Veranstaltungshinweis: Konversionstour

https://de.labournet.tv/die-konversionstour-beginnt

Die Konversionstour beginnt
14 Tage- 14 Städte vom 12.-26. Juni

Die Arbeiter*innen der ex-GKN Fabrik in Campi Bisenzio bei Florenz kämpfen seit fast drei Jahren für ihre Arbeitsplätze und dafür, mit einer ökologisch sinnvollen Produktion unter Arbeiter*innenkontrolle loslegen zu können. Ihr Kampf ist wegweisend, auch für die Kolleg*innen in der deutschen Automobilindustrie, die in den nächsten Jahren mit der Umstellung auf e-Mobilität ihre Jobs verlieren werden, wenn sie sich nicht zur Wehr setzen.

Mit einer Konversionstour vom 12.-26. Juni werden Unterstützer*innen den Kampf des Fabrikkollektivs bekannter machen. Jeden Abend werden sie in einer anderen Stadt auftreten und Nachrichten aus erster Hand liefern. Außerdem haben sie ein in der besetzten Fabrik hergestelltes Lastenrad dabei. Ihr könnt das Rad probefahren und eines bestellen.

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Die Querfront der Anderen

Buchbesprechung: Gerhard Hanloser, „Die andere Querfront. Skizzen des antideutschen Betrugs“, 2019 Münster


I hear you talking but the words are kinda strange
One of us is crazy and the other one’s insane

Motörhead, „Back at the Funny Farm“

von ndejra

Eine Besprechung zum 2019 erschienenen Buch war ursprünglich fürs Heft #18 gedacht, dann ist sie unter den Tisch gefallen und vergessen worden. Ich kann mich beim besten Willen auch nicht mehr so recht erinnern, was ich in den letzten drei oder vier Jahren getrieben habe. Ich kann vielleicht nur vage meine damaligen Zweifel rekonstruieren. Erstens, zweifeln und hadern, ob die Geschichte dieser Denkschule, in die ich eher zufällig reingeschlittert bin, auch meine ist. Sagen wir mal grob, 2012 als relativ erzwungene Parteinahme im Würzburger Flüchtlingsstreit als die ganze umtriebige Bewegungslinke bis auf ein antideutsches Grüppchen versagt hat; 2016 kam meine weitgehend solidarische Haltung zum Rand als unsereiner die damalige Heilige Kuh (recht idealistische) Islamkritik eben als recht idealistische zu kritisieren. Es hat sich klar gezeigt, wer an der Kritik, die auch Selbstkritik sein muss, interessiert ist und wem es um Revierkämpfe in der Szene geht; man kann außerdem die Leute nicht für lebendig halten, die einen selbst für tot erklärt haben. Zweitens, je länger man damit wartet, desto sinnloser und gleichzeitig schwieriger darüber zu schreiben. Nun denn, mitgefangen – mitgehangen, selbst der dümmste Mitläufer denkt sich irgendwas beim Mitlaufen, die Frage ist bloß, wie nützlich ist das Gedachte. Ja, an den Zweifeln ist immer noch was dran und vielleicht liegt darin die Chance, das ganze etwas kürzer zu fassen. Ich würde es eh nicht so sorgfältig machen können, wie es z.B. das Distanz-Magazin oder Associazione delle talpe.

Es ist, zugegeben, ein „guilty pleasure“, die Zerwürfnisse der Szene wie die regelmäßig auftauchenden Kritiken an ihr zu verfolgen, doch ich kann nicht mehr behaupten, dass es irgendeine persönliche Relevanz für mich hätte. Eine Relevanz hat es offensichtlich immer wieder für den vermeintlichen Feind: immer, wenn in den eigenen „antiimperialistischen“ Reihen kracht, wie letztens in der Josephine oder im ZweiEck in Leipzig, waren es die „Antideutschen“, will das eigene Publikum nicht jeden blödsinnigen Marschbefehl akzeptieren und äußert Bedenken, haben‘s die „Antideutschen“ zerredet. Die zerreden doch immer nur den legitimen linken Widerstand im Volk, zu nichts anderem sind sie ja da. Der „Feind“ (setze ich lieber in Einführungsstriche, weil revolutionäre KommunistInnen kein Feind sein sollen) täte gut daran, in den eigenen Reihen aufzuräumen und sich neuzuformieren. Es ist längst Zeit, dasselbe etwas weniger identitär auch in unseren Reihen anzugehen. Wer weiß, vielleicht lacht man tatsächlich eines tagen zusammen darüber, was für ein Blödsinn man getrieben hatte, wie es Hanloser jüngst im „99 zu 1“ Podcast formulierte. Deswegen versuche ich, diese Buchbesprechung noch ein mal zu entstauben.

Es geht mir dabei so, wie es 2020 in einem „LeserInnenbrief“ beschrieben wurde:

Doch wir müssen euch zustimmen, wenn ihr nun argumentiert, dass das eben dargestellte keine „antideutsche Kritik“ sein kann, sondern nur die Theorieproduktion von Leuten, die sich das Label geben und wir müssen euch auch weiter zustimmen, wenn ihr uns darauf aufmerksam macht, dass die spezifischen historischen Bedingungen der antideutschen Kritik – die Zeit nach der Nachkriegszeit – weiter existieren und die „antideutsche Kritik“ der einzige Anknüpfungspunkt für deren Kritik ist, den wir im Moment haben. Waren wir uns zunächst sicher, dass wir euch euer Festhalten an diesem Label als identitären Kitsch kritisieren müssen (und das obwohl wir in der Sache kaum widersprechen können), so müssen wir uns nun die Frage stellen, ob nicht das Bedürfnis der Absage an dem und der Historisierung des Begriffs das größere identitäre Bedürfnis ist. Womit wir wieder am Anfang wären: Wir müssen uns eingestehen, dass wir mit dem was ihr bisher versucht habt als „antideutsche Kritik“ zu umreißen mehr anfangen können, als uns selbst lieb ist.

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Das Heft #20 ist erschienen

Die Anfragen können gerne an die bekannten toten Briefkästen gerichtet werden, am besten höflich ausformuliert und mit einigen Euros per PayPal begründet. Die Mausi z.B. hat  ihre Ausgabe schon erhalten.

Danke und bis dann,

euer GT.

 

 

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No one is innocent

Die internationalistischen Linke spürt, dass ihr die Perspektive der Veränderung fehlt. Die Rhetorik vom Genozid verstellt sie vollends. Die bisherige Kritik daran ist fehlgeschlagen. Niemand hat etwas gelernt, auch die Kritiker nicht.

1. Der Begriff Genozid kommt in die politische Debatte seit den 1990ern. Er geht zurück auf die Völkermordkonvention von 1951, die aber toter Buchstabe geblieben ist bis zu den jugoslawischen Kriegen. Die Diskussionen der 1990er liefen darauf hinaus, dass er eine Schutzverantwortung der „internationalen Gemeinschaft“ auslöst, d.h. das Recht und die Pflicht der Grossmächte, zu intervenieren (Bericht der Internationalen Kommission zu Intervention und Staatssouveränität, 2001). Auf diesen Linien wurde z.B. der Kosovo-Krieg begründet.

Der Begriff Genozid ist natürlich offen für Instrumentalisierung, selektive Anwendung usw. Die Linke hat das früher einmal auch kritisiert. Kritisiert wird es natürlich, wenn es gegen die eigenen Lieblingsregime geht. War der zweite Tschetschienkrieg genozidal? Die Umerziehung der Uighuren? Die Massnahmen gegen die Rohingya? Da bekommt man dann zu hören, man müsse genau hinschauen, wer das sagt und wessen Interessen das dient.

Und selbstverständlich werden ja umgekehrt solche Dinge nur zum Thema, wenn es irgendeiner Grossmacht zupass kommt. Beweis: Äthiopien. Das Vorgehen der äthiopischen Armee in Tigräa interessiert niemanden, weil Präsident Abiy keiner Grossmacht auf die Füsse tritt und keine ein Interesse hat, ihn loszuwerden.

Gäbe es eine Linke, dürfte die Stille nicht ganz so ohrenbetäubend sein. Eine solche Linke müsste auch einen Begriff von Genozid haben, der nicht fest an die Interessen der Grossmächte und ihrer Weltordnung gebunden ist. Er müsste davon ausgehen, dass die Form Staat die Wurzel des Genozids ist. Die bloss demokratischen Revolutionen der Vergangenheit haben das Problem nicht gelöst, sondern radikalisiert. Das Zeitalter des Genozids hat überhaupt erst begonnen mit dem Zeitalter der Volkssouveränität und des totalen Kriegs. Dass Staat und Volk identisch sein sollen, ist die ideologische Wurzel des Genozids.

Lemkin fand bei den Vorarbeiten zur Völkermordkonvention eine rechtliche Lage vor, in der der Genozid eigentlich zu den Souveränitätsrechten des Staats gehörte. Im Zeitalter des modernen Kriegs ist jeder einigermassen fortgeschrittene Krieg oder Bürgerkrieg von einem Genozid nicht mehr zu unterscheiden.

Einen analytischen Wert hat das Wort Genozid nicht, es macht keinen Weg auf, zu verstehen, wie die Dinge passieren, und auch nicht, wie es anders werden könnte. Es ist nur ein Appell zur Intervention, und sagt noch nicht einmal, zu Gunsten welcher politischen Kraft. Er reduziert Krieg und Bürgerkrieg auf eine Frage des internationalen Polizeirechts; es ist kein Zufall, dass er in den unipolaren 1990ern gross wurde, als von „Weltinnenpolitik“ gesprochen worden ist. Ob die „Multipolaren“ von heute voll begreifen, an was für eine Weltordnung sie mit dem Begriff appellieren, ist mir nicht klar.

2. Sie tun es auch nicht aus Überlegung. Mindestens die Hälfte ist Trotz. Die Rest-Linke grollt darüber, dass die westliche Propaganda ihnen China, Russland etc. vorhält, und ergreift dankbar die Gelegenheit, einer pro-westlichen Macht das gleiche nachzusagen. Es ist eigentlich eine sehr unpolitische Übung. Es ist eigentlich eine Art wie jede andere auch, sich in einer Welt aus Mord einzurichten.

Wenn man ihnen im Dezember oder Februar gesagt hätte, wenn du wirklich glauben würdest, dass das ein Genozid ist, müsstest du ganz andere Dinge tun, dann hätte man sie wahrscheinlich nur grummeln hören. Heute würde man sich diesen move vielleicht nicht mehr trauen; man fürchtet, sie auf Gedanken zu bringen.

Sogar die Auflösung des Palästinakongresses usw. war noch eine Gelegenheit, Partei zu ergreifen, ohne Partei zu ergreifen. Man kann gegen das Vorgehen der Behörden protestieren usw., ohne diekt Partei für die Hamas ergreifen zu müssen. Ihnen vorzuhalten, dass sie das wollten, ist unehrlich. Sie empfinden sehr genau den Mangel einer Seite, deren Partei sie ergreifen könnten, und versuchen, diese Empfindung zu übertönen.

Das kann anders werden, wenn die Proteste an den amerikanischen Universitäten sich ausweiten, u.a. nach Europa. Bei steigender Temparatur werden sich hier Gelegenheiten finden, bei denen Aussichtslosigkeit in Wahn umschlägt. Der genannte Mangel drängt auf eine illusorische Kompensation, und die Aussicht auf „Studentenproteste“ ist für die machtlose Linke eine grosse Verführung. Es klingt so schön nach 1968.

Man wird hier sehen, wie bei vielen Bedenken in den Wind geschlagen werden. Der Vorgang wird denen völlig entgehen, die nicht wahrhaben wollen, dass es diese Bedenken reell jemals gab. Ihre daraufhin fällige Kritik wird, weil sie nicht treffen wird, auf taube Ohren stossen. Es wird niemand klüger werden, und alles so weitergehen wie bisher.

3. Die amerikanischen Proteste zeigen die Auffälligkeit, dass sie bisher auf die Elite-Unis beschränkt bleiben. Sie zeigen alle Anzeichen dessen, was wir Pseudo-Linke genannt haben. An diesen Unis studiert der kleinste Teil der am. Studenten, die meisten (und die aus den working classes) dagegen an den Community Colleges, wo es bisher fast völlig windstill geblieben ist. Es wird schwer, das zu einem proletarischen Aufstand aufzublasen.

Die Proteste zeigen eine derartige Wahllosigkeit in ihrer Solidarisierung (zB. Hizbullah), dass man schliessen muss, dass ihnen diese Leute eigentlich egal sind. Sie sehen nicht aus wie ein Flügel einer grösseren gesellschaftlichen Bewegung, wie in den 1960ern; sie haben gesellschaftliche wohl eine sehr geringe Tiefe, sie sind nicht die Spitze auf einer grossen Welle, sondern sie sind die überkippende Welle, die sich totgelaufen hat, am Strand, wo sie sich bricht.

Das Treiben der Pseudo-Linken sind bisher die Exzesse einer Staatsklasse gewesen, deren gesellschaftlicher Führungsanspruch in die Krise gekommen ist. Ihr Extremismus erweckt den Eindruck von neu gewonnener Macht, und er ist genau dazu da.

Der Eindruck trügt. Ihre Vorgänger haben die Hochmoderne organisiert, haben das Proletariat in den Staat integriert. Diese hier haben die Frauentoilletten abgeschafft. Die moderne Staatsklasse hat niemandem mehr etwas anzubieten, und alle wissen es. Sie sind eine Plage und werden als solche wahrgenommen; sie wenden sich in einem finalen Verzweiflungskampf gegen ihre eigene Existenzgrundlage, den Staat. Sie werden untergehen, und niemanden wird sie vermissen.

Eine Allianz mit denen ist niemandem zu empfehlen. Man kennt sie, und man weiss, mit wem man es zu tun hat. Der Kern dieses Milieus ist für die Linke korrosiv. Man sieht die Linke zögern; es gibt mehr Anzeichen für dieses Zögern, als man glauben möchte, und man versteht genau, warum. Aber einige werden sich nicht abhalten lassen; in den nächsten Wochen werden wir sehen, wieviele.

Die Verlegenheit war gross, wie man gegen Israel und gleichzeitig gegen die Hamas sein wollte. Es fehlte eine dritte Bezugsgrösse. Eine reelle palästinensische Linke besteht zur Zeit nicht; auf eine Massenbewegung zurückzugreifen, ist nur unter Verrenkungen möglich. Man ersetzt diese dritte Bezugsgrösse eigentlich durch einen im Kern entpolitisierenden Begriff. Der Begriff Genozid, zuerst eine Trotzreaktion, hat aber eine eigene radikalisierende Wirkung. Muss man nicht mit jedem zusammengehen, wenn es um einen Genozid geht? Sind die Bedenken, die man hat, nicht schäbig und klein, ja reine Befindlichkeiten?

Daraus kann, aber muss nicht, eine zerstörerische Dynamik werden, wie wir sie von früher kennen. Dann wird es einige über die Grenzen, die sie sich normalerweise selbst setzen würden, wegtragen. Andere werden versuchen, besonnener zu sein, aber sich der sozialen Szenedynamik ergeben müssen. Eine dritte Sorte wird ganz aus der Szene gedrängt werden.

Dem Problem an die Wurzel zu gehen dagegen wird niemand ein Motiv haben, so dass sich das Elend in die nächste Epoche weiterschleppen wird. Wir sind nicht sicher, ob es wahr ist, was die Postmodernen sagen („das Prolatariat hat kein Gedächtnis“), aber die Linke hat anscheinend keines und vergisst regelmässig alles, was sie mühsam gelernt hatte.

4. In der Realität wird alles weitergehen wie gehabt. Von der internationalen Logik des Kriegs macht man sich so wenig einen Begriff wie von der der Krise.

Die Begriffe, die man sich stattdessen macht, sind anachronistisch, eine neue nakbah werden die arabischen Mächte nicht zulassen, und die sind de facto die Verbündeten Israels. Der iranische Angriff hat ein informelles arabisch-israelisches Verteidigungssystem gezeigt. Dieses Bündnissystem ist die reelle Sicherheitsgarantie das Landes. Die Integration Israels in die arabische Welt wird nicht unterbrochen werden. Auch ein Umsturz in den arabischen Staaten würde das nicht mehr ändern. Wir wissen es, weil wir es gesehen haben.

Die Illusion einer Zwei-Staaten-Lösung wird aufrechterhalten werden, notfalls durch eine bosnische Lösung unter Führung der arabischen Liga. Die Sackgasse, in die die palästinensische Nationalbewegung vor langer Zeit gelaufen ist, wird dann von den Mächten des status quo gemeinschaftlich verwaltet werden.

Eine grundlegende Veränderung würde einen anderen Weg gehen müssen. Die heutige palästinensische Führung wird ihn nicht gehen, er würde den Verlust ihrer Macht bedeuten. Die „palästinensische Linke“ der 1960er, bis heute die offizielle Führung der PLO, sind nicht nur die Erben der traditionellen Oberschicht, sie sind meistens real ihre Nachkommen (das Hockommen einer neuen Führung in den 1980ern haben sie erfolreich verhindert). Sie haben von ihnen die Selbsttäuschungen und die strategischen Fehler geerbt. Sie sind genau an demselben Problem gescheitert: sie haben nicht begriffen, dass die Juden im Land bleiben werden, weil sie nirgendwo anders haben, um hinzugehen.

Ein ums andere Mal hat die westliche Linke die verhängnsivolle Rolle gespielt, sie genau in diesem Irrtum zu bestätigen. Und ihre Bestätigung hat Gewicht gehabt. Ihre Zuneigung entscheidet darüber, welche palästinensischen Stimmen gehört werden und welche untergehen. Und die westliche Linke hat keine Idee ausser der, dass der Westen das einzige ist, was handelt.

Hier ergänzen sich zwei Dummheiten und führen zur Katastrophe. Die palästinensische Bewegung hatte immer zwei Möglichkeiten, sie hat die eine davon nie genutzt und nie nutzen können, weil sie von der anderen übertönt wurde, die mit westlicher Unterstützung den Sieg davongetragen hat. (Ja, mit westlicher Unterstützung. Die westliche Linke ist ein Teil des Westens. Gewöhnt euch dran.)

Das letzte Mal vor 20 Jahren, nach dem Scheitern der sogenannten „zweiten Intifada“, dieser zentral geführten Mordkampagne, die mit der ersten Intifada nur den Namen gemeinsam hat. Nach dem Scheitern dieser sinnlosen Mörderei hörte man eine Weile, erst leise, dann lauter, Stimmen, die eine von Grund auf andere Strategie verlangten: eine gewaltlose Bewegung für Bürgerrecht und Wahlrecht im israelischen Staat.

Es hat nicht lang gedauert, bis dieser Gedanke übertönt worden ist von der neu entwickelten neuen genialen Idee der alten Führer: BDS. Diese Strategie lebt von genau denselben falschen Annahmen wie die alte Gewaltstrategie: von der Annahme, dass Israel im Kern ein Projekt des Imperialismus sei. Die Idee, die der BDS-Kampagne zu Grunde liegt, ist, den „Westen“ zur Aufgabe seines „siedlerkolonialistischen“ Projekts zu bewegen. Das ist nichts anderes als die neueste Stufe des alten Missverständnisses. Wenn Israel eine westliche Kolonie ist, wo ist das Mutterland? Ich kann mir nichts eurozentrischeres Denken.

Die BDS-Kampagne spielt wieder, bewusst oder unbewusst, den Ball zum Westen. Man tut, als ob der Westen die handelnde, sogar die einzig handelnde Instanz wäre. Man nimmt damit der palästinensischen Bevölkerung jeden Einfluss auf ihr eigenes Schicksal. Im Westen dürfen dann die dortigen Parteien den Konflikt als Stellvertreterkampf unter einander ausfechten: die immer gleiche alte Geisterschlacht. Es wird nichts dabei herauskommen.

Die westliche Linke, der nichts anderes einfallen will, ist mitschuldig an dieser Misere. No one is innocent. Im Grunde stützen sich zwei gescheiterte Führungen gegenseitig, die palästinensische und die der westlichen Linken. Beide sind mitschuldig an diesem Desaster.

Das Scheitern der Linken des 20. Jahrhunderts reisst immer noch ganze Völker in den Abgrund.

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Ein Dilemma im Kritikbegriff

Wer sich mit den Wahnideen dieser Gesellschaft befasst, wird zwei Wege vor sich sehen.

Der eine Weg ist der, der sich in einzelnen Gesprächen auftut. Man hat es dort mit einzelnen, unterschiednen Menschen zu tun, die versuchen, ihre eigene Erfahrung in der Welt in die Form der vorherrschenden Ideen zu bringen. Schon die Frage, warum sie das tun, wird Gegenstand des Gesprächs sein. Sie werden finden, dass die vorherrschenden Ideen zu ihren Erfahrungen nicht vollkommen passen, aber sie werden sich abmühen, sie trotzdem zu benutzen. Es wird hinten und vorne nicht ausreichen, und sie werden nicht zufrieden sein. Sie tun es, wie jemand versucht, sich bei Regen unter den Schutz eines zu kleinen Vordachs zu quetschen.

Man wird schnell herausfinden, dass es wenig hilft, sie für diese sinnlose Übung zu tadeln. Noch weniger hilft es, ihnen den handfesten Unsinn der vorherrschenden Ideen vor Augen zu führen. Sie werden einen verständnislos ansehen: sie fühlen sich nicht gemeint, sie kleiden nur ihre eigenen Gedanken in die fremden Begriffe, aber sie vermuten nicht, dass in diesen eine eigene Logik wohnt, noch weniger fühlen sie sich für diese verantwortlich. Man muss sie schon bei ihren eigenen Gedanken selbst aufsuchen. Man muss sie als menschliche Erfahrung ernst nehmen, man muss sich auf sie einlassen. Es ist eine sokratische Operation; man wird viel finden, das man für unwahr hält, und es unangefochten liegen lassen, um es herum gehen, weiter voran schreiten. Man muss vieles nicht sagen, was es uns drängt zu sagen; im Vertrauen darauf, dass es sich an einem anderen Punkt wegaufwärts von selbst finden wird. Und das wird meist nicht der Fall sein. Es ist keine Arbeit, die wir gut können oder gern tun. Man muss auch Menschen viel mehr mögen, als wir es tun.

Der andere Weg, den man gehen kann, ist gerade entgegengesetzt. Er besteht darin, herauszukriegen, worauf die Ideen dieser Gesellschaft hinauslaufen. Man muss sie erst in eine Form bekommen, die es erlaubt, ein Urteil über sie zu fällen. Bei diesem Verfahren muss man gerade das Unwahre aufsuchen, denunzieren, es ins grellste Licht rücken. Man muss es zusammenfassen, zu einer Totalität des Unwahren montieren. Niemand wird sich in dieser Monstrosität wiedererkennen, aber es ist für jeden ein kleiner Pfeil darin, der ihm zeigt: hier, am Ende dieses Pfeils in diesem Universum des Wahns, da bist du und deine Meinung, ein kleines Rädchen im Getriebe des Unheils.

Dieses Verfahren war früher beliebter, und es liegt Leuten wie uns näher. Es hat aber den Nachteil, das es meistens völlig schiefgeht, weil niemand sagen kann, ob die Konstruktion dieser Totalität wahr ist, oder nur aus der Projektion des eigenen Wahns ausgeführt ist. Dieser zweite Weg ist viel weniger nah am Material; er ist eigentlich spekulativ. Denn ob die Kritik die herrschenden Ideen wirklich trifft, oder anders gesagt ob sie richtig herausfindet, welche es sind und wie sie zusammenhängen, steht nicht im Vorhinein fest.

Das einzige Wahrheitskriterium der Kritik ist die Wirkung, die sie tut, nämlich die Krise provozieren. Sogar ob es so etwas überhaupt gibt, ist nicht von vorneherein erweisbar. Für den Kritikbegriff, dem wir anhängen, ist es ein Postulat. Eigentlich müssen dazu beide aufgezeigten Wege zu einem zusammenfallen.

Man kann nicht einfach davon ausgehen, dass beides zusammenfällt. „Wahrheit ist objektiv, nicht plausibel“. Schon gar nicht ist von der Ideologiekritik aus diese Position zu finden. Sie riskiert, ein Konstrukt zu bleiben. Der Boden, auf dem ihre Sätze erprobt werden müssen auf ihre Resonanz hin, vielleicht sogar gefunden werden müssen, ist der des anderen mühsameren Weges; sie müssen dann allerdings in eine andere Form gebracht werden, so dass sie die herrschenden Ideen nicht nur gelegentlich und im Vorbeigehen berühren, sondern sie müssen allgemein werden. Wie diese Verallgemeinerung zu denken ist, ist eine andere Frage. Sie wird kaum aus der Leistung des einzelnen theoretisierenden Verstands hervorgehen, sie wird Selbst-Verallgemeinerung sein müssen.

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News unterm Radar VIII

Etwa Mitte April hat sich an der Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität in Moskau hat sich eine Initiative gegründet, sie sich einer geplanten Neugründung eines Schulungszentrums, welches den Namen Iwan Iljins tragen und von einem gewissen Alexandr Dugin geleitet werden soll. Es wurde bereits berichtet. Ja, „Putins Lieblingsphilosoph“, ein ausgezeichneter Hegelkenner und bekennender Christ, hatte eine Affäre mit dem historischen Faschismus während seiner Zeit im europäischen Exil. In der „weißen russischen Emigration“ damals allerdings nichts Ungewöhnliches, wie wir Proletarier sagen. (Ich jedenfalls würde von „Gewaltsamer Widerstand gegen das Böse“ nicht abraten, ist eine stabile Antwort auf den dogmatischen Pazifismus Leo Tolstois, aber innbrünstig anempfehlen würde ich es auch nicht). Manchen Leuten an der Fakultät wurde das zu viel des Guten auf ein Mal, sie haben sich zusammengeschlossen und losgezogen – gegen die Faschisierung der Lehre und für Demokratisierung der Strukturen an der Uni. Die Wahl der Mittel war allerdings so skurril, dass es Freunde wie Feinde ein wenig ratlos machte. Den möchte-gern Staatsphilosophen Dugin hat man gleich beim Namen genannt, der unterstellte der Initiative einfallslos, aus der Ukraine gesteuert zu werden. Dafür hat man ihm ein Zitat aus seiner 2010 erschienen Studie über eine „explizit russische“ Heideggerleseweise unter die Philosophennase gehalten, wonach Iljin eigentlich ein im Geiste sehr preußischer, sprich ein un-russischer Depp gewesen sein soll. Schlimmer hat es die sogenannten Kommunisten und andere Redcons im Establishment erwischt: sie finden es richtig, aber dürfen es nicht sagen. Im (medialen) Krieg gegen die Ukraine (und den sog. Westen) wird je nach dem, was für Publikum bearbeitet werden soll, der besagte „Widerstand gegen das Böse“ oder der Großer vaterländische Krieg bemüht, die Rostroten würden die rechtsklerikale Konkurrenz im Staatsapparat schon gerne beseitigen. Sollen Iljin und Dugin Faschos sein, wie sieht es aus mit seinem allseits bekannten Fanboy, der 2009 angeblich aus eigener Tasche einen neuen Grabstein bezahlt und sich um seinen schriftlichen Nachlass gekümmert hatte? In welches Licht stellt das die sog. „militärische Spezialoperation“? Manche prominenten Unterstützer der Kampagne lassen sich nicht mehr so einfach als ukrainische Agenten abstempeln, haben sie sich doch in den letzten zehn Jahren durch die Unterstützung der Donbas-Separatisten hervorgetan; sie drohen nun mit der Staatsanwaltschaft. Die Dumaabgeordneten schicken Anfragen und fordern Aufklärung. Der Dekan Besborodow kann 20000 Unterschriften nicht ignorieren, hält einen Vortrag über Iljin, um Unklarheiten unter Studierenden zu beseitigen, weigert sich aber, zu politischen Ansichten Iljins inhaltlich Stellung zu beziehen. Vor allem aber: wer wird es dem Hauptfanboy Iljins ins Gesicht sagen, dass er vor lauter Antifaschismus mit Vorliebe einen Faschisten zitiert? Alle sind am rudern und springen im dialektischen Dreieck.

Lenin oder Iljin: „Wer ist hier Patriot?“

Kurzum, das Trolling ist so fett, dass es sehr fein wird; bzw. es ist so fein, das es richtig fett wirkt. Was wiederum bedeutet, dass das Trolling sehr gelungen ist. Diese Schlussfolgerung könnte so im Dialektiklehrbuch von irgendeinem Klassiker des Marxismus-Leninismus stehen oder wenigstens in Bertold Brechts „Me-Ti, Buch der Wendungen“. Das Problem mit dem wissenschaftlichen Sozialismus, welches bereits unzähligen Generationen seiner AnhängerInnen das Herz gebrochen und sie in Arbeitslager geführt hatte, ist jedoch, dass man nichts, nicht ein mal seine angebliche Wissenschaftlichkeit leichtsinnig glauben darf. Also bin ich der Sache etwas näher nachgegangen und festgestellt, es ist alles viel trivialer.

Die Initiative kommt zwar aus der Uni, sie wurde aber nicht von sogenannten Redcons gekapert, sondern von den nämlichen Redcons auch ins Leben gerufen. Ja, von der Jugendorganisation der KPRF an der Uni. Genauer gesagt, von der LKSM – ihr wisst schon, der pseudo-unabhängigen Nachfolgerorganisation der WLKSM, sprich der Komsomol, die sich 2011 nach der ausdrücklichen Erlaubnis von Lenins Nichte, Olga Uljanowa, eben in LKSM RF unbenannt hatte. Man merkt, das Trolling ist hier gelebte Tradition, das Organisationsprinzip und die Vorzugswaffe der geistigen Auseinandersetzung in Einem. Die dialektische Betrachtungsweise bringt uns also immer weiter, wir müssen bloß in periodischen Abständen mit dem Blaumannärmel die Freudentränen aus den proletarischen Augen wischen. Weiterlesen

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Mit Linken reden

Es macht sehr unterschiedlich Freude, mit „Linken“ zu reden; je nachdem auch, was für Linke es sind. Je mehr es gewöhnliche Leute sind, oder sich daran erinnern, dass sie es sind, desto fruchtbarer und interessanter ist es; je mehr sie allerdings sich an die „Einsicht“ klammern, die laut Manifest „die Kommunisten“ den übrigen Arbeitern voraus haben, desto mehr wird eine eigenartige Verengung und Verhärtung des Denkens spürbar, die ein Gespräch am Ende so ergiebig macht wie eins mit der Wand.

1
Sie halten das für ein Zeichen des Erfolgs, weil es sie standhaft bleiben lässt gegenüber dem Versucher; in diesem Fall gegenüber uns, die wir zweifellos suspekt sind (und zu bleiben hoffen). Was sie übersehen, ist nur die Kleinigkeit, dass dieselbe Erfahrung jeder beliebige andere auch machen wird, der auf den Gedanken kommt, mit ihnen reden zu wollen. Er wird Leute treffen, die von einer fixen Idee völlig eingenommen zu sein scheinen, und mit denen ab einem bestimmten Punkt kein vernünftiges Wort mehr zu reden ist. Er wird sich hüten, ihnen das ins Gesicht zu sagen, sondern er wird seine eigenen Schlüsse ziehen; und genau so kommt die Realität zu Stande, die sie sich abmühen zu begreifen, dass sie unter Leuten, die so „offen“ für „linke Gedanken“ zu sein scheinen wie nie, trotzdem isoliert bleiben.

Es ist die Form „Politik“ selbst, ein Schatten der Form „Staat“, die Linke so hartköpfig macht. Es ist selbst im strengen Sinne keine Klassenfrage; man findet dieses Syndrom deshalb nicht nur unter den „Intellektuellen“, sondern auch unter ausgesprochenen Arbeitersekten. Es ist dort nur nicht fest im Klasseninteresse verankert; es erhält sich im Gegenteil deswegen, weil die eigene Öffentlichkeit und eigene Organisation der Arbeiter schmerzlich als unzureichend empfunden werden. (Sie sind es auch, sonst sähen die Dinge anders aus; aber einen Ersatz gibt es trotzdem nicht, er wird zurückgewiesen werden.)

Denn sie glauben und müssen glauben, dass von ihnen, den „klassenbewussten Kommunisten“, eine Antwort erwartet wird; ein Politikangebot. Sie sind klarsehend genug, um zu sehen, was mit all den „Politikangeboten“ zu Zeit passiert, aber sie ziehen daraus nicht den Schluss, dass dasselbe Schicksal alle „Politikangeboten“ erwartet. Ihnen ist die Alternative klar: dass der Widerstand der Klasse von einer chaotischen, amorphen, unorganisierten Arbeiterschaft ausgehen wird. Diese Aussicht flösst ihnen kein Vertrauen ein, und wir verstehen warum. Auch uns nicht; aber wir wissen, dass immer so war und nie anders sein kann.

2
Diese Verhärtung und Verengung lässt sich natürlich nirgends so gut beobachten wie in Diskussionen um die gegenwärtigen Kriege, vor allem den in Ghaza. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis die Partei-Linie zustande gekommen ist; und man sieht ihr die Mühe an, die es kostet, sie aufrechtzuerhalten.

Der Angriff der Hamas am 7.10. ist nicht abstreitbar, und er reisst ein tiefes Loch in die gewohnte Argumentation. Wir reden hier nicht von den Verrückten mit den Gleitschirm-Aufnähern; für die ist der Sachverhalt ganz einfach. Die Sorte von Leuten, von denen wir reden, kann da nicht zustimmen; ihre Tragik besteht gerade darin, keine Begriffe dafür zu haben, wie sie widersprechen können.

Also versucht man z.B. auf den Kontext hinzuweisen, in dem der Angriff stattgefunden hat; die Jahrzehnte der Besatzung, usw. Nur steht dieser Kontext wiederum in einem Kontext, nämlich die arabischen Kriege gegen Israel und spätestens seit 25 Jahren der iranische Einfluss. Also geht man auf den vermeintlichen Ursprung zurück, und das ist „der Imperialismus“. Damit hat man sicheren marxistischen Boden unter den Füssen.

Der Versuch, die Geschichte Israels mehr oder weniger in den Imperialismus einzuordnen, ist allerdings völlig zum Scheitern verurteilt. Wenn Israel eine „Siedlerkolonie“ sein soll wie Algerien, wo ist das Mutterland? Die Algerienfranzosen sind nach dem Sieg der FLN nach Frankreich gegangen. Aber die Algerienfranzosen sind auch nicht als Flüchtlinge vor den Franzosen ins Land gekommen. Die Frage, von wo die Israelis eingewandert sind, führt unweigerlich aufs Dritte Reich; und man wird natürlich auch den Hitlerfaschismus auf den Nenner des Imperialismus bringen wollen.

Die „Antideutschen“ haben es meistens verschmäht, so kleinteilig zu argumentieren. Aber das heisst nicht, dass diese Einwände sich nicht geltend machen; und sie tun es, indem die die Argumentation dessen zerrupfen, der versucht, über die hinwegzugehen.

Das selbe mit der Geschichte der palästinensischen Revolution. Man kann nicht zugeben, dass die Führung der palästinensischen Bewegung ihre Sache ein ums andere Mal in den Sand gesetzt hat, weil sie von der Idee geblendet war, in Palästina dasselbe hinzubekommen wie in Algerien. Erstens sieht man selbst keinen anderen Weg, als sich von dieser Idee blenden zu lassen, zweitens, wo käme man hin, wenn die Führung der Revolution irren könnte und noch dazu so grausam irren könnte.

Diese Führung hat es dahin gebracht, das Erbe der ersten Intifada zu verspielen und die palästinensische Sache dahin zu bringen, dass sie als Kanonenfutter für den Iran taugte. Ein kritisches Wort dazu fällt ihnen nicht ein.

3
Noch schlimmer wird es bei den Sachverhalten, die auf die Einmischung des Iran zurückgehen. Die Hand des iranischen Regimes war bei der sogenannten zweiten Initfada schon spürbar. Sie ist es heute noch viel mehr.

Der Angriff vom 7.10. macht vom national palästinensischen Standpunkt aus keinen Sinn. Dass er den Krieg über Ghaza bringen würde, was von vorneherein klar. Er macht nur in dem einen Zusammenhang Sinn, nämlich dass von innerhalb des iranischen Bündnissystems versucht wird, dieses gesamte Bündnissystem in den Krieg hineinzuziehen. Man betrachte als historische Parallele zb den Mukden-Zwischenfall; mit diesem hat eine Fraktion des japanischen Militärs ihr Ziel erreicht, Japan in einen offenen Krieg zu bringen.

Wenn man der eigenen Lehre treu bliebe, müsste man hier konkurrierende Imperialismen sehen. Damit löst sich aber die mühevoll errungene Theorie auf, „den Imperialismus“ als Hauptschuldigen auszumachen; und diese Theorie als einziges erlaubt es, hier das „Hauptfeind„-Argument zu bringen.

Die iranische Kriegspolitik nach aussen entspricht vollkommen der Unterdrückungspolitik gegen die eigene Bevölkerung. Die Aufstände der Arbeiter und Frauen im Iran haben der westlichen Linken unmöglich gemacht, diese Unterdrückungspolitik zu ignorieren. Viel zu deutlich ist der Zusammenhang. Gleich zweimal kann man also nicht zulassen, dass zu dem „Kontext“ des Angriffs der Iran gerechnet wird.

4
Was also soll der wackere Streiter tun? Wir beobachten hauptsächlich zwei Verläufe. Sie hängen eng mit der subjektiven Ehrlichkeit zusammen. Die Ehrlichen lassen sich, wie zur Probe, für ein paar Sätze auf die Logik des Gegenstandes ein, ehe sie an die Grenze stossen, wo ihre Parteidoktrin ins Wanken geraten müsste. Man spürt dann, selbst wenn man z.B. auf Twitter sich unterhält, eine Gedankenpause. Ein Moment des Innehaltens, wie wenn jemand sich denkt: aber wohin führt das? Nein, das kann nicht richtig sein. Und darauf folgt dann wieder ein Tweet, wo drinsteht: das ist übrigens nicht richtig, sondern richtig ist das Gegenteil.

Man spürt die Anstrengung, die Gedankenarbeit, die dazugehört, zum vorschriftsmässigen Ergebnis zu kommen. Es ist das, was man „politisches Denken“ nennt: die Gedankenanstrengung, das Denken einzustellen, damit man an dem verabredeten Punkt zum Stehen kommt.

Es gibt auch noch eine andere Sorte. Diese schmeicheln sich vielleicht, die grösseren Denker zu sein, weil sie viel weniger Umstände machen. Sie lassen sich gar nicht, nicht einmal zur Probe, auf die Logik des Gegenstands ein, sondern ersetzen sie von Anfang an mit der Logik ihrer Parteidoktrin. Das erlaubt ihnen, von Anfang an viel selbstsicherer aufzutreten. Nichts bringt sie aus der Ruhe: alles, was sie anficht, ist Teil des „rechten Kulturkampfs“.

Der Vorteil dieser Logik, die völlig wahnsinnig aussieht, ist offenkundig. Man muss sich nicht um innere Kohärenz mehr scheren, um zu definieren, auf welcher Seite man steht; sondern diese Arbeit macht das Selbstgespräch der Gesellschaft schon für einen, es kaut und verdaut die verschiedenen Ideologeme und sortiert sie den einzelnen Parteien zu. Man muss nur die einigermassen wahllos einem zugeworfenen Ideologeme auch noch glauben.

Oder man muss zumindestens so tun, als ob man sie glaubt. Diese sehr bequeme Haltung ermöglicht eine fast schrankenlosen Flexibilität. Sie ermöglicht einem, die widersprechendsten Standpunkte aneinanderzuleimen und an jede, aber wirklich jede Bewegung sich heranzumachen: man hat für alle etwas im wahllosen Angebot, und an nichts muss man wirklich glauben als nur an die eigene revolutionäre Sendung. Der Triumph des revolutionären Willens manifestiert sich im erbärmlichsten Opportunismus, der allen hinterherrennt und keinen einzigen eigenen Gedanken hat.

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Die Reste der „Antideutschen“, wo sie noch bestehen, wollen hier durchaus „Antisemitismus“ sehen und sonst gar nichts. Auch diese machen es sich einfach; sie möchten gerne noch einmal auf demselben Pferd in die Schlacht reiten wie damals von zwanzig Jahren, und sie versuchen, nicht zu bemerken, dass ihnen das Pferd schon längst gestohlen worden ist. Daher die traurige Figur, die sie machen.

Wir halten das für nachgerade irre. Man kann prinzipienfest draufhauen und doch immer nur danebenhauen. Man baut damit nichts auf als einen riesigen und selbst wahnhaften Begriffsapparat, der zuletzt in den Besitz des Staats übergehen wird. Den Staat und seine Kopflanger muss es nicht stören, ob diese „Kritik“ trifft. Uns schon. Ihnen reicht es, zu denunzieren; wir sind darauf angewiesen, zu verstehen.

Wenn man des Gesamtschaden anschaut, sieht man etwas ganz anderes. Wer nicht willens ist, ihn mit kommunistischen, d.h. revolutionären Begriffen zu kritisieren, soll es bleiben lassen; wir haben gesehen, dass solche Leute gut genug sind für Springer, Nius oder für die Antonio-Amadeu-Stiftung. Wir können sie nicht brauchen.

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The Great Misinterpretation

Ergänzend zu er neulich dokumentierten ungewöhnlichen Ansicht empfehlen wir beiden, den unseren und den anderen, diesen Vortrag hier. Er ist nicht 25 Jahre alt, sondern einen Monat. Er hat den Vorzug, quer zu den heute noch üblichen Parteimeinungen zu laufen, was ihn in unseren Augen sehr empfiehlt.

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Über die Parole: Der Hauptfeind steht im eigenen Land

Die Internationale vor 1914 hielt sich für eine Garantin gegen den Weltkrieg. Als der Weltkrieg da war, hielt sie keine drei Tage stand. Die Revolutionäre waren auf sich alleine gestellt. In dieser Lage wurde die Parole „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ aufgebracht, als Zusammenfassung, Abkürzung dessen, wofür der Internationalismus in den Augen der Revolutionäre zu stehen hat.

Wofür die Internationale in den Augen der weniger revolutionären Richtungen stand, wäre eine interessante Frage. Sie war wohl auch eine Art internationaler Clearing-Stelle für die einzelnen sozialistischen Parteien, die mit ihren Heimatstaaten und deren aussenpolitischen Ansprüchen auf bestimmte Weise verwachsen waren. Ihr Anspruch, einen innereuropäischen Krieg notfalls durch Massenbewegungen zu verhindern, gab ihr den Schatten einer gewissen Macht; sie wurde wohl eine Weile als eine Art sozialistischer Völkerbund angesehen, von der bürgerlichen Politik wahrscheinlich sogar als Stabilitätsfaktor in Rechnung gestellt.

Die Idee, für den Internationalismus eine Organisation zu schaffen mit einem eigenen Büro, einem Apparat und politischen Gremien, hat sich offenbar 1914 nicht genug blamiert, und sie ist später noch ausprobiert worden. Vor allem die sogenannte Dritte Internationale hat einen gewissen Einfluss und Fame erreicht; sie hat die Idee auch wohl endgültig diskreditiert. Sie ist berüchtigt für ihre wild sich ändernden Direktiven, aus denen der Revolutionär sehen sollte, welche auswärtige Macht er jetzt zu unterstützen habe; Direktiven, die aus der Berechnung des Apparats und nicht den Bedürfnissen der Massenbewegung hervorgingen, und die die Bewegung desorganisiert und oft genug in die Katastrophe geführt haben.

Die Massenbewegung bringt aus sich keinen solchen Apparat hervor und sie verträgt auch keinen, sie braucht einfache und klare Kriterien, die quasi selbstausführend sind. Berechnungen, die keine Spezialisten erfordern, sondern die jederzeit von allen vorgenommen werden können, deren Ergebnisse leicht mitteilbar und begreifbar sind. Sie müssen einer Bewegung, die über verschiedene kämpfende Staaten verteilt ist, einen getrennten, aber gemeinsamen Weg zeigen, auch wenn diese Bewegung keine zuverlässige Weise der Kommunkation untereinander hat und voneinander völlig getrennt ist.

Das Problem an der Parole „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ ist nur: sie tut die Arbeit nicht, die sie tun soll. Sie ist an sich sehr richtig, aber sie ist nicht zuverlässig ausführbar. Nehmen wir die Ukraine. Was ist die Pflicht des Revolutionärs? Er kann in Versuchung sein, auf eigne Faust Weltpolitik zu treiben, und sich entweder einbilden: die Niederlage des Putinismus ist die Voraussetzung für die Weltrevolution, oder aber die Niederlage der NATO. Wir kennen beide Sorten, und wir fürchten, es führt beides nicht zur Weltrevolution, sondern zum Sieg eines der beiden Blöcke.

Oder aber er erinnert sich an die alte Parole und stellt sich die unausgesprochene Vereinbarung vor Augen, die darin liegt. Und wir halten diese unausgesprochene Vereinbarung für sinnvoll, gut und ausdrücklich für bindend. Also wird er vielleicht überlegen: was treibt eigentlich „mein“ Staat für eine Politik, was für Interessen verfolgt er, und wie trete ich ihm entgegen? Und er wird schon beim ersten Schritt stolpern.

„Der deutsche Imperialismus verfolgt“ dieses oder jenes Ziel. Woher weisst du das denn so genau? Ihm selbst ist das keineswegs von vorneherein so klar. Die „Interessen“ irgendeines Staats stehen ja nicht in irgendeiner Steintafel eingemeisselt, sondern es gibt einen Haufen einander völlig widersprechenden Interessen. Wenn „der ideelle Gesamtkapitalist“ so einfach klar definierte Interessen hätte, denen er einfach mechanisch folgen könnte, dann nähme er gar nicht erst die Form eines derartigen Staatsapparats an.

Was „das Staatsinteresse“ ist, ergibt sich aus dem Machtkampf der einzelnen Zweige des Staatsapparats, die wiederum verbündet sind mit verschiedenen wirtschaftlichen Interessen usw., und dieser Machtkampf wird mit allen Mitteln geführt, unter anderem über die Öffentlichkeit, und der Revolutionär ist nur ein Teil dieser letzteren.

Deutschland z.B. hat historisch zwei Optionen gegenüber Russland, nämlich erstens Osteuropa untereinander aufzuteilen, oder Krieg, und zwar gewöhnlich erst das eine, dann das andere. Die erste der beiden Optionen wird unter dem Handelsnamen „Frieden“ verkauft, es ist Frieden von der Sorte, der zum Krieg führt. Die Zeitdauer, bis man vom einen zum anderen umschwenkt, variiert zwischen 2 und 110 Jahren.

Die Idee, die Ukraine aufzuteilen, gilt heute aus irgendeinem Grund nicht als besonders imperialistisch. Eine solche Aufteilung würde die Vormacht Deutschlands in der EU wahrscheinlich befestigen: die osteuropäischen Staaten müssten sich fester an Deutschland und Frankreich binden. Ist von einer solchen Aufteilung eine „dauerhafte Friedenslösung“ zu erwarten? Nein, sondern sie würde den Boden legen für eine zukünftige direkte Konfrontation.

Die Parole, über die wir reden, bringt hier überhaupt keine Klarheit. Auch ein Apparat, wie die Internationale es war, würde es nicht besser machen: sie käme vielleicht nach gewundenen Überlegungen auf eine Strategie, aber diese Strategie würde nur befolgt, wenn man die Internationale mit dem religiösen Schein der Unfehlbarkeit umgäbe. Zuletzt würde sie genauso unberechenbar, wie die Apparate, die die Interessen der Staaten bestimmen: ihre Direktiven wären Ergebnis ihrer inneren Machtkämpfe.

Die Parole: Der Hauptfeind steht im eigenen Land! wurde von Liebknecht proklamiert in einem Moment der grössten Isolation. Sie war dazu gut, die zuschanden gegangenen Revolutionstheorien der Vorkriegszeit zurückzuweisen. Die deutschen Sozialisten glaubten, die Arbeit des Weltgeistes zu tun, wenn es gegen den Zarismus ging, die französischen, wenn es gegen die Hohenzollern ging; Kropotkin und Plechanow sahen das Deutschen Reich als Agenten des Vordringen des Kapitals nach Russland; jede Macht vertritt real gegen die anderen Mächte das schlimmere, aber man hat sich aller zu erwehren, und man fängt mit der an, die man vor der Nase hat.

Aber viel weiter kommt man damit nicht. Das mächtigere Bild wäre wohl damals schon das Porträt einer Guillotine und zweier gekrönter Köpfe gewesen, des fremden Kaisers und des eignen. Und vermutlich ist auch heute nicht die isolierte, verfolgte, orientierungslose Opposition von 1915 die Parallele, die man zeigen sollte, sondern die bewaffnete von 1917 und 18.

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„Syrianization“

Vor Jahren hat Yasin al-Haj Saleh das Wort „Syrianization of th world“ geprägt. Der syrische Krieg, die Niederschlagung der syrischen Revolution werde dem Verlauf der kommenden Geschichte ihren Stempel aufdrücken. Die Welt hat die syrische Revolution im Stich gelassen, sie hat ihre Niederschlagung hingenommen (die Fassbomben, die Städtebelagerungen, den Artilleriebeschuss, die Aushungerung, das Sarin). Sie hat nicht nur so getan, als ginge es um „innere Angelegenheiten“; nein, sie hat dankbar die Lüge geglaubt von der abwechselns islamistischen oder imperialistischen Verschwörung, die hier niedergeschlagen werden müsste.

Je gewaltsamer die Konterrevolution, desto mehr musste die unplausible Lüge eingehämmert werden. Sie deformiert das Denken. Die stumpfe Wiederholung der Greuel erzeugt eine passive Gewöhnung. Eine Gleichgültigkeit kann aber, egal was die Bürger sich erhofft haben, niemals eintreten. Man konnte nicht einfach tun, als existierte das alles nicht. Wer es ignorieren wollte, musste sich und andere belügen; musste mittun.

Die „Syrianization of the world“ ist der Eintritt in eine Epoche, in der dieses und ähnliches geschehen kann und ständig geschehen wird. Wir erleben es täglich und werden noch mehr erleben.

Diejenigen, die sich damals belogen haben, haben mit dem Finger vage in die Richtung der Gotteskrieger gezeigt: schaut her, es sind also doch alles Islamisten. Sie haben angestrengt so getan, als wäre die syrische Opposition nichts anderes als al Nusra und Daesh. Aber wo die syrische Revolution heute noch nicht von Assads Waffen unterworfen ist, sieht man den Widerstand gegen al Nusrah noch heute, wenn man ihn denn sehen will.

Dieselben, die uns zuerst erzählt haben: die Proteste sind aus dem Westen gesteuert, haben uns danach erzählt: Amerika bezahlt und bewaffnet die FSA. Diese Lüge ist leicht zurückzuverfolgen zu einer gewissen Regionalmacht, die gleichzeitig Marionettenarmeen in Luhansk und Donetsk aufbaute und unmarkierte Uniformierte auf der Krim kommandierte. Aber geglaubt wurde die Lüge dankbar.

Die FSA, die ganz offensichtlich von niemandem bezahlt und bewaffnet worden war, ging sehr bald ruhmlos unter und wurde verdrängt von al Nusrah, die ganz offen von Qatar und der Türkei unterstützt worden ist, und später Daesh. Niemand kümmerte sich um das Geschwätz von gestern, und jetzt hatte man den Vorwand, zu sagen: schaut hin, etc.

Dass es in Syrien überhaupt so weit gekommen ist, dass die Islamisten den Gang der Dinge zumindestens militärisch beherrschten, ist eine Katastrophe. Alle die, denen die Revolution am Herzen liegt, hätten gut daran getan, hinzusehen. Jede heutige Revolution kann in eine ähnliche Richtung gehen; die Islamisten sind eine lokale Variante des Faschismus, aber vergleichbares wird sich überall zusammenfinden. (Ist das ein Argument gegen die Revolution? Man macht Revolutionen nicht aus Lust und Laune, sie geschehen nur da, wo sie unvermeidbar geworden sind, und sie kümmern sich wenig um Argumente. Wer anderes glaubt, soll einmal versuchen, durch Argumente eine herbeizuführen. Ich wüsste auch Argumente z.B. gegen die Schwerkraft. )

Das Zeitalter, in dem wir jetzt leben, ist duch den syrischen Krieg eröffnet worden. Alles, was dort geschehen ist, wird auch anderswo geschehen, der Reihe nach und immer wieder. Und die Bürger als blosse Beobachter sind darauf reduziert, unter den angebotenen Reaktionen diejenige auszuwählen, die am ehesten dem entspricht, was für Menschen sie gerne wären.

Wem von der Belagerung von Ghoutah nichts hören wollte, kann sich heute über die Belagerung von Rafah empört zeigen. Wer al Nusrah für ein Argument gegen die syrische Revolution hielt, kann heute die Schultern zucken, wenn es um den 7.Oktober letzten Jahres geht, und sagen: So sieht Dekolonisierung eben aus. Wer vor zehn Jahren Assad für einen grossen Staatsmann gehalten hat, kann heute Netanyahu für einen Schlächter halten.

Früher warf man der Gegenseite vor, Morde gegeneinander aufzurechnen, heute rechnet man noch nicht einmal mehr auf. Es wird geredet, als ob das alles gar nicht stattfände. (Die Dinge vor zehn Jahren sind sowieso vergessen.)

Künftige Historiker werden einmal an diesem Zeitalter studieren, wie aus niedergeschlagnen Revolutionen die Materie für Weltkriege entsteht. Der Zyklus von 2010 rächt sich. Es hätte alles anders sein können.

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Aus Argentinien: Stellungnahme der ehem. besetzten Betriebe

STATEMENT OF THE GATHERING OF THE WORKERS‘ ECONOMY IN VIEW OF THE MILEI GOVERNMENT’S OFFENSIVE AGAINST COOPERATIVES  IN ARGENTINA

From the Encuentro Economía de los Trabajadores y Trabajadoras (Gathering of the Workers’ Economy), formed by recuperated and self-managed enterprises, worker cooperatives, trade unions and organizations of the social, solidarity and popular economy, we reject and repudiate the statements of Argentina’s presidential spokesman Manuel Adorni, which are full of ideological prejudices and lies about the cooperatives, and announcing measures that, if implemented, would represent one more blow to the daily subsistence capacity of our cooperative workers and the very existence of our organizations. It is worth remembering (something that Adorni ignores or prefers to ignore) that most of our cooperatives are the organized response of our working class to the abuses and failures of the „free market“ that has been imposed through different governments since the implementation of the civil-military dictatorship that the president and his vice president insist on vindicating. Argentina’s cooperatives have generated, via self-management, tens of thousands of jobs where formal employment ceased to exist and where labor precariousness has led to hyper-exploitation. Our cooperatives and self-managed enterprises are the expression of the dignity of the working people that Milei’s government denies with its measures day after day.
Within these infamous statements appears a big lie: that cooperatives are a „fund“ that „Argentine people finance“. This statement shows that, in the first place, Adorni and Milei do not know that a cooperative is, by definition, an autonomous economic organization, an associated collective of people to generate a productive or service activity and, in the case of worker cooperatives, through cooperation among working people. The State does not finance cooperatives, beyond potential subsidies or programs that they might be given; cooperatives live from our work. In the case of the Potenciar Trabajo plans of recent years, they are individual subsidies which, in many cases, are received by cooperative workers, thus complementing their income and contributing to their recovery in the face of the critical economic situation we are going through and which, in no way, is the responsibility of any cooperative or any worker. Milei and Adorni should look beyond the manuals of the Austrian Economics school they consume to find ample economic evidence that underscores the potential of cooperatives as viable and effective economic organizations based on association and solidarity – although it would be much simpler to approach any of Argentina’s cooperative organizations to see it for themselves.
What is notorious in this case is that, once again, the statements of the presidential spokesman are not consistent with the measure actually taken by INAES (Argentina’s public agency overseeing the registration of and policies for cooperatives and social and solidarity economy organizations), which also deserves our most energetic repudiation. Resolutions 878 and 879/2024, voted by the Board of Directors of the agency, suspends more than 11,000 cooperatives under the pretext of lack of documentation or non-compliance with regulations. They justify these resolutions on alleged continued financing in the years after Macri’s administration of cooperatives that had been suspended by a similar provision of, not by chance, the then president of the agency, Marcelo Collomb. Instead of investigating if there are irregularities, which is one of the functions of INAES, or to try to solve the problems of documentation that the cooperatives may have, INAES adopts the „chainsaw“ attitude characteristic of this government and suspends, without prior notice, thousands of cooperatives, most of them worker cooperatives. This aggressive measure should also be explained by INAES – the representatives of cooperativism and mutualism – and their Board of Directors, starting with Ariel Guarco, who is also current president of the International Cooperative Alliance.
Despite Adorni’s statements, this punitive measure is still far from his announcements of March 27 to cancel all cooperatives created from 2020 to 2022 (and to hold a „special review” of those created in 2023), putting a blanket of suspicion on all our cooperative organizations as living at the expense of public funding, when precisely what we demand is more and better public policies for the development of our form of economy which is the best contribution that the working class can make for the welfare of society as a whole. Adorni lies even in the scope of his announcements, and for those measures, totally illegal and illegitimate in our view, that are yet to come.
For all the above mentioned, we demand the public retraction by the presidential spokesman of the lies and fallacies stated in his press conference of March 27th. We reject any advance of the intended measures against worker cooperativism. We demand the restitution of the programs and measures of cooperative promotion and support to the workers of our sector. And, we demand INAES to comply with its function of promotion and control of cooperatives and mutuals without taking punitive measures such as the above-mentioned resolutions, which must be immediately repealed.
We call on all self-managed workers; workers of cooperativism; and workers of the social, solidarity, and popular economy to mobilize to confront these measures. We also demand that the institutions of cooperativism and mutualism that make up the board of INAES explain their position and not be part of the anti-popular offensive of this government and repeal the resolution they have approved. We also call for strengthening the ties between the self-managed working class and the rest of the working class, especially with all trade union organizations and their centrals, to urgently launch a plan of struggle to defeat this project.

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Aussenpolitik

Worüber reden Linke, wenn sie über Aussenpolitik reden? Linke haben ohnehin bekanntlich eine gespaltene Persönlichkeit. Auf der einen Seite ist man Handarbeiter (von den „Geistesarbeitern“ will ich gar nicht reden), Mietshausbewohner, irgendein Hinz und Kunz; auf der anderen Seite hat man „vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus“, wie es im Manifest heisst.

Wir halten es, wenn wir es ehrlich sagen dürfen, eher mit den Linken, insofern sie Hinze und Kunze sind. An der höheren Einsicht haben wir nämlich unsere Zweifel. Die gemeinsame Hinz- und Kunzheit wäre gerade, was sie verbindet, die höhere Einsicht des einen dagegen trennt ihn von jedem anderen. Als Linke sind wir natürlich selbst mit solcher höheren Einsicht geschlagen.

Als Arbeitnehmer z.B. liegt es nahe, sich mit Kollegen zusammenzutun, aber ganz im Inneren fühlt man schmerzlich, dass mit dem Haufen weder der rote Oktober noch der kurze Sommer der Anarchie nachzustellen sein wird; sie haben weder Adorno gelesen, noch bestimmt der VIII. Parteitag der SED ihr Denken und Tun. Der Linke gleich welcher Konfession steht immer neben sich. Soweit er in seinen eignen Schuhen steht, versteht er die Realität, in der er lebt, genausowenig wie ein gewöhnlicher Mensch; soweit er dagegen sich selbst über die Schulter sieht, begreift er alles messerscharf und haargenau, aber leider gefiltert durch die unsinnige Doktrin, der er anhängt. Seine politische Meinung ist nicht Ausdruck seines Klassenwillens, sondern etwas, das er von aussen dazutut. (In einem Traum ist uns offenbart worden, dass die Stelle bei Lenin, wo es heisst, dass die Arbeiter von allein nur ein reformistisches Bewusstsein entwickeln, denselben Stossseufzer hervorruft bei leninistischen wie bei anti-leninistischen Linken.)

Wenn Linke sich sogar auf ihre eigene Lebensrealität unvermeidlich nur in äusserlicher Weise beziehen können (und wir werfen das niemandem vor, es ist nun einmal einfach so), wie sieht es dann erst in der auswärtigen Politik aus, in Realitäten, die sie nur vom Hörensagen kennen?

Wir verlangen keineswegs, dass man das etwa den sogenannten „Fachleuten“ überlässt. Die „Fachleute“ interessieren sich natürlich einen Scheissdreck, ausser für die Interessen, für die sie arbeiten. Das Problem ist ja doch, dass die Linken viel zu sehr diesen Fachleuten ähnlich sind.

Woher dann der Drang, ja der Zwang, zur Aussenpolitik? „Das Proletariat braucht seine eigene Aussenpolitik“, schon klar, aber es braucht noch viel mehr Dinge, die es nicht hat und nicht ohne weiteres haben wird. Warum ist die Aussenpolitik trotzdem das Kennzeichen, an dem die Sekten sich scheiden?

Es ist es gerade aus diesem Grund. Keine davon wird je real Aussenpolitik machen, man hat sogar von dem, was man redet, keine Ahnung und tut alles, damit es so bleibt. Linke reden, wenn sie von Aussenpolitik reden, über sich selbst. Genauer: sie reden darüber, was für Menschen sie sein wollen. In der Weltpolitik haben sich Hunderte Jahre Revolutionsgeschichte sedimentiert; Kriege, Katastrophen, und Perspektiven der Befreiung, die allesamt gescheitert sind, die allesamt nur noch das Reich des Geistes und der Phantasie bevölkern. Zu diesen positioniert man sich. Man definiert sich selbst und den Platz, den man gegenüber dieser Geschichte einzunehmen beansprucht; und man wird auf diesem Feld und nur dort sicher nie gebeten werden, diesen Anspruch auch einzulösen.

Die Aussagen der Linken über die Aussenpolitik sind nicht durch Zufall so weltentrückt und so losgelöst von allen wirklichen Dingen. Der Mangel an Interesse und Neugier ist echt. Diese Aussagen sind gar nicht als Aussagen über andere Leute gemeint; sie sind Selbstauskünfte über die Illusionen, die man über sich selbst hat. Aussenpolitkik, unter Linken, ist Identitätspolitik.

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