News unterm Radar VI

Zum Abschluss des Jahres noch mal die „nicht so offensichtlichen News“, obwohl die Rubrik ein bisschen eingeschlafen ist in der letzten Zeit. Diesmal in den „Nachrichten“, die in Wirklichkeit keine sind, ein roher und subjektiver Bericht von „Assambleja“, einer libertären Grassroot-Initiative aus Charkiw: „Die dunkelste Stunde ist vor dem Sonnenaufgang? Beim Betreten des Jahres 2924: die Sicht aus Charkiw auf ein weiteres Jahr des Stellungskrieges“. Die Initiative, so weit ich einschätzen kann, beschäftigt sich vornehmlich mit der sog. Stadtentwicklung bzw. Gentrifizierung, kann also viel Interessantes über die unschönen Praktiken des Wiederaufbaus in der Ukraine erzählen. Die jüngsten Korruptionsskandale geben einen Ausblick darauf, wie es nach dem Krieg weiter laufen wird, sollte die ukrainische Arbeiterschaft sich durch die nationalistische Mythen einlullen lassen und den neuen Klassenkompromiss akzeptieren. Ich hoffe, dass die Leute, die 2016 Sachen wie „Übt euch im Hass auf die neue Regierung“ geschrieben haben, heil von der Front zurück kommen und noch einiges dazu sagen werden. Vieles im Folgenden soll die (optimistische) Meinung oder Einschätzung der Autoren bleiben, es ist recht faszinierend, auf welchem Niveau unsere Debatten um diesen Krieg geführt werden – der 2. Weltkrieg ist bei uns noch gar nicht passiert und wir warten immer noch auf das Abheben der Revolution in Mittel- und Westeuropa. Wie auch immer, der Totenkäfer scharrt schon im Gebälk wie es mal bei Erich Mühsam hieß. Dies ist die direkte Rede aus der Ukraine, auf die Schnelle mit DeepL für euch übersetzt, nehmt sie zur Kenntnis:

Die Sackgasse. Dieses Wort taucht in fast jeder Analyse in der westlichen Presse über den russisch-ukrainischen Krieg auf. Seit sich die russische Armee im November letzten Jahres aus Cherson zurückgezogen hat, ist die Frontlinie trotz blutiger Versuche beider Seiten, eine Zäsur zu ihren Gunsten zu erreichen und Handlungsspielraum zu gewinnen, fast unbeweglich. Nach dem neuen Verdun – dem Fleischwolf von Bakhmut im Winter und im Frühjahr – folgte eine neue Schlacht an der Somme um ein Dutzend Dörfer in den Steppen der Asow-Region, die sich seit Oktober langsam in ein weiteres Verdun/Bakhmut um Awdejewka verwandelte. Wenn es fällt, wird sich das Gleiche an neuen Grenzen etwas weiter weg fortsetzen. In der Zwischenzeit sieht die Grütze aus Schlamm und Leichen in Krynky wahrscheinlich schon nach einem neuen Passendale aus.

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Buchbesprechung: Geschichte, Grundsätze und Zukunft der Genossenschaften

Artikel als Pdf

A
– Wilhelm Kaltenborn, Schein und Wirklichkeit. Genossenschaften und Genossenschaftsverbände, eine kritische Auseinandersetzung. Verlag Das neue Berlin, oO, oJ
– Wilhelm Kaltenborn, Vision und Wirklichkeit. Beiträge zur Idee und Geschichte von Genossenschaften, Verlad Das neue Berlin, o.O., o.J.
B
– Helmut Faust, Geschichte der Genossenschaftsbewegung, Ursprung und Aufbruch der Genossenschaftsbewegung in England, Frankreich und Deutschland und ihre weitere Entwicklung im deutschen Sprachraum, 3.Auflage, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt a.M 1977
– Erwin Hasselmann, Geschichte der deutschen Konsumgenossenschaften, Franz Knapp Verlag, Frankfurt a.M. 1971
C
– Clemens Schimmele, Zur Organisation demokratischer Unternehmen. Eine Studie erfolgreicher Produktivgenossenschaften in den USA, Springer-Gabler, o.O. (Wiesbaden) 2019
– Jürgen Daviter, Volkmar Gessner, Armin Höland, Selbstverwaltungswirtschaft. Gegen Wirtschaft und Recht? Rechtliche und ökonomische Problembetrachtungen, AJZ Verlag, Bielefeld 1987
– Achim von Loesch (Hg.), Selbstverwaltete Betriebe, Neue genossenschaftliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen? Überblick und Beurteilung, Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, zugleich Organ der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft, Beiheft 10, 1988, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden
– Heinz Bierbaum, Marlo Riege (Hg.), Die neue Genossenschaftsbewegung. Initiativen in der BRD und in Westeuropa, VSA, Hamburg 1985
D
– Karl Grünewald, Über die Zusammenarbeit zwischen landwirtschaftlichen Genossenschaften und Konsumgenossenschaften. Entwickung, Stand, Möglichkeiten und Grenzen, Verlag der Raiffeisendruckerei G.m.b.H., Neuwied am Rhein 1953
– Rudolf Hertl, Gedanken zur Zusammenarbeit von Konsumgenossenschaften und landwirtschaftlichen Genossenschaften, Zeitschr. f. d. ges. Genossenschaftswesen 1/1960, 28 ff.
– Gerhard Glöy, Stand und Entwicklungstendenzen intergenossenschaftlicher Beziehungen. Eine Analyse der Möglichkeit warenwirtschaftlicher Zusammenarbeit von Agrargenossenschaften und Genossenschaften des Einzelhandels und der Verbrauchern, Springer Fachmedien, Wiesbaden 1969 (Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen Nr. 2037)
E
– Gunther Aschoff, Eckart Bennigsen, Das deutsche Genossenschaftswesen, Entwicklung, Struktur, wirtschaftliches Potential, Veröffentlichungen der DG Bank Band 15, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt a.M. 1995
– Juhani Laurinkari, Genossenschaftswesen. Hand- und Lehrbuch, R. Oldenbourg Verlag, München u. Wien 1990

1
Die Geschichte des modernen Genossenschaftswesens ist in Deutschland heute kaum bekannt. Diese Behauptung kann man ohne Schwierigkeiten wagen. Denn eine solche Geschichte ist praktisch nicht geschrieben worden, Kaltenborn, Schein u. W., 84 ff. Was gechrieben worden ist, ist eine Geschichte des genossenschaftlichen Verbandswesen, und zwar geschrieben von dem und für das Verbandswesen, die auch nur von dem Verbandswesen, seinen Bilanzen und seinen Anführern handelt.

Diese Anführer sind der Reihe nach zuerst halbwegs charismatische Gründer, danach begabte Buchhalter und zuletzt mittelmässige Manager gewesen; und natürlich spiegelt sich auch in dieser Entwicklung die Geschichte des Genossenschaftswesens, wenn auch in einem sehr trüben Spiegel, nämlich im Spiegel seiner allmählichen Integration in die kapitalistische Gesellschaft.

Das genossenschaftliche Verbandswesen ist in dieser Entwicklung immer intransparenter, nahezu undurchschaubar geworden, Kaltenborn ebd. 286 ff.). Im selben Mass hat sich eine Führungsschicht gebildet, die sich mehr oder minder selbst wählt; Kaltenborn, dessen beide Arbeiten vor allem zum Einstieg sehr zu empfehlen sind, sieht sich an einer schönen Stelle zu einem Vergleich mit der SED oder dem Internationalen Olympischen Kommittee veranlasst, Schein u. W. 310 ff; erstaunliche Beispiele auch ebd. 126 ff am Beispiel der Satzung der Volksbank Berlin.

Der einfache Sachverhalt, dass Genossenschaften einmal gegründet worden sind, um eine gegebene Lage zu verändern, ist in Vergessenheit geraten, Kaltenborn ebd. 94 f. Seit den späten 1970ern hat die Alternativbewegung eine Reihe von kooperativen Formen versucht wiederzuentdecken, aber eine Erneuerung des Genossenschaftswesens hat sie nicht bewirkt und konnte sie nicht bewirken. Die in den 1980ern gar nicht so seltenen Versuche, in der Krise der frühen 1980er insolvente Betriebe durch die Belegschaft weiterzuführen, haben weder von ihr noch von sonst jemandem wirksame Unterstützung erhalten und sind folgenlos geblieben bis auf die Literatur.

Die Literatur, die aus dieser Zeit hinterlassen ist, ist unterschiedlich interessant oder relevant; das meiste schwankt zwischen allerhand partizipativen Managementmethoden, die einen beim ersten Überfliegen schon misstrauisch machen sollten; Vergleichen mit der sogenannten Arbeiterselbstverwaltung in Jugoslawien, was einen noch misstrauischer machen sollten; völlig verständnisloser Kritik durch Leute wie Achim Loesch, den Chefideologen der sogenannten Gemeinwirtschaft, der stattdessen viele lobende Worte z.B. über die Neue Heimat gefunden hat, was einen ebenfalls misstrauisch machen sollte; allerhand ökologischem und alternativem, von dem man gut genug weiss, was daraus geworden ist; oder, bei der Linken, grundsätzlich positiver Bewertung z.B. durch Bierbaum, aber ohne dass der Versuch gemacht wird, auf Geschichte und Grundsätze der Genossenschaften neuere Gedanken zu verwenden. Dazwischen finden sich selten auch weiterführende Dinge, die man herausklauben muss.

2
Erklärt sich das Erstarren, die Entpolitisierung, das gesunkene Interesse am Ende vielleicht damit, dass die Genossenschaften ihre Ziele im wesentlichen erreicht haben? Die moderne Genossenschaftsbewegung beginnt 1843 mit der Gründung der Genossenschaft von Rochdale bei Manchester. (Sie besteht tatsächlich, nach einigen Fusionen seit 1991, immer noch, als The Co-operative Group; wenn auch der Hauptsitz auch seit 2007 nicht mehr Rochdale ist, sondern Manchester.) Die legendären Equitable Pioneers, angeblich 28 an der Zahl, sind mit einem weitgespannten Veränderungsprogramm angetreten. Man kann kaum sagen, dass irgendetwas davon erreicht ist.

Die gute Leute waren zum einen Teil chartistische Revolutionäre und zum anderen owenitische Sozialisten. Sie lebten im grössten Industriebezirk ihrer Zeit, mitten in einer Phase gewaltiger revolutionärer Agitation. Die chartistische Bewegung drang in Britannien in dieser Zeit um 1842 in die entlegensten Dörfer vor; eine Bewegung dieser Art hat man auch seitdem nicht mehr gesehen, sie richtete sich gegen die Lage der Arbeiter auf dem Land und in der Stadt, gegen die Fabrikanten und gegen die Landherren, und sie riss alle unteren Gesellschaftsklassen mit sich. Sie predigte und probierte als erste den Generalstreik; Sie war der radikalisierte Nachläufer einer bürgerlichen Parlamentsreform-Bewegung; aber ihre Verfassungsänderung lief auf den Sturz der besitzenden Klassen hinaus.

Die Anhänger Robert Owens waren frühe Sozialisten der entschieden modern-industriellen Art. Owen war selbst einer der Pioniere der modernen kapitalistischen Textilindustrie gewesen, hatte dann in New Lanark einige genossenschaftliche Experimente begonnen und wurde später einer der bekanntesten sozialistischen Propheten; Marx zitiert zustimmend sein Konzept der Arbeitszeitrechnung. Die Oweniten unterschieden sich von den anderen Fraktionen der frühen Arbeiterbewegung durch einen charakteristischen Zug: sie sahen genauso klar wie die aufständischen Ludditen, dass die neue Produktionsweise auf die völlige Zerstörung der ganzen alten Gesellschaft hinauslief. Sie sahen das aber ohne Bedauern; sie hatten vor, auf deren Trümmern eine neue zu errichten.

Es ging den Pionieren von Rochdale darum, eine ökonomische Form für eine solche neue Gesellschaft zu finden; und zwar eine, die sich schon unter den bestehenden Verhältnissen bewährt. Einen Gegensatz von „Reform“ und „Revolution“ kannten sie nicht; es war ihnen klar, dass eine politische Revolution nötig war, aber ebenso klar war ihnen, dass die politische Revolution kein bisschen das Problem löst, wie die neue Gesellschaft aufgebaut werden muss. Und umgekehrt, keine politische Macht wird der Effizienz und Dynamik der kapitalistischen Formen standhalten, wenn nicht neue ökonomischen Formen bestehen, die diese Effizienz und Dynamik in sich aufnehmen können.
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Bonanno war ein Ehrenmann

Ich tue das hier nur, weil ich eine nennenswerte Trauer um eine der wichtigsten Ikonen der europäischen insurrektionalistischen Szene in den letzten Tagen nicht wahrgenommen habe. Vielleicht habe ich auch nicht unter jedem Stein nachgeschaut, die wahren Aufständischen meiden bekanntlich das Internet und ähnliches Teufelszeug. Vielleicht bin ich einfach zu alt dafür, und weiß nicht mehr unter welchen Steinen sich die Aufständischen in meiner Gegend verstecken. Andererseits ist der italienischstämmige Bonanno als politisches Kind nicht einmal der 80er, sondern der späten 70er Jahre nach einem bewegten Leben voller Banküberfälle, Flucht und Knastaufenthalte am 6. Dezember 2023 mit 86 Jahren gestorben. Vielleicht soll ich einfach weniger Zeit im Internet verbringen und mich öfter in den Tumult des echten Lebens begeben.

Die Aufständischen haben bei aller erklärten Lieben zur revolutionären Praxis eine sehr breit gefächerte Literatur entwickelt, die sehr ernst und solidarisch auf internationaler Ebene betrieben wird. Darin wird – ich erlaube mir ein apokryphes Zitat aus interner Thier-Diskussion – „jeder brennenden Mülltonne eine Broschüre gewidmet“. Über die Insu-Literatur muss man nämlich folgendes feststellen: sie beerbt m.E. offensichtlich die Literatur der Situationisten. Diese wussten einst, dass niemand sich marxologisches Geschwafel freiwillig reinzieht und das Geschwafel in erster Linie für die Zwecke seiner Produktion und nicht zum Lesen produziert und publiziert wird. Daher ihre blumige Sprache, aber im Hintergrund stets das sich sichere marxistische Wissen um den Warenfetischismus in der Nachkriegsgesellschaft. Im ebenfalls sicheren Wissen, dass noch niemand auf die Barrikaden gegangen ist, weil er/sie in einem Marxlesekreis die Kategorien der politischen Ökonomie auseinander zu klamüsern lernte (eher umgekehrt), übernahmen sie die Ausdrucksweise der Agitation – und sonst nichts. Die einfühlsamen, aber gleichzeitig sehr wässrigen Pamphlete sind vielleicht noch nachzulesen auf den kollektiv um 2010-2012 eingegangenen Blogs und Seiten wie „Unruhen“, „An die Waisen des Existierenden“ oder wie sie alle hießen. Weiterlesen

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Solidarity Collektives erklärt sich

Das libertäre Solidaritätsnetzwerk Solidarity Collektives aus der Ukraine hat sich selbst interviewt oder interviewen und das Gespräch dankenswerterweise von Syg.Ma u.A. auf Deutsch veröffentlichen lassen. Das Netzwerk erklärt sich, seine Entstehungsgeschichte und seine Perspektiven auf (hoffentlich baldige) Nachkriegszeit. Für manche, die es nicht kennen, ist es womöglich interessant. Für alle anderen soll es eine Erinnerung pünktlich zur Weihnachtszeit sein, dass irgendwo gar nicht so weit von hier Leute wie wir seit mittlerweile fast schon zwei Jahren einem grausamen Krieg ausgesetzt und auf unsere Unterstützung angewiesen sind.

Solidarity Collectives sind ein internationales Netzwerk von Antiautoritären Gruppen. Wir unterstützen anarchistische und antiautoritäre Kämpfer*innen sowie vom Krieg betroffene Zivilisten. SoCol existieren seit mehr als einem Jahr, viele von uns waren aber schon seit dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine aktiv.

Die Idee zur Schaffung des Netzwerkes entstand bei einem anarchistischen Treffen wenige Wochen vor der Invasion. Viele haben es damals nicht für möglich gehalten, dass eine Invasion wirklich stattfinden könnte. Ich habe selbst nicht daran geglaubt. Eine Gruppe von Genoss*innen haben die Bedrohung ernster genommen und einen Plan für den Fall einer Invasion entwickelt.

Als der Angriff begann, schloss sich ein Teil der Leute als antiautoritäre Gruppe den Einheiten der Territorialverteidigung an, ein anderer Teil unterstützte unsere Genoss*innen damit, Mittel zu organisieren, um professionelle Ausrüstung zu beschaffen. Fast niemand hatte Kampferfahrung, geschweige denn professionelle Ausrüstung. (…)

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Aus dem Netz: Allgemeine Theorie der Rekuperation

Allgemeine Theorie der Rekuperation I

Wir argumentieren einerseits, dass das heutige linke Milieu gemessen an seinem eigenen laut proklamierten Anspruch nicht funktioniert. Wir argumentieren auch, dass es innerhalb dieses Milieus Tendenzen gibt, denen das ganz recht ist; und zwar aufgrund ihrer eigenen Interessen, die nicht ganz so laut proklamiert werden.

Wir haben aber zu erklären, warum sich dann an nicht statt der nicht funktionierenden Strukturen neue bilden. Diese Gesellschaft hat erstens nur eine sehr eingeschränkte Öffentlichkeit; und sie hat zweitens nur sehr wenige vorgezeichnete Wege, auf denen Veränderungen geschehen können.

Zu diesen vorgezeichneten Wegen gehört erstens der reale Vorteil des studentischen Milieus. Jedes Anliegen, gut oder schlecht, muss erst einmal formuliert und anschliessend der Gesellschaft vorgetragen werden. Dazu braucht man Zeit, Bildung, eine gewisse Naivetät und vor allem Orte, an denen man sich findet. Die Studentenschaft ist also gewissermassen das Organ, das die Gesellschaft sich für derartige Dinge leistet. Sie ist auch, durch ihre Herkunft und ihre Perspektive, mit der Staatsklasse nah genug verbunden.

Die von diesem Milieu beherrschten Initiativen, Organisationen etc. sind die natürlichen Sammelstellen für Unzufriedene aller Art. Vor allen Dingen natürlich von Unzufriedenen aus denselben Schichten oder Milieus; aber auch allen anderen bleibt zunächst nichts anderes übrig, als sich dort einzufinden. Die Alternative wäre gewesen, genau diesem Milieu um jeden Preis fernzubleiben.

Für diese Alternative war bisher der Preis der, dass andere Orte, an denen Unzufriedene zu finden wären, gar nicht bestanden. Die Rechnung ist ja nicht nur: wo finde ich selbst andere Leute, mit denen ich mich zusammentun kann, sondern: wo gehen wahrscheinlich andere Leute hin, die andere Leute suchen? Und die einzigen bestehenden Kristallisationspunkte war die studentisch beherrschte Szene, die dadurch ihr Monopol hielt. Und es ist gar nicht ausgemacht, dass sich das so bald ändert

 

https://t.me/neue_feindschaft/90

Allgemeine Theorie der Rekuperation II. Wenn die Studenten das noch nicht wissen, bekommen sie es beigebracht durch das Fussnotenwesen: in ihren universitären Arbeiten üben sie, dass Wahrheit durch Fussnoten entsteht, durch Zitate aus einer Literatur, die sie selbst nicht verstehen brauchen, und die sie nur glatt zu handhaben lernen müssen. Sie lernen auch, dass sogar der offenkundigste Unsinn die Autorität hinter sich haben kann, wenn er richtig zitiert ist. Sie lernen, dass das die Quelle ihrer Macht ist, und sie begreifen, dass ihr Einkommen keine andere Rechtfertigung haben wird.

Sie lernen, mit anderen Worten, dass ihre vorgesehene gesellschaftliche Stellung die von verlogenen Parasiten sein wird. Sie sind darüber in der Regel alles andere als glücklich; die meisten versuchen sich einen Weg einzurichten, wie sie im beruflichen Leben wenig Schaden anrichten, sie entwickeln früh eine Desillusionierung, die manchmal dem Zynismus nahekommt. Wenn sich Widerstandsgeist regt, findet er sich schnell zurückgeworfen auf Bahnen, die von ehrgeizigen Strebern beherrscht sind; namentlich in der studentischen Politik.

Diese sind natürlich eine kleine Minderheit, aber alle wissen, dass sie die Macht der Institution hinter sich haben, und dass sie nur unverhüllt aussprechen, was Sache ist. Sich gegen sie auflehnen, hiesse sich gegen die eigenen Studien auflehnen; wie es Mustapha Khayati damals formuliert hat. Gerade denen, die an der Unwahrheit ihrer Studien leiden, fehlt es an der Unbekümmertheit, die es zu dieser Auflehnung bräuchte; die studentischen Pseudopolitiker haben mehr als genug von dieser Unbekümmertheit, sie glauben an gar nichts und sind deswegen im Vorteil.

https://t.me/neue_feindschaft/93

Allgemeine Theorie der Rekuperation III. Dass die Krankheit des studentischen Milieus sich unmittelbar in der gesellschaftlichen Willensbildung fortsetzt, kommt auf ganz dieselbe Weise zustande. So wie innerhalb der Studentenschaft die politisierenden Narren alle Kanäle der Öffentlichkeit besetzen und verstopfen, so tut es die Studentenschaft in der gesamten Gesellschaft. Das ist leicht einzusehen, wenn man sich anschaut, wie die Öffentlichkeit dieser Gesellschaft aussieht.

Diese Gesellschaft hat nur so viel Öffentlichkeit, wie ihre Einrichtungen zulassen. Die Parteien, Verbände, Gewerkschaften; die Kirchen, Universitäten, Zeitungen und Rundfunkt sind alles Einrichtungen, die zur Verwaltung der Öffentlichkeit, zur Beschränkung des Zugangs zu ihr da sind. Die so gründlich verwaltete Welt hat nie wirklich funktioniert. Sie war selbst nie in der Lage, die gesellschaftlichen Bedürfnisse aufzunehmen und unverfälscht zum Ausdruck zu bringen. Auf mittlere Frist ist so etwas für jede Gesellschaftsordnung tödlich; sie muss irgendein Organ haben, um solche Bedürfnisse aufzunehmen und zu reagieren.

Ein gesellschaftliches Bedürfnis hat es von jeher nur dann geschafft, zur Geltung zu kommen, wenn es unter die Verschanzungen, mit denen die Öffentlichkeit umgeben war, Tunnel zu graben verstand. Die Techniken der Subversion, die 1968 entwickelt worden sind, haben nicht zugereicht, die verwaltete Welt umzustürzen; die verwaltete Welt verdankt ihnen vielmehr, dass sie nicht vollends in Erstarrung verfallen ist.

Alles das, was dieser Gesellschaftsordnung erlaubt hat, sich weiterzuentwickeln, musste in ihre vollkommen verstopfte Öffentlichkeit mit ähnlichen Mitteln implantiert werden. Die Gegenkultur wurde zur unentbehrlichen Ergänzung der Öffentlichkeit. Im selben Masse wurde aber die Gegenkultur respektabel, staatsnotwendig und ein Teil des Karrierewegs zu Höherem; mit einem Wort, sie wurde zur leichten Beute des studentischen Milieus.

Die gegenwärtige Erstarrung, die Entfremdung des politischen Apparats und der Basis, ist keine seltsame Fehlentwicklung, die erst neuerdings aufgetreten ist. Sie ist vielmehr die Normalität der verwalteten Welt. Diese Normalität ist ein halbes Jahrhundert von den Resten einer Gegenkultur überdeckt worden. Die fortschreitende Liquidation dieser Gegenkultur raubt einerseits der Opposition immer mehr die Äusserungsmöglichkeit; aber bringt auch das System in eine schwierige Lage. Es staut sich Opposition an, die nicht in geregelte Bahnen abfliessen kann.

Von dem reinen Aufbau grösseren Drucks allein ist aber noch keine Veränderung zu hoffen. Das Bild aus der Physik versagt hier. Der Druck wendet sich gegen die Opposition, er treibt sie in die Passivität zurück, wo sich nicht eine gemeinsame Form und ein gemeinsamer Gedanke finden lässt. Und genau das zu verhindern, dazu ist das Ganze nach wie vor in der Lage. (Teil IV folgt)

https://t.me/neue_feindschaft/96

Allgemeine Theorie der Rekuperation IV. Diese „Liquidation der Gegenkultur“, ihre Aufsaugung in den Apparat, ihre Assimilation und Zähmung ist das, was wir hier zur Abwechslung „Rekuperation“ nennen. Sie ist nicht ein einmaliger Vorgang gewesen, sondern ein andauernder, fortschreitender. Es lassen sich in ihr verschiedene Stufen unterscheiden, verschiedene Ebenen und verschiedene Phasen.

Ihr bekanntester Move ist der, aus einer Bewegung eine Ware zu machen. „Capitalism will steal your movement and sell it back to you“. Es geht aber weit darüber hinaus, dass man Sex Pistols-Shirts bei H&M kaufen kann. Die Logik ist aber immer die gleiche. Es ist die Logik der Ware und ihres Gegenstücks, der politischen Repräsentation.

Wer sich schwertut, den letzten Sätzen zu folgen, soll sich zB die Aktivitäten der IL und ihrer Kampagnenorganisationen im letzten Jahrzehnt in Erinnerung rufen. Die gewohnheitsmässige Übernahme jeder Art von Bewegung, wo immer sie sich zeigt; ihre symbolische Beschlagnahme durch ein Markenzeichen; ihre Überformung und routinierte Verwaltung; die Zuversicht, die man auszustrahlen in der Lage ist durch die Vortäuschung, man habe einen guten Plan und eine Strategie. Das alles ist Rekuperation auf hohem technischen Niveau, aber gleichzeitig nahe am Implosionspunkt gewesen.

Die IL ist nicht der einzige Anbieter auf diesem Markt, aber jede Konkurrenz folgt der gleichen Logik. Und noch merkwürdiger, die IL agierte in einer Welt, in der niemand mehr in der Lage war, den komplizierten Betrug zu begreifen, der an ihnen begangen wurde. Im Gegenteil finden sich viele bereitwillig ein, um daran noch mitzuwirken. Woher kommen diese?

Erinnern wir uns an die frühe Geschichte der Fridays for Future. Diese Bewegung war am Anfang eher umstritten, ehe sie dann von der guten Gesellschaft ans Herz gedrückt worden ist. Solche Umarmungen haben erstens etwas erstickendes; zweitens geben sie das Signal an die gute Bürgerjugend, dass man hier mitmachen kann und muss.

Es gibt einen Flügel dieser Gesellschaft, oder sagen wir einen ihrer Aspekte, der selbst aus der Assimilation der Gegenkultur hergekommen ist. Es sind dies zB wohlhabend gewordene Alternative; im schlimmsten Fall solche, die früher die Radikalen gespielt haben, als sie noch jung waren und es nichts gekostet hat; im besten Fall solche, die gezwungen waren, sich von ihren Jugendträumen zu verabschieden. Aber auch diese haben an diesen Träumen nichts weiterentwickelt; sie haben sie in die Vitrine gestellt und kennen sie nur in ihrer unreifen Form. Sie sind daher anfällig für jede Art der sentimentalen Selbsttäuschung. (Die dritte Sorte sind natürlich die Stocknormalen, die nur immer gerne etwas besonderes gewesen wären, aber wohlweislich nie etwas Riskantes versucht haben.)

Gemeinsam ist allen diesen, dass sie das schlechte Gewissen dieser Gesellschaft geradezu verkörpern. Ihnen ist in groben Zügen die Aufbruchsstimmung der Gegenkultur, die selbst immer nur eine Selbsttäuschung gewesen ist, in Erinnerung. Sie erinnern sich vage, dass sie einmal geglaubt haben, es gebe eine richtige Seite und eine falsche; sie wissen nicht, wie man sie unterscheidet, sie wissen nur, dass sie selbst sich für die falsche entschieden haben. (Teil V folgt)

https://t.me/neue_feindschaft/98

Allgemeine Theorie der Rekuperation V. Die Idee, auf der richtigen Seite zu stehen, ist in der Tat immer eine Selbsttäuschung gewesen; auch die Gegenkultur war in ihrem Innersten völlig ratlos und hatte keine Ahnung, was zu tun wäre. Sie war aus einer gesellschaftlichen Krise entstanden, die sie selbst nicht durchschaute, und musste um jeden Preis versuchen, ihre gesellschaftliche Isolation sich schönzureden.

Das schlechte Gewissen derer, die sie Seiten gewechselt haben, ist auf keinen Fall der einzige Vektor, durch den diese Selbsttäuschung in den Kern der Gesellschaft übertragen worden ist. Es ist aber der am deutlichsten sichtbare.

Der bürgerlichen Gesellschaft muss ohnehin, wie es hier neulich hiess, sich selbst für einen Garanten fortschreitender Befreiung halten. Das ist nicht einfach bürgerliche Propaganda; es ist unvermeidbares Nebenprodukt einer Gesellschaft, deren offizielle Ausbeutungsweise der freie und gleiche Warentausch ist. Der Fortschritt der bürgerlichen Freiheit, das ist nicht nur ihre Legitimation und ihr Fensterschmuck; es ist ihr Expansionsprinzip, ihr Geschäftsmodell.

Das ganze ist mit fortschreitender Zeit immer hohler und unglaubhafter geworden; um so angestrengter wird es aufrechterhalten. Das schlechte Gewissen, von dem wir gesprochen haben, spielt dabei eine Hauptrolle. Je weniger dieser Flügel des Gesellschaft wirklich weiss, wo hinten und vorne ist, desto mehr gleicht er sich den trend scouts der Kulturindustrie an, die der neuesten Mode hinterherspüren, um sie marktgängig zu machen und auszubeuten.

Je länger dieser Vorgang andauert, desto weniger kann unterschieden werden zwischen dem Ausbeuten eines vorgefundenen Trends und der künstlichen Erschaffung eines Trends; zwischen „authentischer“ Bewegung und synthetisch hergestellter. Der Charakter dieser Gesellschaft ist zunehmend der eines organisierten Selbstbetrugs, in dem die Betrogenen versuchen müssen, selbst zu Betrügern zu werden.

Das ganze verhängnisvolle Spiel wird nicht durchschaut. Sebastian Haffner hat in seinem Buch über 1918 irgendwo folgendes geschrieben, dass der Grund, warum der SPD die Dolchstoßlegende so geschadet hat, der Verrat von 194 gewesen ist. Die SPD hatte den Vorwurf des Vaterlandsverrats auf gar keine Weise verdient, sie hatte für den Weltkrieg im Gegenteil das ganze Erbe der Arbeiterbewegung verraten. Aber das konnte sie natürlich unmöglich zu ihrer Verteidigung vorbringen.

Genauso sieht heute fortschreitende Verrat an 1968 aus, als wäre er im Gegenteil die Erfüllung des Vermächtnisses von 1968. Die heutige Rechte schreit: „Marxismus!“, wenn sie von denen spricht, die den Historischen Materialismus in den Dreck treten. Niemand benennt die heutige Klimapolitik als den letzten Akt des Verrats an der Umweltbewegung, der sie ist; er kann hingestellt werden als der ultimative Anschlag der Umweltbewegung an den rechtschaffen Arbeitenden. Und genau im selben Zeitalter beginnt die Rechte, sich selbst zu inszenieren als subversive Kraft, als grundsätzliche Opposition, und sogar als Erbin der Gegenkultur. Auch das ist eine Gestalt der Rekuperation; vielleicht eine ihre ihrer entfaltetsten Formen.

Die Rekuperation wirkt also nicht trotz ihrer Unwahrheit, sondern paradoxerweise auch aufgrund ihrer Unwahrheit. Die Opposition von rechts, die Fleisch von ihrem Fleisch ist, stabilisiert sie nur noch: sie gibt ihr das, was ihr gefehlt hat, nämlich einen Anhaltspunkt dafür, wo denn die richtige Seite der Geschichte ist. Dass der „fortschrittliche“ Teil der Gesellschaft sich nicht anders mehr definiert als negativ, von der Rechten aus, ist kein bug, es ist ein feature. (Teil VI folgt)

https://t.me/neue_feindschaft/99

 

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Die Krise in Deutschland

Gibt es eine Rezession in Deutschland? Xinhuanet hat die heissen Details:

Deutschland am Rande der Rezession

Der BDI weiss genaueres: eine lange Rezession droht, wenn die Regierung nicht in die richtigen Industrien „investiert“. Notieren wir im vorbeigehen, dass es ein sicheres Krisenzeichen ist, wenn die deutsche Industrie Staatsausgaben verlangt; auf die lustige Geschichte mit den Staatsausgaben kommen wir gleich noch zu sprechen.- Die Tagesschau ist schon etwas weiter: „Deutsche Wirtschaft in Rezession abgerutscht“, , aber das war schon vom Mai und ist deswegen veraltet. Es ging nämlich um eine ganz andere Rezession, die von Preisanstieg ausgelöst worden ist. Diesmal geht es um eine zyklische Rezession, die erstens von alleine kommt und zweitens mit einem Verfall der Preise einhergeht. Man sieht, man kann es den Leuten nicht recht machen; was man tut, es ist verkehrt.

Früher hatten wir viel über die Krise in China, und in der Tat ist inzwischen der zweite Immobilienkonzern dort offensichtlich insolvent. Aber das ist ja weit weg gewesen und kein Grund zur Sorge. Deutsche Grundstücke sind ja keine chinesischen. Nur der Markt für Grundstücke ist anscheinend derselbe.

„Wen reißt René Benko mit nach unten?“, fragt man sich seit diesen Tagen. Sein Signa-Konzern hat sich aufgelöst in ein „riskantes Finanzierungskarusell“, mit dem niemand etwas zu tun haben will, aber viele leider haben: Kaufhof z.B. ist schon wieder pleite, das Wort „Ankermieter“ geistert durch die sozialen Medien, und das Wort „Dominoeffekt“ durch die Wirtschaftsnachrichten.

Und der „Höhepunkt der Immobilienkrise“ ist „wohl noch nicht erreicht“.

Das sicherste Anzeichen der Krise ist natürlich die Insolvenz. „Im Zuge der Konjunkturflaute in Deutschland kommt es immer mehr zu Pleiten von Großunternehmen. In den ersten neun Monaten waren es bereits 45 Fälle, wie am Montag aus einer Umfrage des Kreditversicherers Allianz Trade hervorgeht. „Besonders viele große Pleiten gab es im bisherigen Jahresverlauf im Mode-Einzelhandel, bei Krankenhäusern und im Maschinenbau“ “

Und jetzt zur Politik. Das haushaltsrechtliche Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eigentlich gemessen am geltenden Recht banal. Die Regierung hatte Kreditermächtigungen aus einem Corona-Haushaltsfonds in einen anderen Haushalt übertragenund einen Klima-Fonds draus gemacht. Zur Erinnerung: dieselben Parteien hatten damals die Hand gehoben, als es darum ging, die sogenannte „Schuldenbremse“ ins Grundgesetz zu schreiben. Nun war der Fonds durch eine „außergewöhnliche Notsituation“ im Jahr 2020 gerechtfertigt, aber der Fonds, in den er überführt wurde, nicht. Tja.

Es stellt sich nun aber heraus, dass diese Umgehung des eigenen Haushaltsrechts die eigentliche Geschäftsgrundlage dieser Regierungskoalition gewesen sein könnte. Das unerträgliche Bild, das sie bietet, hat seinen Grund darin, dass sie sich eigentlich über nichts einig ist. Sie bildet ein Zweckbündnis, das die verschiedensten Interessen bedienen muss; im Grund alles, was unter den CDU-geführten Regierungen seit 2005 nicht zum Zuge gekommen ist. Es zeigt sich im Politikstil, der an die Eröffnung eines kalten Buffets erinnert; an der Art und Weise, wie man sich gegenseitig abwechselnd hämisch ein Bein stellt, und abwechselnd sich gegenseitig deckt, wenn es den Bestand der Koalition betrifft.

Eine zusammenhängende gemeinsame Politik haben diese Leute nicht, von ihnen eine „Idee“ oder „Vision“ zu erwarten, ist albern. „Vision“ ist ein sehr kitschiges Wort, und man verbindet es gewöhnlich mit den Festtagsreden des Bundespräsidenten, aber es ist eigentlich der kitschige Name für Haushaltspolitik. Man muss wissen, wem man Geld abnimmt und wem man es gibt. Die politische Hauptidee dieser Koalition scheint gewesen zu sein, aus einem Fonds zu regieren, der schon da war, über den man nicht streiten musste, und für den keine andere Verwendung da war.

Von ihnen wird nichts übrigbleiben als womöglich das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz. Wie unbeliebt ist diese Koalition? „72 Prozent der FDP-Wähler hätten lieber eine GroKo„. Also eine Koalition ohne die eigene Partei.Die alte Frage: ist im Liberalismus noch Leben? beantwortet sich in der Tat immer deutlicher.

Die Rezession zeigt sich, wie schon seit Monaten absehbar war, in dieser Runde vor allem an Deutschland; Deutschland hat sich durch die grosse Krise 2008 und durch die kleinere 2015 durchgepisst auf Kosten andrer Volkswirtschaften, aber nichts ist für immer. Es ist deswegen nicht auffällig, dass unter den Wirtschaften der EU momentan als einziges Deutschland richtig drinzustecken scheint. Das wird sich wahrscheinlich ändern, sobald die deutschen Kapitalmärkte wirklich betroffen sind. Aber die Krise wird sich diesesmal in Europa auf ganz andere Weise ausbreiten und ganz anders geltend machen, als die letzten Male.

In ausländischen Medien finden wir viel Diskussion darüber, ob Deutschland am Beginn eines langfristigen Niedergangs steht. Unsre Medien hier sind viel zu vornehm, das zur Kenntnis zu nehmen, ausser denen der Rechten; wir finden so etwas daher in wenig reputierlichen Blättern wie dem Focus:

Der amerikanische Politologe Peter Zeihan prophezeit Deutschland gar den Untergang als moderne Wirtschaftsmacht. In seinem YouTube-Video „The End of Germany as a Modern Economy“ nennt der „New York Times“-Bestsellerautor drei Faktoren, die für ihn „das Ende Deutschlands als moderne Volkswirtschaft“ unausweichlich machen.
….
„Vom Regen in die Traufe – die schlechte Lage in Deutschland hat sich noch weiter verschlimmert“, hieß es kürzlich auch in einem Leitartikel des „Wall Street Journal“ zum jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts über den Bundeshaushalt: „Jetzt muss Deutschland seiner grünen Steuerwahrheit ins Gesicht sehen.“

Die Nachrichtenagentur Reuters urteilt ähnlich: „Die deutsche Haushaltskrise wird die deutsche Wirtschaft noch viele Jahre lang lahmlegen“, prophezeit man hier. Der US-Sender „ABC News“ berichtet ebenfalls: „Jetzt trifft die schwächste große Wirtschaftsmacht der Welt auch noch eine Haushaltskrise“ und stellt die Frage: „Wie will Bundeskanzler Olaf Scholz das nur richten?“ Denn die jetzt notwendigen Einsparungen würden die ohnehin schwächste große Volkswirtschaft der Welt nur noch weiter ausbremsen.

In der britischen Tageszeitung „Guardian“ meint David Marsh vom Thinktank OMFIF (Official Monetary and Financial Institutions Forum): „Schon viele Male in der Vergangenheit wurde das Ende der deutschen Wirtschaft eingeläutet, aber Deutschland hat es immer wieder geschafft, auf die Beine zu kommen. Diesmal könnte allerdings es etwas anders sein.“

Wir werden Gelegenheit haben, das näher zu untersuchen. Auf das Geheul der deutschen Industrie und das Gezeter der deutschen Rechten gibt man nicht viel; man kennts. Und eine ungünstige Prognose lässt sich heute, und das ist gerade das interessant, ohne weiteres jeder grösseren Industriemacht ausstellen.

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Frankreich: Genauso durch

Es ist befriedigend zu wissen, dass die Nachbarn auch durch sind. Zwar anders, aber genauso durch. Der heutige offiziöse Massenauflauf gegen Antisemitismus sorgt in Frankreich für Kontroversen. Die Linke wittert darin einen Auflauf gegen die Linke und Muslime. Contre attaque:

Le clan Macron a organisé un piège parfaitement ficelé : un appel à une «marche contre l’antisémitisme» avec l’extrême droite. Un plan particulièrement malsain, car il s’agit d’intégrer des partis historiquement antisémites à cette manifestation dont la cause, la lutte contre l’antisémitisme, est pourtant fondamentale.

Plus pervers encore, il s’agit en réalité de détourner la question de l’antisémitisme pour en faire une marche de soutien à Israël et contre les musulmans et la gauche. Bref : une marche d’extrême droite coloniale.

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Aus dem Netz: Kurzbesprechung K. Posster

Aus der ungewöhnlich empfehlenswerten Telegram-Gruppe Neue Feindschaft nehmen wir folgende kurze Rezension.

Link zur Verlagsankündigung: Kim Posster, Männlichkeit verraten! Neofelis Verlag, 2023
Mich macht die ganze Logik dessen, was hier angekündigt wird, ratlos. Mir scheint das, was mich so ratlos macht, kennzeichnend für eine ganze Richtung aus der 2010er Linken.
Also die Männer sollen ihr Verhalten ändern. Einverstanden. Dazu findet man erst einen Begriff von Männlichkeit, um ihn danach zu kritisieren. Der Autor ist sehr dafür gelobt worden, dass er in seine Kritik auch diejenige „neue Männlichkeit“ von Männern, die sich Feminsten nennen, mit einbezieht. Wieder einverstanden! Diese neue oder kritische Männlichkeit ist in der Tat eine Tarnung für jede Sorte Schmierlappen.
Was aber nicht vorkommt, ist eine Veränderung der Einrichtungen, an denen das Verhalten seinen Rückhalt hat. Die Gesellschaft ist nach wie vor eine, die nach dem Mass der Männer errichtet ist. Männlich übergriffiges Verhalten hat in ihren Einrichtungen einen Rückhalt, weil Frauen immer genötigt sind, sich einzufügen.
Wie soll die Männlichkeitskritik eine Veränderung erreichen? Sie kann ja nicht anders, als partout auf der Ebene des indivuellen Verhaltens bleiben. Soll sie immerfort auf die Leute einreden. Die zu kritisierende Männlichkeit mit ihren Ansprüchen wächst ja immer wieder nach; sie muss von berufenen Instanzen immer wieder bekämpft werden, so wie ein Gärtner den Rasen schneidet. Eine gerechte Gesellschaft braucht also einen machtvollen ideologischen Überbau, dauernde Belehrung und Besserung, und sie braucht damit vor allem Leute wie den Buchautor selbst. Sie bringt nicht Befreiung, sie bringt den permanenten Workshop.
Man bekommt ordentlich Lust darauf, Rona Duwes matrifokale Gesellschaft einzuführen, die Privateigentum, Staat und patriarchale Familie abschafft und den Frauen die Macht gibt; und sei es nur, damit das verlogene Treiben endlich, endlich ein Ende hat. Diejenigen Feministinnen, die so etwas propagieren, sind nach Ansicht unseres Autors natürlich keine Verbündeten. Sie sind nämlich in aller Regel anderer Ansicht als er in Fragen der sog. „Queerpolitik“, und statt sich zu fragen, warum das so ist, beteiligt er sich lieber an ihrer Diffamierung. Am Ende gilt vielleicht für diesen Männlichkeitskritiker ähnliches wie das, was er über die kritische Männlichkeit sagt.
Man kann hinter dem ganzen Konzept unschwer die Umrisse des Milieus erahnen, aus dem es stammt: keine veränderte Welt, sondern eine genauer verwaltete. Die Arbeit des Sisyphus, in der Tat, gefördert aus Mitteln der Rosa-Luxemburg-Stiftung und den Fördertöpfen des Bundesfamilienministeriums. Man muss sich den Männlichkeitskritiker als einen glücklichen Menschen vorstellen.
Das heutige „linken“ Verlagswesen, aus dem auch dieses Buch kommt, produziert bekanntlich nicht für eine Nachfrage, sondern nach Massgabe der Förderung, von der es völlig abhängig ist. Seine Erzeugnisse werden faktisch bestellt und bezahlt vom ideologischen Staatsapparat. Die Arbeiterbewegung, die Frauenbewegung usw. haben sich seinerzeit unter widrigen Umständen eigene Einrichtungen, auch ein Verlagswesen selbst aufgebaut, weil sie ein reales Bedürfnis danach hatten. Das nur, weil wir hatten es neulich über Erkennungszeichen hatten.

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Frankfur 24.11.: Die Woken und die Rechten

So, einmal ein bisschen Diskurs:

Die Woken und die Rechten: Zwei Fäuste für die Gegenaufklärung?

Freitag, den 24. November 2023 | 19:00-22:00 Uhr | SAALBAU Gutleut | Frankfurt am Main | Eintritt: 5€/3€

Für die einen ist es der Inbegriff des Kampfes gegen Intoleranz. Für die anderen ist es eine engstirnige Verirrung, die die politische Linke, ja die Gesellschaft insgesamt spalte. Das sind die Pole, die in der Debatte über linke Identitätspolitik aufeinandertreffen. Dabei dürfte sich die Frage eigentlich so nicht mehr stellen. Zu offensichtlich ist, dass dieser Ansatz – neuerdings auch als Wokismus verhandelt – versagt. Als dominante Denkform im eher linken Spektrum, die zunächst in linken Nischen keimte und dann alle Mitte-Links-Parteien beeinflusste, trägt jene Identitätspolitik eine Mitverantwortung für die aktuelle Situation: Wäre sie eine effektive Sache gegen Rechtsextremismus, gäbe es den Rechtsruck nicht.

Die Frage ist daher vielmehr: Handelt es sich bei den Woken bloß um Akteure, die den Kräften von Rechtsaußen ungewollt in die Hände spielen, um »nützliche Idioten«, wie manche sagen? Oder stehen sie gar für eine Denkform, die regressive Momente mit dem Rechtsextremismus teilt – zum Leid der aufgeklärten, dialogfähigen Teile der Gesellschaft? Diesen Fragen geht der Club Volantaire nach, in dem zahlreiche Diskutanten zu klären versuchen, wie sich das Zusammenspiel zwischen den Woken und den Rechten genau gestaltet.

Mit Till Randolf Amelung, Jörg Finkenberger, Chantalle El Helou, Eszter Kováts, Sinan Kurtulus, Holger Marcks, Sebastian Schnelle; Moderation: Malte Clausen & Judith Faessler.

Mehr dazu beim Club Volantaire. Kommt alle, es wird sehr gut!

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Krise der antideutschen Linken

1. Eine antideutsche Linke besteht zur Zeit nicht. Ihr Kerngeschäft, die Israelsolidarität, ist vom Staatsvorfeld übernommen worden (und sei es, dass man sich selbst in der DIG organisiert hat, einer ausgesprochen patriotischen Vereinigung). Das hat eine Reihe von Gründen, einen besonderen aber in den letzten 10 Jahren.

2. Solidarität auf einer politischen Ebene, wenn sie nicht völlig mechanisch und reflexartig ist, setzt voraus, dass der Gegenstand der Solidarität weiss, was er will. Seit dem Ghaza-Krieg von 2014 kann man daran zweifeln. Netanyahu hat niemandem eine Antwort gegeben, wohin es gehen soll. Er will keine Zwei-Staaten-Lösung, ohne dass er stattdessen etwa eine Ein-Staaten-Lösung wollte (wie z.B. Präsident Reuben Rivlin); seine Politik lief darauf hinaus, beide unmöglich zu machen. Wie das seiner Meinung nach ausgehen sollte, hat er bisher nicht gesagt. Zehn Jahre lang wechselt sich jetzt das gleiche Spiel ab: periodische Kriege, gefolgt von indirekter, aber wirksamer Unterstützung der Hamas. Nach 2014 liess er zu, dass qatarisches Geld nach Ghaza kam; ohne das qatarische Geld hätte Hamas niemals fiskalisch von Ramallah selbständig werden können. Nur durch Qatar war es möglich, dass Hamas eine Regierungh in Ghaza auf Dauer halten konnte, statt sich der Regierung in Ramallah zu unterstellen. Das aber war eingestanderweise der Zweck der Übung.

3. An diesem seltsamen Spiel verzweifelt die Logik der Parteilichkeit. Sie ist gewohnt, als Verschwörungstheorie abzutun, was ihr jetzt mit Belegen aus der israelischen Presse entgegengehalten wird. Allenfalls flüchtet man sich zur Einsicht, dass Politik nun mal kompliziert sei und sowieso ein schmutziges Geschäft; man erspart sich dadurch die Frage, wie es zu dieser Lage überhaupt kommen konnte.

Die Sache reicht ein Stück tiefer als bloss zehn Jahre. Hätte man, aus Treue zu den Oslo-Verträgen, 2006 nach dem Putsch Hamas vertreiben müssen? Aber dann wäre Fatah auf israelischen Panzern nach Ghaza gekommen; plus die Putschisten 2006 waren gar nicht Hamas, sondern Fatah. Hamas hatte die Wahlen gewonnen, vor allem deswegen, weil Fatah unfähig war, zu halten, was sie versprochen hatten. Das lag nicht bloss an den äusseren Umständen, sondern an ihren eigenen diktatorischen Tendenzen, ihrer Korruption und dem Wahnsinn der sogenannten zweiten Initfada.

Die palästinensische Autonomiebehörde ist von Anfang an ein disfunktionales Elend gewesen, sie konnte nichts anderes sein. Eine kleine Parteidiktatur schon vor der Unabhängigkeit. Oslo ist nicht erst unter Netanyahu zugrunde gerichtet worden. Oslo hat nie funktionieren können, denn es hat das Schicksal der Palästinenser in die Hände derjenigen palästinensischen Organisationen gelegt, die an einer palästinensischen Demokratie kein Interesse haben können. Der einzige Standpunkt, von dem Oslo aussehen konnte wie eine gute Idee, war der der Weltordnung der letzten 30 Jahre, die jetzt zu Grunde geht.

4. Israel-Solidarität, die von alle dem absieht, ist keine, sondern hat als Gegenstand nur  die eigene politische Identität, und das ist die mit dem Souverän und der politischen Ordnung. (Ralf Fischer hat zu Recht einige der pro-israelischen Demos „Schaulaufen für Deutschland“ genannt. Wir wollen gern sehen, wie weit diese berechtigte Kritik bereit ist zu gehen.) Und alle die Mächte, das teure Vaterland vornedran, sind mitursächlich für die jetzige Entwicklung.

Man hat zugegeben lustlos und mit tiefen Zweifeln zehn Jahre lang Netanyahus Politik unterstützt. Diese Politik trug den jetzigen Krieg in sich. Und wie auch immer er ausgeht, wird diese Politik nicht weitergetrieben werden können. Die Dinge in Israel werden sich zwangsläufig völlig neu sortieren. Man kann jetzt natürlich versuchen, pro-israelischer zu sein als die Israelis, aber im Inneren ist man genauso ratlos. Man kann lauthals alles im Vorhinein gutheissen, wozu sich Israel gezwungen sehen wird, aber man wird das dumpfe Gefühl nicht loswerden, dass es eine katastrophale Falle gewesen ist. Es ist nie eine gute Idee, das eigne Erschrecken über solche Dinge zum Schweigen zu bringen.

5. Man soll nicht glaube, dass die palästina-soldarische Linke nicht ein einer ganz ähnlichen Klemme steckt. Der einzige Weg voran wäre, seit langem, eine palästensische Bewegung für Gleichheit und Staatsbürgerrechte gewesen. Ein solcher Ansatz nähme Bewegungen wie die Hamas aus dem Spiel, ja stempelte sie direkt zu Feinden der palästinensischen Sache und brächte sie aus der Lage, als Sprecher für die Palästinenser in Betracht zu kommen. Es wäre auch der einzige Ansatz, der die Sache den verdorbenen Greisen in Ramallah aus der Hand nähme; und der Bevölkerung und nicht den Organisationen die Macht gäbe, den Weg zu entscheiden. Der einzige, der mit dem Erbe der ersten Intifada sich verträgt. Er setzt aber (auch auf Seiten der Palästina-Solidarität) einen Bruch mit einem bedeutenden Teil der palästinensischen Geschichte voraus; nämlich mit dem Bogen, der von Mufti Husseini zu Hamas führt. Das wird nicht einfach sein, vielleicht ist es unmöglich.

6. Heute geht nicht nur eine Ära zu Ende, die vor zehn oder zwanzig Jahren angefangen hat, sondern vor 50. Die 1968er Linke ist am Ende, und wenn nicht eine völlig neue entsteht, wird es keine mehr geben. „Vom Standpunkt der Veränderung her zu denken, hiesse: das Versteinerte unter dem Aspekt betrachten, dass es wieder flüssig werden kann. Von diesem Standpunkt aus scheisst der Hund, wenn Sie unsren Fachjargon verzeihen wollen, auf alle politischen Identitäten und Positionen“ (Neue Feindschaft).

7. Die bevorstehenden Spaltungen werden alle Fragmente der Linken betreffen. Die einen werden die Staatslinke loswerden müssen (nehmen wir als Beispiel Leute wie Robert Andreasch, diesen liberalen Schnüffler im Dienste des Staatszwecks, der sich nicht zu schade ist, zum spionieren um Kundgebungen der Frauenbewegung herumzuschleichen), die Israel-Solidaität als liberale Wehrertüchtigung, als Dienst am Vaterland betreiben. Die anderen werden sich gegen die „dekolonialistische“ Pseudolinke zur Wehr zu setzen haben, die Irren mit den Gleitschirm-Aufklebern, die Propagandisten des Pogroms. Es geht für die eine wie die andere Richtung um ihre Existenz.

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Anschauliches zur SPD aus Wuppertal

Das autonome Zentrum Gathe in Wuppertal führt seit etwa einem Jahr (vielleicht schon etwas länger) eine Auseinandersetzung mit dem Stadtrat, in dem gerade die SPD die Mehrheit stellt. In aller Kürze gesagt: die DITIB-Gemeinde würde sich gerne an der Gathe niederlassen und es geht dabei, soweit ich verstehe, nicht ein mal um das AZ-Haus selbst, sondern um ein benachbartes Grundstück und die DITIB möchte sich ihre Nachbarn selbst aussuchen, das AZ müsste dann „leider“ weg. Der Kampf gestaltet sich fürs AZ Gathe, wenn man sich aus der Ferne ein Urteil anmaßt, zwar nicht aussichtslos, aber sehr schwierig.

Mit der Denunziationskampagne gegen den ehemaligen Nachtbürgermeister Thomas haben Teile der Wuppertaler Politik (allen voran die SPD) und Medien, wie die WZ, die Grenzen des so viel beschworenen „demokratischen Diskurses“ längst verlassen.
Thomas verlor seine Stelle als Nachtbürgermeister, weil er sich offen für das autonome Zentrum aussprach und seinen Unmut gegen die Entscheidung des Stadtrates zu dem DITIB Projekt zum Ausdruck brachte.

Wuppertaler Medien veröffentlichten sofort nachdem Vorwürfe gegen seine Person im Raum standen Fotos und vollen Namen, wohl wissend ihn damit zum Ziel extrem rechter Agitatoren und Gewalttäter zu machen.
Schon jetzt finden sich die veröffentlichten Bilder auf extrem rechten Internetseiten.
In verleumderischer Weise wird Thomas von der WZ in einer Reihe mit Sachbeschädigungen genannt, für die nie Täter*innen ermittelt werden konnten. Es wird vermutet Autonome waren verantwortlich, diese werden im AZ verortet, ergo sind alle, die sich gegen dessen Verdrängung aussprechen, mitschuldig. Ist das die Sachebene auf die Sie die „Vertreter der Autonomen“ einladen wollen, Herr Schneidewind? Überhaupt scheint die Wuppertaler Politik davon auszugehen, dass alle Autonome auch Besucher*innen oder Aktive des AZ sind.
Sind also alle Besucher*innen des Zentrums auch Autonome? Wenn dem so ist, zieht sich dieser sog. „Dunstkreis“ bis tief in die Wuppertaler SPD.
Grüße gehen an dieser Stelle raus an Soufian Goudi. Die Faust zum Gruß, Genosse! (…)

Die SPD dreht in unverantwortlicher Weise an der Eskalationsschraube, ohne zu wissen ob sie diese wieder zurückdrehen kann.
Dabei wäre das zum jetzigen Zeitpunkt noch einfach.
Deeskalation würde bedeuten das AZ an seinem jetzigen Standort zu belassen. Moscheebau hin oder her.
Oder zumindest einen Vorschlag für einen Alternativstandort zu machen.
Stattdessen reagiert die Wuppertaler Politik mit Verschweigen von Tatsachen und Desinformation auf die vorgebrachte Kritik.
Teile von Politik und Medien blasen offen zum Angriff auf das AZ, starten Denunziations- und Hetzkampagnen.
Für eine Eskalation des Konfliktes tragen sie die Verantwortung!

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Dokumentiert: Roni Ben Efrat, Revolution and Tragedy. The Two Intifads Compared (2002)

Folgender Artikel stammt aus dem israelisch-palästinensischen Magazin „Challenge“, #74 July-August 2002. Er ist im Netz heute nicht mehr zu finden, nur noch auf archive.org. Eine gekürzte Fassung erschien im gleichen Jahr in der Jungle World. Wir dokumentieren ihn hier, um die Erinnerung wachzuhalten, dass einmal anders als heute über alle diese Dinge gesprochen worden ist.

Revolution and Tragedy: The Two Intifadas Compared
Roni Ben Efrat

Often in these pages we have called for an alternative Palestinian leadership – not, to be sure, of the tractable kind that the US and Israel would like, but a leadership that would stand for the rights of the Palestinian people. A look back at the first Intifada provides a concrete example of how such a leadership once emerged.

The following article is based on a lecture delivered at a seminar of the ODA, held in Galilee from June 13 – 15, 2002. The seminar undertook a Marxist analysis of contemporary topics.

In re-examining the first Intifada, we are not indulging in nostalgia. It is necessary to do so in order to understand how badly botched the second has been. We can also draw useful conclusions about future political steps. The first Intifada was not free of mistakes and problems, but at its root it expressed a sound revolutionary approach. Although not ripe enough to fulfill its potential, it did not exhaust the strength of the Palestinians, as the second has done, or leave them without a sense of direction.

Only fifteen years have passed since the onset of the first Intifada, yet its lessons have largely been washed away by the murky waters of the subsequent Oslo agreement. I shall now attempt to reclaim them.

Members of the present ODA (Organization for Democratic Action) had the privilege of taking part in the revolutionary wave that swept the Occupied Territories. In the months preceding the first Intifada, our journalists were constant visitors in the refugee camps of Gaza and the West Bank. We talked with union activists, students, women’s groups and prisoners‘ families. We followed the birth of the uprising, and once it began, we gave voice to its leaders.

We covered the events in our newspapers, Derech Hanitzotz (in Hebrew) and Tarik a-Sharara (in Arabic). Anyone who read them would not have been taken by surprise. The Israeli establishment did read them, indeed, but after the fact, closing them down and sentencing four of our major Jewish activists to prison for membership in the DFLP (The Democratic Front for the Liberation of Palestine). We did have a close connection, indeed, to leaders of the Intifada. Such an ideological bond, crossing ethnic lines, is hard to imagine today.
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