliegen richtig verstehe, diese zu sein: sie alle, sagt er, lehnten die Logik der Repräsentation ab. Er tut sich leicht, in den Formen der Vollversammlungen etc. eine enge, ideologische, doktrinäre Form des „Horizontalismus“ zu finden. Er denkt sich naturgemäss, dass es hätte anders sein können, wenn nur eine Minderheit von bewussten Aktivisten anders gehandelt hätte.

Wir haben eine schlimmere Nachricht gehört: die Revolutionen sind unfähig, sich in bewussten, kalkulierenden Formen zu halten, unfähig, vorsichtig und besonnen zu sein. Wenn sie beginnen, radikalisieren sie sich notwendig aufs Ganze; aber sie werden immer unfähig sein, das Ganze zu ergreifen. Die Unbestimmtheit ihrer Forderungen, das Chaos der Ansprüche, das sie eröffnen, ist kein Fehler in der Methode einer denkenden Minderheit, sondern der Ausdruck des Zustands der Welt.

Oder wir irren uns, und es wird etwas gelernt werden? Aber von wem? Bevins interviewt einen Haufen Veteranen der Bewegungen. Wehmütig lesen wir von alten Freunden: „Mahmoud Salem, the “Sandmonkey” blogger, told me that he never wants anyone to feel the guilt that he does, the knowledge that he asked teenage boys to risk their lives and watched them die, only for the entire movement to experience defeat.“ „Es kommt darauf an“, sagt aber Franz Jung, „nichts zu lernen.“

https://t.me/neue_feindschaft/46

Nachtrag. Das Buch von Bevins mit diesen Abschnitten, die etwas aussprechen, was uns heilig ist, und was in unserer Zeit fast vergessen und verschüttet zu sein scheint.

„BUT WHAT ABOUT THAT FEELING? What about that intense, life-changing collective euphoria? This was an issue on which my interlocutors were split. What about those magical, radiant days, the moments when you felt that your very soul became fused with the forces of history, that you were bigger and more powerful. That all your differences melted away, and that you and your fellow revolutionaries were literally remaking the world, with each and every thing that you did. This supernatural experience was something that took place all around the world, and everyone agreed it was important. Some people said they would relive those days for the rest of their lives. The disagreement was about what came next. For some of them, the horrible comedown, the plunge into depression that came after things did not work out, was something like a hangover. You can get yourself all fucked up on revolutionary élan, just like you can drink alcohol or take drugs. But it warps your senses and causes you to make poor decisions. It isn’t real, and you’re going to pay for it later. If you want the feeling of mass ecstasy you should go to a music festival instead of encouraging vulnerable young people to go out and get killed. Indeed, it seems you can probably draw a line from the ethos of the New Left and the arrival of Woodstock, and then, ultimately, to Coachella. Then there was another interpretation, just as common. It is the most real thing that one can ever feel. It is not an illusion at all; it is a stunning, momentary glimpse of the way that life is really supposed to be. It is how we can feel every single day in a world when artificial distinctions and narrowly self-interested activities melt away. When our society truly is participatory, when we are truly forging history in every movement and acting in love and harmony with our fellow human beings, we will be able to feel this way all the time. Over four years of interviews, across ten countries, people went back and forth. As I said, they couldn’t decide which one it is.“

https://t.me/neue_feindschaft/47

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