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A
– Wilhelm Kaltenborn, Schein und Wirklichkeit. Genossenschaften und Genossenschaftsverbände, eine kritische Auseinandersetzung. Verlag Das neue Berlin, oO, oJ
– Wilhelm Kaltenborn, Vision und Wirklichkeit. Beiträge zur Idee und Geschichte von Genossenschaften, Verlad Das neue Berlin, o.O., o.J.
B
– Helmut Faust, Geschichte der Genossenschaftsbewegung, Ursprung und Aufbruch der Genossenschaftsbewegung in England, Frankreich und Deutschland und ihre weitere Entwicklung im deutschen Sprachraum, 3.Auflage, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt a.M 1977
– Erwin Hasselmann, Geschichte der deutschen Konsumgenossenschaften, Franz Knapp Verlag, Frankfurt a.M. 1971
C
– Clemens Schimmele, Zur Organisation demokratischer Unternehmen. Eine Studie erfolgreicher Produktivgenossenschaften in den USA, Springer-Gabler, o.O. (Wiesbaden) 2019
– Jürgen Daviter, Volkmar Gessner, Armin Höland, Selbstverwaltungswirtschaft. Gegen Wirtschaft und Recht? Rechtliche und ökonomische Problembetrachtungen, AJZ Verlag, Bielefeld 1987
– Achim von Loesch (Hg.), Selbstverwaltete Betriebe, Neue genossenschaftliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen? Überblick und Beurteilung, Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, zugleich Organ der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft, Beiheft 10, 1988, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden
– Heinz Bierbaum, Marlo Riege (Hg.), Die neue Genossenschaftsbewegung. Initiativen in der BRD und in Westeuropa, VSA, Hamburg 1985
D
– Karl Grünewald, Über die Zusammenarbeit zwischen landwirtschaftlichen Genossenschaften und Konsumgenossenschaften. Entwickung, Stand, Möglichkeiten und Grenzen, Verlag der Raiffeisendruckerei G.m.b.H., Neuwied am Rhein 1953
– Rudolf Hertl, Gedanken zur Zusammenarbeit von Konsumgenossenschaften und landwirtschaftlichen Genossenschaften, Zeitschr. f. d. ges. Genossenschaftswesen 1/1960, 28 ff.
– Gerhard Glöy, Stand und Entwicklungstendenzen intergenossenschaftlicher Beziehungen. Eine Analyse der Möglichkeit warenwirtschaftlicher Zusammenarbeit von Agrargenossenschaften und Genossenschaften des Einzelhandels und der Verbrauchern, Springer Fachmedien, Wiesbaden 1969 (Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen Nr. 2037)
E
– Gunther Aschoff, Eckart Bennigsen, Das deutsche Genossenschaftswesen, Entwicklung, Struktur, wirtschaftliches Potential, Veröffentlichungen der DG Bank Band 15, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt a.M. 1995
– Juhani Laurinkari, Genossenschaftswesen. Hand- und Lehrbuch, R. Oldenbourg Verlag, München u. Wien 1990
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Die Geschichte des modernen Genossenschaftswesens ist in Deutschland heute kaum bekannt. Diese Behauptung kann man ohne Schwierigkeiten wagen. Denn eine solche Geschichte ist praktisch nicht geschrieben worden, Kaltenborn, Schein u. W., 84 ff. Was gechrieben worden ist, ist eine Geschichte des genossenschaftlichen Verbandswesen, und zwar geschrieben von dem und für das Verbandswesen, die auch nur von dem Verbandswesen, seinen Bilanzen und seinen Anführern handelt.
Diese Anführer sind der Reihe nach zuerst halbwegs charismatische Gründer, danach begabte Buchhalter und zuletzt mittelmässige Manager gewesen; und natürlich spiegelt sich auch in dieser Entwicklung die Geschichte des Genossenschaftswesens, wenn auch in einem sehr trüben Spiegel, nämlich im Spiegel seiner allmählichen Integration in die kapitalistische Gesellschaft.
Das genossenschaftliche Verbandswesen ist in dieser Entwicklung immer intransparenter, nahezu undurchschaubar geworden, Kaltenborn ebd. 286 ff.). Im selben Mass hat sich eine Führungsschicht gebildet, die sich mehr oder minder selbst wählt; Kaltenborn, dessen beide Arbeiten vor allem zum Einstieg sehr zu empfehlen sind, sieht sich an einer schönen Stelle zu einem Vergleich mit der SED oder dem Internationalen Olympischen Kommittee veranlasst, Schein u. W. 310 ff; erstaunliche Beispiele auch ebd. 126 ff am Beispiel der Satzung der Volksbank Berlin.
Der einfache Sachverhalt, dass Genossenschaften einmal gegründet worden sind, um eine gegebene Lage zu verändern, ist in Vergessenheit geraten, Kaltenborn ebd. 94 f. Seit den späten 1970ern hat die Alternativbewegung eine Reihe von kooperativen Formen versucht wiederzuentdecken, aber eine Erneuerung des Genossenschaftswesens hat sie nicht bewirkt und konnte sie nicht bewirken. Die in den 1980ern gar nicht so seltenen Versuche, in der Krise der frühen 1980er insolvente Betriebe durch die Belegschaft weiterzuführen, haben weder von ihr noch von sonst jemandem wirksame Unterstützung erhalten und sind folgenlos geblieben bis auf die Literatur.
Die Literatur, die aus dieser Zeit hinterlassen ist, ist unterschiedlich interessant oder relevant; das meiste schwankt zwischen allerhand partizipativen Managementmethoden, die einen beim ersten Überfliegen schon misstrauisch machen sollten; Vergleichen mit der sogenannten Arbeiterselbstverwaltung in Jugoslawien, was einen noch misstrauischer machen sollten; völlig verständnisloser Kritik durch Leute wie Achim Loesch, den Chefideologen der sogenannten Gemeinwirtschaft, der stattdessen viele lobende Worte z.B. über die Neue Heimat gefunden hat, was einen ebenfalls misstrauisch machen sollte; allerhand ökologischem und alternativem, von dem man gut genug weiss, was daraus geworden ist; oder, bei der Linken, grundsätzlich positiver Bewertung z.B. durch Bierbaum, aber ohne dass der Versuch gemacht wird, auf Geschichte und Grundsätze der Genossenschaften neuere Gedanken zu verwenden. Dazwischen finden sich selten auch weiterführende Dinge, die man herausklauben muss.
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Erklärt sich das Erstarren, die Entpolitisierung, das gesunkene Interesse am Ende vielleicht damit, dass die Genossenschaften ihre Ziele im wesentlichen erreicht haben? Die moderne Genossenschaftsbewegung beginnt 1843 mit der Gründung der Genossenschaft von Rochdale bei Manchester. (Sie besteht tatsächlich, nach einigen Fusionen seit 1991, immer noch, als The Co-operative Group; wenn auch der Hauptsitz auch seit 2007 nicht mehr Rochdale ist, sondern Manchester.) Die legendären Equitable Pioneers, angeblich 28 an der Zahl, sind mit einem weitgespannten Veränderungsprogramm angetreten. Man kann kaum sagen, dass irgendetwas davon erreicht ist.
Die gute Leute waren zum einen Teil chartistische Revolutionäre und zum anderen owenitische Sozialisten. Sie lebten im grössten Industriebezirk ihrer Zeit, mitten in einer Phase gewaltiger revolutionärer Agitation. Die chartistische Bewegung drang in Britannien in dieser Zeit um 1842 in die entlegensten Dörfer vor; eine Bewegung dieser Art hat man auch seitdem nicht mehr gesehen, sie richtete sich gegen die Lage der Arbeiter auf dem Land und in der Stadt, gegen die Fabrikanten und gegen die Landherren, und sie riss alle unteren Gesellschaftsklassen mit sich. Sie predigte und probierte als erste den Generalstreik; Sie war der radikalisierte Nachläufer einer bürgerlichen Parlamentsreform-Bewegung; aber ihre Verfassungsänderung lief auf den Sturz der besitzenden Klassen hinaus.
Die Anhänger Robert Owens waren frühe Sozialisten der entschieden modern-industriellen Art. Owen war selbst einer der Pioniere der modernen kapitalistischen Textilindustrie gewesen, hatte dann in New Lanark einige genossenschaftliche Experimente begonnen und wurde später einer der bekanntesten sozialistischen Propheten; Marx zitiert zustimmend sein Konzept der Arbeitszeitrechnung. Die Oweniten unterschieden sich von den anderen Fraktionen der frühen Arbeiterbewegung durch einen charakteristischen Zug: sie sahen genauso klar wie die aufständischen Ludditen, dass die neue Produktionsweise auf die völlige Zerstörung der ganzen alten Gesellschaft hinauslief. Sie sahen das aber ohne Bedauern; sie hatten vor, auf deren Trümmern eine neue zu errichten.
Es ging den Pionieren von Rochdale darum, eine ökonomische Form für eine solche neue Gesellschaft zu finden; und zwar eine, die sich schon unter den bestehenden Verhältnissen bewährt. Einen Gegensatz von „Reform“ und „Revolution“ kannten sie nicht; es war ihnen klar, dass eine politische Revolution nötig war, aber ebenso klar war ihnen, dass die politische Revolution kein bisschen das Problem löst, wie die neue Gesellschaft aufgebaut werden muss. Und umgekehrt, keine politische Macht wird der Effizienz und Dynamik der kapitalistischen Formen standhalten, wenn nicht neue ökonomischen Formen bestehen, die diese Effizienz und Dynamik in sich aufnehmen können.
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