Noch ein mal über die Scheinradikalität der postmodernen Seinslehre

Aus immer wiederkehrenden Anlass möchte ich hier auf eine Kritik der postmodernen Ideologie und ihrer politischen Implikationen auf der Linken aufmerksam machen, die im spanischen Original mittlerweile gut fünft Jahre alt ist. Auch „unsere Schule“ hat immer wieder sich daran versucht, mal mehr mal weniger gulungen. Zugegeben, ein dermaßen diffuses Theoriegebäude (oder -rhizom, Verzeihung) lässt sich kaum konkret kritisieren. Man kann, wie es scheint, zu etwas kommen, wenn man die Kritik nicht von den theoretischen Unstimmigkeiten, sondern von den praktischen Auswirkungen aufspannt. Wie auch immer, versucht’s mal:

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Neues von der Pseudo-Linken (X)

Was man heute die Linke nennt, ist zu einem guten Teil eine Jugendbewegung. Was ist da das Problem?, höre ich euch fragen; war es nicht immer so, dass „die Jugend“ der kritischste, idealistischste, rebellischste Teil der Gesellschaft war? Ja um Gottes Willen….

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Welches ist die beliebteste Zielgruppe der Werbungswirtschaft und warum? Die Alten ab 60 einerseits, weil die Geld haben; aber auch „die Jugend“, die zwar in der Regel wenig Geld hat, aber dafür fabelhaft leichtgläubig ist. Soviel zu dem „kritischen“ Teil.

Wer mit 15-20 die Bühne des gesellschaftlichen Lebens betritt, ist ja nicht, wie der grosse Vorsitzende sagte, ein unbeschriebenes Blatt, sondern hat sein Leben lang natürlich die Vorstellungen dieser Gesellschaft absorbiert, und als einziges Gegengewicht hat man die rein illusorischen Einwände dagegen; diejenigen, die man in seinem eigenen Kopf fabriziert, mit den Begriffen des Verstandes.

Idealistisch also, ja, in der Tat! Und zwar von der bekannten mondkalb-haften Sorte Idealismus, die sich erst später durch harte Arbeit in der akademische Ausbildung zu der gerissenen, boshaften Sorte Idealismus heraufarbeitet, der in den gebildeten Kreisen unserer Gesellschaft vorherrscht. Er ist also eine Illusion, die im besten Fall überwunden, im schlimmeren und häufigeren Fall von der bestehenden Macht in den Dienst genommen wird.

Die tatsächliche Erfahrung bringt den Menschen dagegen eine Art Alltagsmaterialismus bei. Sie empfinden den immer als schmutzigeren, niedrigeren Teil ihrer denkenden Existenz; eine glatte Lüge, und halbe Wahrheit. Denn der Materialismus, selbst der halbe, steht mit denen im Bunde, die mit ihren Händen arbeiten.

Und „rebellisch“? Das ist ein Mythos aus den 1960ern, und er funktioniert wie alle modernen Mythen. Er verdreht Ursache und Wirkung der Rebellion in einer Gesellschaft, die sich tiefgreifend wandelt. Er redet über „die Rebellion der Jugend“, damit die sehr reale Rebellion der arbeitenden Klassen dieser Jahre vergessen werden kann. Und er verschiebt damit den Inhalt der realen Rebellion. Wer diesem Mythos anhängt, wird auch die Tendenzen der heutigen Zeit unvermeidlich falsch deuten.

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Es ist nicht viel Gutes daran, eine Jugendbewegung zu sein oder von einer abhängig zu werden. Es bringt im Gegenteil viel schlechtes mit sich. Nummer eins: eine Jugendbewegung an sich lernt nichts.

Stellen wir uns diese Jugendbewegung wie eine Glockenkurve vor, ihr Maximum über dem 22. Lebensjahr, und so, dass man sie im Durchschnitt mit 27 wieder verlässt (wie Jan Gerber das in einigen kleineren Arbeiten vor Jahren gezeigt hat). Damit kommt man der Realität recht nahe.Für jeden, der mit 27 irgendwann einmal genervt, enttäuscht, oder desillusioniert herausgeht, kommt einer nach, der mit 17 und mit glänzenden Augen nachrückt; der vielleicht seit Jahren ungeduldig darauf gewartet hat, endlich frei zu sein und vollständiges Mitglied dieser Szene zu werden.

An genau dieser Tatsache scheitert jede Veränderung und jeder kollektive Lernprozess.
Irgendwann, vielleicht mit 22, beginnt man, die Notwendigkeit einer solchen Veränderung zu sehen; man sucht sich Verbündete, aber je näher diese an die 27 kommen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie die Szene verlassen. Sie werden ersetzt durch neue, die nicht nur keinen Veränderungsbedarf sehen, sondern im Gegenteil genau das so haben wollen, was sie seit Jahren aus der Ferne bewundern.

Die Veränderung, die einmal zum Greifen nah schien, rückt in immer weitere Ferne; die Kämpfe werden immer aussichtsloser; irgendwann gibt man auf und überlässt die Dinge sich selbst, und es ist reiner Zufall, dass das wahrscheinlich mit 27 sein wird.

So erschafft sich die Jugendbewegung selbst immer neu als Jugendbewegung. Diese Lage kann nicht aufgebrochen werden. Sie verändert sich nach innen nie bewusst und auf Erfahrung hin, sie lernt nicht, sie spült im Gegenteil alles, was gelernt wird, am oberen Ende hinaus. Sie ändert sich nur auf eine Weise, nämlich durch die unklaren Ideen, die am unteren Ende hineingetragen werden; und diese Ideen sind Geschöpfe der gegenwärtigen Gesellschaft, in der man aufwächst, sind von dieser völlig abhängig, auch wo sie versuchen, diese Gesellschaft abzulehnen; sie sind abhängig nämlich von dem Vorrat an Ideen, den diese Gesellschaft den Einzelnen zum Zwecke der Ablehnung zur Verfügung stellt.

Die Jugendgewegung ist, mit einem Wort, die sich selbst bewegende Gestalt der Entfremdung.

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Diese Lage ist von innen nicht aufzubrechen. Sie entspricht der geschichtlichen Lage, dem „Steckenbleiben in einem sich immer fester zuziehenden Schraubstock“; sie ist nur eine Manifestation der allgemeinen Vereinzelung.

Diese Jugendbewegung besteht immer in der nahezu völligen Abtrennung von der eigenen Geschichte dieser Bewegung. Es muss ihr so aussehen, als hat sie keine. Denn die rebellische Jugend von vor 5 Jahren, das ist das selbstzufriedene Establishment von heute; nie und nimmer aber ein Bild aus der eigenen Zukunft.

An die Stelle dieser Geschichte tritt der Mythos von der rebellischen, kritischen, radikalen Jugend, der ihr wie eine Ware verkauft wird. Sie ist damit jeder Manipulation preisgegeben.

Sie ahnen natürlich, dass sie betrogen werden; betrogen von denen, die ihnen lobhudeln, wie kritisch und radikal sie doch sind. Betrogen um die Konfrontation, die ihnen zusteht. Betrogen um das letzte, was in ihrer Lage ihnen noch bleibt, nämlich die Fehler der Älteren wenigestens auf eigene Rechnung zu wiederholen, wenn sie schon einmal verurteilt sind, sie zu wiederholen.

Und dazu verurteilt sind sie auf jeden Fall, wo sie schon gehindert sind, aus ihnen zu lernen.

An der Klimabewegung kann man sehr gut sehen, wie erbarmungslos eine Bewegung zerstört wird allein durch die Umarmung; wie ihr der subversive Stachel gezogen werden kann, und sie zur Spielwiese der Bürgerkinder hergerichtet wird; sobald die scheissliberale Öffentlichkeit einer Bewegung ihre Liebe erklärt, öffnet sie die Schleusen. Denn sowie die unerträglichen Kinder der scheissliberalen Klassen die Erlaubnis haben, dabei mitzumachen, übernehmen sie die Führung; und welche Freaks und Weirdos auch immer die Sache angefangen haben, sie werden alle nichts mehr zu melden haben.

Im Effekt drückt die Gesellschaft der Opposition eine Führung auf, eine Schicht von Recouperateuren. Mitschuldig daran ist eine feige und opportunistische Linke, die es nicht über sich bringt, auch gegen besseres Wissen, zu widersprechen, wo zu widersprechen wäre; die die Jugend also wiederum um die Konfrontation betrügt.

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Feige und opportunistisch nenne ich es, wenn Linke einer offensichtlichen Fehlentwicklung nicht widersprechen, auch gegen besseres Wissen. Über einen besonders haarsträubenden und gefährlichen Blödsinn hab ich neulich Leute, die sich sehr ernst nehmen, sagen hören, dass doch „die meisten Menschen unter 50“ es „heute“ nun einmal so und so sehen. Wer so argumentiert, soll den Laden gleich ganz zu machen; und wer so argumentiert, dem werde ich auch ansonsten kein Wort mehr glauben.

Nehmen wir die Alterverteilung. Sie geht über den 27 noch weiter, aber stark ausgedünnt. Ich schätze, aus eigener Erfahrung, dass 95% abspringen, ehe sie 35 sind. Manche davon, weil sie gescheiter werden, manche, weil sie dümmer werden; aber alle davon entfernen sich aus der Haftungsgemeinschaft. Und die Linke ist an diesem Punkt eine Haftungsgemeinschaft.

Die weit überwiegende Mehrheit der „Linken“, wenn wir diese Jugendbewegung dazurechnen, sind also Leute, die in wenigen Jahren nicht mehr dabei sein werden. Sagt mir doch noch einmal, warum wir auf diese hören sollten.

Warum wir uns von Leuten bestimmen lassen sollten, die nicht lange genug in der Opposition bleiben werden, um auch nur die Ideen loszuwerden, die diese Gesellschaftsordnung in ihre Köpfe gesetzt hat.

Im Gegenteil haben wir die Pflicht, diesen Wellen standzuhalten. Die wenigen von den Jungen selbst, die länger dabei bleiben werden, werden das nicht deswegen tun, weil wir ihnen schmeicheln, sondern weil wir sie herausfordern. Wie war es bei uns selbst?

Wir sind Leute gewesen, die sich ihr Leben lang gegen den „linken Konsens“ aufgelehnt haben. Und das ist der einzige Weg, mit Mitte 40 noch dabei zu sein. Der „linke Konsens“ dagegen ist der Konsens von Leuten, die in 5 Jahren nicht mehr dabei sind. Die, die ihn herausfordern, sind die, die an der Linken weiterarbeiten.

Und natürlich wird es auch denen nach uns nicht anders gehen, Die wenigen, die bleiben werden, werden die sein, die andere Fragen stellen. Sie werden sich selbst durch den Wust der heute herrschenden Ideen durcharbeiten müssen, auch wenn sie sie heute noch teilen; sie, nicht wir, werden ihre mächtigsten Kritiker sein. Diesen Leuten schulden wir unsere Unterstützung, und nicht den gedankenlosen Mitläufern.

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Was tun?

Aus einem neuerdings geräumten besetzten Gebäude wird uns folgendes Foto zugespielt. Wir sind damit grossenteils einverstanden, aber der Vorname „Jochen“ hätte doch unbedingt dazugehört; schon des Metrums wegen.

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Neues von der Pseudo-Linken (IX)

Man kann, wir haben es schon angedeutet, nicht so tun, als wäre mit dem Wort „Pseudo-Linke“ substanziell schon etwas gesagt. Das Problem reicht weiter und geht tiefer in das Hinein, was wir die bestehende Linke nennen müssen.

Wir beobachten heute wahrscheinlich den Untergang der 2010er Linken; eine Formation, über die später noch einiges zu sagen sein wird. Die Lehren, die hier zu ziehen sind, müssen gründlich gezogen werden.

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Das Problem ist, dass jetzt 15 Jahre lang eine Linke dringend nötig war, ein wirklicher Bedarf nach ihr Bestand, während die reale Linke nicht wusste, was tun.Das Ergebnis war, dass die reale Linke überrannt worden ist von einem Haufen von Leuten, die einem unklaren Gefühl nachgingen, meistens aus den Klassen, wo man genug Freizeit hat.

Diese Leute hatten einen Status zu verteidigen, oder eine Aussicht auf einen Status, mindestens einen eingebildeten Erkenntnisvorsprung vor den ungewaschnen Massen.
Sie reden laut von Veränderung, weil sie spüren, dass eine ansteht, aber sie fürchten sich davor mehr als vor allem anderen. Sie müssten sich dazu denen anvertrauen, die sie am meisten hassen, den gewöhnlichen Leuten.

Sie greifen begierig nach jedem noch so dummen Mittel, das ihnen hilft, Distanz zu schaffen. Sie unterschreiben unter die haarsträubendsten Luxusansichten des neuen Bürgertums; und sie hoffen, zu diesem irgendwann aufzusteigen. Was passiert, wenn diese rabiate Armee von konformierenden Rebellen begreift, dass dieser Aufstieg eine Illusion ist, weiss heute kein Mensch. Wir werden sie nicht brauchen können.

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Diese Masse von im Kern unpolitischen Leuten hat auf den Rest der Linken einen korrosiven, korrumpierenden Effekt. Der Applaus, den sie den dümmsten Ansichten schenken, übertönt das Gewissen und treibt viele dazu, ihnen zu folgen. Es ist ein leichtes Leben, wenn man sich zu ihrem Sprecher macht. Es ist unermesslich schwerer, wenn man auf den Dingen besteht, die man früher gelernt hat.

In solchen Zeiten zeigt sich, wie genügsam viele in intellektueller Hinsicht immer gewesen sind, oder wie wenig Auflehnung in ihnen war. Aber wer die Kritik aufgibt und die Auflehnung und die Freiheit, nein zu sagen, hat nichts mehr in der Hand gegen den faktischen Zwang, den Tendenzen seiner Zeit passiv zu folgen.

Und die Haupttendenz unserer Zeit ist ein vernagelter Konformismus, der in den Untergang führt. Zum Glück ist es nie der vernagelte Konformismus der eigenen Seite.

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Aber am Ende sieht es so aus. Diejenigen Leute, die es sich leisten können, haben diejenigen, die es nicht können, seit 15 Jahren um die anstehende Veränderung betrogen.
Sie haben ihnen stattdessen ihre eigenen Hobbies und Obessionen aufgezwungen. Sie glauben selbst nicht, dass sie damit durchkommen. Sie haben gelernt, die Veränderung immer mehr zu fürchten.

Sie ketten sich deshalb immer mehr an das Establishment, je deutlicher es wird, dass das Establishment sie nur benutzt und verachtet. Sie werden nicht froh damit werden. Aber sie sind nicht nur die Betrogenen, sondern auch die Betrüger; sie werden sich aus diesem Bündnis nicht lösen können, weil sie alles verlieren würden, was sie sich aufgebaut haben. Sie verlieren es ohnehin; aber sie sehen es nicht.

Wir sehen im Grunde die 2010er Linke an der Realität zerschellen. Und alle ihre Spezial-Ideen laufen am Ende nur auf eines hinaus, nämlich dass sie nicht einmal in der Lage ist, es zu sehen.

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Die Krise XXV

Die chinesischen Hersteller senkten ihre Preise im Juni wegen der schwachen Nachfrage so stark wie seit siebeneinhalb Jahren nicht mehr. Die Erzeugerpreise fielen um 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistikamt am Montag in Peking mitteilte.

(spiegel.de)
Der allgemeine Preisverfall gehört natürlich zu einer fachgerecht ausgeführten Krise dazu. Er spannt die Brücke von dem Ausbruch der Krise, der sie immer erst wie eine Angelegenheit der Kapitalmärkte aussehen lässt, zum allgemeinen Sinken aller Einkommen. Dieses steigert sich, je nach Fall, bis hin zum Zusammenbruch des Kredits und der völligen Stockung der Zirkulation.

Gegenmittel sind bekanntlich Erhöhung der Staatsausgaben und Verbilligung des Zentralbankgelds. Aber die öffentlichen Finanzen sind ohnehin schon in Schwierigkeiten, und Erhöhung der Geldmenge alleine wirkt nur dann, wenn sie die Exportnachfrage erhöht; sie exportiert dann aber, durch Senkung der nominellen Preise der Exportgüter, auch den Preisverfall auf die Weltmärkte.

Das heisst: in jeder Ökonomie, die nach China exportiert, und aus China importiert, hätte die Konkurrenz mit denselben sinkenden Preisen zu kämpfen.Spätestens dann ist die Krise allgemein, und dieser Punkt ist jetzt in Sichtweite.

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Neues von der Pseudo-Linken (IIX)

Da es unter den dümmsten und gedankenlosesten Freunden der bestehenden Gesellschaftsordnung heute Mode ist, die Worte „Ok, Boomer“ für ein vollständiges politisches Programm zu halten, dokumentieren wir hier ein Flugblatt, das uns untergekommen ist, von dem wir selbstverständlich nicht wissen, wer es verfasst hat.

Wir kannten eure Boomer-Eltern, als sie jung waren, und sie waren wirklich so scheisse. Wollt ihr wissen, wie scheisse?

Einiges von der rollenden Hölle der heutigen Realität ist vor zwenzig Jahren aus Gleis gesetzt worden. Die faktische Abschaffung der Altersrente, Leiharbeit, Kettenbefristungen, Hartz-Reformen, eine irren Hochschulreform und eine irren Krankenhausreform. Das tat man, um „Deutschland zukunftsfähig zu machen“; was darauf hinauslief, dass es jeder Generation seither schlechter geht als der vor ihr.

Die Grundlage für diesen schönen „Aufschwung“ war übrigens das billige russische Gas, für das man Putin erlaubt hatte, sich zum Herren Russlands zu machen. Sein Weg dahin führte über die Einebnung Tschetscheniens, was niemanden hinderte, ihn als zuverlässigen Verbündeten zu loben. Gaskraftwerke wurden als „Brückentechnologie“ für die „Energiewende“ angepriesen, das Gas wurde erkauft mit den Ruinen von Grosny.

Damals hat man die Staatsbetriebe Bahn und Post abgewickelt, weil öffentliche Transportinfrastruktur rückständig ist, und den Verkehr auf die Strasse getrieben, weil das die Zukunft ist. Damals hat man alles für das Auto getan, weil davon die Aussenwirtschaftsbilanz abhängt.

Eure Eltern haben das alles nicht einfach nur widerstandslos hingenommen, sondern sie waren sehr begeistert davon, was für fortschrittliche und moderne Leute sie waren, dass sie das geschehen liessen. In der älteren Zeit hatte man einmal Einwände gegen solche Dinge gehört, und sie waren froh, dass man sie nicht für so altmodisch hielt, auf diese Einwände zu hören. Sie waren dankbar, dass man ihnen einredete, sie lebten jetzt in irgendeiner neuen Zeit, und sie glaubten ernsthaft, dass ihnen die Sonne aus dem Arsch scheint.

Sie gingen ganz einfach davon aus, dass sie gescheiter waren, weil sie jung waren und die Welt nicht anders kannten, als sie zu ihrer Zeit war. Sie freuten sich, dass die kartellierten Medien sie in diesem Glauben bestätigten. Sie hatten kein Gramm Kritik in sich und kein Gramm Auflehnung. Mit einem Wort, sie waren die dümmsten Batzen, die wir je gesehen haben.

Aggressive Mitmacher mit unheilbar gutem Gewissen, unausstehlich strebsam und dumm gläubig. Eine Zeitlang dachten sie vollkommen im Ernst, wenn einfach alle Aktien kaufen, werden alle reich, und deswegen stimmt alles nicht mehr, was man früher einmal über den Kapitalismus und die Lohnarbeit gesagt hat. Ohnehin glaubten sie, dass sie in einer Zeit nach der Geschichte lebten.

Sie waren fanatisch auf der Suche nach „Selbstverwirklichung“, aber niemand glaubte ihnen das Wort „selbst“. Eine Zeitlang war jeder ein Anlageberater. Sie konnten nicht aufhören, mit ihren T-Online-Aktien anzugeben, bis endlich die Aktienmärkte abgeraucht sind; erst dann wurde es etwas erträglicher.

Seitdem sind sie damit beschäftigt, herauszufinden, wo nur auf einmal die Katastrophe in der Pflege herkommt, die Altersarmut, die ganze ausbeuterische Scheisse, und warum die Hochschulen so kaputt sind, auf die sie ihre Sprösslinge schicken. An ihnen kann es nicht gelegen haben, sie haben alles richtig gemacht. Sie sind für alles das gewesen, für das alle anderen auch gewesen sind, und haben sich über diejenigen lustig gemacht, die dagegen waren.

Wer damals schon so unverzeihlich rückständig war, auf alle diese Dinge hinzuweisen, war ein sozialistisches Fossil, bedauerlicher Fall von „altem Denken“, der sich schwer tat mit der neuen Zeit.

Aber natürlich kamen sie sich nicht vor wie menschenfeindliche Neoliberale, sondern sie fühlten sich als fortschrittliche, weltoffene Menschen, die endlich alte Zöpfe abschnitten und mit der Zeit gingen. Die meisten hielten sich für kritisch und für total alternativ, während sie exakt alles das taten, was alle um sie herum auch taten.

Es ist schwer, zu erklären, was für gehirngewaschene Idioten damals rumgelaufen sind, es sei denn, man nimmt sich ein Beispiel aus der allerneuesten Zeit. Wir wollen versuchen, es so zu erklären:

Eure Boomer-Eltern waren ganz genau so unerträglich wie ihr. Man könnte fast meinen, ihr seid ihre Kinder. Völlig zu Recht werden sie verflucht von denen, die nach ihnen kommen.

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Neues von der Pseudo-Linken (VII)

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Vielleicht gibt es ein einziges Kriterium. Diejenigen, die so irrsinnig stolz darauf sind, „Linke“ zu sein, die es für eine unglaublich tolle Sache halten, und die deswegen fast zwanghaft alles, was ihnen nicht gefällt, aus der Linken hinausdefiniert haben wollen, weisen uns hier den Weg. Sie wissen nichts von der abgrundtiefen Verzweiflung an der Linken, die jeder Linke kennt; nichts von der brennenden Ungeduld mit ihrer vernagelten Dickschädeligkeit, ihrer Unfähigkeit, ihrer Faulheit und Feigheit. Sie sind mit sich und der Welt im grossen und ganzen zufrieden. Diese Leute sind ganz offensichtlich keine Linken, sondern irgendetwas anderes. Es gibt ein paar Möglichkeiten.

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So wie es Live Action Role Players gibt, die in selbstgebastelten Rüstungen Mittelalter spielen, gibt es LARPer, die mit selbstausgedachten Parteien und Ideologien „Linke“ spielen.

Man tut sich leicht, es einfach als Ärgernis abzutun. Hat es sowas nicht schon immer gegeben? Waren wir nicht alle auch einmal so? Früher oder später werden sie diese Leute sich ihren Karrieren zuwenden, dann ist Ruhe. Aber dann wachsen andere nach; es wird nie anders werden. Und diese Leute haben eine ganz andere Sorte Unterstützung in der Medienöffentlichkeit und den Regierungsparteien; weil sie deren Modethemen völlig bedenkenlos übernehmen und bis ins Absurde übersteigern, tun sie diesen einen unschätzbaren Dienst; im Vergleich sieht die Regierungslinke harmlos aus, und sie ersticken effektiv jeden Einspruch von links.

Sie haben die ausserparlamentarische Linke zu einem Spielplatz für die Kinder der Bürgerklasse heruntergebracht. Die Situationisten hätten diese Leute Recouperateure genannt, sie erobern für ihre Gesellschaft dasjenige Terrain zurück, was an eine frühere oppositionelle Strömung verloren gegangen ist.

Jede potentiell oppositionelle Strömung, jede neue Generation war immer in der Versuchung, sich in die Kostüme historischer Vorgänger zu kleiden; darüber kann man sich mokieren, aber es lässt sich ja schlecht vermeiden. Diese historische Kostümierung ist vielleicht selbst schon ein Teil des Problems; es zeigt allen an, dass man sich nicht sicher ist über seinen eigenen Platz, und auch nicht über die Grundlagen der Opposition, die man sein will.

Wer aus der Punkszene kommt, kennt sicherlich den Moment, wenn ein bestimmter Ort, den man besucht, auf einmal einen anderen Schlag Leute anzieht. Ein bisschen zu gepflegt, ein bisschen zu gewandt, ein bisschen zu mühelos cool. Ein bisschen zu glatt. Es sind erst sehr wenige, und man weiss nicht, was an ihnen nicht stimmt. Die Introvertiertesten spüren es zuerst. Später kommen mehr von der Sorte. Geübt drängen sie sich nach vorne. Sehr bald haben sie das sagen. Sinnlos, ihnen klarmachen zu wollen, dass der Ort und die Szene und die Musik nicht für sie gedacht sind, sondern für andere, zerbrechlichere, verzweifeltere, ärmere; diese Leute bedeuten ihnen soviel wie der Dreck unter ihren Schuhen. Respekt haben sie nur vor Leuten ihrer eigenen Sorte.

Es ist völlig sinnlos, den LARPern etwas klarmachen zu wollen. Es führt nirgendwohin, sie sich als blosses Ärgernis vom Hals halten zu wollen. Man muss sie ernst nehmen als historische Erscheinung und als Bedrohung.

Sie zeigen an, dass für eine bestimmte Sorte von linker Politik die Zeit abgelaufen ist. Wenn sie von ihrer eigenen Parodie nicht mehr unterschieden werden kann, dann ist sie selbst zu einer Gestalt der Parodie geworden.

Sie führen uns vor Augen, in welchem Mass diese Gesellschaft in der Lage ist, uns unsere Begriffe, unsere Organisationsformen abzunehmen und mit ihnen zu hantieren gegen uns. Und, was noch viel interessanter und aufschlussreicher ist, in welchem Mass nicht: das wird der Kern sein, um den herum man sich in Zukunft sammeln wird.

Denn „recouperiert wird nur, was sich recouperieren lässt“. Weggenommen wird einem von diesen Leuten nur das, was als Schmuck für bessere Leute taugt, als Spielzeug, als Accessoire.

Es ist kein Zufall, dass es meistens die Sprösslinge der Klasse sind, die uns unter ihrem Stiefel hält. Und was sie treiben, muss man als einen Teil dieses Stiefels erkennen. Wie weit sich diese Erkenntnis verbreitet, und was für Folgen daraus gezogen werden, wird (neben einigem anderen) über die nähere Zukunft der Linken entscheiden.

Wird fortgesetzt

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Neues von der Pseudo-Linken (VI)

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Seit unserer letzten Folge dieser Serie ist einige Zeit vergangen, und die Serie selbst wurde Gegenstand einiger Vorträge und Tumulte. Das ist gut und nicht schlecht; in einer Gesellschaft von unserer Sorte kann es ohne Tumult keinen Erkennntisfortschritt geben und keine Klärung.

Jede Diskussion, jede Weiterentwicklung wird auf die Bahn des Konflikts und der Eskalation gezwungen, und erst durch diese hindurch ist überhaupt daran zu denken, zu einer Veränderung zu kommen. Die Veränderung aber ist unhintergehbar, weil der bestehende Zustand unhaltbar ist.

Wenn die Linke die Veränderung nicht betreibt, wird sie die Veränderung passiv erleiden. Die Vorstellung, man könne es langsam angehen lassen, ist eine gefährliche Illusion.

Es ist also, wenn überhaupt, überall zu wenig Tumult.

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In den vorherigen Beiträgen sind wir eine Erklärung schuldig geblieben, nämlich diese, was oder wer eigentlich die Linke sei. Es soll nicht der Eindruck stehen bleiben, als glaubten wir an eine authentische Linke, die nur erst vom postmodernen Geröll freizulegen wäre; oder als wäre die Linke vor sagen wir 15 Jahren von dem Wahn, den wir beschreiben, völlig frei gewesen.

Im Gegenteil wird eine Kritik der heutigen Pseudo-Linken nicht möglich sein, ohne sich über die Problematik Rechenschaft zu geben, in der die Linke von jeher gelebt hat und weiterleben wird, solange diese Gesellschaftsordnung besteht. Eine solche Kritik ist nicht billig zu haben, indem man dem Finger auf die „andere“ Seite zeigt; und man hat uns niemals nachsagen können, dass wir mit unserer eigenen Seite besonders schonend umgegangen wären.

Es gehört natürlich zu dem liebsten Zeitvertreib unter „den Linken“, über andere zu sagen, dass sie keine „richtigen Linken“ seien; mit solchen Spässen beschreibt man allerdings immer nur sich selbst, oder das, was man gerne wäre. Umgekehrt gibt es, unter Ultra-Linken, Situationisten, Marxologen und Antideutschen, die Vorliebe, so zu tun, als wäre man selbst nicht Teil dieser Linken.

Dazu ist zu sagen: die Linke an diesem Punkt ist vorallem eine Haftungsgemeinschaft. Man wird für alles das, was in ihrem Namen aufgeführt wird, angeschaut werden, man mag es wollen oder nicht, man mag sich herausdefinieren wollen oder hineindefinieren, wie man will.

Man teilt sich die Linke, ob man es will oder nicht, mit allerhand anderem Volk, man sitzt dort nicht, weil es so toll ist, dort zu sitzen. Es ist eine paradoxe, fast unmögliche Position: man betreibt die Sache der Befreiung von Leuten, die sich standhaft weigern, sich befreien zu lassen. Wer das Geschäft, das man da treibt, nicht in lichten Momenten als ausserordentlich belastend, fast aussichtslos und objektiv wahnsinnig empfunden hat, hat es wahrscheinlich nicht richtig gemacht.

Die Sache, für die man da arbeitet, ist wahlweise entweder hundertemale gescheitert, oder hat alle Verbrechen begangen, die man nur begehen kann. Man kann hunderte Schlüsse darüber ziehen, wie man es besser machen kann, aber schon der erste Schluss wirft sie alle über den Haufen: dass es nämlich bei der Befreiung anderer Leute gar nicht darauf ankommt, was wir persönlich für richtig halten.

Man hat es mit einer Gesellschaftsordnung zu tun, über die man sagen muss, dass sie ihren Insassen die Möglichkeit nimmt, sich über ihre allgemeinen Angelegenheiten ins Klare zu kommen, und hat sich mit dem Problem herumzuschlagen, wie ausgerechnet man selbst sich über diese Angelegenheiten ins Klare kommen soll. Man hat es mit anderen zu tun, denen das auch klar sein mag und die trotzdem zu völlig anderen Schlüssen kommen. Man hat Konflikte zu führen, auch wenn anscheinend wenig davon abhängt; weil man eine bloss partielle Erkenntnis zu verteidigen hat gegen andere ebenso bloss partielle Erkenntnisse.

Too early for the rainbow, to early for the dove. Die Konflikte führen sich nicht alleine, und man hat sich nichts zu schenken. Feigheit vor dem Freund ist unverzeihlich. Man ist Gefangener dessen, was man für wahr erkannt hat. Will man es anders haben? Aber wenn man heute etwas am allerwenigsten brauchen kann, ist es eine Linke, die nicht wirklich meint, was sie sagt.

Die heutige Pseudo-Linke ist eine so auffällige Erscheinung, dass man sich noch eine Weile mit ihr beschäftigen muss. Aber sie hätte das nie werden können, wenn die Linke selbst ohne alle Schuld wäre. Man soll sich nicht die Illusion machen, sich eine Kritik der Linken, eine Kritik der Form Politik überhaupt ersparen zu können; es wird danach nichts wieder wie vorher sein können.


Fortsetzung demnächst

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6.7. Würzburg: Castoriadis

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News unter dem Radar IV

Alle möglichen Fronten scheinen gerade in Bewegung zu geraten. Der Russische Freiwilligencorps versetzt die Bevölkerung und die russländische Obrigkeit im Belgoroder Gebiet in Schock, der Staat zieht sich zurück, mehrere Ortschaften sind bereits gespenstisches Niemandsland, Schebekeno wird von unternehmungslustigen Menschen geplündert. Der Dekolonisierungsfanclub meldet sich zu Wort, manche der sympathischen Nerds und Drangons&Dungeons-Spieler haben allerdings einen sehr interessanten Werdegang. Mich wundert das, ehrlich gesagt, gar nicht: vor 15 oder mehr Jahren war diese antikoloniale Cosplay-Bewegung recht populär in Russland, ob sie sich Idel-Ural nannte oder z.B. Ingria, und da tummelten sich jede Menge NS-Anhänger. Warum nicht wieder, also, angesichts der Anrückenden Freunde? Das Gesicht des Freiwilligencorps, Denis „White Rex“ Kapustin lobt allerdings den „Wagner-“Chef(koch) Jewgenij Prigoschin als einen „russischen Patrioten“. Schauen wir mal, vielleicht bahnt sich noch eine sehr pikante Allianz in der Zukunft an.

Das private Militärunternehmen „Wagner“, welches erstens nicht privat, zweitens nach den russländischen Gesetzen gar nicht existiert, liefert sich Wortgefechte mit der privaten Armee „Achmat“von Ramsan Kadyrow, die ebenfalls nicht privat, sondern ein Teil der russländischen Nationalgarde ist. Das Verhältnis bleibt aber kollegial und freundschaftlich: Man kenne sich eigentlich noch seit der 1. und der 2. tschetschenischen Militärkampagne und sei bereit noch ein Auswärtsspiel in Grosny zu bestreiten. Nachdem „Wagner“ über jede Menge Kampferfahrung verfügen und „Achmat“ nur für Schutzgelderpressung, Einschüchterung vom Menschenrechtlern und TikTok-Videos mit nachgestellten Kampfszenen bekannt ist, würde Kadyrow im Ernstfall nur noch Gott helfen können. Es kann natürlich auch sein, dass Prigioschin sich ein bisschen übernimmt, denn er scheint parallel noch die regulären russländischen Streikkräfte hart zu trollen. Es ist bekannt, dass sie sich bereits die Rückzugswege gegenseitig verminen; neuerdings nahmen die Söldner einen Offizieren der russländischen Armee nach einem kurzen Gefecht gefangen, den sie jetzt eintauschen wollen.

Indes sprenge mutmaßlich die russländische Armee den Staudamm des Kachowkaer Wassekraftwerk, welches als eine der großen Baustellen der heroischen Epoche des Stalinismus 1956 fertig gestellt und in Betrieb genommen wurde. Nach uns die Flut (und später die Dürre – auf der Krim). Auf die scharfe Verurteilung seitens der deutschen FFF warten wir noch, aber es lässt sich aber vermuten, dass auf diese originale Weise der Rückzug von der Krim eingeleitet wird.

Der 3-tägige Militäraufflug nach Kyiv kommt im Schneckentempo zurück nach Hause. Der „Meister der Rackets“ ist kein Meister mehr und empfängt in seinem Bunker vorzüglich nur guten Nachrichten über den Verlauf der „Spezialoperation“. Kann sein, dass das bereits der Anfang vom Ende ist, die Rackets wetzen schon die Messer, die Künstler erschnüffeln schon am Po des Zeitgeistes die kommende Katastrophe (meine wärmste Empfehlung!), die Trägheit der russländischen Wirtschaft und die Geduld der Gesellschaft sollte man jedenfalls nicht unterschätzen. Das Wassen steht schon bis zum Hals, aber man kann ja immer noch so tun, als wäre nichts gewesen – wie der russische Gouverneur von Cherson, der vor dieser traumhaften Kulisse was vom normalen Alltag erzählt:

Die Frage bleibt jedoch: Wer entnazifiziert RuZZland? Es ist niemand da.

Nutzt ansonsten die Gelegenheit, schickt ein paar Groschen den Leuten, die im Katastrophengebiet gerade Menschen und Tieren in Not helfen: https://zgraya-help.com/en/home/

– spf

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Kunstwerk aus dem Heft #18 versteigert

Irgendeine gütige Seele beschloss,  das Thier finanziell zu unterstützen, und erwarb das Bildnis des hl. ndejras aus der vorletzten Ausgabe. Danke dafür, das Thier weiß das sehr zu schätzen! Ihr alle könnt euch btw daran ein Beispiel nehemen und der Redaktion schleunigst was Gutes thun.

(Wenn wir und trotzdem was wünschen dürften: Man hätte das Bild vielleicht doch nicht gleich auf dem Klo aufhängen sollen).

 

 

 

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Interview zu aktueller Lage im russischen Hinterland

Aus dem aktuellen Heft (#19), geführt in Januar oder Februar. Hinterland war allerdings auch damals schon nicht gleich Hinterland. – das GT

GT: In erster Linie interessiert mich dein subjektives Empfinden des Krieges fern der militärischen Auseinandersetzungen, in der Provinz. Wie äußert und fühlt sich an im Alltagsleben, z.B. offizielle Propaganda, Zensur, Mobilisierung, die sog. Exportsubstitution und sonst welche wirtschaftlichen Folgen der «Speziellen militärischen Operation»? Grob gesagt, was ist mit bloßem Auge sichtbar?

B: Kaum jemand hat ernsthaft geglaubt, dass ein realer Krieg ausbricht, zudem ohne einen Grund bzw. irgendeine Provokation. Am Anfang hatte er kaum Einfluss auf den Alltag, mit dem Fortdauern der militärischen Handlungen aber wurde klar, dass deren Folgen früher oder später alle treffen würden. In erster Linie betrifft das den Konsum, das Wegziehen der Unternehmen aus dem Land hat sich rasch am Automarkt geäußert, wo die Preise für Autos mehrfach gestiegen sind; Autowerke, die Autos zusammengebaut haben, stellten die Produktion ein und drohen, zu schließen und das Personal zu entlassen. Außerdem beginnen Lebensmittel wie Cola, zu verschwinden, die versucht wird, durch andere Marken zu ersetzen. Das Unterbrechen der üblichen Lieferketten und Probleme mit dem Währungskurs wirkten sich auf Lebensmittelpreise aus, die die ganze Zeit während der sog. Spezialoperation immer weiter steigen. Was ins Auge springt: Graue Verpackung für Milchprodukte anstatt der weißen, es ist kein Tetra Pak mehr, deswegen leckt sie und die Milch wird schneller sauer. Die Preise sind beinahe für alles gestiegen, früher konnte man mit 500 Rubel einkaufen gehen, heute reichen auch 1000 Rubel nicht mehr. Verschwunden sind viele beliebte Produktmarken, meistens sind das aber keine Produkte des alltäglichen Bedarfs (Cola, Chips, McDonalds usw.), also für mich persönlich ist das nicht relevant. Dafür hat uns das Blockieren von sozialen Netzwerken schwer getroffen, jetzt weiß man einfach nicht, was bei den Freunden und in der Welt passiert, weil hauptsächlich dafür Facebook und Instagram genutzt wurden. Einen aktuellen Ersatz gibt es dafür nicht. Und natürlich hat die Mobilisierung keine zusätzliche Beliebtheit den Obrigkeiten gebracht, da es sich herausstellte, dass potenziell alle Bürger eingezogen werden könnten, die im Ganzen neutral zum Krieg eingestellt waren, solange er sie direkt nicht betroffen hatte.

GT: Über das Internet und Facebook usw. Anfangs habe ich dich noch im Netz gesehen, das letzte halbe Jahr sehe ich weder dich noch andere. Klappt das gar nicht mehr? Gibt es denn keine populäre Möglichkeiten, die Sperre zu umgehen wie VPN oder Ähnliches?

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Veröffentlicht unter Geschireben | Kommentare deaktiviert für Interview zu aktueller Lage im russischen Hinterland